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Mutters

Agenda

siebenten Band

7. Dezember 1966

(Mutter schenkt Satprem eine Blume, der sie den Namen "Gnade" gab, dann eine zweite.)

Möchtest du noch eine zweite Gnade?... Davon kann man nie genug haben.

Ach, kürzlich stellte man mir eine Frage zur Botschaft vom 24. November 1, und Sri Aurobindo antwortete. Das war so interessant! Plötzlich sah ich etwas. Während er sprach, war es einfach wunderbar. Ich sah das Mitgefühl und die Gnade, das "Gesetz" und das Mitgefühl, und dann, wie das Mitgefühl auf alle wirkt – für alle und jeden, ohne Unterschied und ohne Bedingung. Und daß das Mitgefühl darin besteht, sie in einen Zustand zu versetzen, in dem sie die Gnade empfangen können.

Ich fand das wunderbar.

Das war die Erfahrung: ich sah und spürte dieses Mitgefühl, das durch die Maschen des Netzes hindurch arbeitet, und daß die Gnade allmächtig ist. Mit anderen Worten, das "Gesetz" ist kein Hindernis mehr. Ich sah dieses Mitgefühl, das alle berührte und allen eine Chance gab. Ich verstand, was er wirklich damit meint, wenn er sagt, daß es "jedem seine Chance gibt": gleichermaßen, absolut ohne Unterscheidung nach Wert oder Bedeutung oder Voraussetzung, auch nicht abhängig vom Zustand, von nichts – jedem absolut dieselbe Chance. Und das Ergebnis dieses Mitgefühls war, sie für die Existenz der Gnade zu erwecken, sie spüren zu lassen, daß es im Universum so etwas wie eine Gnade gibt. Für diejenigen, die Sehnsucht und Vertrauen haben, wirkt die Gnade unmittelbar – sie wirkt immer, aber für diejenigen, die Vertrauen haben, entfaltet sie ihre volle Wirksamkeit.

All dies war so klar und deutlich! Wirklich wie eine neue Erfahrung, eine Offenbarung. Und wie sehr doch Sri Aurobindo Ausdruck dieses Mitgefühls war... Man sah es in seinen Augen, nicht wahr, seine Augen waren voller Mitgefühl. Aber ich verstand, was dieses Mitgefühl wirklich ist. Das war am Sonntag nachmittag.

Irgendwo hat er auch geschrieben: "Es ist sehr selten, daß sich die Gnade von irgend jemandem abwendet, aber es gibt viele, die sich von der Gnade abwenden" – but men turn away from the Grace. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Wortlaut, aber ich glaube, er gebrauchte das Wort crooked. Auch das war so lebendig: es war nicht die Gnade, die ihr Wirken zurückzieht, keineswegs – die Gnade wirkt weiterhin. Die Menschen aber waren – ja, crooked, verdreht.

Verfälscht?

"Verfälscht"?... Man ist ein für allemal verfälscht, das ist es nicht. Es ist vielmehr so, daß ihre Kraft und ihr Handeln, anstatt direkt geradeaus zu gehen, alle möglichen Windungen, Umwege und Kreisbewegungen macht, die zu sich selbst zurückkehren, was die ganzen Schwingungen entstellt, und daß ihre eigene Seinsweise alles entstellt (die ganze Zeit kommt mir das Wort distort). Es ist verdreht, anstatt gerade zu sein. Und dann hat die Gnade keine Wirkung mehr; sie kann ihre Wirkung nicht entfalten.

In jenem Augenblick war das ein sehr lebendiges Bild.

*
*   *

Etwas später

Ist dein Buch fertig?

(Satprem, angewidert:) Ja.

Oh, oh, ein kraftloses Ja.

Liest du mir am Samstag daraus vor?

(Satprem zieht ein Gesicht)

Aha. Auch das noch!

Ich glaube, es ist nicht gerade famos.

Das macht nichts – du glaubst immer, es sei nicht famos. Das macht nichts.

Mutter...

Willst du etwas sagen?

