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Mutters

Agenda

zwölften Band

26. Mai 1971

(Mutter hatte M, einen jungen indischen Mathematikprofessor an der Schule, gebeten, die englische Übersetzung von La Genèse zu lesen und ihr seine Meinung mitzuteilen.)

Nun?

(M:) Meine erste Reaktion war so: Ich fand das Buch sehr poetisch, sehr schön – das Französische.

Es ist gut, ja.

Ja, das Englische erschien mir weniger poetisch. Es ist eine Übersetzung, aber es machte auf mich nicht denselben Eindruck wie das Französische.

Was sollen wir denn jetzt tun? Eine andere Übersetzung?

Ich weiß nicht, Mutter, ich kann es nicht sagen. Ich weiß nicht, ob es eine gute oder eine schlechte Übersetzung ist, aber als ich sie las, spürte ich, daß es eine Übersetzung war. Es war weniger poetisch – das Französische ist viel poetischer.

Gut... Können wir sie benützen oder nicht?

Ich glaube, sie läßt sich verwenden.

Wenn sie den Gedanken nicht entstellt.

Nein, es scheint den Gedanken nicht zu entstellen.

(Zu Satprem:) Was sagst du denn?

Ich persönlich finde, daß das Wesentliche fehlt.

(Mutter lacht) Ja, genau!

Weißt du, welcher Gedanke mir kam? In Amerika wird D eine Übersetzung für Amerika beginnen, könnten wir die nicht auch für hier verwenden?

Das ist Amerikanisch. Hier sprechen wir Englisch. Da besteht ein Unterschied, oh!...

Aber wenn die Kraft da ist, macht es keinen Unterschied.

Nein, es muß Englisch sein.

Aber von wem? Denn meiner Meinung nach ist es besser, keine Übersetzung zu haben als eine, die nicht die Kraft vermittelt. Es ist besser, nichts zu haben.

(Schweigen)

(Satprem zu M:) Haben Sie die Kraft darin verspürt?

(M:) Ich kann diese Dinge wirklich nicht beurteilen, aber ich kann sagen, als ich das Französische las, schien es mir nicht an den Intellekt gerichtet zu sein, eher an das Herz, ich weiß es nicht – es ist für einen Suchenden.

Ja.

(M:) Ein gewöhnlicher Leser könnte das nicht einmal spüren: es muß ein Suchender sein. Das Englische versteht man besser, weil es den Intellekt anspricht. Aber... ich bin völlig unfähig zu urteilen.

(Zu Satprem:) Wer hat denn deinen Artikel [über Bengalen] übersetzt?

Das war Z, liebe Mutter.

Ach, ja.

(M:) Das fand ich sehr gut, denn da hatte ich zuerst das Englische gelesen und gedacht, es sei das Original.

Z kann übersetzen.

(Satprem:) Sie versteht es, die Kraft zu erfassen und sie wiederzugeben – darauf kommt es an.

Sie wäre die richtige Übersetzerin für dein Buch... Nur ist sie beschäftigt und schreibt selbst... Ich werde sie fragen. Dann wird die andere allerdings verzweifelt sein. (Lachen)

Aber ich hatte T [die englische Übersetzerin] gefragt, gegen welche Sätze sie Einwände habe, worauf ich ihr sagte: "Es tut mir wirklich leid, aber ich sehe, daß du nichts von dem Buch verstanden hast!" Sie weiß es.

(Satprem:) T sagte mir ziemlich vernichtende Dinge über mein Buch...

Ach? (Mutter lacht sehr)

Das hat mich sehr verstört.

Was hat sie denn gesagt?

Sie sagte mir, sie finde gewisse Dinge "repulsive" [abstoßend].

Wie?

"Repulsive".

Oh!

Da versuchte ich ihr zu sagen: "Hören Sie, ich weiß nicht, das Buch fiel mir so auf den Kopf...

(Mutter lacht)

... Es ist auf mich herniedergekommen." Daraufhin sagte sie mir mit einer Art Kraft, die mich sehr traf: "Ja, ja, es ist sehr leicht, das, was vom Unterbewußtsein kommt, mit einer Inspiration zu verwechseln."

Oh!

Sie sagte es mit solchem Nachdruck, daß ich in schreckliche Zweifel gestürzt wurde.

Oh, du meine Güte!

Jedenfalls schrieb sie mir diesbezüglich, daß sie in meinem Buch keine Präsenz verspüre. Wörtlich: "In dem Buch ist keine Präsenz."

Sie weiß es wohl besser als ich.

Jedenfalls kann die Kraft unter diesen Bedingungen nicht durchkommen.

Ja, ihre Übersetzung kann nicht verwendet werden.

(Sich zu M wendend:) Ist das alles, was du zu sagen hast?

(M:) Ich habe es nicht mit einem sehr kritischen Geist gelesen, Mutter, aber um es freiheraus zu sagen, ich spürte, daß das, was Satprem sagt, etwas Natürliches ist, so wie es sein soll, einfach. Es schien mir fast wie ein mathematisches Problem, das es zu lösen gilt und das ich äußerst schwierig finde, aber sobald ich dann die Lösung gefunden habe, sage ich mir immer: "Aber es war doch so einfach! Man mußte nur diese Linie ziehen, und alles löst sich!..." So kam mir das Buch vor.

