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Mutters

Agenda

siebenten Band

29. Oktober 1966

Was möchtest du mir zu deinem Geburtstag sagen?

Ich würde gern mehr für dich tun, und besser.

Besser ist schwierig. Mehr – dazu bräuchten wir beide mehr Zeit. Wir könnten viel tun, das weiß ich, aber es bräuchte Zeit.

Ich würde dir gern mehr dienen.

Es gibt viele, viele Dinge... Erst letzte Nacht waren wir lange Zeit zusammen. Aber wir sind zusammen, um zusammen zu arbeiten. Verstehst du, es ist nicht so, daß du dich um mich kümmertest oder ich mich um dich. Nein, wir treffen uns, weil wir zusammen arbeiten. Und dies sind große Bewußtseinsbewegungen.

Im Grunde mag ich die mentale Aktivität nicht – ich habe sie noch nie gemocht. Eine Zeitlang arbeitete ich viel im Mental, dies war die Phase der mentalen Entwicklung, als ich Philosophie betrieb – alle Philosophien, vergleichende Philosophie –, um den Intellekt flexibel zu machen. Aber im Grunde interessiert mich das nicht. Die Bewußtseinszustände jedoch – die Bewegungen des Bewußtseins, die Zustände des Bewußtseins – das ist ungemein interessant! Und gegenwärtig ist eine sehr intensive, das heißt eine sehr eingehende Studie über den Zusammenhang zwischen den Bewußtseinszuständen und dem Phänomen des Todes im Gange.

Alle Anschauungen der Menschen über das, was sich nach dem Tod ereignet, sind im Grunde... Die Menschen haben in dieser Hinsicht viel gesucht, nicht wahr, und manche Religionen meinen, eine Erklärung gefunden zu haben... Auch ich hatte persönliche Erfahrungen. Doch jetzt stellt sich das Problem auf eine neue Weise, als ob (ich sage "als ob", weil ich noch nicht zu einem Schluß gekommen bin und noch nichts Genaues weiß), als ob sich nicht die Persönlichkeiten von Leben zu Leben erhalten, sondern BEWUSSTSEINSZUSTÄNDE, die zugleich unsterblich und in fortwährender Transformation sind: was sich durch die verschiedenen Leben transformiert, scheint demnach der Bewußtseinszustand zu sein... Manche Leute haben einen einzigen Bewußtseinszustand, und andere haben viele (manche haben sogar zwei einander fast entgegengesetzte Bewußtseinszustände, was eine "doppelte Persönlichkeit" und diese Widersprüche im Leben verursacht). Manche Menschen sind sehr einfach, sie haben nur einen Bewußtseinszustand, und das sind dann beinahe primitive Individuen, aber manchmal haben sie auf dieser Ebene eine wunderbare Entwicklung erreicht... Dies erklärt viele Widersprüche. Und zur Zeit wird mir das deutlich gezeigt: Bewußtseinszustände, die viele verschiedene Aggregatsformen durchlaufen. Nun gilt es auch dort, das Geheimnis zu finden, wie ein bestimmtes Aggregat verlängert werden kann, nicht im Sinne der Unsterblichkeit (das ist etwas ganz anderes) sondern einer unbeschränkten Lebensdauer – und zwar der Form, um genau zu sein (das Leben hört niemals auf): der Form. Wenn diese Studie einmal abgeschlossen ist, wird ein weiteres Geheimnis geklärt sein.

Sehr interessant.

(Schweigen)

