SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 08 Bande

Mutters

Agenda

achten Band

2. August 1967

(Über einen Anhänger des Tantrismus, Schüler von X.)

Siehst du manchmal W?

Ja, ich traf ihn gestern.

Er schrieb mir heute: Er ist voller Aufruhr. Was sagte er dir gestern?

Ach...

Er war nicht in bester Verfassung.

Nein, ganz und gar nicht.

Voller Aufruhr. Nachts hat er Herzschmerzen, Brustschmerzen, Kopfschmerzen, Schmerzen überall. Heute schrieb er mir: "Willst du etwa, daß das bis zum Ende der Welt so weitergeht?" Ich antwortete ihm: Genau das Gegenteil will ich!

Gestern sprach ich eine halbe Stunde lang mit ihm, aber er war wie... weißt du, wie vernagelt: er hatte im voraus entschieden, daß er nichts von dem, was ich ihm sagte, verstehen würde. Ich versuchte, bis auf den Grund durchzudringen, aber... Er sagte mir (dies ist eine alte Formation, die auf ihm lastet), daß er alles, was er unternehme, eine Zeitlang mache, worauf ihm eine Katastrophe zustoße und er es abbrechen müsse. Jetzt, sagt er, mache er eine spirituelle Anstrengung, und es sei ihm wieder eine Katastrophe zugestoßen (ich weiß nicht welche). Natürlich sagte ich ihm, dies treffe in keiner Weise zu. Es sei im Gegenteil das Zeichen dafür, daß er den Punkt erreicht habe, wo die Tür sich öffnen und er sich transformieren könne. Er weigert sich aber zu verstehen. Weißt du, wenn die Leute so hartnäckig sind, gibt es kein Mittel, man dringt nicht durch.

Da dachte ich, du könntest vielleicht mit ihm sprechen.

Ich sah ihn gestern abend, und ich hatte den Eindruck, daß es ihm gut tat, daß er mir auf jeden Fall zuhörte...

Ich hatte auch den Eindruck, daß er dir zuhören würde (deshalb erwähne ich die Sache).

Ja, ich versuche es.

Dann ist es gut... Weißt du, wenn man sich in einen eisernen Käfig einschließt und sagt: "Es ist unmöglich, unmöglich, unmöglich ..."

Das ganze tantrische Japa, das er praktiziert hat, ist ein großes Hindernis für ihn.

Aber warum fährt er damit fort?

Das ist ja gerade das Problem, es gelingt ihm nicht, die Kraft zu finden, es aufzugeben.

Ah, voilà! Er fährt damit fort...

Gestern versuchte ich ihm zu sagen, daß diese Art von Disziplin sehr machtvoll ist und sich gut für bestimmte Leute eignet, aber daß man damit eine immer engere Kraft um sich webt, in die man sich selbst verstrickt.

So ist es. Ja, genau!

Aber er muß den Mut aufbringen, es abzubrechen. Das ist sein Problem.

Kein einziges Mal sagte er mir: Ich will aufhören.

Aber er wagt es nicht. Und du sagst es ihm auch nicht, somit... (aber natürlich ist es schwer für dich, es ihm zu sagen).

Gestern erklärte ich ihm, welche Wirkung dieses Japa auf ihn hat, ich erklärte es ihm im Detail, aber ich glaube, er verstand nichts. Ich riet ihm, es zu wechseln; ich gab ihm sogar das Mantra (denn das ist die höchste Befreiung, wenn man damit arbeitet), ich wollte eben, daß er damit übt, anstatt ihn ganz ohne Mantra zu lassen. Aber gestern fragte ich ihn: "Fährst du damit fort?" Er antwortete: "Ach, nur ein bißchen."