Ja. Ein Problem, das mich oft quält, vor dem ich oft stehe: Ist die Inspiration beim Schreiben einfach etwas Globales wie eine Lichtform, d.h. man "zieht" eine gewisse allgemeine Schwingung herab, oder existiert schon alles im voraus, und es kommt lediglich hier herab – existiert alles schon genau Wort für Wort?

Ich denke, nicht.

Ich denke, nicht, weil es da oben keine Sprache gibt. Es gibt keine Sprache.

Das schon, aber gibt es nicht etwas, das genau den Worten entspricht?

"Genau"... Weißt du, da ist immer etwas Vages. Ich sage dies aus folgendem Grund. Täglich, oft sogar mehrmals am Tag, empfange ich etwas "ganz direkt" (Geste nach oben). In dem Augenblick, wo ich es empfange – falls ich es sofort aufschreibe –, hat es eine gewisse Form. Und wenn ich dann ganz, ganz still und ruhig bleibe, ändert sich oft ein Wort oder eine Formulierung. Dann wird es präziser, genauer, mitunter harmonischer. Folglich ist es etwas, das von oben kommt und im mentalen Bereich eine Form annimmt.

Ich höre keine Worte. Ich empfange etwas, und das ist immer direkt und zwingend. Und ich spüre genau, daß es dort ist (Geste nach oben), irgendwo dort. Aber dies kann sich zum Beispiel fast gleichzeitig auf englisch und auf französisch ausdrücken, und ich bin überzeugt, wenn ich mit anderen Sprachen vertraut wäre, könnte es sich auch in diesen Sprachen ausdrücken. Es ist dasselbe, was man früher die Gabe des "Redens in Zungen" nannte. Wenn gewisse Propheten sprachen, verstand jeder in seiner Landesprache – der Prophet aber sprach nur seine eigene Sprache. Doch alle, die zugegen waren, hörten es in ihrer jeweiligen Muttersprache. Ich hatte diese Erfahrung vor sehr langer Zeit. Es geschah nicht absichtlich, ich wußte nichts davon. Ich sprach bei einer Zusammenkunft der "Bahai", und Menschen aus verschiedenen Ländern beglückwünschten mich anschließend, daß ich ihre Sprache beherrschte – was überhaupt nicht der Fall war. Sie hatten mich in ihrer Sprache gehört.

Verstehst du: Was kommt, ist etwas, das die Worte heraufbeschwört oder sich in Worte kleidet. Und dann kann es sich je nach Fall in unterschiedlichen Worten äußern. Es ist ein universelles Lagerhaus, nicht notwendigerweise ein individuelles, da es in verschiedene Worte gefaßt werden kann. Sprachen sind etwas so Enges, während dies universell ist... Wie könnte man es nennen? Nicht die "Seele": es ist der Geist der Sache (aber konkret), die Macht der Sache. Und wegen der Qualität der Macht wird die beste Wortqualität herangezogen. Die Inspiration ruft die Worte hervor; es ist nicht der Inspirierte, der sie findet oder anpaßt, keineswegs: die Inspiration selbst ruft die Worte hervor.

Aber ich verstehe, was du meinst. Du willst wissen, ob es etwas ist, das schon ganz fertig ist, ganz ausgearbeitet, und das man unverändert herabkommen läßt... (Mutter schweigt eine Weile) Das existiert in einem Bereich, der weit über dem der Worte steht. Mir ist es zum Beispiel oft passiert, daß ich etwas so empfange (Geste von oben), ganz direkt, worauf ich es übertrage. Ich suche nicht; je stiller ich bleibe, desto mächtiger und konkreter wird es – auf mächtige Art konkret. Aber häufig sehe ich etwas wie von Sri Aurobindo kommen, etwas, das eine Korrektur, eine Präzisierung anbringt. Selten eine Hinzufügung, das nicht; es bezieht sich nur auf die Form, vor allem im Sinne der Genauigkeit. Die erste Ausdrucksweise ist etwas verschwommen und präzisiert sich anschließend. Und ich suche nicht, ich gebe mir keinerlei Mühe, das Mental schaltet sich überhaupt nicht ein. Immer ist es so (gleichmäßige stille Geste vor der Stirn), und in dieser Reglosigkeit kommt es dann, und zwar ganz plötzlich, peng! "Aha, sieh mal einer an!", sage ich mir, und schreibe es dann auf.

