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Sri Aurobindo

Das Göttliche Leben

Buch 1I

Kapitel XVIII. Der Entwicklungsprozeß. Aufstieg und Integration

Indem er von Gipfel zu Gipfel emporsteigt .. . macht Indra ihm jenes Ziel seines Ganges bewußt.

Rig Veda, .10. 2.

Er, ein Sohn der beiden Mütter, erlangt bei seinen Entdeckungen des Wissens die Königswürde, er schreitet auf der höchsten Höhe, er wohnt in seinem hohen Ursprung.

Rig Veda, III. 55. 7.

Von der Erde bin ich aufgestiegen zur Mittel-Welt, von der Mittel-Welt kam ich empor zum Himmel, von der Höhe des Firmaments des Himmels bin ich zur Sonnen-Welt, zum Licht gegangen.

Yajur Veda, 17. 67.

Nachdem wir uns eine genügend klare Vorstellung von der Bedeutung der evolutionären Manifestation in der Erden-Natur und von der definitiven Wendung gebildet haben, die sie nimmt oder zu nehmen bestimmt ist, wird es jetzt möglich und notwendig, daß wir mit tieferem Verständnis unseren Blick auf die Prinzipien des Prozesses richten, durch den sie bis zu ihrer jetzigen Höhe gelangt ist und durch den vermutlich, wenn auch mit Abwandlungen, ihre endgültige Entwicklung, ihr Übergang von unserer noch vorherrschenden mentalen Unwissenheit zum supramentalen Bewußtsein und zum integralen Wissen gelenkt und wirkungsvoll gemacht wird. Denn wir finden, daß die kosmische Natur in dem allgemeinen Gesetz ihres Wirkens konstant ist, da dieses von einer Wahrheit der Dinge abhängt, die im Prinzip unveränderlich, wenn auch in den Einzelheiten ihrer Anwendung in reichem Maß veränderlich ist. Da es eine Evolution aus materieller Unbewußtheit in ein spirituelles Bewußtsein ist, wobei sich der Geist selbst evolutionär auf einer Basis von Materie aufbaut, können wir leicht sehen, daß es in dem Prozeß eine Entwicklung dreifacher Art geben muß. Die unentbehrliche physische Grundlage ist eine Evolution von immer mehr verfeinerten und komplizierten Formen der Materie, um das Wirken eines wachsenden, immer komplexeren, subtileren und fähigeren Bewußtseins zu erlauben. Ein Aufstieg, eine nach oben gerichtete fortschreitende Entwicklung des Bewußtseins selbst, von Stufe zu Stufe, ist die sichtbar werdende Spiral-Linie oder hervortretende Kurve, in der die Evolution von dieser Grundlage aus verlaufen muß. Ferner muß, wenn die Evolution erfolgreich sein soll, alles, was bisher entwickelt wurde, als Teil des Prozesses in den jeweils höheren Grad über den erreichten emporgenommen und eine mehr oder minder vollständige Umwandlung bewirkt werden, damit ein völlig verändertes Funktionieren des ganzen Wesens und der Natur, eine Integration, möglich gemacht wird.

Am Ende dieses dreifachen Vorgangs muß eine radikale Umwandlung des Wirkens der Unwissenheit in ein Wirken des Wissens, unserer Basis von Unbewußtheit in eine Basis vollständigen Bewußtseins erfolgen – eine Vollständigkeit, die gegenwärtig nur in dem besteht, was für uns das Überbewußtsein ist. Jeder Aufstieg wird eine teilweise Umwandlung und Veränderung der alten Natur mit sich bringen, die emporgenommen und einem neuen fundamentalen Prinzip unterstellt wird. Die Unbewußtheit wird in ein teilweises Bewußtsein, in eine Unwissenheit umgewandelt werden, die nach immer größerer Erkenntnis und Meisterschaft sucht. An einem gewissen Punkt muß aber ein Aufstieg stattfinden, der Unbewußtheit und Unwissenheit durch ein Prinzip des Wissens, durch ein grundlegend wahres Bewußtsein, durch das Bewußtsein des Geistes ersetzt. Eine Evolution in der Unbewußtheit ist der Anfang. Eine Evolution in der Unwissenheit ist die Mitte. Aber das Ende ist eine Befreiung des Geistes in sein wahres Bewußtsein und eine Evolution im Wissen. Das ist es in der Tat, was wir als das Gesetz und die Methode des Prozesses entdecken, der bisher von der evolutionären Natur befolgt wurde. Und allen Anzeichen nach wird er auch von ihr in ihrem zukünftigen Wirken befolgt werden. Zuerst erfolgt eine involutionäre Grundlegung, der Ursprung von allem, was sich entwickeln soll. Dann kommt es in oder auf dieser Grundlage zum Hervortreten und Wirksamwerden der involvierten Mächte in aufsteigender Reihe. Schließlich tritt auf der höchsten Stufe die allergrößte Macht hervor, um eine erhabene Manifestation zu bewirken. Das sind die notwendigen Stufen des Weges der evolutionären Natur.

Nach den eigentlichen Begriffen des Problems muß ein evolutionärer Prozeß darin bestehen, daß in einem gewissen ersten grundlegenden Prinzip des Wesens oder der Substanz etwas entwickelt wird, das dieses Prinzip schon an der Basis involviert enthält oder von außerhalb in sich eintreten läßt und durch diese Zulassung umwandelt. Denn notwendigerweise muß es, aufgrund des Gesetzes seiner Natur, all das umwandeln, was in es hineinkommt und nicht schon Teil seiner eigenen Art ist. Das muß auch dann so sein, wenn es eine schöpferische Evolution ist in dem Sinne, daß hier immer neue Mächte des Seins manifestiert werden, die in der ersten Basis noch nicht wesenhaft vorhanden sind, sondern in eine ursprüngliche Substanz eingeführt und von dieser akzeptiert werden. Wenn, im Gegensatz dazu, in der Involution – in der ersten Grundlegung bereits da, aber noch nicht manifestiert oder organisiert – das neue Prinzip oder die Macht des Seins, die entwickelt werden muß, schon vorhanden ist, wird sie, wenn sie in Erscheinung tritt, sich doch noch einer Umwandlung durch die Natur und das Gesetz der grundlegenden Substanz unterziehen müssen: Es wird auch diese Substanz durch seine Macht, durch das Gesetz der eigenen Natur verändern. Wenn ihm ferner sein eigenes Prinzip, das schon oberhalb des Feldes der Evolution etabliert ist, durch ein Herniederkommen beisteht und auf dieses Feld seinen Druck ausübt, um es zu besitzen, kann die neue Macht sogar selbst als ein dominierendes Element auftreten und das Bewußtsein und das Handeln der Welt, in der es hervortritt oder in die es eingeht, erheblich oder radikal verändern. Seine Kraft, das Gesetz und Wirken der zur evolutionären Grundsubstanz erwählten ursprünglichen Bestandteile zu verändern, umzuwandeln oder zu revolutionieren, wird jedoch von seiner wesenhaften Potenz abhängen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß es eine völlige Transformation zustandebringen kann, wenn es nicht selbst das ursprüngliche Prinzip des Seins ist, wenn es nur abgeleitet, nur eine instrumentale und nicht die erste Macht ist.