Natürlich sind in einem selbst (und folglich um einen herum) genau die Kräfte, die sich der eigenen Verwirklichung entgegenstemmen. Das System dieser tantrischen Mantras besteht darin, in den Wesen des Übermentals einen Stützpunkt zu finden im Kampf gegen diese Kräfte, die viel stärker sind als sie, die Götter, es sind – der Beweis ist, daß sie (die Götter des Übermentals) trotz all ihres guten Willens niemals einen harmonischen Ort aus der Erde machen konnten. Wir sind gezwungen, das festzustellen. Ich sagte ihm, all diese Mantras seien ein direkter Kampf gegen diese Schwierigkeit (genau das löste seine schrecklichen Kopfschmerzen aus, über die er klagt: Es ist gefährlich, es kann die ganze Funktion stören), deshalb riet ich ihm, damit aufzuhören und stattdessen mein Mantra zu nehmen. All das erklärte ich ihm gestern. Ich sagte ihm, man dürfe nicht direkt kämpfen: Man muß einen Stützpunkt in der Kraft finden, die man in sich selbst trägt, die überall zugegen ist und die die Schwierigkeit überwinden kann: "Anstatt zu kämpfen, lebe in dem anderen Bewußtsein!" Aber ich merkte, daß er verschlossen war – wie mit einem Riegel – mit einem harten Blick. Er wollte nicht verstehen. Nun denn...

Eine halbe Stunde lang hielt er mich hier auf. Es war halb eins.

Wenn du ihm das erklären kannst, wird es ihm, glaube ich, gut tun.

Gestern abend drang es durch, ich hatte etwas berührt.

Ja.

Aber...

Das Ergebnis war, daß er mir heute morgen sagte: "Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, ich fühlte einen Schmerz im Herzen, einen Schmerz, ich weiß nicht mehr wo (an drei oder vier Stellen), ich kann nicht essen, unmöglich" (kurz, eine Schilderung des großen Dramas), und er sagte mir: "Willst du, daß es mir bis ans Ende der Welt so geht?"

Sein Problem ist, sich von diesem Tantrismus zu lösen.

Nein, er hat zwei Probleme. Eins im Hinblick auf die Aktion, und dann herrscht ein gewaltiger Stolz in der ganzen Familie; sie sind schrecklich eitel, es ist eine Formation... Das war gestern in ihm, es war wie zusammengeballt. Da sagte ich ihm: "Habe etwas mehr Demut, etwas mehr Bescheidenheit!"

Nicht wahr, man will um keinen Preis aufgeben.

Es ist das Empfinden, daß man rein gar nichts ist, wenn man dem gegenüber steht... man kann es nennen, wie man will, das spielt keine Rolle (ob man dabei von der Idee des Bewußtseins oder der des höchsten Herrn ausgeht, ist egal). Aber es bedeutet, auf konkrete Weise zu fühlen, daß man nichts ist, solange man in seiner kleinen Person verharrt, und man wird alles, wenn man auf diese kleine Person verzichtet. Genau dies verstehen sie nicht. Der Stolz ist einfach... Man hat einen Kontakt mit der inneren Ewigkeit, der inneren Allmächtigkeit, aber man ist in seinem kleinen Ego eingeschlossen; das Ego stellt sich vor, daß es Das sei, und es meldet seinen Anspruch – es setzt sich fest und will sich nicht mehr rühren, ein kolossales Ich. Es ist genau die höchste Wahrheit (lachend) in ihrer Verformung.

Ich versuchte, ihm das gestern verständlich zu machen (nicht so direkt, ich sagte es ihm sehr freundlich).

Sicherlich sieht man folgendes: Jene, die genau das Gegenteil sind und auf dem Boden kriechen, haben keine Substanz, mit denen kann man nichts anfangen; man muß versuchen, ihnen etwas Vertrauen einzuflößen. Aber das ist nichts. Während man mit diesen da etwas ausrichten kann; aber... ach, sie werden wütend auf einen.

Der Kontakt mit den großen Asuras, den ersten Asuras ist so: das volle Bewußtsein ihrer ungeheuren Kraft, ihrer wunderbaren Fähigkeiten – sie vergessen nur eine Sache, und zwar daß sie keinen Verdienst daran haben, daß sie sie nicht als Eigentum besitzen. So schneiden sie die Verbindung ab und werden Instrumente der Unordnung und Verwirrung.

Jener Herr der Lüge...

Für das menschliche Bewußtsein sind diese Dinge schrecklich, aber von dort oben kann man nur darüber lächeln. Ich erinnere mich, während des Krieges verdarb ich ihm sein Werk mit Hitler, woraufhin ich ihn traf und ihm sagte: "Du weißt sehr gut, daß deine Zeit abgelaufen ist." Er antwortete: "Ich weiß es, aber bevor ich abtrete, werde ich so viel Zerstörung wie möglich anrichten."

