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Mutters

Agenda

neunten Band

21. September 1968

Mutter, Sujata und ich bräuchten alle beide deinen Schutz.

Warum?

Wir sind beide physisch nicht bei guter Gesundheit.

Ach! Was ist es denn?

Seit einigen Tagen hat sie Fieber, starkes Fieber; letzte Nacht wurde sie ohnmächtig, und sie wurde wie gegen die Wand "gestoßen", dabei hat sie sich verletzt. Ich selbst habe mir heute nacht auch das Fieber geholt.

Bah!... Was sind das bloß für Geschichten!

Ich weiß nicht. Etwas will uns beiden zusetzen.

(nach langem Schweigen)

Ich weiß nicht... ich sagte dir ja anfangs, daß ich etwas von dort kommen spürte (vom Vatikan).

Etwas geht vor sich.

Etwas passiert... Eine Art Wüten, etwas, das unaufhaltsam wütet und alles stört.

Es weiß sich gut zu verbergen, denn es gelingt mir nicht, genau herauszufinden, was es ist. Aber... Ich gebe dir ein Beispiel: noch gestern abend oder heute morgen (oder während der Nacht, ich weiß es nicht mehr) sagte der Körper: "Was habe ich denn getan, daß all diese Dinge die ganze Zeit über so knirschen?" Und schließlich zeigte mir "das" (wer, was? ich weiß es nicht) Dinge aus meinem Dasein... diesmal zeigte es mir Dinge, die sich erst vor kurzem, d.h. während meines Lebens in Indien zugetragen haben (Dinge aus meinem Leben mit Sri Aurobindo), und auf eine Art!... Alles, was ich tat, alles, was ich dachte, meine ganze Art zu handeln, all dies erschien so häßlich, mein Kind! so egoistisch, so eng, so klein und häßlich... Und sofort die Schlußfolgerung: "Der Zustand, in dem du dich befindest, ist ganz natürlich!"... in der Art.

Was ist das?

Da gibt es nur eine Antwort: (Geste mit nach oben geöffneten Händen) eine unerschütterliche Ruhe und den Höchsten hierhin zu stellen, das ist alles. Aber... es dringt nicht wirklich durch, doch es ist immer da, das heißt, es wird nicht definitiv weggeschickt, nicht aufgelöst: es bleibt hier (Geste wie eine Umzingelung um Mutter herum). Und das ist so, seitdem ich dir ganz am Anfang davon erzählte: eine ungeheure Formation.

Aber, Mutter, beinahe jede Nacht erwache ich mit Kopfweh. 1 Meine Nächte sind sehr ermüdend.

Jedesmal, wenn ich mich in diesen inneren Zustand des Friedens und der Ruhe begebe, ZIEHT etwas auf diese Weise, wie aus Boshaftigkeit, und schüttelt mich, als gäbe es eine Katastrophe.

Wo kommt das her?...

Da ist eine Boshaftigkeit. Gestern spürte ich diese Boshaftigkeit.

Ach?

Aber ja! Ich sah Wellen von Suggestionen. 2 Und vor allem sind die Nächte so unangenehm. Warum nur?

Verstehst du, wir leben die ganze Zeit in einer Welt, in der alles miteinander verwoben ist. Normalerweise ordnet es sich wieder (ich meine nicht "normal" für alle Menschen, aber für mich war es normalerweise immer so), man spürt den Schutz. Und dies ist jetzt verschwunden. Etwas arbeitet dagegen... Und bis jetzt gab es nie das Gefühl, daß irgend etwas wirklich Macht hatte (gegenüber Mutter). Ich brauchte nur so zu machen (Geste des Wegfegens), und es war erledigt. Jetzt gelingt es mir nur noch, die schlechten Auswirkungen zu beheben oder sie zurückzustoßen – das ist inakzeptabel!

Es liegt vor allem am Mental, mit einem gewissen Gefühl der Fatalität: "Was einem zustößt, liegt an einem selbst, man hat es so verdient." In der Art. Die Antwort des Körpers darauf ist sehr einfach, er sagt: "Wir befinden uns alle im gleichen Zustand, die ganze Materie ist voller Unwissen und Unfähigkeit", und dies interpretiert der menschliche Geist dann als "Fehler", aber es sind keine Fehler. Ansonsten wäre es hoffnungslos: Wenn das, was gewesen ist, bis in alle Ewigkeit bestimmend für die Zukunft wäre, gäbe es keinerlei Hoffnung.

Es gelingt also, all das auf Distanz zu halten, es läßt sich beruhigen, ich sehe aber sehr wohl, daß es nicht verschwindet. Und der Körper hat wirklich Vertrauen und den Glauben, nur dies rettet ihn, andernfalls...

Und es zeigt mir auch die Konsequenzen: gerade die Unfähigkeit, andere zu beschützen, ihnen die nötigen Voraussetzungen zu bereiten und das Nötige für sie zu tun – all dies wird mir gezeigt mit... weißt du, mit einer grimmigen Verbissenheit. Das führte so weit, daß der arme Körper zu weinen anfing! Dann bringt natürlich der Glauben alles wieder ins Lot. Man gewinnt jedoch den Eindruck, als wäre man ein Ungeheuer gewesen, das für all diese Störungen überall verantwortlich war.

