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Mutters

Agenda

zwölften Band

23. Juni 1971

(Mutter hört sich die Lektüre verschiedener Briefe Sri Aurobindos für das nächste Bulletin an und hält bei diesem inne:)

Dein Vital scheint die ganze Zeit ein "Feilschen" oder die Haltung einer "Kantine" in diesen Angelegenheiten beibehalten zu haben. Man gibt irgendwelche Waren, die man Hingebung oder Ehrerbietung nennt, und im Gegenzug ist Mutter verpflichtet, alle Forderungen und spirituellen, mentalen, vitalen und physischen Wünsche zu befriedigen, und wenn sie ihrer Aufgabe nicht nachkommt, hat sie den Vertrag gebrochen – der Ashram als eine Art Gemeinschaftshotel oder eine Kantine, und Mutter als Hotel- oder Kantinenleiterin. Man gibt, was man kann oder zu geben wählt, oder es mag auch gar nichts sein außer der vorher genannten Ware; als Gegenleistung müssen der Gaumen, der Magen und alle physischen Forderungen völlig zufriedengestellt werden; wenn nicht, ist man durchaus berechtigt, sein Geld zu behalten und den nachlässigen Hotelier oder Katinenleiter zu beschimpfen. Diese Haltung hat überhaupt nichts mit Sadhana oder Yoga zu tun. Ich streite absolut jedem das Recht ab, dies als Basis meiner Arbeit oder für das Leben im Ashram aufzuerlegen.

Es gibt nur zwei mögliche Grundlagen für das materielle Leben hier. Die eine ist, daß man Mitglied eines Ashrams ist, beruhend auf dem Prinzip der Selbsthingabe und Unterwerfung. Man gehört dem Göttlichen, und alles, was man besitzt, gehört dem Göttlichen; man gibt nicht etwas, das einem selbst gehört, sondern etwas, das bereits dem Göttlichen gehört. Da gibt es keine Frage eines Bezahlens oder Zurückgebens, kein Feilschen, keinen Raum für Forderung oder Verlangen. Mutter allein ist verantwortlich und ordnet die Angelegenheiten, so gut das mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und den Fähigkeiten ihrer Instrumente möglich ist. Sie ist keineswegs verpflichtet, mentalen Regeln, vitalen Begierden und Forderungen der Sadhaks nachzugeben; sie ist nicht verpflichtet, sich in ihrer Beziehung zu den Sadhaks einer demokratischen Gleichheit zu unterstellen. Es steht ihr frei, mit jedem in der Weise zu verfahren, die ihrer Ansicht nach seinem wahren Bedürfnis entspricht oder am besten für seinen spirituellen Fortschritt ist. Niemand kann ihr Richter sein oder ihr seine eigenen Regeln oder Maßstäbe aufzwingen; nur sie allein kann Regeln aufstellen, und sie kann von ihnen abweichen, wenn sie es für richtig hält, aber niemand kann von ihr fordern, dies zu tun. Persönliche Forderungen und Wünsche können ihr nicht aufgezwungen werden. Wenn irgend jemand ein wirkliches Bedürfnis zu haben glaubt oder im Bereich der ihm zugewiesenen Aufgaben einen Vorschlag zu unterbreiten hat, kann er ihn machen, aber wenn sie ihre Billigung nicht gibt, soll er sich zufrieden geben und es dabei belassen. Dies ist eine spirituelle Disziplin, deren Zentrum diejenige ist, die die Göttliche Wahrheit darstellt und verkörpert. Entweder ist sie das tatsächlich, und dann sind all diese Dinge selbstverständlich, oder sie ist es nicht, und dann braucht niemand hier zu bleiben. Jeder kann seinen eigenen Weg gehen, und es gibt keinen Ashram und keinen Yoga.

Sri Aurobindo
11. April 1930
The Mother, XXV.23

Das wirft kein schmeichelhaftes Licht auf den Ashram... Aber es ist wahr, es ist schrecklich wahr. Man könnte sagen, genau das spielt sich gerade ab. Das könnte jetzt geschrieben sein.

