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Mutters

Agenda

zehnten Band

26. März 1969

(Zwei Briefe Sri Aurobindos über den Ashram, die Mutter im nächsten Bulletin veröffentlichen will:)

"Wenn jemand im Ashram eine Vormachtstellung oder einen dominierenden Einfluß über andere aufzubauen versucht, tut er unrecht, denn dies wäre notgedrungen ein falscher vitaler Einfluß, der Mutters Arbeit behindern würde.

Alle Arbeit sollte nur unter der alleinigen Autorität der Mutter ausgeführt werden. Alles soll sich entsprechend ihrer freien Entscheidung organisieren. Sie soll frei sein, sich der Fähigkeiten eines jeden zu bedienen, einzeln oder zusammen, je nachdem, was für die Arbeit und den Arbeiter das Beste ist.

Niemand soll ein anderes Mitglied des Ashrams als untergeordnet betrachten oder behandeln. Wenn jemand eine Abteilung leitet, soll er die anderen als Mitbeteiligte oder Helfer bei der Arbeit betrachten und nicht versuchen, sie zu beherrschen oder ihnen seine eigenen Ideen und persönlichen Phantasien aufzuzwingen; er soll nur über die Ausführung von Mutters Willen wachen. Niemand soll sich untergeordnet fühlen, selbst wenn er Anweisungen durch einen anderen erhält oder eine nötige Arbeit unter der Leitung eines anderen ausführen soll.

Alle sollten sich bemühen, in Harmonie zu arbeiten, und darauf bedacht sein, der Arbeit zum besten Erfolg zu verhelfen. Persönlichen Gefühlen darf man nicht gestatten, sich einzumischen, denn dies ist die häufigste Ursache von Störungen, Fehlschlägen oder Unordnung bei der Arbeit.

Wenn Ihr Euch bei der Arbeit stets an diese Wahrheit erinnert, werden die Schwierigkeiten sicherlich verschwinden, denn Eure Mitarbeiter werden von Eurer aufrechten Haltung beeinflußt werden und reibungslos mit Euch arbeiten, oder wenn sie aufgrund irgendeiner Schwäche oder Abwegigkeit Schwierigkeiten bereiten, fallen die Auswirkungen auf sie selbst zurück, und keinerlei Störung oder Unruhe wird Euch berühren."

Sri Aurobindo,
XXV, S. 238f
12.10.1929

"Mir erscheint der Versuch wichtig, zu erklären, wie die Dinge hier ablaufen. Tatsächlich verstehen dies nur sehr wenige, und noch weniger setzen es in die Tat um.

Zu keiner Zeit hat es je einen mentalen Plan, ein festgelegtes Programm oder eine im voraus entschiedene Organisation gegeben. Alles wurde geboren, wuchs und entwickelte sich wie ein lebendiges Wesen aus einer fortwährenden Bewegung des Bewußtseins (chit-tapas) heraus, die ständig aufrechterhalten, vermehrt und gestärkt wird ..."

Sri Aurobindo,
XXV, S. 227
22.8.1939

Was bedeutet "maintained" [aufrechterhalten]?

Das heißt, daß die Bewegung des Bewußtseins in keinem Augenblick je aufgehört hat. Man hat nicht zuerst eine "Bewegung der Schöpfung" gemacht, dann aufgehört und später wieder eingesetzt: das Bewußtsein erschafft sozusagen ständig neu, setzt seine Schöpfung fort. Es ist nicht etwas, das einmal geschaffen wurde und sich dann aus dem Geschaffenen weiterentwickelt.

Ständig erneuert?

