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Mutters

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neunten Band

7. Februar 1968

Mir ist eine sehr amüsante Geschichte mit den Blumen passiert. Ich hatte Rosen arrangiert, um sie Besuchern zu geben, und dann, als die Leute eintrafen, nahm ich eine der Rosen heraus. Sie hatte sich schon ein wenig zu sehr geöffnet und sah nicht mehr ganz frisch aus. So betrachtete ich sie und fragte mich: "Ist sie noch gut genug, um verschenkt zu werden?" Ich hielt sie ein wenig locker, ungefähr so... Mein Kind, sie hat sich tatsächlich vor meinen Augen umgedreht und mich in den Daumen gestochen!

Ich hatte andere Beispiele des Bewußtseins in den Pflanzen, dieses aber war wirklich bemerkenswert. Wenn ich sie in die Hand nehme und ihnen sage, wie schön und wie nett sie sind, dann öffnen sie sich – das geschieht häufig; aber daß sie sich umdreht (ich hielt sie natürlich nicht sehr fest) und mir mit dem Dorn in den Daumen sticht!

Ich hatte andere Beispiele, aber dieses war wirklich amüsant. Du weißt, daß ich die Hibiskusblüten dort unter die Lampe stelle. Ich stellte zwei Blumen dorthin: das "supramentale Bewußtsein" und dann eine andere, blaß-rosafarbene, die "supramentale Schönheit". Dann schickte man mir eine Hibiskus von solchen Ausmaßen, ganz weiß, mit einem granatapfelroten Zentrum (ich nannte sie "Macht"), eine wahre Pracht! So groß! Ich stellte sie dazu, und die andere... (sie hatte sich den ganzen Morgen sehr schön gehalten), augenblicklich fiel sie vor lauter Wut – sie "fiel" nicht, nein, sie warf sich zu Boden, mit einer solchen Geste!

Die Eifersucht zwischen Blumen ist mir schon früher aufgefallen. Manche Rosen verwelken augenblicklich, wenn man sie mit anderen Blumen zusammenstellt.

Aber diese Wut, das sah ich zum ersten Mal.

Und das Schönste an der Sache war, daß ich sie natürlich behielt und später verschenkte. (Lachend) Ihr Coup ist ihr also gelungen.

Es gibt jemanden, dem ich Blumen schicke und der mir auch jeden Tag Blumen schickt, jemand, der ernsthaft Yoga betreibt. Er hat mir gerade diese goldene Hibiskus geschickt, die "supramentale Schönheit", und er schrieb mir, daß er zu einer seiner Blumen sagte: "Du wirst Mutter sehen", und daß sie daraufhin lächelte. Sie blühte auf, freute sich und lächelte. Das sagte er mir: "Sie hat mir zugelächelt."

Ich weiß nicht, ob nur unsere Wahrnehmung Fortschritte macht oder ob es nicht wirklich so ist, wie Sri Aurobindo sagte: "Wenn die supramentale Kraft auf die Erde kommt, wird es ÜBERALL eine Antwort geben." Es macht diesen Eindruck, denn die Blumen beben richtig, sind so voller Leben. Morgens sortiere ich sie immer (ich verbringe mindestens eine dreiviertel Stunde damit – es gibt hier mehr als hundert Blumen in den verschiedenen Vasen, und ich suche für jeden eine ganz besondere heraus), und so gibt es Blumen, die mir sagen: "Mich, nimm mich!" Und tatsächlich sind es gerade die, die ich brauche. Sie rufen mich, um mir zu sagen: "Ich!"... Aber das ist nicht neu, denn als ich in Japan war, hatte ich dort einen großen Garten, den ich pflegte, und in einem Teil pflanzte ich Gemüse an. Morgens ging ich immer in den Garten hinunter, um das Gemüse für das Mittagessen zu holen, und prompt gab es hier, da und dort (Geste) welche, die mir zuriefen: "Nimm mich! Nimm mich!" Einfach so. Also pflückte ich sie. Sie haben mich tatsächlich gerufen.

Das ist lange her, neunzehnhundertund... wann war das? Es war 1916-17, vor mehr als vierzig Jahren.

Fünfzig.

(Mutter lacht) Ja, es ist fünfzig Jahre her.

Ich darf dabei nur nicht denken, nein, ich muß völlig ruhig bleiben, worauf ich direkt auf diejenigen zugehe, die rufen: "Mich! Mich!..." Ich bin selbst erstaunt, ich sage mir: "Wie wunderbar – genau das, was ich brauche!"

*
*   *

Etwas später

Ach, jetzt an die Arbeit! Weißt du, was wir tun müssen?... Die "Charta von Auroville" vorbereiten. Sie werden sie in die Erde legen – wenn sie die Erde aller Länder in die Urne werfen, werden sie eine Metalldose mit der auf Pergament geschriebenen Charta mithineinlegen. Also muß sie geschrieben werden... Ich habe einige Ideen.

Und dann gibt es eine Charta, die von G vorbereitet wurde, und eine von Y. Bitte lies sie mir vor, und dann werden wir sehen (Mutter reicht Satprem die Charta von G).

Charta von Auroville (Entwurf von G)

1) Auroville ist der erste Schmelztiegel des planetarischen Menschen.

Uff! "Planetarisch", ein Schüler von Y – Y schätzt "planetarisch" sehr.

2) Auroville bietet sich an, die tiefen Quellen der Einheit des Menschen und des Universums und der Erkenntnis in Freude und Liebe zu entdecken.

Ich verstehe kein Wort! Aber das macht nichts.