Die Evolution findet hier in einem materiellen Universum statt. Das Fundament, die ursprüngliche Substanz, der erste etablierte, alles bedingende Status ist Materie. Mental und Leben werden in der Materie entwickelt. Sie werden aber in ihrer Wirksamkeit begrenzt und durch den Zwang umgestaltet, den Stoff der Materie für ihre Instrumentation zu verwenden, sowie dadurch, daß sie dem Gesetz der materiellen Natur auch dann unterworfen sind, wenn sie das verändern, dem sie sich unterwerfen oder das sie verwenden. Denn sie transformieren die Stofflichkeit der Materie wirklich, zuerst in lebendige Substanz und dann in bewußte Substanz. Es gelingt ihnen, die Trägheit, Unbewußtheit und Unbeweglichkeit in eine Bewegung von Bewußtsein, Fühlen und Leben umzuwandeln. Sie bringen es aber nicht fertig, sie ganz und gar zu transformieren. Sie können sie nicht gänzlich lebendig oder völlig bewußt machen: Die sich entwickelnde Lebens-Natur ist an den Tod gebunden. Das sich entwickelnde Mental wird ebenso materialisiert wie vitalisiert. Es findet sich in Unbewußtheit verwurzelt, durch die Unwissenheit begrenzt. Es wird durch unkontrollierte Lebens-Kräfte motiviert, die es antreiben und verwenden. Es wird durch die physischen Kräfte mechanisiert, von denen es abhängig sein muß, wenn es sich selbst ausdrücken will. Das ist ein Zeichen dafür, daß weder Mental noch Leben die ursprünglichen schöpferischen Mächte sind. Sie sind, ebenso wie die Materie, vermittelnde Zwischenmächte, aufeinanderfolgende, in ihrer Reihenfolge auftretende Instrumente des evolutionären Prozesses. Wenn aber eine materielle Energie nicht jene ursprüngliche Macht ist, müssen wir nach dieser in einem Bereich oberhalb des Mentals oder des Lebens suchen. Es muß eine tiefere, verborgene Wirklichkeit geben, die sich erst noch in der Natur zu enthüllen hat.

Eine ursprüngliche schöpferische oder evolutionäre Macht muß vorhanden sein. Aber obwohl die Materie die erste Substanz ist, ist die ursprüngliche und höchste Macht nicht eine unbewußte materielle Energie. Denn dann würden Leben und Bewußtsein fehlen, da Unbewußtheit nicht ein Bewußtsein entfalten und eine unbelebte Kraft nicht Leben entwickeln kann. Darum muß es, da Mental und Leben auch nicht Jenes sind, ein geheimes Bewußtsein geben, das größer ist als Lebens-Bewußtsein oder Mental-Bewußtsein, eine Energie, die wesenhafter ist als die materielle Energie. Da sie größer ist als das Mental, muß sie eine supramentale Bewußtseins-Kraft sein. Da sie eine Macht ist aus einer wesenhaft anderen Substanz als Materie, muß sie eine Macht dessen sein, was die höchste Essenz und Substanz aller Dinge ist, eine Macht des Geistes. Es gibt eine schöpferische Energie von Mental und eine schöpferische Lebens-Kraft; beide sind aber instrumental und partiell, nicht ursprünglich und entscheidend. Gewiß formen Mental und Leben die materielle Substanz und ihre Energien, die sie bewohnen, um und werden nicht durch diese bestimmt. Aber Ausmaß und Art dieser materiellen Umwandlung und Bestimmung werden durch den ihnen innewohnenden und alles in sich enthaltenden Geist bestimmt, durch ein inneres Licht und durch die Kraft des Supramentals, durch eine geheime Gnosis, durch ein unsichtbares Selbst-Wissen und All-Wissen. Wenn es zu einer völligen Transformation kommen soll, kann das nur geschehen, indem das Gesetz des Geistes voll hervortritt. Seine Macht von Supramental oder Gnosis muß in die Materie eingegangen sein und sich darin entwickeln. Sie muß das mentale Wesen in das supramentale verwandeln, das Unbewußte in uns bewußt machen, unsere materielle Substanz spiritualisieren, ihr Gesetz des gnostischen Bewußtseins in unserem ganzen Wesen und in unserer Natur errichten. Auf seiner höchsten Höhe muß das zum Hervortreten oder mindestens zu jener Stufe im Hervortreten führen, die zuerst entscheidend die Art der Evolution dadurch verändert, daß sie ihr Wirken der Unwissenheit und ihre Grundlage von Unbewußtheit transformiert.

Diese Evolutions-Bewegung einer progressiven Selbst-Manifestation des Geistes in einem materiellen Universum muß bei jedem Schritt die Tatsache berücksichtigen, daß sich das Bewußtsein und seine Kraft der Form und Aktivität der materiellen Stofflichkeit involviert hat. Ihr Evolutions-Prozeß besteht darum in einem Erwachen des involvierten Bewußtseins und der involvierten Kraft, indem diese von Prinzip zu Prinzip, von Grad zu Grad, von einer Macht des verborgenen Geistes zur anderen emporsteigen. Doch ist das nicht ein freier Übergang zu höherem Status. Das Gesetz des Handelns, die Kraft der Aktion eines jeden Grades oder einer jeden Macht wird bei seinem Hervortreten nicht bestimmt durch das eigene freie, volle und reine Gesetz seiner Natur oder durch eine Laune der Energie, sondern teils durch die materielle Organisation, die ihm zur Verfügung gestellt wird, teils durch seinen eigenen Status, den schon erlangten Grad und die tatsächliche Kraft des Bewußtseins, mit dem es auf die Materie einzuwirken imstande ist. Seine Macht wird effektiv in gewisser Beziehung durch das Gleichgewicht zwischen dem tatsächlichen Ausmaß dieses evolutionären Hervortretens und dem entgegenwirkenden Ausmaß, in dem die hervortretende Macht noch durch die Herrschaft und fortdauernde Gewalt der Unbewußtheit eingehüllt, durchdrungen und herabgemindert wird. Das Mental, wie wir es sehen, ist nicht ein reines und freies Mental, sondern umwölkt und abgeschwächt durch die es umhüllende Nicht-bewußtheit. Es ist ein Mental, das sich abmüht und darum ringt, aus dieser Nichtbewußtheit Wissen zu entbinden. Alles hängt von dem mehr oder minder involvierten oder mehr oder minder evolvierten Zustand des Bewußtseins ab: ob es ganz und gar einer unbewußten Materie involviert ist, ob es in den ersten, noch nicht tierhaften Formen des Lebens in der Materie auf dem Übergang von Involution zu bewußter Evolution zögert oder ob es sich bewußt entwickelt, jedoch stark begrenzt und behindert wird in einem Mental, das in einem lebenden Körper behaust ist, dazu bestimmt, sich vollkommen zu entwickeln durch das Erwachen des Supramentals im verkörperten Wesen und in seiner Natur.

