Mutters
Agenda
dreizehnten Band
2. April 1972
(Gespräch mit dem Architekten Aurovilles, sowie N und U – N ist der Sekretär der "Sri Aurobindo Society" und U, sein Rivale, der Sekretär von "Sri Aurobindo's Action". Der Architekt gibt Mutter eine Blume.)
Welche Blume ist das?
Ich glaube, es ist "Supramentale Klarheit" oder Schwingung.
Ich möchte euch allen etwas sagen: Wir predigen die Einheit der Menschen, und gleichzeitig zanken wir uns alle – schreckliche Streitigkeiten, Ressentiments und alle Arten von Irritationen, die wir bei anderen verurteilen. Wir geben ein nettes Beispiel ab, und die Leute lachen.
Das wurde mir von verschiedenen Seiten zugetragen.
"Fangt bei euch selbst an!" sagen sie, und sie haben recht.
Jeder von euch hat die besten Rechtfertigungen, und alle scheinen zu lügen. Das Ego ist der verschlagenste Strolch, den ich jemals getroffen habe. Es erscheint unter solch einnehmenden Masken, und jeder sagt: "Ich würde ja gern, kann aber nicht." Und ich sage euch, das wird mir von nah und fern zugetragen, von Indien und anderen Ländern: "Beginnt mit euch selbst!" Wir machen uns wirklich lächerlich. Und so gute Gründe bringen wir vor! Alle haben gute Gründe. Aber es liegt jenseits aller Vernunft – es hat nichts mit Vernunft zu tun, rein gar nichts – wir wollen... eine neue Schöpfung.
Hätte das Göttliche nur eine Stunde lang dieselben Gefühle wie die Menschen, so gäbe es keine Welt mehr. Das kann ich euch versichern. Ich habe es deutlich gesehen – glaubt mir, wenn ihr wollt –, ich habe die Welt mit den Augen des Göttlichen gesehen. Das ist etwas so Schreckliches, wißt ihr, so gegensätzlich zu dem, was es sein sollte, daß, wenn das Göttliche sagte: "Nur Er", brrt! alles verschwinden würde, es gäbe keine Welt und keine Menschen mehr, nur Das würde bestehen. Die Egos würden pulverisiert.
Es ist schwierig, es ist das Schwierigste – doch wir sind ja hier, um schwierige Dinge zu tun. Wir sind in einer Übergangsperiode. Ich kann euch nicht sagen: seid so oder seid so, denn es gibt noch kein Beispiel. Es geschieht gerade, und wir sind noch in der Übergangszeit. Es ist sehr, sehr schwierig – aber sehr interessant.
Jahrhunderte über Jahrhunderte hat die Menschheit auf diesen Augenblick gewartet. Er ist gekommen, aber es ist schwierig.
Ich behaupte nicht, wir seien hier auf der Erde, um uns auszuruhen und uns zu amüsieren – jetzt ist nicht die Zeit dazu. Wir sind hier, um den Weg für die neue Schöpfung vorzubereiten.
Mein Körper hat einige Schwierigkeiten, deshalb kann ich leider nicht aktiv sein. Das liegt nicht daran, daß ich alt bin – ich bin nicht alt. Ich bin jünger als die meisten von euch. Wenn ich hier untätig bin, so ist der Grund der, daß mein Körper sich endgültig der Vorbereitung der Transformation hingegeben hat. Das Bewußtsein ist klar, und wir sind hier, um zu arbeiten – Ausruhen und sich Erfreuen wird nachher kommen. Laßt uns unser Werk hier tun!
Ich habe euch gerufen, um euch das zu sagen. Nehmt, was ihr könnt, tut, was ihr könnt, meine Hilfe wird mit euch sein. Allen aufrichtigen Anstrengungen wird ein Maximum an Hilfe zukommen.
Der Augenblick ist gekommen, heldenhaft zu sein.
Das Heldentum ist nicht so, wie man sagt, sondern es besteht darin, voll geeinigt zu sein – und die göttliche Hilfe wird immer mit denen sein, die den Entschluß gefaßt haben, in aller Aufrichtigkeit heldenhaft zu sein.
Ihr seid in diesem Augenblick hier, das heißt auf der Erde, weil ihr es vorher gewählt habt – ihr erinnert euch nicht mehr, aber ich weiß es; deshalb seid ihr hier. Also muß man der Aufgabe gewachsen sein. Man muß eine Anstrengung machen, man muß alle Kleinlichkeiten und alle Begrenzungen überwinden, und besonders dem Ego sagen: deine Zeit ist vorbei. Wir brauchen ein Menschengeschlecht, das kein Ego besitzt, das ein göttliches Bewußtsein anstelle des Egos hat. Genau das wollen wir: das göttliche Bewußtsein, durch das die Spezies sich entwickeln und der Übermensch 1 geboren werden kann.
Wenn ihr glaubt, ich sitze hier, weil ich nicht anders kann, so irrt ihr. Ich bin nicht hier gebunden. Ich bin hier, weil sich mein Körper den ersten Versuchen der Transformation hingegeben hat. Sri Aurobindo sagte mir: "Ich kenne nur dich, der das tun könnte." Ich antwortete: "Gut, ich tue es." Es ist nicht... ich wünsche es niemandem, dies für mich zu tun, denn es ist nicht gerade angenehm, aber ich tue es gern, denn von den Ergebnissen werden alle profitieren. Ich verlange nur eins: nicht auf das Ego zu hören. Das ist alles. Die Zeit des Egos ist vorbei. Die Menschheit und ihr Ego wollen wir überschreiten, sie hinter uns lassen, wir wollen ein Menschengeschlecht ohne Ego, das anstelle des Egos ein göttliches Bewußtsein hat. Das ist alles.
Habt ihr etwas zu sagen?
(Schweigen)
Wenn in euren Herzen ein aufrichtiges Ja ist, habt ihr mich vollkommen befriedigt. Ich brauche keine Worte: ich brauche die aufrichtige Zustimmung eurer Herzen. Das ist alles.
(Schweigen)
(Zum Architekten:) Bist du mir gefolgt?
Ja, liebe Mutter.
Stimmst du zu?
Vollkommen einverstanden.
(die beiden anderen schweigen, Mutter wendet sich an sie)
(Zu N und U:) Ihr beide müßt euch einigen. Dazu seid ihr hier. Dafür seid ihr zu diesem Zeitpunkt an diesen Ort gekommen. Wir müssen der Welt ein Beispiel für das geben, was sein muß – keine kleinlichen, egoistischen Beweggründe sondern eine Aspiration zur Manifestation der Wahrheit.
(Schweigen)
Ich kann euch versichern, daß jede aufrichtige Anstrengung voll vom Göttlichen unterstützt wird. Dessen bin ich mir sicher.
(Schweigen)
Das ist alles, was ich zu sagen habe.
1 Später verbesserte Mutter "Übermensch" und sagte "das supramentale Wesen".