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Mutters

Agenda

achten Band

12. April 1967

(Satprem beklagt sich wie gewöhnlich über seine völlig unbewußten Nächte.)

Seit einiger Zeit habe ich den festen Willen, den Körper nicht zu verlassen. Wenn ich jeweils morgens aus den Tätigkeiten der Nacht herauskam, bemerkte ich häufig, daß es eine ganze Arbeit der Anpassung im Körper zu verrichten gab, als ob die Konzentration der Kräfte in der Nacht gestört und sogar abgebaut worden wäre, und daß ich alles wieder in Ordnung bringen mußte. Das war ein Zeitverlust, eine Verschwendung. Wenn ich mich früher abends auf dem Bett ausstreckte, ließ ich den Körper vollkommen locker werden, in völliger Entspannung (das muß man immer tun), d.h. sich hingeben, und das Bewußtsein erhob sich darüber. Es bestand eine Konzentration von Kräften, die aber nicht andauerte: nach zwei, drei Stunden wurde alles von den Tätigkeiten der Nacht eingenommen. Stattdessen besteht nun das Bestreben, das ganze Bewußtsein im Körper zu halten, alle Energien zu konzentrieren und zu bewahren, damit die Arbeit in den Zellen fortgesetzt werden kann und nicht gestört wird. Und ich sehe, daß die Wirkung viel länger anhält; selbst wenn ich aufwache (wenn ich meine äußere Aktivität aufnehme), sehe ich, daß sie weiterbesteht, daß sie nicht aufhört, und daß sie wieder anfängt, sobald ich äußerlich wach bin. Eine Art von Konzentration der Energie, des Bewußtseins, der Kraft, des Lichts, die nachts in den Zellen zu arbeiten beginnt. Dann gibt es nichts mehr, keinerlei Tätigkeit, es herrscht eine kontemplative Stille.

Ich hatte nur ein einziges Beispiel von Aktivität in diesen vier letzten Tagen, an einem Morgen zwischen zwei und vier Uhr, den ich völlig bewußt und aktiv mit Sri Aurobindo verbrachte, der "Änderungen" in seinen Tätigkeiten und seiner Organisation des Subtilphysischen vorgenommen hatte; diese Änderungen wollte er mir zeigen, er wollte mich daran teilhaben lassen. Er zeigte mir all das zwei Stunden lang. Aber das war die einzige Ausnahme, und was den Rest betrifft – alles: Leute sehen, hierhin und dorthin gehen, dies und jenes tun – mit all dem hörte ich auf. So geht es besser.

Ich fragte mich, ob diese Entscheidung sich nicht auf deinen Schlaf auswirken wird? Das ist gut möglich.

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*   *

Etwas später

In den letzten drei Tagen hatte ich eine amüsante Erfahrung... Y schickte mir eine ganze Abhandlung über LSD 1 (Mutter nimmt ein Schriftstück vom Tisch).

Anscheinend wurde es durch Zufall entdeckt (das geschieht immer so): der Mann, der es entdeckte, nahm eine Dosis, ohne zu wissen, was es war, worauf er ganz außergewöhnliche Wirkungen erlebte (es war ein Schweizer, ein Arzt, glaube ich, oder ein Chemiker, ich weiß es nicht 2). Das geschah vor Jahren, und nun ist er zum ersten Mal bereit, eine Beschreibung seiner Erfahrungen abzugeben. Natürlich ist Y begeistert, sie schrieb einen Bericht darüber und schickte ihn mir.

Du weißt, daß ich sehr beschäftigt bin. Ich hatte keine Zeit, diese Seiten zu lesen, aber ich weiß auch, daß Y recht ungeduldig ist, und seit drei oder vier Tagen sagte ich mir: "Ich muß mir das UNBEDINGT ansehen, sonst gibt es Ärger ..." Das wiederholte sich. An einem Morgen (zu der Zeit, wo ich alle meine Erfahrungen mache), während ich dasaß, fühlte ich plötzlich etwas Schweres in meinem Kopf und in der Brust und... eigenartig. Niemals zuvor hatte ich so etwas gefühlt. Alle Empfindungen waren irgendwie verstärkt. Ich schloß die Augen und: eine Lawine, ein Ansturm von Formen, Klängen, Farben, selbst von Gerüchen, die sich mit einer solchen Realität aufdrängten, mit einer außergewöhnlichen Intensität – nie zuvor hatte ich so etwas erlebt.

Ich schaute mir das an und dachte: "Sieh an, das ist eine gute Art, verrückt zu werden!" Ich begann, das Nötige zu tun, um es zu stoppen. Aber es wollte nicht aufhören. Da sagte ich mir: "Offensichtlich ist es aus einem Grund da. Da es sich so aufdrängt, muß es einen Grund geben, der mich diese Erfahrung machen läßt." Ich schaute, studierte und beobachtete es und sah, daß die Fähigkeit der Empfindung außerordentlich gesteigert war, WEIL das Gleichgewicht zwischen allen Fähigkeiten des Wesens durcheinandergebracht worden war.