Zu jedem Grad in dieser Reihe, den das sich entwickelnde Bewußtsein erlangt hat, gehört die ihm entsprechende Klasse seines Daseins. Nacheinander erscheinen materielle Formen und Kräfte, Pflanzenleben, Tiere und ein noch halb-tierhafter Mensch, entwickelte menschliche Wesen, unvollkommen oder höher entwickelte spirituelle Wesen. Wegen der Kontinuität des evolutionären Prozesses gibt es aber keine starre Trennung zwischen ihnen. Jeder neue Schritt nach vorn, jede neue Gestaltung nimmt das in sich auf, was zuvor gewesen ist. Das Tier nimmt die lebende und unbelebte Materie in sich hinein. Der Mensch nimmt beide zusammen mit dem Tier-Dasein zu sich empor. Es gibt da Furchen, die vom Übergangsprozeß übrigbleiben, oder Trennungen, die durch die Gewohnheit der Natur festgelegt sind. Diese unterscheiden zwar die eine Entwicklungsreihe von der anderen und dienen vielleicht dazu, ein Zurückfallen hinter das zu verhindern, was entwickelt worden ist. Sie heben aber die Kontinuität der Evolution nicht auf. Das sie entwickelnde Bewußtsein geht von dem einen Grad zu einem anderen oder von der einen Reihe seiner Schritte zu einer anderen entweder durch einen nicht wahrnehmbaren Prozeß über oder durch irgendeinen Sprung, eine Krisis oder vielleicht ein Eingreifen von oben her – durch ein Herabkommen, eine Beseelung oder einen Einfluß aus höheren Ebenen der Natur. Durch welche Mittel auch immer, so ist doch auf diese Weise das insgeheim der Materie innewohnende Bewußtsein, der okkulte Bewohner, fähig, seinen Weg aus den niederen empor zu den höheren Stufen zu gehen. Es nimmt dabei das, was es war, mit sich empor in das, was es ist, und bereitet so beides vor, aufzugehen in dem, was sein wird. Nachdem es so zuerst ein Fundament von materiellem Wesen, von materiellen Formen, Kräften und Existenzen gelegt hat, in denen es unbewußt zu ruhen scheint, obwohl es, wie wir wissen, immer unterbewußt wirkt, ist es fähig, Leben und lebende Wesen zu manifestieren, ein Mental und mentale Wesen in einer materiellen Welt hervorzubringen. Darum muß es hier auch ein Supramental und supramentale Wesen manifestieren können. Auf diese Weise ist der jetzige Zustand der Evolution zustande gekommen, dessen scheinbarer jetziger Höhepunkt der Mensch ist. In Wirklichkeit ist er aber nicht ihr letzter Gipfel. Denn er ist selbst ein Übergangswesen und steht an der Wende der ganzen Bewegung. Die derart kontinuierliche Evolution muß zu jedem gegebenen Augenblick eine Vergangenheit haben mit ihren noch feststellbaren fundamentalen Ergebnissen; ebenso eine Gegenwart, in der die Resultate, um die sie sich abmüht, im Prozeß des Werdens sind; und eine Zukunft, in der die noch unentwickelten Mächte und Formen des Wesens sichtbar werden müssen, bis die volle und vollkommene Manifestation erreicht ist. Die Vergangenheit war die Geschichte eines langsamen und schwierigen unterbewußten Wirkens mit Ergebnissen an der Oberfläche, es war eine unbewußte Evolution. Die Gegenwart ist eine Mittelstufe, eine unsichere Spirale, in der die Intelligenz des Menschen von der verborgenen evolutionären Kraft des Wesens verwendet wird und an ihrem Wirken teilnimmt, ohne daß sie von dieser voll ins Vertrauen gezogen wird, eine Evolution, die sich langsam ihrer selbst bewußt wird. Die Zukunft muß eine immer mehr bewußt werdende Evolution des spirituellen Wesens sein, bis dieses völlig in ein dem Selbst bewußtes Wirken durch das hervortretende gnostische Prinzip entbunden ist.