Was denkst du darüber [über die Veröffentlichung]?

Ich denke gar nichts.

Was empfindest du?... Aber du wirst mir sagen, daß du nichts empfindest... Wenn das (auf den Körper deutend) nicht das wäre, was die Leute "Mutter" nennen, wenn es sich nicht um mich handelte, würde ich ja sagen. Genau das ist nötig.

Dann muß es veröffentlicht werden.

Ich möchte nicht den Anschein erwecken, mich rechtfertigen zu wollen.

Aber das tust du nicht. Jedenfalls spielt das keine Rolle.

Gut, so gefällt es mir besser.

Laß es uns veröffentlichen. Die anderen Zitate 1 geben ein etwas düsteres Bild vom Ashram, vor allem, wenn sie zusammen wiedergegeben werden.

Ja, eines genügt.

Er verließ uns vor zwanzig Jahren – 1950, vor zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Jahren.

Vor einundzwanzig Jahren.

Trotzdem ging es weiter.

(Mutter geht in sich)

Dein Artikel [über Bangladesh] scheint eine große Wirkung gehabt zu haben – wirklich 2 . Eine allgemeine Umwälzung findet statt. Man erwartet Krieg.

Aber weißt du, daß die Amerikaner Waffen an Pakistan liefern?

Es scheint so. Man sagt, es sei nicht offiziell die amerikanische Regierung gewesen.

Ja, das läßt sich leicht behaupten!

Jedenfalls sind die Fabrikanten Amerikaner.

Das ist leicht – sie können alles sagen, was sie wollen.

Hier macht man sich auf Krieg innerhalb einer Woche gefaßt.

Die Inder werden sich nicht rühren, wenn man sie nicht auf den Kopf schlägt!

Aber die indische Regierung sagte dies – sie bereiten sich vor. Sie waren nicht bereit [im März].

Bah! Vor einem Monat waren sie nicht bereit, jetzt sind sie plötzlich bereit.

(Mutter nickt) Ich habe Neuigkeiten von den Leuten, die die Truppen organisieren und bereit sind, morgen in Pakistan einzufallen, wenn man es ihnen sagt.

Wenn man es ihnen sagt.

Wenn man es ihnen sagt.

Ja.

Ein Minister 3 hat gerade verschiedene Länder besucht, um ihnen zu sagen, daß sie beabsichtigten, einen Krieg zu beginnen.

Ach?

Er kommt, glaube ich, heute oder morgen mit den Reaktionen zurück. Dann wird man sehen. Es ist eine Frage von Tagen. Ich habe die letzten Neuigkeiten von der Regierung – die Regierung schickte sie mir 4 .

Ich bin skeptisch.

Was man sagt, ist immer schlechter – schlechter oder besser – als das, was tatsächlich geschieht. Voilà.

Jedenfalls hat man mich offiziell informiert.

Wir werden sehen.

Wir werden sehen.

(Schweigen)

Da sind die Flüchtlinge 5 – die Flüchtlinge bedeuten eine größere Last als der Krieg.

Aber ja, natürlich!

Das haben sie gemerkt – sie haben endlich begriffen.

Endlich – wie dickfellig!

Sie wollen all diese Leute nach Hause schicken, mit Schutztruppen.

Ach!

Wir werden sehen.

(Schweigen)

Hast du nichts?

Ich erhielt Neuigkeiten von P.L. Du weißt, daß man das Buch La Genèse du Surhomme gleichzeitig mit dem Sannyasin dem Pariser Verlag Flammarion angeboten hatte. Sie lehnten beide ab.

Ach, sie haben sie abgelehnt.

Soll ich dir vorlesen, was sie sagen?

Ja.

Paris, 14. Juni 1971

"Wir danken Ihnen für die Zusendung der beiden Manuskripte von Sri Satprem Durch den Körper der Erde und La Genèse du Surhomme.

