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Mutters

Agenda

zwölften Band

10. Juli 1971

(Einige Worte Mutters betreffend, die eine Schülerin aus dem Gedächtnis notiert hatte:)

Der harmonische Lauf des Lebens ist keine Belohnung, die vom Göttlichen gegeben wurde. Wenn das Leben in seinem Normalzustand das wäre, was es sein sollte, wäre alles immer harmonisch...

Ja, wenn es harmonisch ist, glaubt man immer: "Das Göttliche ist mit mir zufrieden." Die Leute glauben das, aber es ist nicht wahr: das ist der NORMALE Zustand.

...Nur wegen unserer Unvollkommenheiten ist das Leben nicht so, und wenn die Unvollkommenheiten verschwinden, verschwinden gleichzeitig die Schwierigkeiten.

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Etwas später

Die Erfahrung im Körper ist sehr interessant. Alle sogenannten moralischen, intellektuellen, psychologischen Leiden, das heißt alle Dinge, die nicht vom rein materiellen Bewußtsein stammen, erscheinen dem Körper wie Kindergeschichten. Gestern hatte er... Wie soll ich sagen? Ich kann es nicht erklären. Er fühlt die Dinge nicht in Bezug auf sich selbst, er fühlt sie... (Schweigen) IN den anderen, aber mit einem allgemeinen Bewußtsein, nicht mit einem persönlichen Bewußtsein. Und das physische Leiden, das heißt die Krankheiten, die Unfälle, sind ihm so zuwider, daß er sich fragt, warum die Welt auf diese Weise besteht 1 . Er hat also verstanden, warum die Leute keinen Körper mehr haben wollen (vorher erschien ihm das immer lächerlich), er verstand warum. Das war eine so intensive Erfahrung! Er hatte eine Aspiration, so etwas wie ein Gebet (aber es ist kein Gebet): "Möge sich die Welt ändern! Möge sich die Welt ändern, sie muß sich ändern – oder verschwinden!" Aber die Idee zu verschwinden ist ihm nicht gekommen, sie erschien ihm... Er hatte den Eindruck, daß die Welt zu einer harmonischen Vervollkommnung hin tendiert, aber es dauert lange – diese Zeitdauer ist schrecklich. Er empfand eine unglaublich intensive Aspiration für die Transformation. Alles erschien so schrecklich, denn... denn die Transformation ist UNERLÄSSLICH. Man kann unmöglich mit solch einer Welt zufrieden sein – das ist unmöglich für ein physisches Bewußtsein, das sich des Göttlichen bewußt ist. Das ist unmöglich, es muß sich absolut ändern. Und das war derartig akut... Es hielt mich so die ganze Nacht und den ganzen Tag fest, während ich die Leute sah, mit großer Intensität: es muß sich ändern, es muß sich ändern...

Das Wesen, das innere Bewußtsein kann sagen und sich dessen bewußt sein, daß dieses Leiden unwirklich ist, aber das physische Bewußtsein kann dies nicht, folglich MUSS sich das ändern. Es geht nicht darum, in ein Bewußtsein einzutreten, wo man dieses physische Bewußtsein verschwinden läßt: es muß sich ändern, es muß sich ändern... Ich kann mich nicht ausdrücken, ich kann es nicht sagen.

Doch, doch, ich verstehe.

Er ist sich so sehr bewußt, daß in allen Welten, selbst in der vitalen Welt, alles von der Haltung abhängt. Wenn man in Vereinigung mit dem Göttlichen ist, kann alles gut gehen, das hat keine Bedeutung, aber dies (Mutter berührt ihren Körper), dieses physische Leiden – der Krebs, all diese Dinge –, das ist so konkret: es MUSS sich ändern, es muß sich ändern. Es kann nicht als etwas betrachtet werden, daß man "anders sehen" muß. Es muß sich wirklich ändern. Verstehst du, was ich sagen will?

Ja, liebe Mutter.

In allen anderen Bereichen hängt es von der Haltung ab; hier hängt es nicht von der Haltung ab – man kann mehr leiden oder weniger leiden, aber... die TATSACHE muß sich ändern. Die Welt, die materielle Welt, so gesehen, wie sie ist, ist eine SCHRECKLICHE Sache.

Sie ist erträglich wegen des mentalen Einflusses (vital und mental), aber dieser Einfluß genügt nicht, sie muß transformiert werden.

Ich werde es auf ganz gewöhnliche Weise ausdrücken: Wenn zum Beispiel der Körper eines supramentalen Wesens, das das supramentale Bewußtsein hat, an Krebs erkrankt, wird es ein Krebs bleiben, verstehst du? Möglicherweise fühlt es ihn nicht, aber unter der Bedingung, daß es sich von seinem Körper loslöst. Damit die Transformation wahr sei, muß aber AUCH der Körper eine höhere Harmonie erreichen – über allen Krankheiten, allen Unfällen stehend.