Die erste Grundlage dieses Hervortretens, die Erschaffung von Formen der Materie, zuerst von unbewußter und unbelebter, dann von lebender und denkender Materie, die Erscheinung von immer höher organisierten Körpern, die dem Zweck angepaßt sind, eine höhere Bewußtseins-Macht auszudrücken, ist durch die Wissenschaft nach ihrer physischen Seite, nach der Seite des Aufbaus der Form, erforscht worden. Es ist jedoch nur sehr wenig Licht auf die innere Seite, auf die Seite des Bewußtseins, geworfen worden. Das Wenige, was man hier beobachtete, bezieht sich eher auf die physische Basis und die Instrumentation als auf die progressiven Wirkweisen des Bewußtseins in seiner eigenen Natur. Soweit man die Evolution bisher erforscht hat, erscheint unseren Augen, obwohl die Kontinuität vorhanden ist, der Sprung von dem einen Bewußtseins-Grad dieser Reihe zum anderen als ungeheuer weit. Das Leben nimmt die Materie zu sich empor, das Mental das submentale Leben, das Mental der Intelligenz, das Mental des Lebens und der Sinnesempfindung. Das Überwinden des Abgrunds auf einer Brücke oder durch einen Sprung erscheint als etwas Unmögliches. Wir können kein konkretes und befriedigendes Zeugnis dessen entdecken, daß das in der Vergangenheit so zustande gekommen ist, oder von der Art, wie es geschah. Selbst in der äußeren Evolution, bei der Entwicklung von physischen Formen, wo doch die Gegebenheiten klar vor Augen liegen, gibt es fehlende Verbindungsglieder, die immer verloren bleiben. Aber bei der Evolution des Bewußtseins ist der Übergang noch schwieriger feststellbar, denn das sieht eher aus wie Transformation, denn als ein Übergang. Es mag jedoch sein, daß es uns wegen unserer Unfähigkeit, in das Unterbewußte einzudringen, das Submentale zu ergründen oder eine niedere, von der unsrigen verschiedene Mentalität genügend zu verstehen, unmöglich ist, die winzigen Stufenfolgen beobachten zu können, nicht nur bei jedem Grad in der Reihe, sondern auch an den Grenzbereichen zwischen dem einen und dem anderen Grad. Der Wissenschaftler, der die physischen Gegebenheiten bis ins kleinste erforscht, wurde zu der Überzeugung von der Kontinuität der Evolution gedrängt, trotz ihrer Lücken und fehlenden Verbindungsglieder. Könnten wir auf ähnliche Weise die innere Evolution beobachten, wir könnten zweifellos die Möglichkeit und die Beschaffenheit dieser ungeheueren Übergänge entdecken. Dennoch gibt es einen wirklichen, einen radikalen Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Grad. Dieser ist so groß, daß der Übergang von dem einen zum anderen eine neue Schöpfung zu sein scheint, eher das Wunder einer Metamorphose als eine natürliche, voraussagbare Entwicklung oder ein ruhiger Übergang aus dem einen Zustand des Wesens in einen anderen, bei dem die gut markierten Stufen in klarer Aufeinanderfolge angeordnet sind.

Diese Abgründe erscheinen tiefer, aber weniger breit, wenn wir auf der Leiter der Natur höher emporkommen. Wenn es schwache Spuren von Lebens-Reaktionen im Metall gibt, wie man jüngst behauptet hat, mag das seinem Wesen nach mit einer Lebens-Reaktion in der Pflanze identisch sein. Die vital-physische Differenz, wie man es nennen könnte, ist aber so beträchtlich, daß das eine als unbelebt erscheint, die andere, wenn auch nicht offenkundig bewußt, doch ein lebendes Geschöpf genannt werden könnte. Zwischen dem höchsten Pflanzenleben und dem niedersten Tier ist die Kluft offensichtlich tiefer, denn das ist der Unterschied zwischen dem Mental und dem völligen Fehlen einer sichtbaren oder auch nur spurenhaft vorhandenen Bewegung des Mentals. In dem einen ist der Stoff von mentalem Bewußtsein unerwacht, obwohl es dort ein Leben vitaler Reaktionen, eine unterdrückte oder unterbewußte oder vielleicht nur submentale Sinnen-Vibration gibt, die stark aktiv zu sein scheint. Obwohl in dem anderen das Leben zuerst weniger automatisch, in der unterbewußten Art zu leben weniger sicher, in seiner neuen Art eines offenkundigen Bewußtseins unvollkommen determiniert ist, tritt doch ein erwachtes Mental hervor – es gibt ein bewußtes Leben, ein tiefgreifender Übergang ist vollzogen worden. Aber die Gemeinsamkeit des Lebens-Phänomens zwischen Pflanze und Tier bei aller verschiedenartigen Organisation verringert doch die Kluft, wenn sie diese auch noch nicht in ihrer Tiefe auffüllt. Zwischen dem höchsten Tier und dem niedersten Menschen muß ein noch tieferer, wenn auch schmalerer Abgrund überwunden werden: die Kluft zwischen dem Sinnen-Mental und dem Intellekt. Denn mögen wir auch noch so sehr die Primitivität des Wilden betonen, wir können dennoch die Tatsache nicht ändern, daß das primitive menschliche Wesen oberhalb und jenseits des Sinnen-Mentals, der emotionalen Vitalität und der primären praktischen Intelligenz, die wir mit den Tieren gemeinsam haben, einen menschlichen Intellekt besitzt und – in welcher Begrenzung auch immer – fähig ist zur Reflexion, zu Ideen, zu bewußter Erfindung, religiösem und ethischem Denken und Fühlen, zu all dem Grundlegenden, durch das sich die menschliche Rasse auszeichnet. Es besitzt die gleiche Art Intelligenz, verschieden nur darin, wie sie in der Vergangenheit ausgebildet und in ihrer Ausformung eingeübt wurde, sowie im Entwicklungsgrad ihrer Begabung, Intensität und Aktivität. Dennoch können wir trotz all dieser Trennlinien nicht mehr annehmen, ein Gott oder Demiurg habe jedes Geschlecht und jede Art von Körper und Bewußtsein als fertige hergestellt, sie dann sich selbst überlassen und befriedigt auf sein Werk herabgeschaut, um zu sehen, daß es gut war. Es ist evident geworden, daß eine insgeheim bewußte oder eine unbewußte Energie der Schöpfung den jeweiligen Übergang durch rasche oder langsame Fortschritte bewirkt hat, welche Mittel, Maßnahmen, welchen physischen oder psychologischen Mechanismus sie dabei auch verwendet haben mag. Und vielleicht war sie, nachdem sie ihr Werk getan hatte, gar nicht darauf bedacht, das, was nur als Übergänge diente, als unterscheidbare Stufen aufzubewahren, da sie nur Sprossen auf der Leiter waren, keine weitere Funktion hatten und auch in der evolutionären Natur keinem weiteren Zweck mehr dienten. Diese Erklärung der Lücken ist aber nur wenig mehr als eine Hypothese, die wir bis jetzt noch nicht genügend beweisen können. Auf jeden Fall ist es wahrscheinlich, daß der Grund für die radikalen Unterschiede im Wirken der inneren Kraft gefunden werden muß und nicht im äußeren Prozeß des evolutionären Übergangs. Wenn wir sie tiefer von dieser inneren Seite her betrachten, wird das Verstehen leichter, werden die Übergänge verständlich und in der Tat durch die Eigenart des evolutionären Prozesses und sein Prinzip unvermeidlich.