Wirklich entsetzlich!

Ja, es gab einen Moment letzte Nacht, als ich so etwas wie tosende Schlammwellen sah; ich war durch eine Mauer davor geschützt, und die Wellen schlugen unentwegt dagegen.

Ja, das ist es.

Braune Wellen, wie Schlamm.

(nach einem Schweigen)

Der Körper ist überzeugt davon, daß all diese Schwierigkeiten als Teil der Tapasya 3 toleriert werden, und er weigert sich nicht, er beklagt sich nicht, aber es ist eine grimmige Tapasya.

Und es ist kein bloßes Kräftespiel: es ist bewußt. 4 Es ist bewußt und hat die Halsstarrigkeit eines bewußten Willens.

(langes Schweigen)

Gestern sah ich P.L. (den Schüler aus dem Vatikan). Hast du ihn gesehen?

Ja.

Auch er bat mich, ihn zu beschützen.

Gewiß! Er ist ein guter Mann.

Ja.

Ist er abgereist?

Heute nachmittag.

(langes Schweigen)

Hast du immer noch Fieber?

Ein bißchen, glaube ich. Aber Sujata hatte gestern sehr starkes Fieber. Mittlerweile ist es abgeklungen, doch es bleibt noch ein Schwächegefühl zurück.

Bah!

Was tust du dagegen?

Nichts.

Ihr tut nichts?

Manchmal nehme ich Aspirin. Sie aber nimmt gar keine Mittel.

Du mußt dich ausruhen, mein Kind.

(zu Sujata) Und du gehst ins Bett!

(Sujata:) Nach zwei Tagen im Bett bin ich das Bett leid!

(Satprem:) Ich habe jedoch volles Vertrauen.

Natürlich! Das darf aber nicht anhalten, wir sind es doch leid oder?

Etwas in mir möchte sehr zornig werden, aber ich oder vielmehr der Körper traut sich nicht. Etwas hat Lust, oh, wirklich hart zuzuschlagen, aber... denn das täte sicherlich seine Wirkung! Ich hatte schon Beweise dafür – nicht nur einen sondern viele Beweise. Aber...

Wenn ich nur wüßte! Wenn ich auf vollkommen sichere und präzise Art wüßte, woher diese Angriffe kommen, dann...

(Schweigen)

Es ist so: Der Körper ist vollkommen überzeugt, daß es nur EINEN wahren Willen gibt – EIN Bewußtsein, EINEN Willen. Folglich ist alles, was auch immer es sei, Bestandteil dieses einen Bewußtseins und dieses einen Willens. So ist es doch. Deshalb hat er keinen Grund, zornig zu werden. Er spürt nur eine einzige spontane Regung: daß die Aspiration intensiver und die Unterwerfung vollständiger, das Zutrauen umfassender werde. Das drückt sich dann folgendermaßen aus: "Das – Jenes, das alles und eins ist – ist trotz aller widrigen Erscheinungen die Höchste Güte, die Höchste Schönheit, die Höchste Harmonie... und auf Das geht alles zu. Auch wir gehen Dem entgegen." So lautet die "Philosophie des Körpers", und zwar gar nicht auf die gleiche Weise wie die anderen Teile des Wesens: hier ist es ganz und gar spontan und indiskutabel.

(Schweigen)

Verstehst du, er ist völlig überzeugt, daß die Schläge ihn nur treffen können, weil sein Glaube nicht ausreicht. Er ist nicht total genug, nicht vollständig genug, nicht absolut genug.

Er ist sich seiner Schwachsinnigkeit sehr bewußt und... (wie das erklären?) gleichzeitig hat er das Gefühl, daß auch die Wahrnehmung seiner Schwachsinnigkeit noch ein Hindernis darstellt; daß er sich als nichts anderes fühlen sollte als... die Höchste Wahrheit, die Höchste Wirklichkeit. Damit würde dann alles gut gehen.

Ach, geh und ruh dich aus!

Wir fühlen uns wohl hier!

Hast du alles, was du zum Essen brauchst?...

 

1 Dies sollte noch über Monate anhalten.

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2 Vor dem Einschlafen sah Satprem alle Arten von Suggestionen an sich vorüberziehen, besonders eine, die Sujata zeigte, wie sie auf den Boden einer Zisterne geworfen wurde, die man gerade im Garten aushob. Einige Stunden später wurde Sujata ganz in der Nähe der Zisterne gegen eine Eisenstange in der Mauer geschleudert, d.h. ein wirklich schwerer Unfall konnte vermieden werden und verwandelte sich in einen kleineren Unfall (der sie immerhin beinahe ihr Auge gekostet hätte).

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3 Tapasya: spirituelle Disziplin.

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4 Das heißt, diese Angriffe sind das Ergebnis eines bewußten Willens von irgendwoher.

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