"Erneuert" erweckt den Eindruck, daß es einen Stillstand gab. So ist es nicht. Es FÄHRT FORT, so zu sein. Das Bewußtsein arbeitet ununterbrochen, nicht als Folge dessen, was vorher war, sondern als Auswirkung dessen, was es in jedem Augenblick wahrnimmt. Im mentalen Ablauf hat man stets die Folge dessen, was vorher getan wurde – so ist es hier nicht, sondern das Bewußtsein sieht UNUNTERBROCHEN, was zu tun ist. Es ist äußerst wichtig, dies zu verstehen, denn so fährt es fort zu arbeiten – für alles. Es handelt sich überhaupt nicht um eine "Formation", über deren Entwicklung man wachen muß, sondern das Bewußtsein folgt in jeder Sekunde... es folgt seiner eigenen Bewegung. Auf diese Weise wird alles möglich. Gerade dies ermöglicht Wunder, Umwälzungen usw. – das macht alles möglich – das genaue Gegenteil der menschlichen Schöpfungen. Es war so, es fährt fort, so zu sein, und es wird immer so sein, solange ich da bin.

*
*   *

Etwas später

Ich wollte mit dir über P.L. sprechen.

Ja, gestern habe ich deine Mitteilung erhalten.

Da sind einige wichtige Neuigkeiten... Du weißt, daß der Papst ein "Komitee für die Kirchenreformen" gegründet hatte, bei dem P.L. ein Mitglied ist. Während mehrerer Monate hatte man ihn beauftragt, in verschiedenen Ländern Meinungsumfragen zu machen (in Portugal, Spanien, usw.), um zu sehen, welche Reformen möglich sind. Daraufhin versammelte sich das Komitee in Rom mit all den Exzellenzen und Kardinälen. Und bei dieser Versammlung ist P.L. voll ins Fettnäpfchen getreten.

Oh je!... (Mutter lacht)

Vor fünf, sechs Monaten hatte ich ihm nämlich einige Überlegungen mitgeteilt, die du über das Christentum angestellt hattest. Ich hatte ihm das geschrieben und dabei das Thema ein wenig weiterentwikkelt 1 (das war mir wirklich wie eine Inspiration gekommen). Nun hat er all das auf den Tisch gelegt.

Ach du meine Güte!

Hier ist sein Brief:

"Endlich kann ich Ihnen mit der Ruhe und der Zuneigung schreiben, die meiner Seele entspringen, die wahrlich zur lieben Mutter strebt und mit ihr verbunden ist, denn sie gab mir die spirituelle Freude, die mich nicht mehr verläßt, seitdem ich sie kennenlernte.

In diesen letzten Tagen erwachte Mutters Gegenwart stärker und SICHTBARER in meinem Wesen und meinen Tätigkeiten. In dem Ausschuß der Meinungsumfragen, dem ich, wie Sie wissen, auf Wunsch des Papstes angehöre, spürte ich vor ein paar Tagen eine unbezähmbare Kraft in meiner Brust: ich mußte einfach sprechen. Ich wußte, daß meine Worte in der Versammlung einen Skandal auslösen würden. Doch die kleine Stimme sagte mir: "Der Augenblick ist gekommen. Laß die Botschaft, die Mutter dir gab, ertönen! Fürchte dich nicht, sie ist bei dir!" Und zur großen Bestürzung der Anwesenden sprach ich: "Hört mir alle gut zu! Das einzige, was das Christentum öffnen könnte (denn es ist in sich selbst verschlossen, der Vergangenheit zugewandt und deshalb unbeweglich, nicht fortschrittlich – dies ist der Keim seines Todes und seiner Zersetzung), das einzige wäre, daß es einer Kraft der ZUKUNFT Einlaß gestattet ..." – Satprem, erinnern Sie sich dieser Worte? Sie vermittelten sie mir von Mutter am 26. November 1968, nachdem ich Ihnen den Artikel über die Krise des Christentums geschickt hatte. Und ich fuhr fort: "Neue Kräfte und neue Tatsachen sind am Werk, jemand (Ihrem Brief gemäß nannte ich Sri Aurobindo nicht beim Namen) sprach schon vom SUPRAMENTAL, doch der Name, die Form und die Terminologie sind unbedeutend (hier zitiere ich Sie wieder). Wenn das Christentum zum Beispiel wenigstens die Wiedergeburt Christi oder einen zweiten ZUKÜNFTIGEN Christus anerkennen könnte, wäre es gerettet, es wäre offen, anstatt verschlossen zu bleiben. Dies ist der Kern der Geschichte, und man kann ewig um die Sache herumreden, allerlei Reformen und Modernisierungen in die Wege leiten, doch dies führt zu nichts – solange man nicht dieses Zentrum erreicht, berührt man nur die Oberfläche... Gewiß wird dies sofort als Häresie verpönt. Dennoch liegt hier allein das Heil der Kirche, das einzige, worüber man nachdenken sollte. Alles übrige ist Geschwätz... Wir haben alles verschlossen: wir sind die "Hüter des Glaubens" – Depositum fidei. Nichts hinzuzufügen. Ist Christus also gestorben, ohne seine Botschaft erweitern zu können? Aber wir sind nicht mehr dieselben Menschen von Palästina. Wir haben die Macht des Göttlichen begrenzt. Wir haben Christus jegliche Erweiterung verboten. Ihn eingesperrt und den Schlüssel ins Meer geworfen ..."

