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Mutters

Agenda

elften Band

4. April 1970

Heute vor sechzig Jahren kam Sri Aurobindo in Pondicherry an...

(Schweigen)

Zeigt man dir weiterhin die Aphorismen?... Ich erinnere mich nicht, diese Dinge vorher gelesen zu haben... Weißt du, er wollte mit aller Macht die Regeln und Konventionen brechen 1 .

Ich hatte sehr stark den Eindruck, daß dies in Europa zur Haltung führte, die man jetzt sieht: diese Mischung aus Sex und Yoga und all das... Diese Art von Aphorismus war damals wohl unerläßlich, aber jetzt habe ich den Eindruck, daß man dieses Stadium überschritten hat oder jedenfalls dabei ist, es zu überschreiten.

(Schweigen)

Hast du nichts?... Keine Fragen, nichts zu sagen?

Ich hab einen Brief von G. Wenn du willst, lese ich ihn dir vor... Er schreibt folgendes:

"Mutter, die Schwierigkeiten mit meiner Gesundheit [schwere Herzanfälle] haben mich dazu geführt, viele versteckte Elemente im Körper zu entdecken: die Liebe von Mutter, die Gnade und Mutters eigene Gegenwart in mir... Mein Körper scheint nicht mehr den alten Glaubenslehren ausgeliefert zu sein. So wächst das Vertrauen in meinen Körper von Tag zu Tag, und ich fühle und sehe deutlich, daß der Körper alle Schwierigkeiten zurückweisen kann, indem er mit Mutters Liebe und Gnade in Kontakt kommt. Eines Tages bat ich Mutter innerlich, diese Anfälle nicht mehr zu erlauben, die mich hin und wieder in einen ohnmachtsähnlichen Zustand versetzten, und, Mutter, seit ungefähr zehn Tagen sind sie nie mehr zurückgekommen!..."

(Mutter verharrt im Schweigen)

Ja, er sagte mir, daß er sehr erstaunt war zu entdecken, daß die "Gesetze" praktisch nicht mehr gültig waren – die sogenannten Gesetze waren verschwunden.

(Schweigen)

Diese ganze Zeit – seit Wochen – ist es Tag und Nacht, als wollte man mir zeigen, was im Körper noch alles vermischt geblieben ist: alte Einflüsse, alte Schwingungen, alte... und dies zusammen mit der neuen Art. Wenn die neue Art rein und unvermischt ist, dann macht sich im Bewußtsein des Körpers... (Mutter macht eine erstaunte Miene) ein Entzücken über etwas bemerkbar, das immer noch unmöglich erscheint.

Dies verdeutlicht die Distanz zwischen dem, was ist, und dem, was zu sein hat...

Aber es gibt Augenblicke, wo tatsächlich alle Auswirkungen der alten Seinsweise plötzlich wie ausgelöscht zu sein scheinen – doch das hält nicht lange an.

(langes Schweigen)

Du sagtest einmal, daß du Sri Aurobindo supramental auf seinem Bett liegen sahst 2...

Ja, ja.

War da ein "zusätzliches" Element oder etwas, das es jetzt nicht oder noch nicht gibt?

Da war eine Leuchtkraft. Die Substanz war... nicht strahlend, aber... Ich kann nicht sagen "phosphoreszierend", denn es war eine goldene Farbe, aber so ähnlich: eine Art goldener Schimmer ging vom Körper aus.

Aber ich wollte wissen (ich, der nichts sieht), ob es ein Element gab, das es jetzt nicht oder noch nicht gibt oder was?

Ich hatte den Eindruck... Ja, ich könnte sagen, daß die Verhältnisse innerhalb der Zusammensetzung der Materie nicht die gleichen waren.

Das ist etwas, was ich mich oft in bezug auf die Knochen gefragt habe: Wie wird dies sein?

Offensichtlich wird es eine Geschmeidigkeit, eine Flexibilität und eine Anpassungsfähigkeit geben, die für unseren Körper, so wie er jetzt ist, unmöglich sind. Solange dieses starre Skelett darin steckt, wie könnte das je geschmeidig sein?

Aber war es so in Sri Aurobindo?

Ich SAH ihn so – ich habe ihn nicht berührt.

Er leuchtete, und man hatte den Eindruck einer Geschmeidigkeit.

Nur ist er jetzt nicht mehr physisch. Im Subtilphysischen ist es bereits so; aber dort gibt es keine Knochen.

Schwierig ist der Übergang zwischen den beiden Zuständen.

(langes Schweigen)

Im Grunde geht es darum, eine Beständigkeit ohne Starrheit zu erreichen.

Bevor man sich eine neue Spezies vorstellte, meinte man, Festigkeit sei stets auch mit Tod und Auflösung verbunden; man konnte sich nicht vorstellen, wie etwas dauerhaft auf der Erde existieren könnte, ohne starr zu sein... Man kann nicht behaupten, es sei unmöglich, denn alles ist möglich, aber... das bedingt etwas völlig anderes in der Zusammensetzung der Materie. Du hast mir einmal gesagt, du stellest dir vor, daß man sich je nach Belieben sichtbar oder unsichtbar machen könne – aber das würde eine sehr große Plastizität erfordern.

(Mutter schüttelt mehrmals den Kopf und versenkt sich nach innen)

Und...

(Mutter schüttelt wieder den Kopf und vertieft sich nach innen)

Davon sind wir weit entfernt.

