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Mutters

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neunten Band

26. Juni 1968

Hast du Neuigkeiten von P.L.?

Gerade heute morgen machte ich mir ein wenig Sorgen um ihn. Ich habe den Eindruck, daß er sich... in einen Abgrund reißen läßt. Das hat mir überhaupt nicht gefallen.

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Satprem liest einen Text von Sri Aurobindo vor:

"Die Angst vor dem Tod und die Aversion vor der körperlichen Auflösung sind das Stigma, das dem menschlichen Wesen durch seinen animalischen Ursprung auferlegt wurde. Dieses Brandmal muß absolut ausgelöscht werden."

(Die Synthese des Yoga, Cent.Ed., Bd. 20, S. 334)

Das kannte ich nicht. Das ist sehr interessant!

Denn bevor man den Zustand erreicht, wo der Tod nicht mehr notwendig ist, muß man den Punkt erreichen, wo man ihn wie etwas... ganz Natürliches betrachtet, wie ein bedeutungsloses Ereignis. Vor allem dies: daß es sich um etwas handelt, dem nur eine sehr geringe Bedeutung zukommt.

(Schweigen)

Die Erziehung des physischen Bewußtseins (nicht des globalen Körperbewußtseins sondern des Bewußtseins der Zellen) besteht darin, ihnen beizubringen... Es handelt sich vor allem um eine Wahl (es hat den Anschein einer Wahl): die göttliche Macht zu wählen – das göttliche Bewußtsein, die göttliche Gegenwart, die göttliche Macht (all das ohne Worte), dieses "Etwas", das wir als den absoluten Herrn und Meister definieren. Dies ist eine Wahl einer JEDEN SEKUNDE zwischen den alten Naturgesetzen – mit einem gewissen mentalen Einfluß und dem ganzen Leben, so wie es organisiert ist –, die Wahl zwischen dieser Herrschaft einerseits und andrerseits der Herrschaft des höchsten Bewußtseins, das auch gegenwärtig ist (die Empfindung der Gegenwart ist ebenso groß); das erstere ist gewohnheitsmäßig, und dies ist die Gegenwart. In jeder Sekunde, mit Veranschaulichungen (das ist ungeheuer interessant): zum Beispiel die Nerven... wenn ein Nerv all den Naturgesetzen und mentalen Schlußfolgerungen und all dem gehorcht – diesem ganzen Drum und Dran –, dann macht sich der Schmerz bemerkbar; gehorcht er aber dem Einfluß des höchsten Bewußtseins, so entsteht ein merkwürdiges Phänomen... nicht wie etwas, das "geheilt" wird, sondern man könnte eher sagen, daß sich der Schmerz wie etwas Unwirkliches auflöst.

Und dies geschieht im Leben einer jeden Sekunde, in den kleinsten Einzelheiten, für die ganze Funktionsweise des Körpers: Schlaf, Nahrungsaufnahme, Toilette, alle Tätigkeiten, wirklich alles, in jeder Sekunde. Und der Körper lernt. Natürlich treten Verzögerungen ein aufgrund der Macht der Gewohnheit und auch aufgrund der alten Ideen, die in der Luft liegen (Geste eines Gewimmels in der Atmosphäre): all das ist nicht persönlich. Eine ungeheure Arbeit.

Ununterbrochen.

Ununterbrochen. Es gab Zeiten, wo es manchmal vergessen wurde – jetzt wird es allmählich nicht mehr vergessen. Es ist ununterbrochen. Es wird nur durch eines unterbrochen, und zwar durch die Arbeit mit der Außenwelt, die Beziehungen zu den anderen – die Arbeit, die darin besteht, sie in das göttliche Bewußtsein einzutauchen und das Ergebnis zu beobachten. Zunächst die sehr klare Vision des Zustandes, in dem sie sich befinden (nicht bildhaft sondern sehr präzise), um sie dann in das göttliche Bewußtsein einzuhüllen und einzutauchen; und schließlich kann ich die Wirkung verfolgen, die das zeitigt oder nicht zeitigt. Soweit die Aufgabe in bezug auf die Leute! Die andere Arbeit (in bezug auf die Zellen) betrifft das Leben einer jeden Minute.

Es präzisiert sich und wird immer interessanter – aber es nimmt einen sehr in Anspruch. 1

Und dann ein Bewußtsein – oder eher eine Wahrnehmung –, die zunehmende Wahrnehmung eines Zustands, der... Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Zwei Zustände bestehen gleichzeitig: der Zustand einer ununterbrochenen und fast endlosen Beständigkeit, und dann der Zustand... der bevorstehenden Zersetzung (für den Körper); beide andauernd in dieser Art (Mutter legt ihre Hände eng übereinander). Und die Wahl – die ständige Wahl –, die nur auf einer einzigen Stütze basiert: entweder seinen Stützpunkt für alles in jedem Augenblick im göttlichen Bewußtsein zu suchen oder aber das Aufgeben dieses Stützpunktes. Und die Wahl erscheint den Zellen wie eine freie Wahl, mit der sehr starken Empfindung (in keiner Weise gedanklich formuliert) der Hilfe, die vom höchsten Bewußtsein dafür gewährt wird, sich auf nichts anderes abzustützen als auf es.

Dies ist nicht mentalisiert oder nur in ganz geringem Maße, es ist fast nicht in Worte zu fassen. Dabei ist es sehr klar. Sehr klar... aber was ist es genau? Es liegt nicht an der Empfindung sondern am Bewußtseinszustand. Die Bewußtseinszustände sind sehr klar. Aber sie lassen sich schwer ausdrücken. Und das geht andauernd so: nachts, tags, ununterbrochen. Es wechselt zwischen verschiedenen Ebenen und Tätigkeiten, aber es setzt sich ununterbrochen fort. Es handelt sich um eine Seinsart oder Seinsweise, die zugunsten einer anderen aufhören mag, aber dieser Bewußtseinszustand ist unaufhörlich, ununterbrochen, universell, ewig, außerhalb der Zeit, außerhalb des Raumes. Dies ist der Bewußtseinszustand.

(Ein Windstoß fegt die Briefe von Mutters Tisch)

Ich werde mit Briefen bombardiert! Das geschieht, um mich aufzuhalten.

(Schweigen)

Und dann diese angebliche Ruhe oder Auflösung, die vom Tod kommen soll, die ist weder eine Ruhe noch eine Auflösung sondern einfach ein Rückfall, von dem man sich wieder aufrichten muß, eine Schlaffheit, die einen zurückfallen läßt – denn man muß sich in jedem Fall wieder aufrichten. Es ist nichts anderes. Es gibt keine Gegensätzlichkeit, keinen Unterschied (zwischen Leben und Tod), all dies ist... Der Körper macht UNGEHEUERLICHE Entdeckungen.

Von Zeit zu Zeit kommt diese alte Gewohnheit (Protest des Körpers): "Oh! Ach! Zu viel! Zu viel!" Dann kann man ihm nur einen Klaps geben; also schämt er sich und rappelt sich wieder auf. Das ist sehr interessant. Sehr interessant.

Voilà – auf Wiedersehen.

 

1 Tatsächlich macht Mutter einen immer mehr verinnerlichten Eindruck und spricht wie von sehr tief im Innern.

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