Kindereien.

*
*   *

Etwas später

Ich habe dir schon erzählt, daß ich gerade mit den Lehrern der Schule in Verbindung stehe. Eine "Konferenz" findet statt, hier (Mutter reicht Satprem ein Blatt Papier). Ein Punkt ist interessant:

Eure Schwierigkeit rührt von der Tatsache her, daß Ihr immer noch an diesem alten Glauben festhaltet, gewisse Dinge im Leben seien hoch und andere niedrig. Das ist nicht richtig. Nicht die Dinge oder Tätigkeiten sind hoch oder tief, sondern das Bewußtsein dessen, der handelt, ist wahr oder falsch...

Dies ist der interessante Punkt.

Wenn Ihr Euer Bewußtsein mit dem Höchsten Bewußtsein vereinigt und Es manifestiert, wird alles, was Ihr denkt, fühlt oder tut, leuchtend und wahr. Nicht das Thema des Lehrstoffs muß geändert werden, sondern das Bewußtsein, mit dem Ihr lehrt, muß erleuchtet werden.

(31. Juli 1967)

Dann stellte mir Y Fragen über de Gaulle (Mutter reicht ein anderes Blatt Papier):

Solange man für die einen und gegen die anderen ist, ist man notgedrungen weit von der Wahrheit entfernt.

Die ganze aktuelle Politik ist auf der Lüge aufgebaut, und keine Nation kann sich dieser Lüge völlig entziehen.

De Gaulle besitzt einen Keim inneren Lebens, er weiß, daß es eine höhere Kraft als die physischen und mentalen Kräfte gibt... und deshalb ist er aufnahmefähiger als viele andere.

Aber er hat seine Ideen, Prinzipien, Vorlieben usw., womit er sich grob täuschen kann, wie alle menschlichen Wesen.

Durch all den Unsinn und all das Chaos hindurch ist das Wahrheitsbewußtsein am Werk, überall, an allen Punkten der Erde zugleich, in allen Nationen, allen Individualitäten, ohne Vorlieben oder Unterscheidung, überall, wo es einen Funken Bewußtsein gibt, der es empfangen und manifestieren kann.

(29. Juli 1967)

*
*   *

(Mutter liest Satprem ein Zitat von Sri Aurobindo vor:)

Ständig wiedergeboren zu werden ist die Bedingung für materielle Unsterblichkeit.

Sri Aurobindo

Das ist großartig.

*
*   *

Später, nach einer Meditation:

Tag für Tag, fast Stunde um Stunde, im dem Maße, wie die Kraft zurückkommt... Nicht wahr, ich hatte gesagt, daß sie vollkommen verschwunden war 1, und das stimmte. Sie war völlig verschwunden, um den Körper ganz sich selbst zu überlassen, für seine Umwandlung, könnte man sagen; aber sobald in diesem körperlichen Bewußtsein erst einmal die gleiche Aspiration und die gleiche Glut des Bewußtseins erwacht (mit einer viel größeren Stabilität als in irgendeinem anderen Teil des Wesens; im Körper gibt es keine Schwankungen wie im Vital und im Mental, er ist sehr beständig), sobald dies einmal etabliert ist (durch etwas wie aufeinanderfolgende Pulsationen, aber ohne Zwischenräume, zuerst in einem Detail, dann sich ausbreitend und allgemein werdend), kommt die Kraft zurück. Aber bei jeder Phase dieser Rückkehr scheinen auch die alten Schwierigkeiten wieder aufgerührt zu werden 2, sie scheinen wieder aufzuspringen (sie waren völlig eingeschlafen). Jedesmal erlebt dieses körperliche Bewußtsein eine Art Überraschung, zugleich tief betrübt und erstaunt, daß die Gegenwart der göttlichen Macht, des göttlichen Bewußtseins, der Kraft der Wahrheit all diese Schwierigkeiten entstehen lassen kann, die im wesentlichen Schwierigkeiten der Unwissenheit, der Trägheit, der Unempfänglichkeit sind. Es kommt zurück wie Erinnerungen (Geste von unten), wie eine Schlange, die sich aufrichtet. Jedesmal hat alles im physischen Bewußtsein den gleichen Ruf: "Warum können diese Dinge existieren, wo Du doch da bist?" Darin besteht das Erstaunen: "Wie können diese Dinge bestehen, da Du doch da bist?"

