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Mutters

Agenda

elften Band

3. Juni 1970

Gestern begannen wir mit einer Arbeit für Auroville: Man will den Leuten in "Aspiration" klarmachen, worum es für die Aurovillianer geht – warum sie hier sind und was sie wollen. Denn es scheint... im Grunde haben sie gar keine Ahnung. Jeder ist mit bestimmten Erwartungen gekommen, aber all das ist nicht koordiniert und nicht klar. Deshalb bat mich R, die wesentlichen Dinge klar auszudrücken. Mir schien es besser, dies gemeinsam mit den Leuten zu tun, um zu sehen, was sie wollen, und damit sie sich Mühe geben, es herauszufinden. Sonst... So fingen wir gestern damit an (Mutter holt ein Stück Papier hervor).

Gestern fragte ich C 1: "Warum lebt man eigentlich in Auroville? Warum wurde Auroville gegründet?" Daraufhin gab er mir den ersten Abschnitt:

UM EIN WAHRER AUROVILLIANER ZU SEIN

1) Der Wille, sich gänzlich dem Göttlichen zu weihen.

Das sagte er. Ich fand das gut.

Nachdem ich innerlich gehorcht hatte, fügte ich hinzu:

2) Der Aurovillianer will nicht der Sklave seiner Begierden sein.

Die Idee ist die: "Wir kommen nach Auroville, um den sozialen und moralischen Regeln zu entkommen, die überall künstlich angewendet werden, aber nicht, um in der zügellosen Befriedigung aller Begierden zu leben, sondern um uns über die Begierden hinaus in ein wahreres Bewußtsein zu erheben." Etwas in der Art... Es scheint, daß sie das sehr nötig haben! (Mutter lacht) Das müßte man also hinzufügen.

Man könnte ein ganzes Programm aufstellen, das wäre recht interessant.

Ja, aber solange die Leute nicht ein wenig hinter die Oberfläche gehen, nützt alles Reden nichts.

Genau das muß man ihnen sagen!

Dann ist die erste Notwendigkeit, daß sie ein wenig tiefer in sich hineingehen. Wenn du ihnen vom "Göttlichen" erzählst, bedeutet das in ihrem oberflächlichen Bewußtsein sonst rein gar nichts.

Ja... Für diesen Jungen hat es eine Bedeutung, aber für die meisten anderen...

Für die meisten ergibt es überhaupt keinen Sinn.

Man müßte also sagen: "Die erste Voraussetzung ist die innere Entdeckung ..."

Im Idealfall wäre der erste Schritt das Verlangen nach etwas anderem, als es die gegenwärtigen irdischen und menschlichen Bedingungen sind.

Selbstverständlich.

Und um dahin zu gelangen, ist die erste Voraussetzung, in seine eigene innere Tiefe hinabzusteigen, um zu erkennen, was man hinter der äußeren, ererbten, sozialen, kulturellen Erscheinung IST – was man wirklich ist. Von da an gewinnen die Dinge einen Sinn, aber vorher machen sie keinen Sinn. Vorher finden sie ihren Sinn lediglich in den Moralauffassungen, in den Religionen, in der Philosophie – das macht keinen Sinn.

Also schreiben wir (Mutter schreibt:) "Die erste wesentliche Voraussetzung ..."

Es ist mehr als eine Voraussetzung: es ist eine Notwendigkeit.

1) Die erste Notwendigkeit ist die innere Entdeckung, um zu wissen, was man wirklich ist hinter der sozialen, moralischen, kulturellen äußeren Erscheinung...

Auch die der Rasse.

Oh, ja!

... des Erbguts.

Dann muß man ihnen auch sagen, daß es eine Entdeckung zu machen GILT, denn viele wissen das überhaupt nicht. (Mutter schreibt:)

Im Zentrum existiert ein freies, weites, wissendes Wesen, das unserer Entdeckung harrt und das zum wirkenden Zentrum unseres Wesens und unseres Lebens in Auroville werden muß.

Und danach könnten wir dies schreiben (Mutter deutet auf den ursprünglichen ersten Abschnitt über die Widmung an das Göttliche), oder nehmen wir etwas anderes?... Mir scheint, das ist eher eine Erfüllung, etwas, das am Schluß kommt.