Leider erschien es unseren Lektoren im einen wie im anderen Fall, daß es Sri Satprem nicht gelungen ist, seiner Glaubensüberzeugung, die letztlich sehr vage und jedenfalls schwer mitzuteilen ist, eine Basis zu geben. Was den Stil betrifft, läßt er diese unaussprechlichen und oft verdächtigen Dinge nur selten lebendig werden. Vor allem diese Mängel veranlaßten uns, von einer Veröffentlichung abzusehen."

Gezeichnet: O.L.

Was wollen sie damit sagen?

Sie meinen erstens, daß es mir nicht gelang, meinen recht vagen Glaubensüberzeugungen eine feste Basis zu geben...

Ja, natürlich!

Und was den Stil betrifft, bringt er nur sehr selten diese sogenannten unaussprechlichen und verdächtigen Dinge zum Leben.

Was bedeutet das?

Nun, es bedeutet, daß diese sogenannten unsagbaren Dinge verdächtig sind, sie sind nicht wahr – sie scheinen Lügen oder Täuschungen oder bloße Einbildung zu sein, oder ich weiß nicht was.

(Schweigen)

Was sollen wir mit den dreitausend Exemplaren [von La Genèse] tun?

Keine Ahnung.

Sollen wir sie trotzdem verschicken?

An wen sollen wir sie denn schicken?

An den Auslieferer, den A getroffen hat.

Aber der nimmt nur zweihundert.

(Mutter lacht)

Er nimmt zweihundert und wird zwei oder drei Jahre brauchen, um sie zu verkaufen.

Bah!

Wenn wir nicht über einen Verlag gehen, gibt es keine Werbung, und ohne Werbung wird nichts verkauft. Ganz einfach.

(Mutter geht lange in sich)

Es muß einen Mann geben. Ich fühle, daß es sicher einen Verleger gibt, der es mit großer Freude nehmen würde. Aber ich kenne seinen Namen nicht...

Bedeutet das nicht, daß meine Aufgabe beendet ist?

Niemals im Leben!

(Mutter geht in sich)

Nein, ich sehe einen großen Erfolg für das Buch, ich sehe das, es ist konkret... Ein Verleger wird es mit Freude nehmen, aber ich kenne seinen Namen nicht.

(Schweigen)

Für mich ist das klar, nur liegt es noch in der Zukunft.

(Schweigen)

Wäre es dir möglich, die Namen aller Verleger in Frankreich zu bekommen?

Ja, sicher. Soll ich dir eine Liste zusammenstellen?

Ja, mach das. Ich werde sehen, ob das Licht einen von ihnen berührt.

Ich sehe... Ich sehe... Irgendein alter Knabe hat das zum Lesen erhalten – ich meine nicht, alt an Jahren, sondern alt in seinem Geist.

Aber die sind alle so. 6

Nein, sie sind nicht alle so. Für manche hat es bloß keine Bedeutung – und er ist einer von ihnen.

(Schweigen)

Vielleicht ist es einer, der nicht viel Geld hat und der froh wäre, unsere gedruckten Bücher zu übernehmen – er würde nur seinen Umschlag darum tun.

Ich spüre das sehr stark, verstehst du.

Gut, ich werde dir die Liste bringen.

Nein, es ist überhaupt nicht blockiert; im Gegenteil, es reicht sehr weit in die Zukunft – es ist überhaupt nicht blockiert, es geht sehr weit, es ist eine Frage von zehn Jahren. In zehn Jahren wird es stark sein. Das sehe ich.

 

1 Satprem hatte noch andere Briefe Sri Aurobindos über den Ashram vorgelesen. Mutter hatte beim oben zitierten innegehalten.

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2 Dieser Artikel wurde in zehn- oder zwanzigtausend Exemplaren gedruckt, in alle indischen Sprachen übersetzt und u.a. an alle Parlamentsmitglieder verschickt.

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3 Swaran Singh, der Außenminister, unternahm gerade eine Reise nach den U.S.A., England, Moskau, Paris usw.

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4 Indien wird erst im Dezember in Aktion treten.

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5 Es sind schon acht Millionen Flüchtlinge von Bangladesh.

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6 Der Sannyasin war fünf Verlegern angeboten worden. Robert Laffont war noch nicht gefunden worden.

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