Wenn wir nämlich nicht auf die wissenschaftlichen oder physischen Aspekte, sondern auf die psychologische Seite der Frage sehen und nachforschen, worin genau der Unterschied liegt, werden wir erkennen, daß er im Aufstieg des Bewußtseins zu einem anderen Begriff des Seienden besteht. Das Metall ist im unbewußten und unbelebten Prinzip der Materie fixiert. Selbst wenn wir annehmen können, es besitze in sich einige Reaktionen, die auf Leben hinweisen, oder zumindest einige spurenhafte Vibrationen, die sich in der Pflanze in Leben entwickelten, so ist das doch absolut keine charakteristische Form von Leben. Es ist seiner Art nach noch eine Form von Materie. Die Pflanze ist auf eine unterbewußte Aktion des Lebens-Prinzips fixiert. Nicht daß sie der Materie nicht unterworfen oder ohne jene Reaktionen wäre, die ihren vollen Sinn erst im Mental finden! Denn die Pflanze scheint submental über Reaktionen zu verfügen, die in uns die Grundlage für Lust und Schmerz oder für Anziehung und Abstoßung bilden. Doch ist die Pflanze schon eine Form von Leben, nicht nur von bloßer Materie. Sie ist aber, soweit wir wissen, überhaupt kein mental-bewußtes Wesen. Mensch und Tier sind beide mental-bewußte Wesen. Doch das Tier ist in einem vitalen Mental und auf die Mental-Sinne festgelegt und kann über seine Begrenzungen nicht hinauskommen. Der Mensch hingegen hat in sein Sinnen-Mental hinein das Licht eines anderen Prinzips empfangen: den Intellekt. Dieser ist in Wirklichkeit zugleich ein Widerschein, eine niedere Stufe des Supramentals, ein Strahl von Gnosis, der von der Sinnen-Mentalität aufgefangen und in etwas von seinem Ursprung Verschiedenes umgewandelt wird. Denn der Intellekt ist, wie das Sinnen-Mental, agnostisch; darin, wo er wirkt und wofür er wirkt, ist er nicht gnostisch. Er sucht das Wissen zu ergreifen, da er es nicht besitzt. Er besitzt nicht, wie das Supramental, das Wissen in sich selbst als sein natürliches Vorrecht. Mit anderen Worten, in jeder dieser Formen des Daseins hat das universale Wesen seine Bewußtseins-Wirksamkeit in verschiedenen Prinzipien fixiert, oder, wie zwischen Mensch und Tier, in der Umgestaltung eines niederen durch ein höheres Prinzip, wenn dieses auch noch nicht das Prinzip höchsten Grades ist. Der Schritt von einem Prinzip des Wesens zum anderen, ganz verschiedenen Prinzip schafft die Übergänge, Abgrenzungen, eindeutigen Abstand und bewirkt, wenn auch nicht den ganzen Unterschied, so doch eine radikale, charakteristische Verschiedenheit zwischen dem einen und dem anderen Wesen.

Bemerkt sei aber, daß dieser Aufstieg, dieser feste Stand in höheren und immer höheren aufeinanderfolgenden Prinzipien, ebensowenig dazu führt, daß wir die niedrigeren Grade aufzugeben haben, wie es bedeutet, daß einem Zustand des Seins in den niedrigeren Graden die höheren Prinzipien völlig fehlen. Dadurch wird der Einwand gegen die evolutionäre Theorie überwunden, der durch diese scharfen Unterscheidungen hervorgerufen wird. Denn wenn die Anfangsstadien der höheren Schöpfung schon in der niederen gegenwärtig sind und die niederen Eigenschaften in das höher entwickelte Wesen mit emporgenommen werden, konstituiert das von selbst einen unbezweifelbaren evolutionären Prozeß. Notwendig ist aber, daß eine Einwirkung auf die niedere Stufe des Wesens dieses zu einem Punkt emporbringt, wo das Höhere sich in ihm manifestieren kann. An diesem Punkt mag ein Druck aus der höheren Ebene, auf der die neue Macht vorherrschend ist, dazu beitragen, daß ein mehr oder minder rascher und entscheidender Übergang durch einen Sprung oder eine Reihe von Sprüngen stattfindet. So folgt dann in der Natur auf eine langsam dahinkriechende, nicht wahrnehmbare oder gar verborgene Wirkweise der Evolution ein stürmischer Fortschritt und Übergang von den niederen zu den höheren Graden des Bewußtseins.

Tatsächlich sind im Atom Leben, Mental und Supramental gegenwärtig und wirken hier, jedoch unsichtbar, geheim, verdeckt in einer unterbewußten oder scheinbar unbewußten Aktivität der Energie. Es gibt hier einen formengestaltenden Geist. Aber die äußere Kraft und Gestalt des Wesens, die wir das formale Dasein oder Form-Dasein im Unterschied zu dem immanenten oder insgeheim lenkenden Bewußtsein nennen können, ist ganz in der physischen Aktion aufgegangen und wird so stark darin absorbiert, daß sie in einer stereotypen Selbstvergessenheit festgehalten wird, dessen völlig unbewußt, was sie ist und was sie tut. Elektron und Atom sind unter diesem Gesichtspunkt ewige Traumwandler. Jedes materielle Objekt enthält ein äußeres Bewußtsein, ein Form-Bewußtsein, das der Gestaltung involviert und von ihr absorbiert ist, schlafend, eine scheinbare Unbewußtheit, die von einem ihr unbekannten und von ihr nicht gefühlten inneren Sein getrieben wird – von dem universalen Einwohner, dem Herrn, wie er in den Upanishaden genannt wird, der in dem Schlafenden wach ist – ein äußeres absorbiertes Form-Bewußtsein, das, unähnlich dem des menschlichen Traumwandlers, niemals wach gewesen ist und nicht immer, oder niemals, an dem Punkt steht, wo es erwacht. In der Pflanze ist dieses äußere Form-Bewußtsein noch im Zustand des Schlafes. Dieser Schlaf ist aber von nervösen Träumen erfüllt, immer am Punkt, aufzuwachen, und doch nie wirklich erwachend. Das Leben ist erschienen. Mit anderen Worten, die Kraft des verborgenen bewußten Wesens hat sich stark intensiviert und zu einer solchen Frequenz ihrer Macht erhoben, daß es ein neues Aktionsprinzip entwickelte oder zu einem solchen fähig geworden ist; wir sehen das als Vitalität, als Lebens-Kraft. Sie reagiert vital auf das Sein, obwohl sie nicht mental bewußt wird. Das Lebens-Bewußtsein hat einen neuen Grad von höheren und feineren Aktivitäten hervorgebracht, als es das rein physische Wirken ist. Zugleich kann es auch Lebens-Kontakte und physische Kontakte von anderen Gestaltungen als seinen eigenen und solche aus der universalen Natur empfangen und diese in neue Lebens-Werte, in Bewegungen und Phänomene einer Schwingung von Vitalität umwandeln. Das können Formen aus reiner Materie nicht fertigbringen. Sie können ihre Kontake weder in Lebens-Werte noch in andere Werte umwandeln, teils weil ihre Macht, sie zu empfangen – obwohl sie existiert, wenn man sich dabei auf okkulte Zeugnisse verlassen darf –, nicht erwacht genug ist, um mehr zu leisten, als nur dumpf zu empfangen und unerkennbar darauf zu reagieren, teils weil die durch die Kontakte übermittelten Energien zu subtil sind, als daß sie von der primitiven, anorganischen Dichte der geformten Materie verwendet werden könnten. Das Leben im Baum wird durch seinen physischen Körper bestimmt; es hebt aber das physische Dasein empor und gibt ihm einen neuen Wert oder ein neues System von Werten: den Lebenswert.