Das ist meine Erfahrung.

Ich weiß nicht, irgendwo im mentalen Bereich mag es etwas geben, das schon ganz fertig existiert, aber das wäre dann in meinen Augen so wie bestimmte Dinge, die Sri Aurobindo schrieb 2, wo alles ganz fertig kam. Darin waren sogar bestimmte Dinge enthalten, die nicht mit seiner Ansicht übereinstimmten, die aber ganz zwingend kamen. Doch diese Erfahrung habe ich jetzt überhaupt nicht. Oder dann wäre es etwas Ähnliches wie das, was mir kürzlich mit der Musik passiert ist: zwei oder drei Minuten lang war da, wie ich dir sagte, "jemand", der spielte. Es muß dasselbe Phänomen sein. Allerdings ist dies eine völlig andere Empfindung: man existiert nicht mehr, man ist sich kaum dessen bewußt, was passiert. Und es ist, so könnte man sagen, "unkorrigierbar", das heißt, es kommt absolut fertig, und man kann nichts mehr daran ändern, sonst wäre es nicht mehr dasselbe, sondern etwas, das man selbst aktiv täte. Sobald das Mental aktiv wird, ist es vorbei. Es kann von deinem Überbewußten kommen, wird aber eine ganz persönliche Angelegenheit.

Diese Inspiration entstammt einem Bereich ganz oben, jenseits aller Individualisierungen. Es ist eben etwas, das zu formulieren und zu erklären wir Schwierigkeiten haben. Es ist in sich vollständig und vollkommen, doch hat es überhaupt nicht den Charakter unserer mentalen Formulierungsweise; es hat nicht einmal den Charakter einer formulierten Idee. Und es ist absolut zwingend. Doch sobald es die mentale Zone berührt, ist es, als zöge es die Worte an. Mein Eindruck ist, je stiller ich bin, desto präziser wird es. Das heißt, je passiver das Mental ist, desto genauer wird es. Folglich ist es diese herabkommende Kraft, die die Worte anzieht. Es sind nicht einmal Ideen, sondern es kommt durch eine Erfahrung, etwas Lebendiges, das nach Worten greift, um sich auszudrücken. Genau dies passierte mir am Sonntag: Man stellte mir diese Frage über die Gnade, ich wurde etwa eine Minute lang (oder nicht einmal) von einem äußerst starken, konzentrierten Schweigen erfaßt, und dann kam es, und ich sprach. Ich hörte mich selber sprechen. Aber es geschah deutlich durch Sri Aurobindo.

Wenn alles irgendwo vollständig feststünde, könntest du nichts mehr ändern. Bei so einem fertigen Text hättest du das Gefühl, er wäre in sich vollkommen und du könntest kein Jota daran ändern.

Wäre das schön!... Wenn ich schreibe, verzweifle ich dauernd daran, daß ich vielleicht nicht das erwische, was sich AUSSERHALB VON MIR ausdrücken möchte.

Aber das habe ich dir doch gerade gesagt! Das ist die direkte Inspiration. Denn was von oben kommt – wenn du wüßtest, wie zwingend das ist! Alle Gedanken erscheinen blaß und machtlos dagegen...

Ja.

... fragmentarisch und dürftig. So kommt es einem vor.

