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Mutters

Agenda

achten Band

28. Januar 1967

Mutter zeigt eine Notiz, die sie gerade geschrieben hat:

Ich habe dies an jemanden hier geschrieben... Er ist noch nicht lange in Indien, er versteht nichts von den Indern (was kein Verbrechen ist), aber er ist voller Verachtung. Da er nicht versteht, ist er voller Geringschätzung. Ich schrieb ihm folgendes:

Man muß sich sorgfältig davor hüten, das geringzuschätzen, was man nicht versteht, denn es gibt unzählige Wunder, die für unsere enge Schau versiegelt sind.

Der Herr besitzt ungeahnte Herrlichkeiten, die Er allmählich unserem allzu begrenzten Verständnis offenbart.

Das ist eine ganze Kategorie von Denkweisen. Es gibt unzählige Leute, die sich für unheimlich intelligent halten und alles geringschätzen, was sie nicht verstehen. Das ist wirklich ein Zeichen der Dummheit selbst. Andererseits gibt es viele, die alles bewundern, was sie nicht verstehen (gewöhnlich hält man sie für "einfältig", aber ich selbst ziehe die Einfältigen, die eine Seelenwärme besitzen, vor). Sie bringen allem, was sie nicht verstehen, eine stille Bewunderung entgegen, was man für dumm hält. Aber diese haben wenigstens guten Willen, während die anderen von der Höhe ihrer vermeintlichen Intelligenz aus alles, was sie nicht verstehen, geringschätzen. Dieser Mann kam hierher und sagte: "Mit den Leuten hier kann man nicht arbeiten, sie sind Inder!" (Mutter lacht) Er sagte es ganz offen.

Es scheint, du hast neulich jemanden getroffen?

Ja, den Herrn, der für die Zeitschrift "Planète" einen langen Artikel über Indien schreiben soll.

Und wie ist er denn, dieser Herr?

Er steckt voller Sexualität. Wenn man in seine Atmosphäre tritt, gibt es ausschließlich Sex. Allein dieses Problem interessiert ihn. In seiner Zeitschrift und in ähnlichen anderen versuchen sie, den Tantrismus der "linken Hand", den "Vama Marga", zu popularisieren.

Oh!

Er stellte mir Fragen zur Sexualität und über den "Yoga der Sexualität"!

Oh!

Worauf ich die Dinge richtiggestellt habe...

Ah, gut.

Übrigens ohne viel Diplomatie. Ich sagte, das habe nichts mit dem Tantrismus zu tun. Aber seltsamerweise hat der Mann trotz dieser sexuellen Atmosphäre eine Öffnung: er hatte Sri Aurobindo gelesen, und vor etwa zwölf Jahren sagte er sich bei einem Problem (anstatt Sri Aurobindo zu schreiben): "Aber warum konzentriere ich mich nicht auf Sri Aurobindo, um eine Antwort auf mein Problem zu erhalten?" Er konzentrierte sich, und nachts sah er plötzlich, wie eine große goldene Scheibe kam, ihn erfüllte und wie ihm eine Stimme mit ungeheurer Kraft die Worte sagte, auf die er wartete, Worte der Offenbarung... Dieser Mann hat demnach eine Öffnung.

Oh, ja.

Aber dann sagte er mir: "Wahrscheinlich ist es mein Unterbewußtsein, es kommt aus meinem Unterbewußtsein, immerhin ..."

(Mutter lacht) Er hat ein gutes Unterbewußtsein!

Diese Leute!... Die Gnade kommt zu ihnen und schenkt ihnen eine schöne Erfahrung, und dann sagen sie: "Es ist mein Unterbewußtsein"!

(Mutter lacht)

Als er mir das sagte, hatte ich wirklich den Eindruck, als ob Sri Aurobindo lächelte.

Ja, das amüsiert ihn.

Aber offenbar wird der Westen völlig überflutet von diesem Tantrismus und dem "Yoga der Sexualität".

Ja, das ist gefährlich. Sehr gefährlich.

Vielleicht besteht die Heilung darin, daß sie mitten hindurchgehen, ich weiß es nicht... Denn Sri Aurobindo sagte, wenn man den Punkt der Sättigung überschritten habe, sei man geheilt. Genauso, wie man geheilt ist, wenn man das Verlangen los wird. Ist man übersättigt, so ist man geheilt, man ist angewidert, und hat den gleichen Abscheu... Wohl möglich, ich weiß es nicht.

(Lachend) In der Zwischenzeit schafft es einen ganz schönen Schlamassel!

Das andere Mittel ist viel schneller: Die Aufhebung (ich meine nicht nur die materielle Aufhebung, sondern die Aufhebung des PRINZIPS der Angelegenheit; ich sagte bereits: wenn man die Animalität überschreitet, hat die materielle Tatsache keine Seinsberechtigung mehr, sie verschwindet), sozusagen augenblicklich. Aber ein anderes Mittel ist, bis zum Überdruß zu gehen.

Noch viel gefährlicher, als bis zum Überdruß zu gehen, ist, diese Geschichten mit Spiritualität zu übertünchen, einen "Yoga der Sexualität" daraus zu machen.

Oh, (lachend) wenn du ihnen das sagst, werden sie alle krank!

Aber vielleicht landet man eines Tages bei der Impotenz. Damit wäre die Sache gelaufen. Denn allein der Instinkt der Natur verleiht dieser etwas morbiden Vorstellung Macht, und wenn der Instinkt der Natur erschöpft ist... Oh, ich muß sagen, ich habe sehr alte Leute gekannt, die voller schmutziger Dinge steckten; wahrscheinlich weil sie in ihrer Jugend enthaltsam waren.

Die Sache hat etwas sehr Abstoßendes an sich, das man überwinden muß, um "Lust" daran zu finden; im Grunde ist etwas sehr Abstoßendes daran, es wird völlig abstoßend, sobald das Vergnügen vorbei ist. Also vielleicht werden sie durch den Ekel geheilt.

Viele Sekten und Gruppen wurden beschuldigt, diese Art Sexualität zu praktizieren (ich glaube, dies war die "moralische" Grundlage der Anklage gegen die Templer) – wahrscheinlich das Ergebnis der christlichen Haltung; das Christentum sprach von "Sünde", sie machten eine Sünde daraus, und dies ist das Resultat. Es ist die Reaktion darauf.

Sobald man aber des wahren Anandas fähig wird, wirkt es spontan völlig abstoßend, als ob man im Schlamm waten würde.

Die Methode der Übersättigung beinhaltet allerdings viel Vergeudung.

Dabei ist es doch nichts anderes als das Fortbestehen eines natürlichen Prozesses, der zu Beginn der Evolution nützlich war.

Ja, so ist es.

Und die Begegnung zweier Wesen muß sich durch andere Mittel vollziehen.

Sicher!

Von vielen Seiten stellt man die Frage der sexuellen Beziehung von Mann und Frau und der spirituellen Disziplin.

(Mutter verharrt einen Moment schweigend)

Um die Wahrheit zu sagen, der Herr bedient sich aller Dinge! Man ist immer unterwegs zu etwas.

Es gibt einen Augenblick, wo man die Empörung hinter sich läßt.

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