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Mutters

Agenda

achten Band

15. November 1967

Hast du nichts zu sagen?

Nein, man hat das Gefühl, wenn nicht ein Wunder geschieht (was die Menschen darunter verstehen), dann wird es viele Jahrhunderte dauern.

Hast du etwa gehofft, es würde keine Zeit in Anspruch nehmen?

Ja, offenbar.

Ich habe nie geglaubt, daß es schnell eintreten könnte. Man braucht es nur mit seinem eigenen Körper auszuprobieren, so wie ich es tue, um den Unterschied zu sehen zwischen der Materie, wie sie ist, ihrer jetzigen Beschaffenheit, und... nun, dem, was wir uns unter einer göttlichen Existenz vorstellen können – "göttlich" will sagen, daß sie nicht in jeder Sekunde an die Finsternis einer fast völlig unbewußten Materie gebunden ist... Wieviel Zeit wird es dauern? Wie lange hat es denn gedauert, bis der Stein sich in eine Pflanze verwandelte, die Pflanze in ein Tier, das Tier...? Wir wissen nichts Genaues darüber, aber so, wie sich die Dinge entwickeln... Jetzt, wo sie alles so genau ausrechnen können, was glauben sie, wann die Erde sich bildete? Vor wieviel Milliarden Jahren 1? Und all das, um dahin zu gelangen, wo wir jetzt sind.

Je weiter es voranschreitet, um so schneller wird es natürlich gehen, aber schneller... Was heißt schon schnell?

Wenn der Prozeß auf "natürliche Weise" stattfinden soll, wird es wohl eine Ewigkeit dauern.

Nein, es ist keine Frage von "natürlich". Die Natur hat die Dinge für die fortschreitende Manifestation des Bewußtseins organisiert, das heißt, die ganze Arbeit bestand darin, das Unbewußte darauf vorzubereiten, bewußt werden zu können. Jetzt ist das Bewußtsein wenigstens größtenteils vorhanden; daher geht es sehr viel schneller, das heißt, der größte Teil der Arbeit wurde schon geleistet, aber wiederum, wie ich schon sagte, wenn man sieht, wie sehr es noch ans Unbewußte gebunden ist, an ein vages Bewußtsein, wo die unwissenden Menschen noch eine "Fatalität", ein "Schicksal" spüren, das, was sie "Natur" nennen, und all das, was vorherrscht und regiert; nun, damit sich die letzte Veränderung vollziehen kann, muß all dies voll bewußt werden, und nicht nur auf mentale Weise – das genügt nicht –, auf göttliche Weise! So bleibt noch viel zu tun.

Genau das sehe ich jeden Tag bei diesem armen kleinen Körper, und dann all das, was ihn umgibt (Geste eines Gewimmels ringsum), die ganze so geartete Substanz, ach... nichts als Krankheiten, Elend und Unordnung – all das hat nichts mit dem Göttlichen zu tun. Eine unbewußte Masse.

Du willst sagen: Wenn nicht irgend etwas eingreift und das GEWALTSAM verändert?

Ja.

Sri Aurobindo sagte (ich las es vor zwei Tagen, ich weiß nicht mehr, wo er das geschrieben hat, es war ein Zitat), wenn das göttliche Bewußtsein, die göttliche Macht, die göttliche Liebe, die Wahrheit sich zu schnell auf der Erde manifestierte, würde sich die Erde auflösen. Sie könnte es nicht ertragen... brrf!

Ich übersetze, aber so lautet die Idee.

Nun, vielleicht nicht gerade die volle göttliche Dosis, aber eine kleine göttliche Dosis!

(Mutter lacht) Die kleine Dosis ist immer da, immer. Es gibt sogar eine ziemlich kräftige Dosis davon, und wenn man Das sieht, dann staunt man. Aber gerade daran kann man ermessen, wie die Dinge stehen.

Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht die Feststellung mache, daß nicht einmal eine richtige Dosis, sondern ein ganz kleiner Tropfen, ein winzig kleiner Tropfen von Dem, einen in einer Minute heilen kann ("kann": es HEILT einen tatsächlich, es "kann" nicht nur), daß man ständig in der Schwebe ist, daß die geringste Schwäche zu einer Störung führt oder das Ende bedeutet. Und ein einziger Tropfen von Dem... läßt es zu Licht und Fortschritt werden. Die beiden Extreme nebeneinander.

Diese Feststellung macht man jeden Tag mehrere Male.

Wenn es der Zweck dieses Instruments (Mutter) wäre, festzustellen, zu erklären und zu beschreiben, dann könnte es Wunder erzählen, aber... ich weiß nicht, wie es scheint, ist es das erste Mal, daß das Instrument nicht dazu da ist, die "Botschaft", die "Offenbarung", die Erleuchtung zu verkünden, sondern selber zu versuchen, es zu realisieren: das Werk, die unscheinbare, mühselige Arbeit zu verrichten. Es macht seine Beobachtungen, aber es verharrt nicht glückselig in der Freude der Beobachtung, sondern es ist gezwungen, in jeder Minute zu sehen, wieviel Arbeit TROTZDEM noch zu tun bleibt. Es wird erst frohlocken können, wenn die Arbeit getan ist – was heißt das, "die Arbeit ist getan"? – wenn etwas BEGRÜNDET ist. Diese göttliche Gegenwart, dieses göttliche Bewußtsein, diese göttliche Wahrheit manifestiert sich blitzartig, und dann... nimmt alles seinen kleinen alltäglichen Lauf – es vollzieht sich zwar eine Änderung, aber eine kaum wahrnehmbare. Für ihn (den Körper) ist das sehr gut, ich nehme an, es stärkt seinen Mut und gibt ihm eine Art lächelnden Frieden, obwohl er zu keinem sehr befriedigenden Resultat kommt. Aber es kann ihn nicht befrieden, er wird erst zufrieden sein,... wenn es getan ist, das heißt, wenn das, was jetzt noch eine Offenbarung ist – leuchtend, aber von kurzer Dauer –, eine vollendete Tatsache wird; wenn es wirkliche göttliche Körper gibt, göttliche Wesen, die auf göttliche Weise mit der Welt umgehen, ja... dann wird er sagen: "Das ist es"; aber nicht vorher. Ich glaube jedenfalls nicht, daß es sofort geschehen kann.

Denn ich sehe sehr wohl, was hier am Werk ist... Wie ich schon sagte, wäre ich dazu bestimmt, zu erzählen, zu erklären und vorauszusagen, könnte ich mit diesen Dingen eine ganze Lehre aufstellen, mit nur EINER dieser Erfahrungen – ich habe mehrere jeden Tag. Aber das führt zu nichts, ich weiß es!

Dies ist keine Ungeduld, nicht einmal eine Unzufriedenheit, ganz und gar nicht, sondern... eine Kraft, ein Wille, der Schritt für Schritt voranschreitet und der nicht einhalten kann, um zu erzählen und sich an dem zu ergötzen, was getan wurde.

(Schweigen)

Gibt es irgendwo auf der Erde ein wirklich göttliches Wesen, d.h. das von keinem Gesetz des Unbewußten beherrscht wird?... Mir scheint, man wüßte es. Wenn es existierte, und ich wüßte es nicht, dann müßte ich mir sagen, daß irgendwo in mir eine recht große Unaufrichtigkeit ist!

Ehrlich gesagt, stelle ich mir diese Frage nicht.

All jene, die als "Offenbarer der neuen Welt" oder "Verwirklicher des neuen Lebens" gelten, bei all diesen Leuten ist der Prozentsatz an Unbewußtheit viel größer als bei mir, folglich... Aber das ist das, was öffentlich bekannt ist – gibt es irgendwo ein Wesen, von dem niemand etwas weiß? Dann würde es mich wundern, wenn es keine Kommunikation gäbe. Ich weiß es nicht.