Bisher war dies in fast allen Fällen das Zeichen einer Richtungsänderung, einer Transformation, einer Erleuchtung (je nachdem), aber gerade der Fall, von dem wir sprachen (der Anhänger des Tantrismus), erschien genau wie eine Folge dieser Rückkehr der Macht (ich wußte es, er sagte es mir gestern, aber ich wußte es, als er seine Revolte hatte), und alles, was kam, waren genau diese alten Revolten, all diese alten Regungen, die vorher so stark waren, so verallgemeinert, so EINGESESSEN, und dann waren sie in ihrem Ausdruck wie verhindert durch die Tatsache, daß die Macht sich zurückgezogen hatte. Alle dösten so in ihrem Zustand dahin. Und als die Kraft erneut zu arbeiten begann, erwachte alles wieder.

Aber noch ist es nicht die volle Gegenwart, es ist nicht die totale Gegenwart des Wesens, das die Dinge durch eine unanfechtbare Allmacht ändert. Der Körper hat etwas sehr Bewegendes in der Einfachheit seines Gebetes und in seinem kindlichen Erstaunen: "Wo Du doch da bist, wie kann dies sein?"... Und alles, was zur Transformation bereit ist, wird transformiert. Aber es ist noch nicht... (wie soll ich sagen?) zwingend (Geste einer unwiderstehlichen Herabkunft), die absolute Autorität, der nichts widerstehen kann – das besteht noch nicht, bei weitem nicht.

Man weiß nicht, wie lange es noch dauern wird.

Alles, was bereit ist, sich zu ändern, ändert sich.

Ansonsten eine stetige, langsame Arbeit, unterirdisch, unsichtbar, fast nicht wahrnehmbar.

(Schweigen)

Es ist interessant, daß der Körper spontan, unmittelbar, ohne Anstrengung in sich selbst sucht, die Zellen des Körpers (es ist eine ganze WELT, es ist eine Welt!) suchen in sich selbst: "Oh, wo ist meine Unfähigkeit, wo ist meine Machtlosigkeit, wo ist... selbst mein böser Wille oder meine Dummheit oder meine Unfähigkeit, zu verstehen und zu folgen?" Etwa so. Und dann immer dieselbe Antwort: "Alles geben, alles geben, alles geben... Ich verstehe nicht, ich kann nicht verstehen, ich weiß nicht, ich kann nicht wissen – ich kann nicht, ich kann nicht handeln, ich bin unfähig, es selbst zu tun: alles für Dich, handle Du!"

Sie versuchen – alles versucht, sich vollkommen zu geben, GÄNZLICH, das heißt vorbehaltlos, alles, alles.

Es ist eine Art... nicht Besorgnis, aber vor allem eine Wachsamkeit, als ob sie alarmiert worden wären: "Nur tun, was Du willst, nur denken, was Du willst, nur fühlen, was Du willst, nur sagen, was Du willst ..." So ist das ständig, ununterbrochen, Tag und Nacht. Selbst beim Handeln, beim Ausruhen, bei allem, allem: "Sein, was Du willst, fühlen, was Du willst, tun, was Du willst, existieren... ohne Unterschied."

Beim geringsten kleinen Schmerz, bei jeder kleinen Widrigkeit, bei der geringsten kleinen Ungeschicklichkeit, egal was, sofort: "Ah (ein Auffahren), das bist nicht Du."

(Mutter versinkt in Kontemplation)

Das Subtilphysische scheint mehr und mehr transformiert zu werden. Es liegt immer noch ein Geheimnis zwischen den beiden Welten. Ein Geheimnis. Sie existieren nebeneinander (der physische und der subtilphysische Körper), und trotzdem... (Geste einer fehlenden Verbindung) das Subtilphysische scheint keinen Einfluß darauf zu haben (auf den Körper).

Etwas... etwas muß gefunden werden... etwas.

 

1 Zur Zeit der schweren Prüfung im März 1962, als Mutters Leben in Gefahr zu sein schien.

Rückwärts zum Text

2 Bemerkenswert ist, daß Mutter spricht, als handle es sich um ihren eigenen Körper, wo es sich doch um die kollektiven Schwierigkeiten bei den Schülern handelt.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English