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Mutters

Agenda

neunten Band

2. März 1968

(Über die Charta von Auroville)

Alle wollen meine Botschaften ändern!...

Ändern?

Ja.

Warum?

(Mutter lacht) Weil die Worte ihnen nicht passen... Es gibt da eine ganze Geschichte mit den Kommunisten und dem sowjetischen Konsul: ein scheinbar sehr intelligenter Mann, Leser von Sri Aurobindo, sehr interessiert, wollte sich nützlich machen und... er sagte: "Was kann ich nur mit dem "göttlichen Bewußtsein" anfangen. 1 (Mutter lacht) Dieses Wort ist bei uns verboten." Man sagte ihm also, daß es sich dabei nicht um Gott handle (ich verstehe sehr gut, daß man das Wort "Gott" verbietet, denn man kann alles mögliche hineinlegen). Er sagte: "Das geht nicht!" Sie schickten dann eine russische Übersetzung, die glücklicherweise erst nach den Feierlichkeiten ankam und bei der es sich um eine Übersetzung ihrer eigenen Gedanken handelte, aber in keiner Weise um die meines Textes. Also antwortete man ihnen, sie sei zu spät angekommen. T hat es übersetzt, aber sie weigerte sich, es vorzulesen, denn sie sagte, dies sei eine "zu große Verantwortung"! (Mutter lacht) Sie sind alle so. Schließlich las S es vor. Wir haben auch einen kommunistischen russischen Architekten hier, der sehr viel für Auroville gearbeitet hat, an Modellen usw. (ein sehr netter junger Mann), und er kam gestern mit einer Bitte: Ob er nicht das Wort "Göttlich" ändern könne. Ich fragte ihn also: "Was schlagen Sie vor?" Und er sagte mir: "Das universelle Bewußtsein." Also antwortete ich ihm (lachend): "Damit schmälern Sie die Bedeutung des Begriffs aber schrecklich." Darauf war er verärgert. Was also tun? So sagte ich ihm: "Hören Sie, ich mache Ihnen ein Zugeständnis; wenn Sie wollen, kann man sagen: das "vollkommene Bewußtsein", das schadet nichts." Damit war er zufrieden, ich schrieb ihm "vollkommenes Bewußtsein" auf sein Papier, und damit ist er gegangen.

Die Gruppe, die wir hier haben... (wie soll man sie nennen?)... die Schüler von Y, die "Avantgarde"-Gruppe, kann den Begriff "göttliches Bewußtsein" nicht ausstehen. Die deutsche Übersetzerin, die keine direkte Schülerin von Y ist, dafür aber von M, ging zu ihm und bat ihn um Unterstützung (wahrscheinlich moralischer Art), und das Beste, was sie finden konnten, war "das höchste Bewußtsein"... Da fragte ich: "Wo ist Euer Höchstes, und wo Euer Niedrigstes?"

Mich haben sie gar nicht erst gefragt, sie sind sich ihrer selbst so sicher. So las man also ihren Text in Auroville vor, und die Leute, die deutsch verstehen, kamen nachher zu mir und sagten: "Wie geht das denn an?"... Dadurch habe ich davon erfahren. "Wie kommt es, daß man in der deutschen Version "das göttliche Bewußtsein" mit dem "höchsten Bewußtsein" übersetzt hat?"

Jeder schreibt, was er will!

Man wird aber eine kleine Broschüre mit der Botschaft und allen Übersetzungen machen, auf japanisch, auf hebräisch, auf arabisch, usw. Mit Fotos illustriert, und dazu wird man den deutschen Text wiederherstellen. Aber der russische Text...

Die "Stadt des Friedens", das ist amüsant. (lachend) Das klingt vielversprechend!

Aber das ist mir egal; was ich sehr kleinkariert finde, ist, mir nichts zu sagen, es heimlich zu ändern. Und zu hoffen, daß ich es nicht mitkriegen werde, ist eine Kinderei, und die Neigung, mir etwas vorzuenthalten, ist nicht sehr schön.

Im Ganzen gesehen ist alles aber sehr gut gegangen.