Vieles geschieht, es gibt eine ganze Schar von neuen Christussen, von Kalkis 2 und Übermenschen, ach, viele, aber meistens tritt man auf irgendeine Weise in Verbindung mit ihnen, jedenfalls erfährt man von ihrer Existenz. Und unter all den Wesen, mit denen ich in unsichtbarer oder sichtbarer Beziehung stand, gab es nicht eines, das... (wie soll ich sagen?) weniger Unbewußtheit als dieser Körper gehabt hätte – aber ich gebe zu, es gibt noch sehr viel davon.

Eben diesen Prozeß sehe ich nicht, um aus dieser Trägheit und Unbewußtheit herauszukommen.

Prozeß, welcher Prozeß? Der Transformation?

Ja, man sagt, daß das Bewußtsein wirken und all das erwecken soll...

Aber genau das tut es.

Ja, das tut es, aber...

Es hört nicht auf, es zu tun!

Ich sage dir, die Antwort ist folgende: Plötzlich besteht die Wahrnehmung irgendeiner Störung (oh, es sind ganz subtile Dinge – sehr subtil –, aber für das Bewußtsein sind sie sehr konkret), wie eine Welle der Desorganisation. Die Körpersubstanz beginnt sie zuerst zu fühlen, dann sieht sie das Ergebnis, und alles beginnt sich aufzulösen: die Desorganisation stört den notwendigen Zusammenhalt der Zellen, um einen individuellen Körper aufzubauen. Und man weiß: "Ach! (Geste der Auflösung) es wird zu Ende gehen." Dann erhebt sich die Aspiration der Zellen, eines gewissen zentralen Bewußtseins des Körpers, intensiv, mit einem so vollendeten surrender wie nur möglich: "Dein Wille, Herr, Dein Wille, Dein Wille ..." Darauf entsteht eine Art... nichts Aufsehenerregendes, kein leuchtender Blitz, aber... nun, es sieht aus wie eine Verdichtung dieser Welle der Störung, worauf etwas zum Stillstand kommt: zuerst ein Friede, dann ein Licht, dann Harmonie – und die Störung ist verschwunden. Sobald die Störung verschwunden ist, entsteht IN DEN ZELLEN unmittelbar der Eindruck, die Ewigkeit, für die Ewigkeit zu leben.

Dies geschieht mit der ganzen Intensität einer konkreten Wirklichkeit, nicht nur täglich, sondern mehrere Male am Tag. Manchmal ist es sehr ernst, das heißt wie eine Masse, manchmal berührt einen nur etwas. Im Bewußtsein des Körpers drückt sich dies wie ein Wirken der Gnade aus: ein weiterer Fortschritt über das Unbewußte. Nur sind es keine aufsehenerregenden Ereignisse: der menschliche Nachbar merkt es nicht einmal, er kann vielleicht ein Innehalten in der äußeren Tätigkeit feststellen, eine Konzentration, aber das ist alles 3 . Darüber spricht man nicht, man kann keine Bücher darüber schreiben, man macht keine Propaganda... Darin besteht die Arbeit.

Keine einzige der mentalen Aspirationen ist damit zufrieden.

Eine sehr unscheinbare Arbeit.

(Mutter tritt in eine lange Kontemplation)

Da brannten zwei große und drei kleine Kerzen... Was hatte das zu bedeuten? Sie brannten alle fünf. Was mag das bedeuten? Ich weiß es nicht. Zwei waren so groß und brannten; sie waren von einer Farbe... nicht rot und nicht gelb: orange, aber durchscheinend. Es war, als ob die Kerzen zwischen uns beiden brannten.

Zwei große und drei kleine. Ich kenne die Bedeutung nicht.

Sie brannten langsam (unbewegliche Geste), ohne einen Luftzug, sehr ruhig.