Der Übergang zum Mental und zu den Sinnen, der sich im Tierleben zeigt – was wir bewußtes Leben nennen wird auf dieselbe Weise bewirkt. Die Kraft des Wesens wird so intensiviert, sie erhebt sich zu einer so hohen Frequenz, daß sie ein neues Seins-Prinzip zulassen oder entwickeln kann, das zumindest in der Welt der Materie scheinbar neu ist: die Mentalität. Das Tierwesen ist sich mental des Daseins bewußt, seines eigenen Wesens und desjenigen der anderen. Es zeigt einen höheren und feineren Grad von Betätigungen. Es empfängt in größerem Umfang mentale, vitale und physische Kontakte, die von anderen als seinen eigenen Gestaltungen ausgehen. Es hebt das physische und vitale Dasein empor und verwandelt alles, was es von ihnen bekommen kann, in Werte der Sinne und des vitalen Mentals. Es empfindet den Körper, es empfindet das Leben, aber es empfindet auch das Mental. Denn es zeigt nicht nur blinde nervliche Reaktionen, sondern bewußte Empfindungen, Erinnerungen, Impulse, Willenstendenzen, Emotionen, mentale Assoziationen, den Stoff für das Fühlen, Denken und Wollen. Es hat sogar eine praktische Intelligenz, die sich auf die Erinnerung, auf die Assoziation, die Anregung durch das Bedürfnis, die Beobachtung und eine Macht, absichtsvoll zu handeln, gründet. Es ist zu List, Strategie und Planen fähig. Es kann etwas erfinden, seine Erfindung auch in gewissem Maße anwenden und sich in dieser oder jener Einzelheit auf die Forderungen einer neuen Situation einstellen. Nicht alles in ihm ist nur ein halb-bewußter Instinkt; das Tier bereitet die menschliche Intelligenz vor.

Kommen wir nun zum Menschen, so sehen wir, daß das alles bewußt wird. Die Welt, die er in gedrängter Weise erlebt, offenbart in ihm immer mehr ihre eigene Natur sich selbst gegenüber. Das höhere Tier ist zwar nicht mehr der Schlafwandler, wie es die niedrigsten Tierarten noch ganz oder vorwiegend sind, aber es besitzt ein nur begrenzt waches Mental, das nur zu dem befähigt ist, was es für sein vitales Dasein notwendig braucht. Im Menschen erweitert die bewußte Mentalität ihren Wachzustand. Sie kann sich, auch wenn sie zuerst noch nicht völlig selbst-bewußt, sondern nur erst der Außenwelt bewußt ist, doch immer mehr für das innere, integrale Wesen des Menschen öffnen. Hier gibt es, ebenso wie bei den beiden niederen Aufstiegen in der Evolution, eine Verstärkung der Kraft des bewußten Seins zu einer neuen Macht und zu einem neuen Bereich subtiler Betätigungen. Es zeigt sich der Übergang vom vitalen zum reflektierenden und denkenden Mental. Hier wird eine höhere Macht zu Beobachtung und Erfindung entwickelt. Tatsachen werden gesammelt und miteinander verknüpft. Der Mensch wird sich des Ablaufs und des Ergebnisses von Prozessen bewußt. Er bildet eine Kraft der Phantasie und eine ästhetische Schöpfergabe aus. Er entfaltet eine höhere formbare Empfindsamkeit. Die koordinierende und interpretierende Vernunft nimmt an Kraft zu. Die Werte stellen nicht mehr nur einen Reflex oder eine Reaktion dar, sondern eine dominierende, verstehende, sich befreiende Intelligenz. Wie beim Aufstieg auf den niederen Ebenen kommt es auch hier zu einer Ausweitung des Bewußtseins. Der Mensch wird fähig, mehr von der Welt und sich selbst aufzunehmen und dieser Erkenntnis auch höhere und vollkommenere Gestaltungen seiner bewußten Erfahrung zu geben. So zeigt sich auch hier das dritte konstante Element des Aufstiegs. Das Mental hebt die niederen Grade zu sich empor und gibt ihrer Aktion und Reaktion intelligente Werte. Der Mensch hat nicht nur, ebenso wie das Tier, die Empfindung seines Körpers und seines Lebens. Vielmehr besitzt er eine intelligente Empfindung und Idee vom Leben und eine bewußte und beobachtende Wahrnehmung des Körpers. Er nimmt auch das mentale Leben des Tieres ebenso mit empor wie das materielle und körperliche. Obwohl er bei diesem Vorgang etwas verliert, gibt er doch dem, was er beibehält, einen höheren Wert. Er hat das intelligente Empfinden und die Vorstellung von dem, was er empfindet und fühlt, von seinen Willenstendenzen, Impulsen und mentalen Assoziationen. Was dabei nur Rohmaterial von Denken, Fühlen und Wollen war und nur zu allgemeinen Bestimmungen taugte, wandelt er in ausgearbeitetes Werk und künstlerisches Gestalten dieser Dinge um. Denn auch das Tier denkt, wenn auch nur automatisch, was zumeist auf einer Reihe mechanischer Erinnerungen und mentaler Assoziationen beruht. Dabei nimmt es, so schnell es kann, die Anregungen der Natur auf. Es ist nur dann für ein bewußteres personales Handeln erweckt, wenn die Notwendigkeit zu einer grundlegenden Beobachtung und Planung besteht. Es hat erstes Rohmaterial praktischer Vernunft, nicht aber die ausgebildete Fähigkeit zur Ideenbildung und Reflexion. Das erwachende Bewußtsein ist im Tier noch der ungelernte primitive Arbeiter des Mentals; im Menschen ist es der gelernte Handwerker und kann nicht nur zum Künstler, sondern auch zum schöpferischen Genie werden, was er jedoch nicht in genügendem Maße versucht.