(sehr langes Schweigen)

Und du, hast du nicht irgendein Zeichen?... Nur mental, oder?

Der Körper ist völlig unfähig, etwas zu sagen.

Mir scheint, daß dieser subtile Körper, der bereits supramental oder supramentalisiert ist, sich materialisieren könnte, indem er sich...

Aber wie? Ja, wie?

Indem er sich des materiellen Körpers als Träger bedient.

(Mutter verharrt lange in Schweigen)

Wenn, wie du sagst, nirgendwo mehr eine "Mischung" vorhanden wäre, könnte die Verschmelzung stattfinden.

Vielleicht.

Wenn ich mich so konzentriere, fühlt der Körper... (wie soll ich sagen?)... das Wort Beklemmung ist viel zu stark, aber er hat den Eindruck, er befinde sich an der Schwelle des... Unbekannten – des Unbekannten... etwas. Ein sehr merkwürdiges Gefühl.

Er hat wirklich fast ständig ein sehr... (zumindest merkwürdiges) Gefühl, nicht mehr das zu sein und auch noch nicht DAS zu sein.

(Schweigen)

Unsagbar.

Das ist so seltsam, da ist überhaupt keine Angst, kein heftiges Gefühl, nur etwas... Ja, man könnte es nur als eine Art neue Schwingung bezeichnen. Es ist so neu, daß... man kann nicht von Beklemmung reden, aber es ist... das Unbekannte. Das Mysterium des Unbekannten. Und es hat nichts Mentales an sich, es liegt nur am Gefühl der Schwingung.

Und dies wird konstant. Jetzt herrscht das Bewußtsein, daß es nur eine Lösung für den Körper gibt, und zwar... eine totale Hingabe – total. Und in dieser Hingabe merkt er, daß diese Schwingung nicht eine des Zerfalls ist, sondern etwas... was?... das Unbekannte, das völlig Unbekannte – neu, unbekannt.

Manchmal wird er von Panik erfaßt. Er kann nicht behaupten, er würde sehr leiden, ich kann dies nicht als einen Schmerz bezeichnen. Etwas... ganz Außergewöhnliches. Die einzige Lösung für ihn ist,... ins göttliche Bewußtsein zu tauchen. Dann geht alles gut.

Aber er weiß, daß es nicht das ist (der Zerfall). Es ist einfach etwas, das er nicht kennt. Eine Weile glaubte er, es seien gewisse Einflüsse oder gewisse Aktionen oder gewisse... und dann erkannte er, daß es gar nicht das ist. Es hängt nicht von Einflüssen ab, es hängt nicht von Ereignissen ab, es hängt nicht von Handlungen ab, es hängt nicht von... Es ist... etwas.

Da ist sein einziges Heilmittel, sich sozusagen in das Göttliche zu schmiegen: mag kommen was will.

Ja, das "andere Etwas" muß dermaßen anders sein, daß es dem Körper wie ein Tod erscheint.

Jedenfalls ist es gleichbedeutend damit. Das ist es.

Aber (lächelnd) ... er verwechselt es nicht. Er WEISS, daß es nicht das ist, was die Menschen Tod nennen.

(Schweigen)

Es ist jedenfalls ein merkwürdiges Leben.

Ja, ein merkwürdiges Abenteuer.

Oh, ja! (Mutter lacht) Oh!... Und alles andere als die rein materiellen Dinge – alle psychologischen, emotionalen Dinge –, all dies erscheint so kindisch!... "Oh, ihr macht so viel Lärm um nichts! Wenn ihr erst einmal wißt, daß es HIER ist ..." (Mutter deutet auf den Körper) Ja.

Ja (lachend), ich glaube, dies ist wirklich das große Abenteuer.

Gut.

Der Körper verbringt Stunden damit, zu wiederholen... nicht mit Worten, sondern mit ganzer Kraft zu wollen (Mutter macht eine Faust): "Nur noch Du sein, nur noch Du sein, nicht mehr existieren, nur Du sein ..." Er ist ganz intensiv so... oh!

Und er weiß sehr wohl, daß dieses "Du" nicht der Höchste ist, aber für ihn ist es derzeit der Höchste.

Wir werden sehen! (Mutter lacht)

(Schweigen)

Und alles, alles wird so, ALLES. Die Veränderung des Schlafes vollzog sich noch am leichtesten, aber die ganze Arbeit, alles, was ich tue – das Sprechen ist sehr schwierig geworden, sehr schwierig... meine Stimme kommt nicht mehr durch, es ist, als ob jemand anders spräche, verstehst du?

Wieviel Uhr ist es?

Viertel nach elf.

In einiger Zeit werde ich gewisse Dinge sagen können, aber... Hörst du mich, wenn ich spreche?

Ja, ja, liebe Mutter, sehr gut!

(Schweigen
Mutter stöhnt)

Später... Später.

(Mutter nimmt Satprems Hände)

Bald werde ich eine gefährliche Ansteckung verbreiten! (Mutter lacht)

 

1 Wir wissen nicht, um welchen Aphorismus es sich genau handelt, aber vielleicht um folgenden: 446 – ""Irrtümer, Lügen, Fehltritte!" schreien sie. Wie strahlend und schön sind Deine Irrtümer, o Herr! Deine Lügen retten der Wahrheit das Leben, durch Deine Fehltritte vervollkommnet sich die Welt."

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2 Agenda Bd. 2 vom 15. Juli 1961, S. 266.

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