(Mutter stimmt zu)

Aber ich wollte etwas fragen, das ich in dem Buch nicht gefunden habe: Dort ist nie ausdrücklich die Rede von einem Guru. Könnte ein Individuum das ganz alleine tun, ohne Guru?

(nach einem Schweigen)

Es ist möglich. Aber ich kann nur meine Erfahrung anführen – ich kann nur sagen: Es ist möglich. Aber unter welchen Bedingungen, weiß ich nicht.

(Satprem zu M:) In einem Buch kann man nicht direkt von einem Guru sprechen und den Leuten sagen: "Dieser Person müßt ihr folgen." Man kann sie nur etwas fühlen lassen, sie zu etwas hinwenden, aber man kann ihnen nicht sagen: "Sie müssen dieser Person folgen."

Genau.

Das kann man nicht tun.

(M:) Nein, ich sage das, weil ich beim Lesen des Buches fühlte: "Wenn jemand diesen Weg ohne Guru einschlägt, bestehen Gefahren..." Aber es ist ein Buch, das einen anregt, diesem Weg zu folgen.

(Schweigen)

Ich weiß nicht, ich kann es nicht sagen, denn ich kann nur von meiner persönlichen Erfahrung sprechen – das bedeutet nichts.

(M:) Aber es kam mir so vor, als sei es deine Erfahrung, besonders am Ende des Buches.

(Lachend) Ich bin also dafür verantwortlich!

(Satprem:) Jemand muß ja dafür verantwortlich sein!

(Mutter lacht)

(M:) Die Kapitel im Anschluß an "Die Soziologie des Übermenschen": "Nachher" und "Die Überwindung des Todes", usw. beschwörten in mir ganz das herauf, was du in den "Notizen auf dem Weg" sagst.

(Mutter lächelt) Das ist der Yoga des Körpers.

(M:) Aber du allein führst dies aus.

Glaubst du? (Lachen)

(Satprem:) Ich habe den Eindruck, ja! (Lachen)

Ich muß sagen, wenn es so als eine Notwendigkeit über einen kommt, ist es gut, aber man sollte nicht danach streben, es zu tun... Es ist nicht gerade angenehm!

(Schweigen)

(Sich zu M wendend:) Also wenn es dich freut, mich zu sehen, dann sag es!

(M, lachend:) Das ist sehr schwer.

Ich sehe im Durchschnitt hundert Leute täglich – ungefähr.

(M:) Eben deshalb wird es schwer, dich zu fragen, Mutter.

Aber das macht nichts – nur einer mehr.

(M:) So werden es hundert! (allgemeines Gelächter)

Offensichtlich... Das macht nichts – ich freue mich, dich zu sehen.

(M verläßt das Zimmer,
Mutter verbleibt lange versunken)

Wie geht es denn, mein Kind?... Geht es besser 1?

Ich hoffe, mit deiner Gnade.

(Schweigen)

Ein ganzer Teil von mir muß verschwinden.

Ja, aber ich glaubte, er sei schon verschwunden... Das ist sehr seltsam. Für mich ist das gar nicht du selbst.

Ja.

Ich glaubte, es sei bereits verschwunden. Ich hatte den Eindruck wie von jemandem, der fortgejagt wurde und wiedergekommen ist. Aber das macht nichts... Du mußt nur... weißt du, so (Mutter ballt die Fäuste), nicht nachgeben. Das ist alles.

Das bist nicht du.

(langes Schweigen)

Ich ziehe es vor, das nicht zu sagen... Verstehst du, ich könnte zwei Sachen sagen. Das eine, daß du wirklich etwas zu tun hast, und daß es dabei ist, sich zu kristallisieren – das Gerede der Leute, die nicht verstehen, muß man sich nicht anhören. Das andere ist, daß es einen ganzen Teil deines Wesens gab, der nicht zu deiner leuchtenden Natur gehörte (Atavismus, Erziehung, allerlei), der so weit weg ist und so weit überwunden wurde, daß ich glaubte, er existiere gar nicht mehr. Ich war erstaunt, als man mir sagte, daß er dich wieder belästigte. Das ist... Das ist nicht Satprem.

Ja, ich weiß.

Dann klammere dich an Satprem.

Nein, ich will mich lieber an dich klammern.

Klammere dich an, so fest du kannst – so sehr du nur kannst!

Man hat den Eindruck, daß nur die Gnade das bewirken kann.

Mein Kind...

(Mutter drückt Satprems Hände, langes Schweigen)

Etwas fühle ich sehr tief... (Schweigen) Worte... Worte (Mutter schüttelt den Kopf)... Aber um es dir so einfach wie möglich zu sagen, könnte ich es so ausdrücken: "Der Herr liebt Satprem." Das ist etwas überaus Tiefes... Der Herr liebt Satprem. Voilà.

(Satprem legt seine Stirn auf Mutters Schoß)

 

1 Satprem hatte Mutter ausrichten lassen, daß er sich im größten Dunkel seines Lebens befinde und daß alles wie früher sei, als habe es diese siebzehn Jahre im Ashram gar nicht gegeben.

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