Hier müssen wir aber zwei Besonderheiten dieser gegenwärtig höchsten Entwicklung, der des Menschen, beobachten, die uns zum Kern der Sache bringen. Erstens offenbart sich darin, daß er die niederen Seiten des Lebens emporhebt, selbst eine Hinwendung des Meister-Blicks des insgeheim die Evolution schaffenden Geistes oder des universalen Wesens im Individuum von der Höhe, zu der er emporgelangt ist, hinab zu allem, was jetzt unter ihm liegt. Das ist ein Hinabschauen mit der doppelten Macht, dem Zwillings-Vermögen der Bewußtseins-Kraft des Wesens – der Macht von Willen und der Macht von Wissen –, um von diesem neuen, andersartigen und umfassenderen Bereich des Bewußtseins und von dieser Erkenntnis und Natur her das niedere Leben mit seinen Möglichkeiten zu verstehen und gerade auch es auf eine höhere Ebene emporzuheben, ihm höhere Werte zu geben, aus ihm höhere Wirkmöglichkeiten hervorzubringen. Das tut der Mensch, weil er offensichtlich nicht die niederen Töne des Lebens zum Schweigen bringen oder zerstören will, sondern sie einzubeziehen sucht, da die Daseins-Freude sein ewiges Anliegen ist und es darum die Methode seiner Musik sein muß, eine Harmonie der vielartigen Variationen zu komponieren und sich nicht nur an einer einzigen lieblichen, aber monotonen Melodie zu erfreuen. Weil er sie mit einer tieferen und feineren Bedeutung auflädt, erlebt er durch sie ein höheres Entzücken, als es in der noch primitiveren Formulierung des Bewußtseins möglich gewesen wäre. Am Ende nötigt er ihnen aber als Bedingung für ihre ständige Annahme ihre Zustimmung ab, diese höheren Werte anzuerkennen. Bis sie diese Zustimmung geben, kann er hart genug mit ihnen umgehen, sogar auf ihnen herumtrampeln, wenn er ganz auf ihre Vervollkommnung eingestellt ist und sie dagegen rebellieren. Es ist in der Tat das wahre innerste Ziel und der Sinn von Ethik, Disziplin und Askese, das vitale, das physische und das niedere mentale Leben zu belehren, zu zähmen, zu reinigen und vorzubereiten, damit diese Elemente geeignete Instrumente werden, um in die Töne einer höheren mentalen, zuletzt einer supramentalen Harmonie transformiert zu werden, keinesfalls aber, sie zu verkrüppeln und zu zerstören. Das Emporkommen ist die erste Notwendigkeit, doch ist eine Integration die damit zusammengehende Absicht des Geistes in der Natur.

Dieser Blick von Wissen und Willen nach unten in der Absicht, alles zu erhöhen, zu vertiefen, subtiler, feiner und reicher zu machen, ist von Anfang an die Methode des verborgenen Geistes. Die Pflanzen-Seele betrachtet, wie wir sagen könnten, ihr ganzes physisches Dasein mit einem nervlich-materiellen Blick, um aus ihm eine möglichst hohe vitalphysische Intensität zu gewinnen. Denn es scheint, sie besitze in sich die intensiven Erregungen einer stummen Lebens-Vibration, vielleicht einer solchen – obwohl wir uns das schwer vorstellen können –, die im Verhältnis zu ihrem niedrigen, primitiveren Grad intensiver ist, als sie das Mental und der Körper des Tieres auf seiner höheren und machtvolleren Stufe aushalten könnten. Das Tier-Wesen betrachtet mit seinen mentalisierten Sinnen sein vitales und physisches Dasein, um aus ihm alle erfahrbaren Sinnen-Werte zu gewinnen, in vielerlei Hinsicht viel stärker, als der Mensch das kann, als reine Empfindung, als Sinnen-Emotion oder als Befriedigung von vitalem Begehren und vitaler Lust. Wenn der Mensch aus der Ebene seines Willens und seiner Intelligenz hinabschaut, gibt er diese niederen, intensiveren Regungen auf, jedoch nur, um aus Mental, Leben und Sinnen eine höhere Intensität in anderen Werten zu gewinnen, in intellektuellen, ästhetischen, moralischen, spirituellen, mental-dynamischen oder praktischen, wie er das nennt. Durch diese höheren Elemente weitet er seinen Gebrauch von Lebenswerten aus, verfeinert und erhöht sie. Er verzichtet nicht auf die Reaktionen und die Freuden des Tierwesens, aber er mentalisiert sie auf eine mehr erhellte, feinere und empfindsamere Art. Er tut das schon auf seinen normalen, niederen Stufen. Wenn er sich aber höher entwickelt, unterzieht er sein niederes Wesen einer strengeren Prüfung, Unter Androhung von Schmerz, es sonst zurückzuweisen, verlangt er von ihm so etwas wie eine Transformation. Das ist die Art des Mentals, sich auf ein noch jenseits von ihm liegendes Leben vorzubereiten.