Wir haben eine Fahne von Auroville, die sehr hübsch ist, man hat sie dort hingebracht; es gibt nur zwei Fahnen (die anderen Länder haben kleinere Wimpel), die Fahne des Ashrams und die von Auroville. Sie hat diese Farbe: (Mutter zeigt auf eine orangene Hibiskusblüte auf dem Tisch).

Was die jungen Delegierten angeht, das war ziemlich gemischt: diejenigen, die spontan aus ihren Ländern kamen oder von der UNESCO ausgewählt wurden, waren sehr angenehm; und dann hat man fast mit Propagandamitteln Leute aus Delhi rekrutiert (viele kamen von den Botschaften dort), darunter waren einige zweifelhafte Gestalten. Manche rauchten, und es gab sogar einen, der angetrunken war... Nichtsdestotrotz, solange sie zusammen waren, haben sie sich akzeptabel benommen. Und dann gab es einen – einen Tschechen –, der einfach nicht mehr weggehen will. Er sagte jedenfalls, er werde solange warten wie nötig, aber vor der Abreise wolle er mich unbedingt sehen.

Man sieht sehr gut, wie die Kraft und die Gnade mit allem arbeitet.

Ja.

Denn hätte man diese Elemente alle sich selbst überlassen, nun, dann wäre nichts weiter als ein großes Durcheinander entstanden. Man sieht sehr wohl, wie das arbeitet... es arbeitet und bedient sich ganz gleich welchen Materials.

Es zieht sogar noch einen Nutzen aus den schlimmsten Dingen. Das ist das Interessante daran.

(Schweigen)

Ich hörte einige wenig erfreuliche Bemerkungen über "= 1", von Leuten, die vollkommen außerhalb davon stehen 2 . Sie sagten mir vor allem, daß es ein sehr intellektuelles, abgehobenes und vernebeltes Blatt sei...

Oh, ja.

Auch mache es den Eindruck, als wollten sie alles an sich reißen.

Vor allem das.

Und drittens sagten sie mir, daß Sri Aurobindos Name nur ganz nebenbei am Ende erwähnt wird.

Ja. Hast du die letzte Ausgabe gesehen? (Mutter sucht nach dem Blatt) Die Aufmachung ist ausgezeichnet, wirklich – sie hat das fröhlichen Herzens gemacht. Es wird sehr gut präsentiert.

Ja, es ist schade. Es handelt sich bei ihnen um viel pervertiertes Talent.

Ja, pervertiert: ich habe vor allem den Eindruck einer Perversion.

Vor allem hier (Mutter zeigt auf das Titelblatt), das ist schrecklich aggressiv. Anstelle eines sich öffnenden Strebens (Mutter macht eine entsprechende aufsteigende Geste), ist es...

Wie das Fallbeil einer Guillotine.

Die Aspiration der Blumen findet ihre Erfüllung in der Blüte; die Natur steigt auf und weitet sich so intensiv wie möglich, um zu empfangen. Das hier (Mutter deutet auf "= 1") gleicht einer Schneide. Das ist sehr bezeichnend.

Ich habe nie etwas gesagt.

Dabei ist es mit viel Geschmack gemacht.

Die Perversion stammt vom Mental. (Mutter blättert durch die Ausgabe) All das ist sehr aggressiv.

*
*   *

Etwas später

Gestern kam ich von unten (dem Empfangszimmer) zurück (ich kann nicht mehr "morgens" sagen), nachdem ich achtundsiebzig Personen gesehen hatte... um drei Uhr nachmittags: die Zeit, zu der ich normalerweise vom Bad zurückkomme, um zu arbeiten – kein Essen. Das sogenannte Mittagessen hat sich schon seit langem in Luft aufgelöst.

(Schweigen)

Es gibt drei Dinge, vor denen man auf der Hut sein muß. Das erste ist die kollektive Suggestion von "Krankheit" – "Krankheiten" kann es in dem Sinne geben, daß gegnerische Kräfte am Werke sind und versuchen, die Dinge zu zersetzen und die Arbeit zu verzögern; aber für das Individuum bestehen diese sogenannten Krankheiten aus... Äußerlich gründen sie sich auf die "Kenntnis" von Mikroben, Bazillen usw., aber das bedeutet, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen und alles verkehrt aufzufassen, denn Mikroben, Bazillen und all diese Mikroorganismen sind AUSWIRKUNGEN, nicht Ursachen.