Das Schweigen war dicht, die Bestürzung gewaltig. Ich fuhr fort: "Aber wir halten uns für die Interpreten, und niemand außer uns hat das Recht zu sprechen. Indessen werden wir mit der aktuellen Infragestellung konfrontiert. Die Jugend entzieht sich uns, unsere Ausdrucksweise ist veraltet, unwirksam, wir predigen ohne Überzeugung, wir fordern absurde Dinge, und um unseren Frieden zu haben, überkleben wir alle Tabus mit dem Etikett der Sünde. Ich weiß, daß mein Diskurs als umstürzlerisch eingeschätzt werden wird. In den diktatorischen oder etablierten Regierungen sind alle, die etwas bewegen, verdächtig. Seit zwanzig Jahrhunderten gebrauchen wir die Waffe der Ketzerei, und im Namen Christi begingen wir Greueltaten: das war unsere Verteidigung – es war seine Weisheit, die Macht zu bewahren. Aber wenn Christus plötzlich hier vor uns erschiene, glauben Sie, er würde sich in uns wiedererkennen? Ist der Christus, den wir predigen, denn der Christus der GLÜCKSELIGKEIT? Wir sind damit beschäftigt, jede Öffnung zu verbieten. Wir machen uns mit der Pille lächerlich, aber sind wir ebensosehr um die WAHRHEIT besorgt?... Trotzdem gilt es, unsere heiligen Schriften wieder zu lesen, aber ohne Leidenschaft und ohne egoistisches Selbstinteresse: der Heilige Paulus sagte vor fast zweitausend Jahren: 'Multifariam, multisque modis olim Deus loquens in prophetis, novissime diebus istis locutus est nobis in Filio.' (Mehrere Male und auf verschiedene Weisen sprach Gott durch seine Propheten, aber jetzt in den letzten Tagen sprach er zu uns durch seinen Sohn Jesus Christus...) Gott sprach demzufolge "auf verschiedene Weisen". Ich weiß, daß ein neues Licht erschienen ist, ein neues Bewußtsein – laßt es uns suchen! Aber dazu müssen wir von unserem Thron herabsteigen, unsere Bequemlichkeit aufgeben. Vielleicht sollten wir den Platz anderen überlassen: die Hierarchie aufheben, nicht mehr ein Papst, nebst Kardinälen und Bischöfen, sondern es sind alle in gleicher Weise Sucher nach der WAHRHEIT, dem BEWUSSTSEIN, der KRAFT, dem ÜBERNATÜRLICHEN, dem ÜBERMENSCHLICHEN ..."