Es hielt lange an.

(langes Schweigen)

Vor ein oder zwei Tagen, ich weiß nicht mehr, hatte ich eine Gesamtschau der Bemühung der Erde um ihre Vergöttlichung. Es war, als ob jemand sagte... nicht jemand: das Bewußtsein als Zeuge, das beobachtende Bewußtsein, das sich aber in Worten ausdrückt – sehr oft drückt es sich auf englisch aus, und ich habe den Eindruck, daß es Sri Aurobindo ist, Sri Aurobindos aktives Bewußtsein – manchmal drückt es sich erst in meinem Bewußtsein in Worten aus, und in diesen Tagen sagte etwas: "Ja, die Zeit der Verkündigungen, der Offenbarungen ist vorbei – jetzt ist Zeit zum Handeln!"

Die Verkündigungen, die Offenbarungen, die Prophezeiungen, all das ist im Grunde sehr bequem, es erweckt den Eindruck von etwas "Konkretem"; während es jetzt sehr verborgen ist, das Gefühl, daß es sehr verborgen, unsichtbar und unverstanden ist – es wird erst durch Ergebnisse sichtbar, die noch in ferner, ferner Zukunft liegen.

Das wird nicht verstanden... C wollte die Notizen auf dem Weg und A Propos auf hindi übersetzen, in einem Band. Er sprach mit R darüber, und R schrieb mir: "Die Leute verstehen nichts", und er habe den Eindruck, die menschliche Sprache sei ungeeignet, das auszudrücken – was könne da bei einer Übersetzung schon herauskommen? – eine Platitüde; es wäre besser zu warten. Ich bin vollkommen damit einverstanden, ich sagte ihm, es sei besser zu warten. Aber das zeigte mir den Stand der Dinge. Denn von R und C erwartet man, daß sie verstehen, und offensichtlich verstehen sie nichts. Als Nolini da war, gab ich ihm den Brief zu lesen, und er sagte: "Oh, ja." – Bei ihm ist es dasselbe, er hat nichts verstanden. So ist es allgemein. Denn viele Leute zitieren meine Worte oder führen Erfahrungen an, die sie hatten, geben Erklärungen zu den Notizen auf dem Weg, und jedesmal sehe ich, daß sie NICHTS verstanden haben.

Es scheint mir ein allgemeines Unverständnis zu herrschen.

(Schweigen)

Es gehört einem Bereich an, der noch nicht dazu bereit ist, erklärt und in Worten manifestiert zu werden.

Das ist offensichtlich, ich sehe es deutlich: Weil sie alle recht freundlich sind und viel Respekt haben, gestatten sie ihrem Mental nicht zu sagen: "Das ist albernes Geschwätz", aber für sie gehört es zum Bereich des Unverständlichen.

Soweit es wirklich neu ist, ist es tatsächlich unverständlich. Was ich sage, entspricht keiner gelebten Erfahrung des Lesers.

Ich sehe klar: Nur eine kleine Arbeit (Geste einer Umkehrung) wäre nötig, um es zu einer prophetischen Offenbarung zu machen. Eine kleine Arbeit, eine kleine Umkehr im Mental – die Erfahrung liegt völlig außerhalb des Mentals, und was man darüber sagt... (Mutter schüttelt den Kopf). Gerade weil es nicht mental ist, klingt es ziemlich unverständlich, und damit all dies zugänglich wird (ich sehe das so deutlich!), braucht es (die gleiche Geste) nur eine kleine Wendung des Mentals, und es wird prophetisch. Aber das... das ist nicht möglich. Es würde seine Wahrhaftigkeit verlieren.

Nun, wir sind auf dem Weg.

 

1 Offenbar vor viereinhalb Milliarden Jahren.

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2 Der letzte Avatar nach hinduistischer Tradition.

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3 In solchen Augenblicken wurde Mutter blaß; man sah sie oft ihre Handflächen über ihre Augen legen.

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