(langes Schweigen)

Man sollte sie auch lehren, sich von der Vorstellung eines persönlichen Besitzes zu befreien... Nicht wahr, alles gehört dem Göttlichen; das Göttliche verleiht dem Menschen ein Zentrum (das Zentrum der Individualität) und bietet ihm damit die Möglichkeit, eine gewisse Anzahl von Dingen persönlich zu verwenden, wobei er sie alle auf diese Weise auffassen muß: als Dinge, die ihm vom Göttlichen GELIEHEN wurden. Das Göttliche ist ewig, everlasting würde man auf englisch sagen, und so wie Er das individuelle Zentrum erschafft, steht eine gewisse Anzahl von Dingen für SEINE Arbeit zur Verfügung, und dies sind GELIEHENE Dinge. Das ist eine sehr präzise Tatsache: man besitzt sie nur für eine gewisse Zeit.

Dies, um das Gefühl des persönlichen Besitzes zu entwurzeln.

(Schweigen)

Das wäre interessant: "Die Beschreibung des Bürgers der Stadt von morgen."

Der zweite Abschnitt handelt über die Begierden und der dritte über den persönlichen Besitz.

Die einzig wahre Möglichkeit, um die Begierden zu überwinden, ist die Hingabe seiner selbst an das Göttliche, und man muß das, was Es einem gibt, als die einzig notwendigen Dinge akzeptieren. Aber das ist schon sehr fortgeschritten.

Am Anfang sagtest du, daß die Aurovillianer gekommen sind, um allen moralischen Konventionen usw. zu entkommen, daß dies aber kein Freibrief zur Zügellosigkeit ist...

Richtig. (Mutter schreibt:)

2) Man lebt in Auroville, um frei zu sein von moralischen und sozialen Konventionen; aber diese Freiheit darf keine erneute Versklavung an das Ego, an seine Begierden und Ambitionen sein.

Ist das alles? Das reicht für heute!

Wenn du das mit dem anderen Abschnitt verknüpfen willst, könnte man etwas in der Art hinzufügen: Die Begierden sind die größte Verfremdung der inneren Entdeckung.

Oh, ja! (Mutter schreibt:)

Die Befriedigung der Begierden versperrt den Weg zur inneren Entdeckung, die nur im Frieden einer vollkommenen Selbstlosigkeit erlangt werden kann.

Da fällt mir noch ein Wort ein, Mutter: nicht nur der Friede, auch die Transparenz.

Ja. (Mutter schreibt:)

...im Frieden und in der Transparenz einer vollkommenen Selbstlosigkeit.

Das wird etwas Interessantes werden!

Dies ist die Basis. Und dann kommt der dritte Abschnitt. Du hattest gesagt: "Der Aurovillianer muß sich von der Vorstellung eines persönlichen Besitzes befreien."

Aber das ist keine "Vorstellung", sondern ein "Gefühl". (Mutter schreibt:)

3) Der Aurovillianer muß sich vom Gefühl eines persönlichen Besitzes befreien. Für unseren Weg in der materiellen Welt wird uns das, was für unser Leben und unser Handeln notwendig ist, zur Verfügung gestellt...

Du sagst nicht durch wen?

(Mutter lacht) Nein. Durch den Alles-Besitzenden!

...entsprechend dem Platz, den wir einnehmen werden.

Da könnte man hinzufügen: Je mehr wir in Kontakt mit unserem inneren Wesen sind, desto präzisere Mittel werden uns gegeben.

Ja, das ist gut. (Mutter schreibt:)

Je mehr wir in BEWUSSTEM Kontakt mit unserem inneren Wesen stehen, desto präzisere Mittel werden uns gegeben.

Das wird interessant werden.

Dies gibt ihnen die Grundlage.

Oh, daraus könnte man wirklich etwas Interessantes machen.

*
*   *

(Kurz darauf sucht Mutter inmitten einer unvorstellbaren Ansammlung von Schachteln, Papieren und Gegenständen
ihre alten Savitri-Hefte:)

Als ich noch ein Kind war (ungefähr zwölf Jahre alt), wußte ich nichts von spirituellen Dingen – meine Familie lebte in einer rein materialistischen Atmosphäre. Aber einmal sah ich etwas im Traum: ein Wesen kam auf mich zu – eine Frau – und sagte mir: "Du wirst immer alles, was du benötigst, in Fülle haben." Es war die Natur, die materielle Natur, dasselbe Wesen, das ich später so oft sah. Und das ist vollkommen wahr! (Mutter zeigt lachend auf das Durcheinander um sie herum) Später, als ich Théon traf, erklärte er mir das; aber damals wußte ich überhaupt nichts. Dies war kein Hirngespinst, es kam so, ohne daß ich irgend etwas darüber wußte: "Du wirst immer alles, was du benötigst, in Fülle haben." (Mutter lacht) Das stimmt.

 

1 Ein Bewohner von "Aspiration".

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