Vorletzte Nacht habe ich lange Zeit mit Sri Aurobindo verbracht, fast zwei Stunden. Ich habe dir erzählt, daß er so etwas wie eine "Wohnstätte" im Subtilphysischen hat – herrlich, wirklich herrlich! Dort ist alles immer so weit und klar und deutlich und doch ganz offen. Und ich habe den Eindruck... (Mutter seufzt) ach, offen, licht: immer. Er ist da... vielleicht nicht mehr ganz vergleichbar mit dem, was er hier war, aber für mich macht das keinen Unterschied, weil die Veränderung sehr allmählich eintrat. Ich bin Sri Aurobindo fast Tag für Tag, Schritt für Schritt gefolgt. Vielleicht ist er etwas größer, vielleicht ist er von einer Gestalt, die eine größere Vollkommenheit aufweist, ich weiß nicht, aber für mich ist sein Ausdruck... (Mutter lächelt mit geschlossenen Augen) unbeschreiblich. Ich verbrachte also eine lange Zeit mit ihm in diesen riesigen Räumen, die keine Grenzen haben. Verstehst du, man hat den Eindruck, man könne unendlich weit gehen von einem Raum oder von einem Ort zum anderen. Und in einem Teil mit einer gewissen Anzahl Räume (vier oder fünf oder sechs, ich weiß nicht mehr, jedenfalls große Räume) leitete er eine "Töpferei" – stell dir das vor! Es waren aus Ton gemachte Objekte, aber es erforderte kein Brennen, kein Glasieren oder so etwas – nicht wie hier. Aber es waren Formen, die wie Getöpfertes aussahen, und sie hatten eine Macht, sich zu manifestieren (Mutter macht eine Geste nach unten). Alles war vertreten: Tiere, Pflanzen, Menschen, Dinge, alles, in allen möglichen Farben. Und ich ging vom einen zum anderen, schaute es mir an und erklärte. Ich war lange mit ihm zusammen gewesen und wußte genau, warum und wie es gemacht wurde. Anschließend ging ich und studierte die Arbeit und beobachtete. Dann richtete man die Zimmer her und stellte die Sachen an ihren Platz: wie um das Resultat zu zeigen. Und die Sachen waren... ansprechend in ihrer Schlichtheit, und dennoch enthielten sie eine außergewöhnliche Macht der Manifestation. Alles hatte eine tiefe Bedeutung. Ich hatte ein Stück genommen, das aus ganz dunkler, rotbrauner Erde bestand, und es war "schlecht gemacht", das heißt, die Form war nicht gut, und ich zeigte sie dem "Vorarbeiter der Töpferei" (in jedem Raum gab es einen verantwortlichen Vorarbeiter). Unten war dieses Gebilde ziemlich dick, mit einem kleinen Stück oben (Mutter zeichnet eine Art Vase mit einem Hals), auf jeden Fall war es nicht gut geformt. Ich machte ihm das klar und sagte: "Sehen Sie, es ist nicht ausgewogen." Und während ich es in der Hand hielt, zerbrach es. Er sagte: "Ach, ich werde das flicken." Ich darauf: "Wenn Sie wollen... Aber es ist nicht, wie es sein sollte ..." Verstehst du, man erzählt das in unseren Worten, aber dort hatte es eine ganz präzise Bedeutung. Dann waren da große Öffnungen zwischen den Zimmern (es waren keine "Zimmer" sondern riesige Säle), und eine führte auf den Platz hinaus, wo man "Fische" machte. Aber die Fische waren gar keine Fische (!), sie standen für etwas ganz anderes. So große Fische, aus Ton, farbig und schimmernd, herrlich! Einer war blaugrün und ein anderer gelblich-weiß, aber so schön! Man stellte sie auf, als wäre der Fußboden Wasser; man legte die Fische auf den Boden, mitten auf dem Weg. Da dachte ich: das ist nicht sehr praktisch beim Durchgehen. (Mutter lacht) So erzählt, hört sich das alles wie eine Kinderei an, aber dort hatte es eine ganz tiefe Bedeutung.

Das war sehr interessant.

So verbrachte ich mindestens zwei Stunden. Es muß zwischen ein und drei Uhr nachts gewesen sein. Ein Eindruck von etwas überaus Friedlichem und Behaglichem, voller Licht und Bewußtsein – vor allem voller Bewußtsein – ach, einfach wunderbar! Das Bewußtsein hier kommt einem im Vergleich dazu furchtbar begrenzt vor. Und dann wird es noch schwerfälliger durch die Tatsache, daß es sich durch das Denken ausdrückt: das macht es schwer, verengt und versteinert es. Dort hingegen kann sich das Bewußtsein frei bewegen, im hellen Licht, ach, eine so klare Atmosphäre – so hell und transparent... keine Schatten... und dennoch weist alles eine Form auf. Es gibt sogar Straßen (auch andere Orte), aber alles ist voller Licht.

Dieser Eindruck hielt noch Stunden hinterher an.

Und das scheint sich zu entwickeln und mit phantastischer Geschwindigkeit Gestalt anzunehmen: von einem Besuch zum anderen (manchmal liegt vielleicht eine Woche dazwischen) vollzieht sich eine ungeheure Veränderung. Sri Aurobindo selbst verändert sich. Ich finde ihn... Früher – vor zwei Jahren, zum Beispiel – fand ich, daß er fast genauso aussah, wie er physisch war (ich habe ihn zwar fast von Anfang an in seiner supramentalen Wirklichkeit gesehen, aber das ist ganz anders) – ich spreche von dem Sri Aurobindo, der mit uns dauernd in Kontakt steht – dieser ist wie eine Emanation des anderen (des supramentalen Sri Aurobindo) und wie die Fortsetzung des Sri Aurobindo, der mit uns gelebt hat. Nun, eine gewisse Zeitlang ähnelte er viel mehr seiner alten Form als jetzt. Jetzt gleicht er mehr dem anderen. Aber trotzdem ist er immer noch ganz nahe bei uns.

Und die Arbeit geht schnell, so schnell.

(Schweigen)

Manche Leute dort lebten früher auf der Erde, aber nicht viele. Dort traf ich auch mehrere Male Sri Aurobindos alte Köchin (während des ersten Jahres nach ihrem Tod sah ich sie dort sehr oft). Wie hieß sie doch gleich?

Mridou.

Mridou! Sie hat sich auch sehr verändert, sehr, aber... (Mutter lächelt heiter) irgendwie ist sie immer noch dieselbe.

Jedenfalls hatte ich den Eindruck (das war gestern, glaube ich), daß die Dinge sehr viel einfacher und viel weniger dramatisch sind, als das menschliche Denken es sich vorstellt. Merkwürdig, mehr und mehr habe ich den Eindruck von etwas, das... es ist gar nichts Geheimnisvolles, und nur unsere Art zu denken und zu fühlen legt das ganze Geheimnis und Drama hinein – dabei gibt es das gar nicht.