Wenn die Worte ganz spontan kommen, ist es gut, aber... Es ist ein seltsames Phänomen: manchmal ist nur die reine Erfahrung da. Wie ist diese genau? Man kann sie nicht formulieren. Um sie zu formulieren, ist man sofort gezwungen, Worte zu benutzen, und Worte schmälern sie. Doch ich erinnere mich daran, wie ich im Augenblick der Erfahrung sprach und kaum hörte, was ich sagte, aber ich hatte die Erfahrung. Die Erfahrung war wunderbar klar, mächtig, immens – verstehst du, universell. Dann hörte ich mich reden, und daraufhin sah ich sofort, wie sie geschmälert wurde. Und dann begann ich zu fühlen, wie der andere Geist gewaltige Anstrengungen machte, um zu verstehen. Da verringerte es sich noch einmal: ich mußte es schwächer werden lassen, um mich verständlich zu machen. Ich konnte alle Etappen der Abschwächung Schritt für Schritt mitverfolgen. Doch in jenem Augenblick war das Wort sehr mächtig; es war ganz und gar Sri Aurobindos Ausdrucksweise und sehr machtvoll. Jetzt ist es nur noch ein vager Eindruck, wie eine Erinnerung. Aber das ist immer so – in jedem Fall, selbst unter den besten Voraussetzungen, selbst wenn die Formulierung von Sri Aurobindo stammt. Immer hat man den Eindruck einer Abschwächung, und zwar in dem Sinne, daß vieles verlorengeht; es wird etwas härter, geringer, kleiner. Aber auch gewisse Subtilitäten gehen verloren, lösen sich auf und können nicht in konkrete Worte gefaßt werden. Verspürte man den Wunsch nach dem perfekten Ausdruck, wäre dies sehr enttäuschend. Ich verstehe durchaus: Wenn du für dein Buch ein Maximum an Perfektion anstrebst, so ist das unmöglich. Es kann nicht verwirklicht werden; man spürt den Unterschied zu dem, was oben ist, und das ist enttäuschend.

Ich bin immer enttäuscht.

(Mutter lacht) Ja, das überrascht mich überhaupt nicht!

Ich bin keine Sekunde lang zufrieden.

Auch nicht, wenn du spürst, wie "die Sache" kommt?

Oh, dann ist es sehr gut, ich brauche nur oben zu bleiben; da oben bin ich glücklich.

(Mutter lacht) Na gut. So ist das also!

Ich könnte immer da oben bleiben.

Aber in allem, was ich von dir gelesen habe (mit Ausnahme des Buchs über Sri Aurobindo, denn dies ist ein ganz besonderer Fall: alle aufnahmefähigen Menschen wurden dadurch augenblicklich in Kontakt mit Sri Aurobindo gebracht) – aber in deinem ersten Buch [Der Goldsucher] spürte ich, wie es von oben kam. Ich spüre das. Nur wäre dies natürlich unlesbar; es muß konkretisiert, materialisiert werden. Hat man aber selber die Verbindung mit dieser Ebene da oben, muß man es in dem, was geschrieben wurde, spüren. Viele Leute spüren darin ein "Etwas", das alles durchdringt. Aus diesem Grunde möchte ich, daß du mir aus deinem neuen Buch vorliest: um zu sehen, ob "das" da ist... Verstehst du, ich bin so (Geste zur Stirn hin, eine stille Reglosigkeit andeutend), dies ist zu einem Dauerzustand geworden. Wie ein Bildschirm. Ein Bildschirm für alles und jedes. Und wirklich kommt nichts von innen. Entweder so (horizontale Geste um Mutter herum) oder so (Geste von oben). Horizontal von außen, und die Antwort von oben. Hier (Geste zur Ebene des gefühlsbestimmten Herzens) ist das eine derart neutrale Angelegenheit, daß es geradezu inexistent ist. Und hier (Geste zur Stirn) ist es weit, ebenmäßig, reglos. Wenn ich so verharre (nach oben gewandte Geste), kommt es sofort, auf der Stelle, in Wellen: ein Licht, das kommt und durch mich geht, ständig... (kreisförmige Geste durch Mutter hindurch wie durch einen Empfänger und Sender). Wenn man mir etwas vorliest, wenn Leute mir Fragen stellen, wenn mir irgend etwas erzählt wird – immer ist das so, und dies ist sehr interessant, denn bei Fragen, die keine Antwort verdienen, oder bei Angelegenheiten, in die ich nicht einzugreifen brauche, letztlich bei allem, was sich als: "Das betrifft mich nicht, das geht mich nichts an" zusammenfassen läßt, da bleibt alles absolut blank, leer, neutral, ohne Reaktion. Ich bin gezwungen zu sagen, daß es darauf keine Antwort gibt. Wenn ich sagen würde, wie es wirklich ist, müßte ich sagen: "Ich höre nichts, ich verstehe nichts." Alles bleibt absolut reglos und neutral, und wenn es so bleibt, dann ist nichts da, es gibt nichts zu sehen. Wenn es aber eine Reaktion gibt... verstreicht nicht einmal Zeit, in der sich das abspielt, es vergeht so gut wie keine Zeit. Es ist, als käme die Antwort zur selben Zeit, wo man mit mir spricht. Und unverzüglich nehme ich das Papier, den Brief, und antworte. Automatisch. Die ganze Arbeit geschieht so. Hier (Geste zur Stirn) ist nichts.

