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Mutters

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neunten Band

7. September 1968

Jemand hat mir ein Zitat von Sri Aurobindo geschickt, das sehr gut für das November-Bulletin zu passen scheint, es kommt aus Thoughts and Glimpses:

"The changes we see in the world today are intellectual, moral, physical in their ideal and intention: the spiritual revolution waits for its hour and throws up meanwhile its waves here and there. Until it comes, the sense of the others cannot be understood and till then all interpretations of present happenings and forecasts of man's future are vain things. For its nature, power, event are that which will determine the next cycle of our humanity." 1

Sri Aurobindo
(geschrieben 1917)

Das Zitat vom August haben sie ausgelassen, ich habe es nicht einmal gesehen! Ich glaube, daß es Nolini nicht gefiel.

Ja, dort sprichst du nämlich von der "universellen Zersetzung".

Ja.

Dieses hier ist jedoch gut, denn er spricht von der spirituellen Revolution, als ob sie bald eintreten würde.

"Die spirituelle Revolution harrt ihrer Stunde."

Vielleicht ist sie nahe?

Ich gehe davon aus, daß sie schon begonnen hat!

Ja, das ist es.

Es muß hinzugefügt werden, daß dieser Text an dem betreffenden Datum geschrieben wurde... (1917)

Es ist jedoch gut zu sagen, daß man die übrigen Revolutionen nicht begreifen kann, solange diese nicht stattgefunden hat.

Die übrigen sind nur Bindeglieder.

In Europa regt sich im Moment viel.

(Schweigen)

Pavitra hat die "Notizen auf dem Weg" gelesen (das Gespräch vom 28. August), ich glaube, er hat nichts verstanden. Denn gestern sagte er mir nach der Lektüre ganz freundlich, daß er "Aufklärung darüber wünsche"...

*
*   *

(Dann liest Satprem Mutter ein altes Entretien vom 1. Juli 1953 vor, in dem Mutter vom Tod spricht. Zunächst wollte Mutter das Ende nicht abdrucken.)

(Text des Entretiens:)

Ich habe euch schon wiederholt gesagt, und ich kann es nicht oft genug wiederholen, daß man nicht aus einem einzigen Stück gemacht ist. Wir beherbergen in uns viele Seinszustände, und jeder einzelne Seinszustand hat sein Eigenleben. Solange man einen Körper hat, ist all das in diesem Körper vereint, und es wirkt durch diesen einen Körper; dies vermittelt euch den Eindruck, daß es sich um eine einzige Person, um ein einziges Wesen handelt. Es gibt deren jedoch viele, und darüber hinaus gibt es Konzentrationen auf den verschiedenen Ebenen: so wie ihr ein physisches Wesen habt, habt ihr ein Vitalwesen, ein mentales Wesen, ein psychisches Wesen und noch viele andere, sowie alle Zwischenstufen... Wenn ihr also euren Körper aufgebt, werden sich alle diese Wesen zerstreuen. Erst wenn ihr ein sehr fortgeschrittener Yogi seid und wenn ihr es vermögt, euer Wesen um das göttliche Zentrum herum zu vereinen, bleiben alle diese Wesen miteinander verbunden. Wenn es euch nicht gelungen ist, euch zu vereinheitlichen, zerstreut sich im Augenblick des Todes alles: jedes Wesen geht in seinen Bereich zurück. Für das Vitalwesen beispielsweise werden sich eure verschiedenen Begierden abtrennen, und jede wird ihrer eigenen Verwirklichung entgegeneilen, ganz unabhängig voneinander, denn es gibt ja kein physisches Wesen mehr, um sie zusammenzuhalten. Habt ihr aber euer Bewußtsein mit dem psychischen Bewußtsein vereint, so bleibt ihr im Moment des Todes eures psychischen Wesens bewußt, und dieses psychische Wesen kehrt in die psychische Welt zurück – eine Welt der Seligkeit, der Freude, des Friedens, der Ruhe und des wachsenden Wissens... Habt ihr aber in eurem Vital und all seinen Trieben gelebt, wird jeder Trieb sich hier oder dort zu verwirklichen versuchen... Beispielsweise wird der Geizige mit jenem Teil seines Vitals, der ganz auf sein Geld konzentriert war, nach dem Tode daran haftenbleiben und darüber wachen, daß ja keiner es wegnimmt. Die Leute sehen ihn nicht, er ist jedoch nichtsdestoweniger gegenwärtig, und er wird sehr unglücklich sein, wenn etwas mit seinem lieben Geld geschieht... Und wenn ihr ausschließlich in eurem physischen Bewußtsein lebt (was schwierig ist, denn ihr habt ja immerhin Gedanken und Gefühle)... wenn ihr aber ausschließlich im Physischen lebt und das Physische zerfällt, werdet ihr euch im gleichen Augenblick auflösen, und dann ist es vorbei... Es gibt einen Geist der Form: eure Gestalt hat einen Geist, der sieben Tage nach eurem Tod fortbesteht. Die Ärzte mögen euch für tot erklärt haben, der Geist der Form jedoch ist lebendig – nicht nur lebendig sondern in der Mehrzahl der Fälle auch bewußt. Er hält sich noch sieben bis acht Tage nach dem Tod, und dann löst er sich ebenfalls auf – ich spreche hier nicht von Yogis sondern vom gewöhnlichen Menschen. Die Yogis unterliegen keinen Gesetzen, für sie ist es völlig anders; für sie ist die Welt anders. Ich spreche von den gewöhnlichen Menschen, die ein gewöhnliches Leben führen; für sie verhält es sich so. Wenn ihr euer Bewußtsein bewahren wollt, besteht die Lösung somit darin, es in einem Teil eures Wesens zu vereinen, der unsterblich ist; andernfalls wird es sich wie eine Flamme in der Luft verflüchtigen, und das ist auch gut so, denn sonst gäbe es vielleicht allerlei Götter oder Arten von höheren Menschen, die dort ihre Höllen und ihre Himmel schaffen würden, in denen sie euch einschlössen, so wie sie dies jetzt in ihrer materiellen Einbildungskraft tun...