Das ist der einzige Teil. Die anderen Teile des Wesens können sich transformieren, ihr Bewußtsein transformieren, während sie bleiben, was sie sind – der physische Körper aber muß sich selbst ändern.

Ich weiß nicht, ob dies eine vorübergehende Erfahrung oder eine endgültige Erfahrung ist – das weiß ich nicht. Wir werden sehen.

Aber mit einem supramentalen Bewußtsein sollte es doch zum Beispiel unmöglich sein, an Krebs zu erkranken.

Ja, aber das bedeutet... das bedeutet, daß die materielle Substanz transformiert ist.

Nein, ich meine nur das Bewußtsein: wenn jemand das supramentale Bewußtsein hat, sollte dieses Bewußtsein den Körper ausreichend beschützen können, oder nicht?

Ich weiß nicht – früher glaubte ich das auch.

Das scheint mir unmöglich. Es scheint mir unmöglich, daß jemand, der ein Bewußtsein der Wahrheit hat, von der Lüge befallen sein kann.

(Schweigen)

Wenn eine Lüge im Körper vorhanden ist, bedeutet es, daß eine Lüge im Bewußtsein ist.

(Schweigen)

Ich kann mir bei dir nicht vorstellen, daß du von Krebs befallen wirst! Das scheint mir unmöglich.

Das ist es ja gerade.

Das erscheint mir unmöglich.

Vorher war es so, vorher dachte ich, daß es unmöglich sei. Aber ich bin mir nicht mehr ganz so sicher.

Ich weiß es nicht.

Nur wenn es als eine Erfahrung auf dich zukäme, die zu machen ist, wie etwas, das für die Erde erobert werden muß.

Ja, vielleicht.

Aber es könnte nur ein vorübergehendes Phänomen der Arbeit sein, nicht etwas, das deinen Körper wirklich befällt. Das scheint mir unmöglich.

Ja, davon war ich überzeugt... Es ist wahrscheinlich eine nötige Erfahrung, eine notwendige Phase.

Ich hatte immer den Eindruck: Wenn etwas schlecht geht, bedeutet es, daß dieses Etwas nicht wirklich dem Göttlichen zugewendet ist. Wenn alles zum Göttlichen gewendet ist und nur dem Göttlichen gehorcht, wird es notgedrungen harmonisch sein. Das war meine Überzeugung. Erst gestern ist die Erfahrung anders geworden.

Wahrscheinlich ist es eine notwendige Erfahrung.

Ja, es ist wahrscheinlich so, weil dein Körper universell ist (jedenfalls weltumfassend), das kann vorübergehend als ein Phänomen der Arbeit auftreten – es kann kein persönliches Phänomen deines Körpers sein.

Nein, mein Körper ist immer weniger persönlich.

Ja, das scheint mir unmöglich, verstehst du.

Wahrscheinlich ist es eine Phase, die durchgemacht werden muß.

Dein Körper geht willentlich in allerlei Leute, da kann er auch in einer Person sein, die einen Krebs hat...

(Schweigen)

Nein, wahrscheinlich ist das, um ihm die nötige Intensität der Hingabe zu geben.

(Schweigen)

Er hatte weder Furcht noch Angst, das ist es nicht, es war... Es kam wie eine Erfahrung (ich kann es nicht erklären), aber wahrscheinlich... Es ist eine Frage der Worte... Mit der Transformation muß sich automatisch die Unmöglichkeit gewisser Störungen ergeben.

(Mutter geht lange in sich)

Wir sind gerade in der schwierigsten Periode.

Ja.

Denn es ist nicht mehr das eine und noch nicht das andere.

Der Körper macht seltsame Erfahrungen: plötzlich spürt er einige Minuten lang, daß die Festigkeit der Materie eine Illusion ist und daß sie imstande ist... Ich gebe dir ein ganz praktisches Beispiel: Nimm eine innere Sache, zum Beispiel irgendeine Entzündung. Solange man im gewöhnlichen physischen Bewußtsein ist, bleibt sie da, sie ist konkret und tut weh, aber es gibt ein Bewußtsein, wo sie nicht mehr existiert – physisch. Wenn es einem gelingt (wie soll ich sagen?)... um es einfach auszudrücken: sich auf richtige Weise dem Göttlichen zu nähern, mit dem Göttlichen in Beziehung zu treten, dann verschwindet die Entzündung. Ich sah es in diesen Tagen. Und nachher setzt der gewohnte Ablauf wieder ein.

(Mutter wendet sich um) Ist er da?

Pranab ist da.

Oh! Auf Wiedersehen!...

 

1 Es sei bemerkt, daß Mutter am selben Tag in indirektem Kontakt (durch Familienmitglieder) mit einem an Krebs erkrankten Schüler war.

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