Ach, wie die Menschen alles dramatisieren!

Das gilt auch für ihre Beziehung zum Göttlichen... Gestern morgen, während ich arbeitete (als ich die Eier verteilte), spielte man mir die Musik von Sahana 1 vor, ein Stück von ihrer Gruppe, das in die Kategorie "religiöser Musik" fällt. Gewisse Klänge kann man als "religiöse Klänge" bezeichnen, und gewisse "Klangverbindungen" sind universell, das heißt, sie gehören weder einer Epoche noch einem bestimmten Land an. Und zu allen Zeiten und in allen Ländern stießen jene, die dieses religiöse Gefühl empfanden, spontan auf diesen Klang. Während die Musik spielte, kam mir plötzlich ganz deutlich diese Wahrnehmung (es handelt sich um eine Kombination von zwei oder drei Klängen), zusammen mit dem genauen Bewußtseinszustand, der diese Klänge erzeugt und der immer derselbe ist: ein sich wiederholender Bewußtseinszustand. Die ganze Begleitung klingt anders, und natürlich verdirbt das immer alles. Aber diese zwei oder drei Klänge sind erstaunlich schön in ihrem genauen, präzisen Ausdruck der religiösen Empfindung, des Kontaktes (Geste nach oben) und der Verehrung: der Kontakt der Verehrung.

Das war sehr interessant.

In ihrem Stück findet sich dieser Klang zwei- oder dreimal. Alles übrige sind Füllsel. Aber das... Ich habe das schon in Kirchen gehört, in Tempeln und bei mystischen Versammlungen... immer vermischt mit allen möglichen anderen Dingen, aber... Und diese Klänge evozieren absolut eine solche Wirkung – in Wirklichkeit aber ist es umgekehrt: der Bewußtseinszustand erzeugt die Klänge, doch wenn man die Klänge hört, bringt einen das in Kontakt mit dem Bewußtseinszustand. Da verstand ich auf einmal, warum die Menschen gern solche Musik hören: es gibt ihnen unmittelbar... ja, sie spüren etwas, das sie nicht kennen.

Wirklich interessant!

Wie anders alles wird! Man lebt in dem Bewußtseinszustand, und alles wird anders. Man sieht die Dinge... ja, ich glaube, Sri Aurobindo nannte das "die Dinge von innen nach außen sehen". Das eine bedingt das andere.

Sehr interessant.

In der Musik von Sunil gibt es zwei oder drei dieser Klangverbindungen, die evozierende Verbindungen sind, und in seiner Musik drückt sich wirklich die Pracht der zukünftigen Schöpfung aus. Ja, wie eine aufgehende Sonne.

Aber sogar in ganz alter oder auch naiver Musik findet sich von Zeit zu Zeit diese Verbindung: zwei Klänge, eine Kombination von zwei, manchmal drei Klängen. Ich glaube nicht, daß die Leute wissen warum, aber dies bringt sie in Kontakt mit dem Bewußtseinszustand.

Im Grunde ist das nur eine Art, das Problem zu betrachten, aber es vereinfacht die Dinge auf wirklich interessante Weise... das heißt, große Transformationen sind lediglich das Ergebnis eines Wandels im Bewußtseinszustand.

(Schweigen)

Also, ich wünsche dir ein gutes neues Lebensjahr.

Ja, Mutter.

Es wird ein gutes Jahr werden. Ein sehr helles Jahr – sehr klar, sehr weit, weit und klar... Was hier passieren wird, davon weiß ich nichts. Die Umstände scheinen immer schwieriger zu werden, aber ich muß sagen, das läßt mich völlig kalt. Sie sind schwierig. Im Land hier und in der Welt ist es schwierig, es knirscht. Aber dies scheint nur eine äußere Erscheinung zu sein: Es ist der große Druck des Lichts – eines warmen, goldenen, mächtigen, supramentalen Lichts – immer mehr und mehr und mehr...

Und seit dem Tag, an dem ich diese beiden Kurven für dich sah, haben sie sich noch verstärkt, gefestigt, und der Schwung in die Zukunft ist großartig – sehr stark und mächtig, und gleichzeitig ist die Kurve sehr leuchtend ("leuchtend" war sie schon immer, sogar kristallin vom intellektuellen Standpunkt aus), aber es ist eine große Kraft darin – eine große Kraft.

Ich wollte die Kurve sogar zeichnen, aber sie muß schön sein, gut gemacht, und ich habe nicht die Zeit dazu – doch sie sind beide da (wie soll ich sagen?) im Unsichtbaren. Die aufsteigende steigt ganz wunderbar auf, so wie ein Lichtstrahl.

Voilà.

(Mutter nimmt einen kleinen Gegenstand neben ihr in die Hand:)

Du hättest doch bestimmt gern einen kleinen Esel, der dir hilft!

 

1 Eine bengalische Schülerin, die Musikerin ist.

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