(Frage:) Man sagt, es gebe einen Gott des Todes. Ist das wahr?

Ja. Ich nenne ihn einen "Genius des Todes". Ich kenne ihn gut. Es handelt sich da um eine außergewöhnliche Anordnung. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie genau das organisiert ist! Ich glaube, es gibt viele dieser Todesgenien, gewiß Hunderte. Ich habe wenigstens zwei von ihnen getroffen. Den einen traf ich in Frankreich und den anderen in Japan, und sie waren sehr verschieden; somit kann man sich vorstellen, daß es wahrscheinlich entsprechend der jeweiligen mentalen Kultur, der Erziehung, dem Herkunftsland, der Glaubensrichtung verschiedene solcher Genien gibt. Auf analoge Weise gibt es Genien aller Naturerscheinungen: Genien des Feuers, Genien der Luft, Genien des Wassers, des Regens, des Windes und eben Genien des Todes. Jeder dieser Genien des Todes, welcher es auch sei, hat ein Anrecht auf eine bestimmte Anzahl von Toten pro Tag. Eine wirklich phantastische Organisation. Es handelt sich um eine Art Bündnis zwischen den Vitalkräften und den Kräften der Natur. Wenn er zum Beispiel entschieden hat: "Hier die Anzahl der Leute, auf die ich heute ein Anrecht habe", nehmen wir an, vier oder fünf oder sechs (ein oder zwei sind auch möglich, das hängt vom Tag ab), wenn er entschieden hat, daß eine bestimmte Person sterben soll, wird sich der Genius in der Nähe der betreffenden Person aufhalten. Wenn es sich aber so verhält, daß ihr bewußt seid (ihr selber, nicht die betreffende Person), und wenn ihr den Genius wahrnehmt und seht, wie er auf eine betreffende Person zugeht, und ihr wollt nicht, daß diese Person stirbt, so könnt ihr ihm, falls ihr eine bestimmte okkulte Kraft besitzt, sagen: "Nein, ich verbiete dir, ihn mitzunehmen." Dies hat sich nicht nur einmal sondern mehrere Male zugetragen, in Japan und hier. Und es war nicht derselbe Genius. Deshalb sagte ich, daß es viele von ihnen geben muß... Ihr könnt ihm sagen: "Ich verbiete dir, diese Person mitzunehmen." Und wenn ihr die Macht habt, ihn wegzuschicken, bleibt ihm nichts anderes übrig, als zu gehen; er verzichtet aber nicht auf seinen Tribut und geht woandershin – und so gibt es einen anderen Tod...