Das natürliche Gleichgewicht bewirkt, daß die Dinge sich ausgleichen, miteinander harmonieren, sich spontan zu einem zusammenhängenden Ganzen organisieren, und dies war zusammengebrochen – zugunsten des Empfindungsvermögens. Natürlich wurde diese Möglichkeit des Empfindens schrecklich vervielfacht (man könnte sagen verschlimmert), und es drängte sich sogar auf brutale Weise auf. Ich sah, daß etwas das Gleichgewicht gestört hatte. Etwas, das die Macht hatte, das Gleichgewicht des Wesens zu stören, indem es einen Punkt unter Ausschluß alles übrigen hervorhob.

Als ich das sah, überkam mich eine Art Ruhe, und es war vorbei.

Ich dachte nicht mehr daran; drei Tage lang dachte ich nicht mehr daran. Es war mir wie eine Überspanntheit erschienen. Gestern abend beschloß ich dann, diese Seiten zu lesen und bat Pavitra, sie mir vorzulesen. Der Mann beschreibt darin seine Erfahrungen... Die erste Beschreibung: genau dasselbe, was mir widerfahren war.

Ich hatte dieselbe Erfahrung wie er, als er das Mittel genommen hatte.

Er beschreibt es (ich konnte nicht alles lesen), er beschreibt es genau, wie ich es empfunden hatte. Demnach hatte ich die Erfahrung (lachend), ohne das Mittel geschluckt zu haben. Einfach weil das Bewußtsein darauf ausgerichtet war 3 .

Da verstand ich. Und diese Leute bilden sich ein, es sei ein Mittel, "das menschliche Bewußtsein" zu entwickeln und ihm "unbekannte Horizonte" zu eröffnen... Das Resultat (dessen bin ich mir jetzt absolut sicher) ist die Auflösung des Gleichgewichts des Wesens.

Für mich ist es deutlich spürbar, denn das Gleichgewicht ist sehr bewußt, gewollt, organisiert, und das macht natürlich einen erheblichen Unterschied; für sie (lachend) ist es nur eine Laune. Nun sind sie überzeugt (Y eingeschlossen), daß man damit einen großen Fortschritt für die Menschheit erzielen könne. Es mache ihnen "einen ganzen Bereich bewußt, den sie nicht kennen".

Aber... es schafft eine Lüge mehr im Bewußtsein, denn die Wahrnehmung nur EINES Aspektes der Wirklichkeit auf Kosten aller anderen ist eine schreckliche Lüge. Wie ich schon sagte, machte es auf mich den Eindruck, daß dies eine gute Art ist, verrückt zu werden.

Für sie ist es ein Nebeneffekt, denn sie nehmen das Mittel und sagen sich: "Wenn ich das Mittel nicht mehr nehme, wird es sich nicht mehr einstellen." – Aber das ist nicht wahr! Es kann im Wesen die Gewohnheit der Störung, des Ungleichgewichts bewirken.

Voilà.

Gestern abend las mir Pavitra die genaue Beschreibung der Erfahrung vor, die ich hatte,... ohne zu wissen, was es war. Ich fand das sehr amüsant.

Ich las nicht alles, nur die Hälfte, die andere Hälfte werde ich auch noch lesen. Aber offenbar ist es jetzt ungeheuer verbreitet, oh weh!

Man kann sich natürlich fragen, ob es nötig ist, daß die Menschheit in ein allgemeines Ungleichgewicht fällt, damit sie zu einem höheren Gleichgewicht findet?

Aber es ist völlig offensichtlich, daß man keiner Drogen bedarf, um diese Erfahrungen zu haben – ich habe keine Drogen genommen.

Sie glauben daran, sie glauben, dies gebe ihnen die Gewißheit, daß es keine Einbildung ist (die anderen Welten), oder für die Vernünftigeren, daß es viele Dinge gibt, die sie nicht kennen oder die sie sich nicht vorstellen können. Aber all das kann man herausfinden, ohne Drogen zu schlucken.

 

1 Lysergsäurediäthylamid, ein Halluzinogen.

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2 Die erste Synthese von LSD wurde 1938 von zwei Schweizer Wissenschaftlern realisiert. Einer der beiden, Dr. Albert Hofmann, hatte am 16. April 1943 aus Versehen kleine Mengen dieser Substanz eingenommen und ihre seltsamen psychologischen Eigenschaften beobachtet.

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3 Hier die Beschreibung von Dr. Albert Hofmann: "Schwindelgefühle; unzusammenhängende Empfindung von Schwere im Kopf und im Körper, als ob er mit Metall angefüllt wäre. Alles schien zusammenzustürzen. Wenn ich die Augen schloß, drang eine ununterbrochene Folge von phantastischen Bildern von außerordentlicher Intensität auf mich ein. Alle akustischen Wahrnehmungen (zum Beispiel der Lärm eines Autos) wurden in optische Effekte umgewandelt. Jeder Ton rief eine entsprechende farbige Halluzination hervor und wechselte ständig in Form und Farbe. In manchen Augenblicken hatte ich das Gefühl, mich außerhalb meines eigenen Körpers zu befinden."

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