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Mutters

Agenda

elften Band

31. Oktober 1970

(Mutter versucht, einige speziell für sie in großer Schrift abgeschriebene englische Verse aus Savitri zu lesen.)

Das ist ein merkwürdiges Phänomen: F hat das abgeschrieben, und sie versteht den Text nicht gut – für sie sind das eben nur Worte –, und ich kann es nicht lesen!

Ja, ich verstehe. Das liegt am Bewußtsein, mit dem sie es abgeschrieben hat.

*
*   *

(Dann hört sich Mutter die Lektüre einiger Briefe von Sri Aurobindo an:)

[Frage:] X hat mich gefragt, ob es möglich ist, daß im Laufe der Reinkarnationen eine Frau ein Mann wird oder ein Mann eine Frau. Er dachte an einige weibliche Züge seiner selbst, die man so erklären könnte. Ich würde auch gern wissen, ob es im psychischen Wesen selbst etwas gibt, das dem Geschlecht ähnelt.

[Antwort] Nicht direkt dem Geschlecht, aber dem, was man das männliche und weibliche Prinzip nennen könnte. Das ist ein schwieriges Problem. Die Reinkarnationen folgen gewissen Linien, und gemäß meiner eigenen und der Erfahrung vieler folgt man gewöhnlich einer einzigen Linie. Aber man kann nicht behaupten, daß ein Wandel des Geschlechts unmöglich sei. Möglicherweise wechseln es einige. Die Gegenwart weiblicher Züge in einem Mann weist jedoch nicht unbedingt auf ein vergangenes weibliches Leben hin: das kann vom allgemeinen Spiel der Kräfte und ihrer Beschaffenheit herrühren. Darüber hinaus gibt es Eigenschaften, die beiden Geschlechtern gemeinsam sind. Es kann auch sein, daß ein Bruchstück der psychologischen Persönlichkeit einem Leben angehörte, das nicht das seine ist. Man kann von einer bestimmten Persönlichkeit der Vergangenheit sagen: "Nicht ich, sondern ein Teil meiner psychologischen Persönlichkeit war in dieser Person gegenwärtig." Die Wiedergeburt ist ein komplexer Vorgang. Ihr Mechanismus ist nicht so einfach, wie man gewöhnlich annimmt.

11. Januar 1936
Letters on Yoga, XXII.447

Er sagt, es sind "Bruchstücke"?

Ja: er sagt, es kann Teile geben.

Ich habe das selber erfahren. In mir ist zum Beispiel ein Stück von Murat, und ich habe auch die ganze Erfahrung dieses Bruchstücks wiedererlangt 1 – aber das war alles, es war nur dies.

Das muß stimmen [was Sri Aurobindo sagt], es entspricht meiner eigenen Erfahrung.

Ja, das Psychische hat männliche und weibliche Tendenzen, aber es ist nicht "ein Mann" oder "eine Frau": das Psychische ist geschlechtslos.

Wie er sagt: Das ist eine sehr komplizierte Sache, es gibt alle Möglichkeiten. Man kann von nichts behaupten, es sei unmöglich.

(Schweigen)

Jetzt möchte ich dein Kapitel hören.

(Satprem liest ein halbes Dutzend Seiten des sechsten Kapitels "Das Durchbrechen der Grenzen" vor, muß aber aufhören, weil er noch Halsschmerzen hat.)

Liebe Mutter, ich kann nicht weitermachen. Es ist zu lang für mich.

Du bist müde. Das nächste Mal.

Das ist sehr gut... Sehr gut.

Das läßt mich aus allem heraustreten... Ich verliere allen Kontakt, eigenartig. Das passiert mir zum zweiten Mal. Alles verschwindet: ich trete in eine Formation von Dem ein, und Das bleibt als Einziges. Ein sehr sonderbares Phänomen. Die gesamte Welt verschwindet. Als du aufhörtest, war es auf einmal, als ob ich von irgendwo abstürzte. Merkwürdig!

Das ist sehr interessant.

Ich habe den Eindruck, in das einzutreten, was das Mental ersetzen wird. Eine Atmosphäre, die das Mental ersetzen wird, die Atmosphäre der neuen Schöpfung... Neulich hatte ich das sehr stark, aber das war das erste Mal – ich war völlig verblüfft und glaubte, das hinge von meinem Zustand ab; aber heute hörte ich ganz wie gewohnt zu, und auf einmal wurde ich, ohne es zu merken, in eine Atmosphäre versetzt... eine Atmosphäre des Verstehens. Als du aufhörtest (lachend: Geste, auf den Boden zu fallen)... Eigenartig!

Es ist wie eine Welt im Aufbau.

Das ist sehr interessant.

Ich verstehe ANDERSWO, verstehst du? Es ist nicht mehr dasselbe. Ich verstehe anderswo. Und ein wunderbar klares und ausdrucksstarkes Verstehen. Ganz merkwürdig! Das ist interessant. Ich hatte vergessen, daß dies neulich passiert war, und heute geschah genau dasselbe. Das ist sehr interessant.

Ist das die Hälfte des Kapitels?

Nicht ganz: ein Drittel.

Oh, das ist wirklich eine Erfahrung.

Denn das Mental ist nicht da, es ist... Im Grunde ist es das psychische Verständnis der Dinge.

Wirklich interessant!

(Lachend) Als du aufhörtest, war es, als ob ich in etwas anderes zurückfiele – etwas Gewohntes –, aus einer anderen Welt kommend. Das gehört einer anderen Welt an.

Das ist überaus interessant.

(langes Schweigen,
Mutters Atmung ist rauh 2)

Glaubst du, daß es für Februar fertig sein wird?

Ich denke, ich werde es nächsten Monat fertig haben.

Oh!

Es geht sehr schnell. Aber vielleicht sollte ich es doch nachher nochmals durchsehen.

Warum? Oh, NEIN!

Was ich dir da vorlese, ist so, wie ich es geschrieben habe 3 .

Ich finde das wirklich sehr gut. Oh, nein, man darf es nicht verändern.

Nicht verändern?

Nein, es ist etwas Außergewöhnliches. Es scheint so zu kommen (Geste einer massiven Herabkunft).

Oh, ich habe den Eindruck, daß es mir gegeben wird.

Ja, ja, es ist fertig. Man darf nicht daran rühren.

Ja, ich habe ein wenig den Eindruck, daß es "fertig" kommt – so ist es.

(Mutter schüttelt schweigend den Kopf)

Nein, das würde es vermenschlichen – das darf man nicht.

Ja.

Es ist nicht menschlich. Man darf es nicht vermenschlichen, selbst – selbst wenn das äußere Wesen denkt, gewisse Dinge müßten... [modifiziert oder geklärt oder entwickelt werden]. Denn ich weiß... ich weiß, wohin ich gehe. Nein.

Nachts gehe ich dorthin, und manchmal geschehen Dinge, die sich nachher sozusagen in allem widerspiegeln, was sich während des Tages ereignet.

Das ist sehr stark, es ist wirklich eine neue Welt, die sich vorbereitet.

Das ist sehr stark.

(Schweigen)

Es wird mich sehr interessieren, das Ende zu sehen, dein letztes Kapitel.

(Mutter verharrt lange "schauend")

 

1 Der Sieg Murats, an der Spitze der Armeen galoppierend (siehe Agenda Band 3 vom 30.6.1962 und Band 7 vom 3. November 1966).

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2 Bemerkenswert ist, daß Mutters Atem während der ganzen Lektüre normal war.

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3 Tatsächlich liest Satprem den Text hier zum ersten Mal – nach dem Schreiben las er ihn nicht nochmals durch.

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