(Frage:) Mitunter kommt es vor, daß Leute, wenn sie sterben, sich dessen gewahr werden. Warum sagen sie dem Genius nicht selbst, er solle verschwinden?

Dafür sind zwei Dinge erforderlich. Zuerst darf nichts in eurem Wesen, kein Teil in eurem Wesen, sich danach sehnen zu sterben. Dies geschieht nicht oft. Ihr habt immer irgendwo einen Defätisten in euch: etwas, das müde ist, das angeekelt ist, das genug hat, das faul ist, das nicht kämpfen will und das sich sagt: "Ach, möge es doch ein Ende nehmen, so sei's drum!" Das genügt, ihr seid tot. Dies ist jedoch eine Tatsache: Wenn nichts, absolut nichts in euch dem Sterben zustimmt, werdet ihr nicht sterben. Damit jemand stirbt, ist in jedem Fall eine Sekunde, vielleicht der hunderste Teil einer Sekunde der Zustimmung notwendig. Wenn es diesen Sekundenbruchteil der Zustimmung nicht gibt, stirbt man nicht... Wer aber kann sich sicher sein, daß es nicht irgendwo in ihm ein kleines Stück Defätismus gibt, das nachgibt und sich sagt: "Na gut"...? Von daher die Notwendigkeit, sich zu vereinen. Welches auch immer der Weg ist, dem wir folgen, der Gegenstand, den wir studieren, wir kommen immer zum selben Schluß. Das Wichtigste im Leben eines Individuums ist, sich um sein göttliches Zentrum herum zu vereinen. Auf diese Weise wird es zum wahren Individuum, zum Meister seiner selbst und seiner Bestimmung. Andernfalls ist es ein Spielball der Kräfte, die es wie einen Korken im Meer auf und niederwerfen. Es wird in ungewollte Richtungen getrieben, es wird zu Handlungen gedrängt, die es nicht tun will, und schließlich verliert es sich in einem Loch, ohne die geringste Macht, sich wiederaufzurichten. Seid ihr aber bewußt um euer göttliches Zentrum gesammelt und von ihm regiert und gelenkt, so seid ihr Herr und Meister eures Schicksals. Es lohnt sich, sich darum zu bemühen... Auf jeden Fall finde ich, daß man lieber Meister sein sollte als Sklave. Es ist ein ziemlich unangenehmes Gefühl zu spüren, daß man wie an Fäden hin und her gezogen und zu Dingen gezwungen wird, die man vielleicht gar nicht tun will... Das ist sehr ärgerlich. Ich jedenfalls fand dies schon sehr ärgerlich, als ich noch ein kleines Kind war. Schon mit fünf Jahren erschien mir das vollkommen unerträglich, und ich suchte nach einem Mittel, dies zu ändern – ohne daß mir irgend jemand etwas hätte sagen können, denn ich kannte niemanden, der mir helfen konnte, und ich hatte nicht das Glück, das ihr habt, nämlich daß euch jemand sagen kann: "Seht, dies ist zu tun." Es gab niemanden, der mir das hätte sagen können. Ich mußte es ganz alleine finden. Ich habe es gefunden. Und ich habe mit fünf Jahren damit angefangen. Und ihr, wie lange ist es her, seit ihr fünf ward?...

Den Schluß lassen wir weg.

Aber warum denn!

Das klingt wie Angeberei.

Aber nein! Dieser Eindruck kommt überhaupt nicht auf. Du forderst die Kinder nur ein wenig heraus!

(mehr und mehr scheint Mutter wie aus weiter Ferne zu sprechen)

All dies erscheint mir so... (Mutter macht eine Geste über die Schulter). Aber die Leute lieben das. Wenn ich ihnen sagte, was ich heute weiß, wären sie überhaupt nicht zufrieden.

Es besteht ein Riesenunterschied zwischen deiner Wahrnehmung von damals und der von heute.

Eine andere Welt.

Dort beschreibe ich die Vision des Mechanismus (des okkulten Mechanismus des Todes), was sehr wahr in dem Sinne ist, als es so gelebt wurde. Jetzt aber bin ich auf der anderen Seite. All das, was ich hier sage, ist immer noch Teil der Komplikationen in der Ausführung. 2

Also gut.