Offensichtlich muß man sich damit abfinden. Die Welt ist in einem Zustand beträchtlicher Unvollkommenheit, also ist alles, was sich in der Welt manifestiert, Teil dieser Unvollkommenheit – was läßt sich also tun? Es bleibt allein der Versuch, langsam – sehr langsam – und beharrlich diesen Körper zu transformieren.

Wie Sri Aurobindo so schön sagte (ich verstehe sehr gut, was er meint), es ereignen sich zwar Wunder, aber sie sind sporadisch. Das heißt, für eine Zeitspanne von einigen Minuten, manchmal auch von einigen Stunden (aber das ist selten) sind die Dinge völlig anders. Doch sie bleiben nicht so – sie fallen wieder zurück in die alte Bewegung, weil offenbar ALLES einen gewissen Grad erreichen muß – einen gewissen Grad der Empfänglichkeit, der Vorbereitung darauf, damit sich "das" festigen kann. Sonst läuft die alte Bewegung, das alte Gesetz weiter.

Ich sehe das bei den Körperzellen. Es gibt Momente, einige Sekunden oder Minuten (höchstens ein paar Stunden, aber nicht für physische Dinge; für physische Dinge dauert es immer nur Sekunden oder Minuten), wo sich plötzlich eine Art Vollkommenheit manifestiert. Worauf sie wieder weggeht. Und man sieht sehr wohl, daß sie wegen der ständigen Invasion all dessen, was drum herum ist, was unvollkommen ist, nicht bleiben kann. Und so wird das wieder verschluckt. Wie an jenem ersten Tag, als die supramentalen Kräfte herabstiegen [1956]. Ich sah sie herabkommen, verstehst du, und ich sah diese großen wirbelnden Kräfte der Erde: brrt, brrt! (Geste des Emporsteigens und Verschlingens) und alles war verschluckt. Es kam in ungeheuren Massen herab, aber diese Wirbel waren noch gewaltiger und verschluckten alles, und Das war weg.

Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Es ist immer noch da. Es ist da und tut seine Arbeit, aber... die widerstrebenden Schwingungen sind immer noch zu mächtig und in ihrer Menge zu überwältigend, als daß Das nicht in der Masse verschwinden würde. Doch von innen her arbeitet Es unentwegt...

Das gilt auch für den Körper. Einige Sekunden lang, höchstens einige Minuten, fühlt sich der Körper in einem Zustand unwiderstehlicher Macht, unbeschreiblicher Freude, einem Zustand von Licht ohne Schatten – ein wahres Wunder, verstehst du. "Ah", sagt man sich, "das ist es!" Und dann verschwindet es wieder. Man hat gerade genug Zeit, es zu bemerken. Mit anderen Worten, es kommt, um einem zu zeigen, daß es so ist, daß es so sein wird.

Ja, und wenn es so sein wird, dann werden wir es merken!

Doch wann wird sich diese Starrheit verwandeln und plastisch genug werden, um das zum Ausdruck zu bringen, was innen ist?... Sri Aurobindo meinte, dreihundert Jahre – das erscheint mir sehr kurz. Es handelt sich um jahrtausendealte Gewohnheiten. Starr, hart, trocken und dünn.

Und natürlich gilt das auch für das Mental, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Glücklicherweise ist es da ein bißchen fließender... Aber weißt du, diese Dinge, die ich von oben empfange und notiere, haben eine intensive Leuchtkraft und wirken außerordentlich überzeugend. Ich schreibe alles auf und gebe es weiter an Menschen, die es eigentlich verstehen sollten. Diese lassen mich dann ihre Reaktion wissen (innerlich). Ach, mein Kind, das ist... (lachend) wie die Rinde eines halbtoten alten Baumes!