Satprem, ich verließ den Saal. Ich ging weg... machte einen Spaziergang auf dem Land... Was wird aus mir werden? Wird man mir den Prozeß machen? Wird man mich für verrückt erklären? Ketzerisch?... Ich warte ab. Ich möchte so schnell wie möglich Mutter sehen. Ich bereite meine Reise für Ostern vor... (Dies ereignete sich am 24. Februar.) Bis jetzt keine Reaktion. Wurde der Papst informiert? Ich habe keine Ahnung. Ich habe die Untersuchung fortgesetzt, die mir anvertraut wurde. Reisen und Berichte. Ich fühle mich sehr ruhig, sehr stark. Über all dies sprach ich mit niemandem aus meiner Umgebung (nicht einmal mit Monsignore R). Die böswillige Persönlichkeit des Traums (Monsignore Z) war anwesend, aber auch er reagierte nicht.

Als ich Ihnen am 4. März aus Paris schrieb, berichtete ich Ihnen nur kurz von meiner Lage, weil ich keine Zeit hatte, Ihnen all dies darzulegen. Am 12. kehrte ich nach Rom zurück. Wie ich Ihnen schon sagte: keine Reaktion, keine Zurechtweisung. Ich setze einfach meine Arbeit fort. Ich hatte Ihnen aus Zeitmangel nicht geschrieben, und ich wollte sehen, ob sich meine Lage veränderte. Nichts. Am 24. März werden wir uns wieder versammeln.

Ich warte also einfach ab, sehr verbunden mit der lieben Mutter."

(Rom, 18. März 1969)

(lange Konzentration)

Gut.

 

Addendum

(Auszug eines Briefes von Satprem an P.L. nach dem Gespräch am 2. November 1968, in dem Mutter von der Zukunft des Christentums sprach – siehe Agenda Band 9 unter diesem Datum)

26. November 1968

...Vielen Dank für die Fotos und den interessanten Artikel über "die Krise der Kirche". Diesbezüglich sagte Mutter, das einzige, was das Christentum öffnen könne (denn es ist in sich selbst verschlossen, der Vergangenheit zugewandt und deshalb unbeweglich, nicht progressiv, und dies ist der Keim seines Todes und seiner Zersetzung), das einzige wäre, daß es eine Kraft der Zukunft zuließe. Sri Aurobindo sprach vom Supramental, aber die Form oder Terminologie ist unwichtig. Wenn das Christentum z.B. die Reinkarnation Christi oder einen zweiten zukünftigen Christus anerkennen könnte, wäre es gerettet – es wäre offen statt verschlossen. Dies ist die Crux der Angelegenheit. Man kann endlos wie die Katze um den heißen Brei herumgehen, allerlei Reformen und Modernisierungen durchführen, all dies führt zu nichts – solange man nicht das Zentrum erreicht, berührt man nur die äußere Erscheinung. Aber natürlich bedeutet das sofort eine Häresie. Dennoch wäre es die einzige Rettung für die Kirche, das einzige, worüber es sich wirklich nachzudenken lohnte. Alles übrige sind leere Worte und oberflächliche Ausbesserungen.

Ihr Foto von Monsignore Z entspricht genau der Vision. Jetzt haben Sie nichts mehr zu befürchten. Halten Sie mich nur auf dem laufenden, wenn Sie äußere Veränderungen bei dieser Person bemerken...

Derjenige, der die Vision hatte, bat mich, Sie zu fragen, ob Sie nicht zufällig Mutters Symbol oder etwas von ihr am Hals tragen. Denn er sah Sie mit dem Symbol um den Nacken... Er sagte mir, die Basilika, in der das Foto von Monsignore Z aufgenommen wurde, sei völlig von der Schwingung eines verfluchten Ortes erfüllt. Arme Kirche!... Sie sind wirklich mutig, lieber P.L., und Sie leisten schweigend eine große und gute Arbeit für die Welt.

S.

 

1 Im Addendum veröffentlichen wir einen Auszug dieses Briefes.

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