Dies erscheint mir jetzt, als handle es sich um eine andere Person.

(Schweigen)

Es ist merkwürdig, ich hatte einen sehr seltsamen Eindruck (während Satprem vorlas)... als würdest du dort lesen (auf den Fußboden weisende Geste).

Ich weiß, daß all dies genau stimmt, es hat sich so zugetragen, wie es gesagt wurde, und es ist vollkommen richtig. Doch jetzt ist es mir, als sähe ich alles von oben (Mutter beugt sich vornüber, als betrachte sie etwas aus großer Höhe). Und so wird alles sehr einfach... Einfach die Vision, die sich verwirklicht (eigentlich ist es keine Vision, kein Wille, keine Entscheidung, doch was dem noch am nächsten kommt, ist zu sagen: eine Vision). Die sich verwirklichende Vision (Geste, um die herabkommende Kraft der Vision anzudeuten). Unten ertönen all diese Rufe; von oben kommt etwas herab; und von oben sieht man: es gibt, ja, Bewußtseinspunkte, die leuchten und rufen, und so entsteht der Kontakt (Geste einer Verbindung der Kraft von oben mit den leuchtenden Punkten unten).

Merkwürdig, ich habe tatsächlich den Eindruck, irgendwo hoch oben zu sein, die Dinge von hoch oben zu sehen.

Eine große Masse von Macht – Macht-Bewußtsein-Vision –, die auf die Welt herabsteigt.

(langes Schweigen)

In den letzten Tagen, wenn ich "aufwachte" (es war aber kein Aufwachen, sondern das Bewußtsein, das in seinem natürlichen Zustand überallhin ausgebreitet ist, sammelt sich beim "Aufwachen" wieder im Körper), wenn es sich hier innen sammelt, entsteht zuerst der Eindruck einer Art Fall (im aerodynamischen Sinne) und dann ein merkwürdiges Gefühl der Einschränkung, das bei den ersten Malen fast schmerzhaft war. (Jetzt ist es zu einer Art Gewohnheit geworden.) Das Bewußtsein konzentriert sich dort drinnen, somit gibt es einen kurzen Augenblick der Anpassung. Anfangs mußte ein gewisses Unwohlsein überwunden werden, nun geht es besser. 3 Und dann setzt die Funktion wieder ein. Und jetzt verstehe ich, denn während deines Vorlesens befand ich mich dort oben und betrachtete alles von diesem Standpunkt aus (Mutter neigt sich nach vorn), wie von oben. Auch jetzt sehe ich noch alles von oben.

Dort beschreibe ich die Funktionsweise des Todes... Was für Komplikationen! Hier ist es einfach (Geste der sich ausdrückenden herabsteigenden Visions-Kraft).

Seltsam... Ich habe die Augen geschlossen, und doch sehe ich. Nur sehe ich... anders. Es ist sehr EINFACH. Dies sind Kräfte... wie ein Druck (die gleiche herabkommende Geste).

Merkwürdig.

Offensichtlich liegt das Bewußtseinszentrum woanders.

(Schweigen)

Mutter, ich muß dich um Hilfe bitten.

Wofür?

Ich schreibe gerade die letzten Seiten meines Buches ("Der Sannyasin").

Ach!... Gut.

Wenn ich dich dorthin mitnehme, wo ich mich aufhalte, (Mutter lacht) wird es interessant sein.

Wir werden es versuchen.

 

1 Die Veränderungen, die wir in der heutigen Welt sehen, sind intellektuell, ethisch, physisch in ihrem Ideal und ihrer Ausrichtung: die spirituelle Revolution harrt ihrer Stunde und wirft in der Zwischenzeit ihre Wellen hier und dort auf. Bis sie eintritt, kann der Sinn der übrigen Veränderungen nicht verstanden werden, und bis dahin sind alle Auslegungen und Interpretationen der gegenwärtigen Geschehnisse und die Voraussagen in bezug auf die Zukunft des Menschen eitles Tun. Denn ihre Natur, Macht und ihr Augenblick werden den nächsten Zyklus der Menschheit bestimmen. (Thoughts and Glimpses, 1917)

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2 Mutter möchte sagen: "Der materiellen Ausführung des göttlichen Plans oder der göttlichen Vision."

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3 Offenbar verspürte Mutter in letzter Zeit beim "Aufwachen" ein Unwohlsein.

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