Und zwar die Auswirkungen von drei Dingen: bösem Willen (schlimmstenfalls einer Weigerung, der Bewegung zu folgen) in mehr oder weniger totaler Form, sodann Unkenntnis der Gesetze und ihrer Konsequenzen, d.h. der Ursachen und der Wirkungen (völlige Unkenntnis), und drittens natürlich die Folge einer Form von Trägheit – alles ist eine Form von Trägheit, hier geht es aber um die größte Form von Trägheit, nämlich die Unfähigkeit, etwas aufzunehmen und darauf zu reagieren. Diese drei Dinge zusammen erzeugen Krankheiten und die letztendliche Auswirkung: den Tod, d.h. die Zersetzung der geschaffenen Harmonie.

Vom kollektiven Standpunkt aus, vom kollektiven Einfluß her, ist das Gegenteil der Fall: dort ist der Tod die "Ursache" der Störung; anstatt die Wirkung zu sein, ist er die Ursache – und das ist absurd.

Vom Standpunkt der Transformation der Zellen und des Organismus gleicht dieser kollektive Einfluß einem Bad, in das man getaucht wird, und die Leute, die dem entkommen wollten, brachen alle Verbindungen ab und versuchten, sich zu isolieren. Das Ergebnis war das Verlassen der materiellen Zone, denn es ist unmöglich, die ganze Zeit so zu verharren (Geste wie in einem Schneckenhaus), als gäbe es keinerlei Verbindung zum Ganzen. Also entsagten sie dem Leben.

In den Beziehungen mit dem Ganzen gibt es grob gesagt drei... man kann sagen drei "Verteidigungsmöglichkeiten" oder drei Haltungen, die man einnehmen kann. Erstens diejenige der Isolierung, die nicht total sein kann, da man sich sonst völlig zurückziehen müßte, und die deshalb nur sehr bedingt wirkungsvoll ist. Zweitens diejenige des Angriffs: das heißt, die Macht aufzubringen, sich mit den Widersachern herumzuschlagen und sie zurückzuwerfen. (Dies hat einen großen Nachteil, wenn es sich nämlich um Kräfte derselben Ebene handelt, sind diese unwirksam oder nur sehr beschränkt wirksam, und wenn es sich um höhere Kräfte handelt, wird die Wirkung eher katastrophal sein: man zerstört, um zu siegen, und das ist sicherlich nicht die Absicht des Höchsten.) Und schließlich gibt es die Möglichkeit der Ansteckung durch die höhere Kraft, was aber den Faktor impliziert, der sich hier durch Zeit ausdrückt. Eben diese Methode wurde gewählt. Sie setzt aber viel Zeit voraus – und aus diesem Grunde dauert es endlos.

Das Ergebnis ist absolut gewiß, mit einem Mindestmaß an Schaden. Dieses Mindestmaß ist jedoch immer noch sehr erheblich.

Und für das menschliche Bewußtsein dauert es sehr lange. Aber wie du eben sagtest, ist es sehr schön. Man hat den Eindruck von etwas, das aufgeht (Geste einer sich ausbreitenden Flut), es wirkt gewiß sehr langsam für das menschliche Bewußtsein, jedoch unerbittlich gegenüber den Widerständen und mit einer souveränen Siegesgewißheit... Das ist wirklich schön. Und unbestreitbar bringt dieser Weg das geringste Maß an Schaden mit sich. Wobei natürlich sogar all das, was uns als "Schaden" erscheint, in der Gesamtschau nichts anderes sein kann als das Mittel einer höheren Verwirklichung.

 

1 "Um sich in Auroville aufhalten zu können, muß man ein williger Diener des göttlichen Bewußtseins sein."

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2 "= 1" ist eine aurovillianische Zeitung.

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