Mutters
Agenda
neunten Band
27. April 1968
Hast du Neuigkeiten von P.L.? Es scheint, daß er krank war.
Ja, ein Brief mit schlechten Nachrichten... Ich habe zwei Sachen hier: einmal einen Brief von P.L. und dann einen Brief mit Bezug auf P.L. Hier derjenige von P.L. [es folgt ein Brief, in dem P.L. erzählt, daß er gleich nach seiner Rückkehr in den Vatikan krank geworden sei, auch sei es ihm nicht gelungen, den Papst zu sehen, und er fühle sich hoffnungslos, unfähig usw.].
Er hat keine Kraft. Das habe ich befürchtet.
Der Einfluß ist zu stark (Geste, wie um P.L. unter einer Klaue zu zeigen).
Und der andere Brief?
Dabei handelt es sich um einen Brief von Monsignore R, einem Freund von P.L., der Milliardär ist, wobei P.L. die Milliarden dieses Herrn verwaltet. Er schrieb an J [eine Freundin von P.L.]. Und er sagt folgendes... [es folgt ein Brief, in dem Monsignore R J bittet, P.L. zu Hilfe zu kommen, ihn bei sich in Pondicherry aufzunehmen und ihn zu pflegen, daß sein Fall sehr schwerwiegend sei, daß P.L eine "psychologische Krise" durchlaufe und daß für ihn ein Umgebungswechsel erforderlich sei usw.].
Es wäre besser, wenn er kommt.
Und was hat sie unternommen?
Ach, das ist ein anderes Problem. J hat mir geantwortet: "Das ist unmöglich." Sie hat eine Aversion gegen P.L., denn P.L. klammert sich verzweifelt an sie.
Oh je!
Er klammert sich an sie, als sei sie das Leben selbst. Wenn er hier ist, möchte er nicht von ihr weichen, er möchte bei ihr wohnen und klammert sich mit aller Kraft an sie. Und Sri Aurobindo und Mutter, die tieferen Beweggründe, sieht er allein durch die Augen von J. Das ist die Geschichte. Also hat J eine Aversion und sagt: Ich will nicht mehr.
Bittet er nicht darum, zurückzukommen?
Ich glaube, genau dies wünscht er sich. Ihm fehlt bloß die Kraft, seine Lage im Vatikan zu regeln. Er hat nicht den Mut, seine Angelegenheiten zu bereinigen.
Aber der andere, Monsignore R, kann das für ihn tun: er wird ihn zurückschicken.
Ja, aber P.L. hat nicht den Mumm zu sagen, daß er alles hinschmeißen will.
Ach!...
Verlangt man dort von ihm eine sofortige Antwort?
Dieser Monsignore wartet auf ein Telegramm.
Gut, man kann telegraphieren und ihn einladen. Was ich aber sagen wollte: Muß er dort seine Lage sofort klären, oder kann man das auf später zurückstellen?
Das kann auf später verschoben werden.
Dann ist es besser, wenn er kommt. Aber er muß ja nicht unbedingt bei J bleiben. Er kann sehr wohl hier leben, ohne bei ihr zu wohnen.
Das wird ein Drama werden, denn er besteht absolut darauf, bei J zu sein.
Ich sehe folgendes: daß er wieder herkommt und daß man ihn in Golconde 1 unterbringt. Man muß dem Monsignore ein Telegramm in diesem Sinne schicken.
Und P.L. vorher davon unterrichten, daß er in Golconde untergebracht werden wird.
Ja, auf jeden Fall.
Gestern schrieb P.L. folgendes an F: "Sagen Sie Mutter, daß ich krank bin und Hilfe brauche." Und ich habe ihm ein "Segenspäckchen" schicken lassen. Er sprach nicht davon zurückzukommen, aber er sagte, er brauche unbedingt Hilfe.
Er wird sich in der gleichen Lage wiederfinden: er wird wieder hierherkommen und sehr glücklich sein, sehr zufrieden, alles wird gut gehen und dann...
Er braucht bloß hierzubleiben!
Einfach hierbleiben?
Und die Sache wird sich dort ganz von alleine lösen.
Weißt du, es vergeht kein Tag, ohne daß ich nicht eine innere Verbindung zu ihm verspüre; und ich bin von meiner Seite aus nicht "aktiv", d.h. bei mir besteht eine Verbindung nur, wenn die Leute rufen. Das bedeutet, daß er wirklich ruft. Und das ist ein beständiger Zustand, mit dem Eindruck einer Spannung. Der an F adressierte Brief kam gestern hier an. Da verstand ich die Geschichte.
Das beweist, daß sein Vitalwesen noch nicht hinlänglich geklärt ist, um die nötige Stärke zu haben. Die Vitalkräfte dort (im Vatikan) sind ÄUSSERST mächtig.
Aber er sagte mir hier, sobald er in Trance gehe, werde sein Körper von Bestien zerrissen.
Das ist ihm sogar hier passiert?
Ja.
Das ist ärgerlich.
Er erzählte mir noch eine andere Geschichte. Er hatte einen "Traum", während er hier in Pondicherry war, der ihn wirklich erschütterte (weil er dich liebt, du bedeutest ihm wirklich viel). Eines Nachts aber sah er sich selbst in einen Vogel verwandelt, als eine Art Eule, die kam, um dich zu töten! Dieser Vogel hatte eine Art Dolch und wollte dich töten. Daraufhin wachte er mit einem Ruck auf, vollkommen entsetzt darüber, was er im Begriff zu tun war. P.L. war zur Eule geworden, die sich mit einem Dolch auf dich stürzte, um dich zu töten... Er war völlig entsetzt, der Arme.
Das heißt, daß er sehr unter ihrem Einfluß steht.
(Schweigen)
Als er Sri Aurobindo am Samadhi sah, ist er ohnmächtig geworden... Er trägt einen großen inneren Konflikt in sich.
Aber als er Sri Aurobindo sah, sagte ihm Sri Aurobindo: "Komm, setz dich zu mir, hier, setz dich nahe zu mir, bleib hier!" Also blieb er da, sehr glücklich, um dann plötzlich zu fliehen...
Ach!
Sri Aurobindo sagte ihm: "Setz dich her, sei ganz ruhig!"
Ja, die Schlacht wird innen ausgetragen.
(Schweigen)
Ich glaube, da bleibt nur eines zu tun: J zu bitten, ihm zu telegraphieren, daß er im Golconde wohnen wird, und dann wird man weitersehen. Es geht nicht an, daß man sie darum ersucht, ihn aufzunehmen, es ist besser, wenn er nicht bei ihr wohnt. Ich möchte nicht, daß sie eine Beziehung eingehen. Das geht nicht – nicht hier, verstehst du, das würde sofort seinen Schutz schwächen, deshalb... Wenn er ein Verlangen dieser Art hat und deswegen hierherkommt, entzieht er sich sofort dem Schutz.
Aber es ist beides! Er verspürt eine Leidenschaft für J, und dann gibt es Sri Aurobindo und Mutter.
Ja, es ist gemischt.
Das Wahre in ihm hat sich dessen bedient.
Ja... Gut.
Das geht weit über die Individuen hinaus, darum geht es hier. 2
1 Das Gästehaus des Ashrams.
2 Tatsächlich ist dies der Beginn einer langen Geschichte mit dem Vatikan und den kirchlichen Reformen (der Beginn oder die Fortsetzung, nachdem Mutter den Papst 1964 vor seiner Reise nach Bombay "traf").