3) Auroville gehört der ganzen Erde, und alle Wesen der Erde sind Mitglieder Aurovilles.

4) An diesem Tage wird Auroville feierlich bis in alle Ewigkeit dem Dienst der Einheit von Himmel, Erde und Leben gewidmet.

Himmel? Welcher Himmel?

Hier ist die andere (Mutter reicht die Charta von Y). Das ist literarischer...

Widmung Aurovilles (Entwurf von Y)

1) Ehrfürchtig gründen wir diese Stadt als erste Heimstätte einer planetarischen Gesellschaft...

Oh!

... der Gesellschaft von morgen.

2) Ehrfürchtig widmen wir diese Stadt der sich immer erneuernden Synthese von den neuesten Errungenschaften der Wissenschaft und der ältesten Weisheit.

3) Ehrfürchtig erklären wir es zur vordringlichsten Aufgabe dieser Stadt, jedes Kind auf seine höchste spirituelle und planetarische Bestimmung vorzubereiten...

Oh je!

... damit diese Stadt zur Wiege einer neuen Menschheit werde.

Das ist alles? Das letzte ist besser, aber das ist es noch nicht.

Bei mir gibt es keine Feierlichkeiten... Ich habe es nicht aufgeschrieben, denn es ist nie mental, folglich ist es nicht organisiert (Mutter sucht einige verstreute kleine Zettel). Vom mentalen Standpunkt aus gesehen hat es keinen Wert, es ist nicht organisiert, aber verschiedene Sachen sind gekommen. Es sind Fragmente ohne logische Folge (Mutter sortiert weiter ihre kleinen Zettel). Ich weiß nicht einmal mehr, was ich gesagt habe und in welcher Reihenfolge ich es nehmen soll... Aha! (Mutter zieht ein Stückchen Papier hervor)... Da gibt es zunächst den materiellen Gesichtspunkt, den G auf ungeschickte Weise darzustellen versuchte: daß jeder ein Bürger Aurovilles ist. Darin liegt eine Wahrheit (wir brauchen hier keine Feierlichkeiten hineinzulegen, das ist überflüssig).

(Mutter entrollt ein großes Stück Pergament auf der Fensterbank gegenüber dem Samadhi, setzt sich auf einen Hocker und beginnt, bewaffnet mit einem riesigen schwarzen Filzstift, der Buchstaben in Keilschriftgröße zeichnet, unter laufendem Kommentar die Charta niederzuschreiben:)

1) Auroville gehört niemandem im besonderen. Auroville gehört der Menschheit als Ganzes...

Siehst du, das ist die materielle Tatsache. Auroville gehört... ich habe nicht gesagt, "gehört keinem Land", denn Indien wäre darüber sehr wütend. "Gehört niemandem" meine ich im Sinne von "keiner Person"; das ist ein ungenauer Begriff, aber ich habe es so formuliert, um nicht "keinem menschlichen Wesen" oder "keinem Land" sagen zu müssen. Deshalb schrieb ich: "Auroville gehört der Menschheit ALS GANZES", denn dies bedeutet: niemandem. Als Ganzes werden sie sich nämlich nie einigen, das ist unmöglich. Ich habe das mit Absicht so formuliert. Und ich spreche nicht von "Bürgern", nichts von alledem, ich sage stattdessen:

...Um sich jedoch in Auroville aufhalten zu können, muß man ein williger Diener des göttlichen Bewußtseins sein.

Alle werden sich über das "Göttliche" aufregen, aber das ist mir gleich! Nicht wahr, das ist die Erklärung für das Matrimandir 1 im Zentrum. Das Matrimandir stellt das göttliche Bewußtsein dar. All das wird nicht näher erklärt, aber darum geht es.

2) Auroville wird der Ort einer fortwährenden Ausbildung, eines steten Fortschritts und einer Jugend sein, die niemals altert.

Und dann:

3) Auroville will die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft sein. Unter Ausschöpfung aller Entdeckungen...

"Alle Entdeckungen" soll heißen: philosophisch, spirituell, ethisch, wissenschaftlich, alle miteinbegriffen – alle Errungenschaften der Vergangenheit ausschöpfend.

Unter Ausschöpfung aller inneren und äußeren Entdeckungen geht es kühn den künftigen Verwirklichungen entgegen.

Und für den Schluß gibt es zwei Versionen:

"4) Auroville wird ein Ort der Bewußtseinsforschung und der Erforschung der Existenzmöglichkeiten sein, um eine menschliche Einheit zu erzielen, die sich auf gegenseitiges Verständnis und guten Willen gründet."

Auf einem anderen Zettel steht:

"um der konkreten menschlichen Einheit einen lebendigen Körper zu geben."

Also können wir das etwas umändern:

4) Auroville wird ein Ort spiritueller und materieller Forschungen sein, um der konkreten menschlichen Einheit einen lebendigen Körper zu geben.

Gut.

(Mutter steht wieder auf)

Das bin nicht ich, die all das geschrieben hat... Mir ist etwas sehr Interessantes aufgefallen: Wenn es kommt, ist es zwingend, es gibt keine Diskussion; ich schreibe es auf, ich bin GEZWUNGEN, es aufzuschreiben, ganz gleich, was ich gerade tue. Und wenn es nicht gegenwärtig ist, ist es einfach nicht gegenwärtig. Selbst wenn ich mich zu erinnern versuche, gibt es nichts, es ist nicht da... Folglich ist es evident, daß es nicht von hier kommt: es kommt von irgendwo oben.

Auroville

Die freie internationale Stadt

ohne Polizei

ohne Armee

 

1 Der "Tempel der Mutter" im Zentrum von Auroville.

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