Mutters
Agenda
zwölften Band
2. Oktober 1971
(Im vorigen Jahr, nach dem Tod General de Gaulles, hatte unsere Freundin Y.L. André Malraux in Verrières getroffen; jener hatte sie sofort gefragt: "Lebt Mutter noch?", und da unsere Freundin etwas erstaunt war, fügte er hinzu: "Ich bin vor Ihnen dort gewesen, vor 33 Jahren... Sie wissen also, was sie in Indien suchten ..." Dann traf Y.L. vor einigen Tagen Malraux erneut nach seinem Aufruf "Freiwillige für Bangladesh". Er sagte ihr: "Es ist sehr wichtig für den Kampf, den ich für Bengalen führen werde, die Haltung und die Aktion Pondicherrys zu kennen." Unsere Freundin Y.L. kam, um Mutter die Frage zu stellen. Mutter wollte wissen: "Wann trifft André Malraux Indira Gandhi?" – "Im November in Paris." Mutter fragte weiter: "Wann gedenkt André Malraux, nach Indien zu kommen?" – "Ich weiß es nicht"... Dann verblieb Mutter lange in sich gekehrt und sagte: "DIE Antwort wird er erst erhalten, wenn er in Indien angekommen ist, denn die Antwort ist in ihm ..." Nach dem Treffen mit Indira in Paris gab André Malraux seinen Aktionsplan auf. Es sei bemerkt, daß er an dem Tag, als Y.L. ihn traf, das "Pressbook" von Auroville durchblätterte und sagte: "All dies ist mir vertraut – ich bin darinnen – ich kenne es." Und, das Buch schließend: "Es ist, als sei die Sonne aufgegangen. Und sie geht unter... Und man beginnt aufs neue ..." Y.L. antwortete ihm einfach: "Und wenn die Sonne tatsächlich aufgegangen wäre?") [Diese Notizen sind Auszüge aus Y.L.s "Reisetagebuch"]
Und dann?
Du weißt, daß Y.L., die du vor einigen Tagen gesehen hast, Malraux in Paris getroffen hat. Und sie gab ihm meinen Artikel über Bangladesh und La Genèse du Surhomme. Heute morgen erhielt ich eine Mitteilung von Malraux.
Ach!
Eine Karte. Sehr nett. Er sagt einfach:
"Ich danke Ihnen für La Genèse du Surhomme, von dem mir einige unserer Freunde schon erzählt haben – und ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, es mir zu schicken."
Gut...
Er sagte, du seist "mein Sohn"!
Nun, das ist nicht ganz falsch!
Ich sagte, ja! (Mutter lacht sehr)
Es scheint, er genießt dort Autorität.
Oh, sehr, und nicht nur in Frankreich sondern in der ganzen Welt. Wenn er nur ein Wort sagt, ist das ein Weltereignis.
Ach, dann ist es ja gut.
Daraufhin wollte ich ihm einen kurzen Brief schicken...
Ja.
... wo ich ihm folgendes sage:
Sehr geehrter Herr Malraux,
Ich bin sehr gerührt, daß Sie die Güte hatten, mir für La Genèse du Surhomme zu danken. Vor fünfzehn Jahren gab ich den jungen Indern in diesem Ashram Französisch-Unterricht und versuchte ihnen klar zu machen, wer Malraux ist, dessen Aktion ich sehr bewunderte – heute erinnern sie sich, und so wie ich sind sie bewegt von Ihrem Einsatz für Bangladesh.
Das Problem liegt sicherlich tiefer, wie Sie wissen. Es geht darum, in diesem Ende des mentalen Zyklus einen neuen Menschen zu schaffen – genau das versuchen wir hier mit Mutter und Sri Aurobindo. Große Kräfte sind hier bescheiden am Werk. Und es berührt mich, daß mein Buch Sie nicht gleichgültig läßt. Sein Aufruf bedarf Ihrer Hilfe und Ihrer Fähigkeit, den tiefen Sinn unserer menschlichen Krise zu erfassen.
Möge Sri Aurobindos und Mutters Kraft Sie begleiten.
Brüderlich verbunden mit Ihnen in diesem großen zu vollendenden Werk.
Das ist sehr gut.
Wenn ein solches Individuum direkt von dir angerührt werden könnte, wäre das ein phantastischer Hebel. Zwei Worte dieses Mannes, und man horcht in der ganzen Welt auf.
Ach!
(Mutter geht lange in sich)
Was sagst du, Mutter?
Ich sage nichts.
(langes Schweigen)
Ich spreche immer weniger.
Ja, liebe Mutter...
Ständig wirkt die Kraft auf diese Weise (Geste eines erbarmungslosen Druckes). Sie drückt auf die Materie für die Transformation.
Ich weiß nicht, ich habe den Eindruck, die Stunde rückt näher, wo große Veränderungen in der Welt stattfinden werden.
Ja, ja.
Sichtbare Dinge.
Ja. Aber dies ist eine sehr bewußte Aktion der Kraft (gleiche Geste eines Druckes), sehr bewußt. Im geringsten Detail wie auch auf die Gesamtheit wirkend, sehr bewußt.
Wenn ich mich so verhalte (reglose, verinnerlichte Geste), habe ich einfach das Bewußtsein dieser Kraft (die gleiche Geste eines Druckes). Manchmal geht ein Punkt (Bewegung wie ein Strahl, der sich auf etwas richtet), ein Detail bewußt durch... durch die Persönlichkeit (ich weiß nicht, wie ich sagen soll), und dann... scheint es allmächtig: jemanden heilen, selbst einen Dieb erwischen helfen (!), Dinge dieser Art.
Seltsam.
Und immer unpersönlicher (Mutter berührt ihre Hände).