So fragt man sich: Ist es an der Zeit, diese Dinge zu sagen? Sie meinen, verstanden zu haben – sie glauben es nicht nur, sie sind begeistert, was bedeutet, daß es sie einen Fortschritt machen ließ – wo standen sie also vorher!? Es ist nichts. Was sie verstehen, ist nichts, es ist zur bloßen Karikatur der Sache geworden.

Ich bin mir darüber im klaren, daß Worte in sich selbst nichts sind. Dort aber herrscht eine Macht... eine Macht, die Worte nicht in sich fassen können. Wenn man somit nicht direkt empfängt, empfängt man nichts. Man empfängt schon etwas, aber es ist nur noch wie eine dünne Zwiebelschale.

(Schweigen)

Vielleicht werden wir uns irgendwann zurückerinnern, wenn wir bis ans Ende (ein "Ende", das wiederum der Anfang von etwas anderem ist) dieser Transformationsarbeit gelangt sind und die Transformation tatsächlich stattgefunden hat und fest verankert ist; vielleicht wird es uns dann ein besonderes Vergnügen bereiten, zu sehen, wie wir durch all dies hindurchgegangen sind. In den "höheren Sphären" hieß es immer, daß jene, die den Mut haben, sich auf die Sache einzulassen, dereinst, wenn alles getan ist, einen höheren und viel persönlicheren, tieferen Gewinn davontragen würden als jene, die bloß still darauf gewartet haben, daß andere die Arbeit für sie tun.

Das mag sein.

Auf jeden Fall hat es, rein äußerlich gesehen, wegen des enormen Ausmaßes der anfallenden Arbeit den Anschein einer sehr undankbaren Aufgabe. Aber das ist nur eine rein oberflächliche Sicht. Wellenartig kommt es zu mir von der Welt, von einer ganzen Schicht der Manifestation, die sich sagt: "O nein! Damit will ich nichts zu tun haben, ich will einfach in Frieden leben, so gut ich eben kann. Man wird ja sehen; wenn die Welt erst transformiert ist, ist immer noch Zeit mitzumachen." Solche Ansichten hört man selbst unter den entwickeltsten und intellektuellsten Schichten. Mit anderen Worten, sie haben keinen Opfergeist. Genau dies sagt Sri Aurobindo (ständig stolpere ich über Zitate von Sri Aurobindo): Um das Werk zu tun, muß man bereit sein, Opfer zu bringen.

Andererseits stimmt es, daß diese paar Sekunden zum Beispiel (die hin und wieder kommen, und zwar immer häufiger), ruhig betrachtet, die vielen Mühen wert sind. Es wiegt Jahre des Kämpfens und der Anstrengung auf, dies zu erleben, weil... Es liegt jenseits alles Wahrnehmbaren und jeglichen Verständnisses, ja selbst jenseits aller Möglichkeiten im Leben, wie es derzeit ist. Es ist... unvorstellbar.

Und es ist eine wirkliche Gnade darin enthalten: es versetzt einen nämlich in einen bestimmten Zustand, der das Leben, wie es ist, die Dinge, wie sie sind, nach diesen Sekunden nicht um so schlimmer erscheinen läßt. Hinterher stellt sich nicht dieses Entsetzen ein, in einen Abgrund zu stürzen. Es ist kein Abgrund, man erinnert sich lediglich an eine Art blendend helles Licht.

 

1 "Es gibt drei Mächte (die das irdische Leben regieren): 1. das kosmische Gesetz, Karma oder auch anders genannt; 2. das göttliche Mitgefühl, das auf alle wirkt, die es durch die Netze des Gesetzes hindurch erreichen kann, und das allen eine Chance gibt; 3. die göttliche Gnade, deren Wirken unberechenbarer, aber auch unwiderstehlicher ist als das der anderen beiden." (Sri Aurobindo)

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2 Yogic Sadhana, ein Buch, das Sri Aurobindo als Schreibmedium verfaßte.

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