Wenn der Mensch aber seine höhere Stufe erreicht hat, richtet er seinen Blick nicht nur nach unten und auf seine Umgebung, sondern auch nach oben zu dem, was oberhalb von ihm ist, und nach innen auf seine geheimen Tiefen. Nicht nur das Hinabschauen des universalen Wesens in der Evolution ist ihm bewußt geworden, es entwickelt sich in ihm auch dessen bewußter Blick nach oben und nach innen. Das Tier lebt so, als sei es zufrieden mit dem, was die Natur für es getan hat. Sollte es so etwas wie ein Emporschauen des verborgenen Geistes im Innern des Tierwesens geben, so hat dieses selbst bewußt nichts damit zu tun; das ist noch die Aufgabe der Natur. Erst der Mensch macht diesen emporgerichteten Blick bewußt zu seiner eigenen Aufgabe. Denn schon dadurch, daß er einen intelligenten Willen besitzt, mag er auch ein entstellter Strahl der Gnosis sein, legt er sich immer mehr die doppelte Natur von saccidananda bei. Er ist nicht mehr, wie das Tier, ein unentwickeltes bewußtes Wesen, das allein von prakriti getrieben wird, ein Sklave der exekutiven Kraft, mit dem die mechanischen Energien der Natur spielen. Vielmehr hat er nun begonnen, eine sich entfaltende bewußte Seele, purusha, zu werden, die selbst einwirkt auf das, was bisher allein Sache von prakriti war, mit dem Wunsch, ihr gegenüber ein Mitspracherecht zu haben und zuletzt ihr Meister zu sein. Noch kann er das nicht. Er ist noch zu sehr in ihrem Netz verfangen, zu sehr ihrem festgelegten Mechanismus involviert. Er fühlt aber, wenn auch noch zu vage und unsicher, daß der Geist in seinem Innern sich immer höher erheben und seine Grenzen ausweiten will. Etwas Geheimnisvolles in seinem Innern weiß, daß es nicht die Absicht der tieferen bewußten Seelen-Natur, von purusha-prakriti, ist, sich zufriedenzugeben mit seinem gegenwärtig niedrigen Stand und seinen Begrenztheiten. Immer war es ein natürlicher Impuls im Menschen, zum Höheren emporzuklimmen, einen weiteren Horizont zu gewinnen und seine niedere Natur zu transformieren. Er tat das, sobald er für sich einen Platz in der physischen und vitalen Welt der Erde geschaffen, als er ein wenig Muße gefunden hatte, seine weiteren Möglichkeiten zu erwägen. Das muß so sein, und zwar nicht wegen einer falschen und bemitleidenswert phantastischen Illusion in ihm, sondern erstens, weil er das noch unvollkommene, aber sich immer weiter entwickelnde mentale Wesen ist und deshalb um höhere Entwicklung, um Vollkommenheit ringen muß; und mehr noch, weil er im Unterschied zu anderen irdischen Geschöpfen fähig ist, dessen bewußt zu werden, was tiefer ist als das Mental, der Seele in seinem Innern, und dessen, was über dem Mental ist, des Supramentals, des Geistes. Er ist fähig, sich zu diesem hin zu öffnen, es in sich einzulassen, zu ihm emporzukommen, es festzuhalten. Es liegt in seiner Natur, in aller menschlichen Natur, daß sie durch bewußte Entwicklung über sich emporkommen und hinaufklimmen will zu dem, das jenseits von dem liegt, was er jetzt ist. Das können nicht nur einzelne Menschen, das kann mit der Zeit die ganze Menschheit. Nach einer allgemeinen Ordnung des Wesens und Lebens kann sie, wenn auch nicht zugleich in allen ihren Gliedern, streben und hoffen, bei genügend starkem Willen über die Unvollkommenheiten unserer jetzigen, weitgehend ungöttlichen Natur hinauszukommen und zumindest zu einem höheren Menschsein emporzusteigen, einem göttlichen Menschen-Wesen oder einem Übermenschen-Wesen näherzukommen, auch wenn sie es nicht absolut erreichen kann. Jedenfalls ist es der Zwang der evolutionären Natur im Menschen, sich hinaufzuentwickeln, das Ideal aufzurichten und darum zu ringen.

Wo aber ist die Gewähr dafür, daß das evolutionäre Wesen zu seinem Selbst wird, indem es über sein Selbst hinauskommt? Im Mental selbst gibt es Grade der Entwicklung, und jeder Grad ist wieder in sich selbst eine Entwicklung. Es gibt aufeinanderfolgende Höhen, die wir zutreffend die Ebenen und Unterebenen des mentalen Bewußtseins und des mentalen Wesens nennen können. Die Entfaltung unseres mentalen Selbsts ist weithin ein Aufstieg auf den Stufen dieser Treppe. Wir können unseren Stand auf irgendeiner von ihnen einnehmen und dabei unsere Abhängigkeit von den darunter liegenden Stufen beibehalten. Ebenso besitzen wir die Macht, gelegentlich zu höheren Stufen emporzusteigen oder auf Einflüsse aus den höheren Bereichen unseres Wesens zu reagieren. Gegenwärtig nehmen wir normalerweise noch unseren ersten sicheren Stand auf der niedersten Ebene der Intelligenz ein, die wir die physisch-mentale nennen können, da sie für die Bezeugung ihrer Tatsachen und für ihr Empfinden der Wirklichkeit vom physischen Gehirn, vom physischen Sinnen-Mental und von den physischen Sinnen-Organen abhängt. Hier sind wir der physische Mensch, der den objektiven Dingen und seinem äußeren Leben die höchste Bedeutung beimißt, jedoch nur geringe Anstrengung für sein subjektives oder inneres Sein aufwendet. Er ordnet alles, was er davon hat, den stärkeren Ansprüchen der äußeren Wirklichkeit unter. Der physische Mensch besitzt eine vitale Seite. Sie besteht zumeist aus den schwächeren Instinkten und impulsiven Gestaltungen des Lebens-Bewußtseins, das aus dem Unterbewußtsein zugleich mit einer Masse oder einer Folge von Empfindungen, Sehnsüchten, Hoffnungen, Gefühlen und Befriedigungen aufsteigt. Diese hängen von äußeren Dingen und Kontakten ab und befassen sich mit dem Praktischen, mit dem unmittelbar Verwirklichbaren und Möglichen, mit dem Gewohnten, dem Allgemeinen und Durchschnittlichen. Er hat eine mentale Seite, doch auch diese ist bestimmt durch das Herkömmliche, Traditionelle, Praktische und Objektive. Sie respektiert das, was zum Bereich des Mentals gehört, hauptsächlich dann, wenn es zur Unterstützung, Bequemlichkeit, Verwendung, Befriedigung und Unterhaltung seines physischen und sinnlichen Daseins verwendbar ist. Denn das physische Mental steht fest auf der Materie und in der materiellen Welt, auf dem Körper mit dem körperlichen Leben, auf der Sinnen-Erfahrung und auf einer normalen praktischen Mentalität und auf deren Erfahrung. Aus allem, was nicht zu dieser Ordnung gehört, konstruiert das physische Mental einen eng begrenzten Überbau, der von der äußeren Sinnen-Mentalität abhängt. Trotzdem betrachtet es diese höheren Lebensinhalte entweder als hilfreiche Nebenumstände oder als einen überflüssigen, jedoch angenehmen Luxus der Phantasie, der Gefühle und Gedanken-Abstraktionen, jedoch nicht als innere Wirklichkeiten. Oder es empfindet sie auch dann, wenn es sie als Wirklichkeiten akzeptiert, nicht konkret und stofflich in ihrer eigentlichen Substanz, die subtiler ist als die physische Substanz mit ihrer gröberen Konkretheit, es behandelt sie als subjektive, weniger substantielle Ausweitung der physischen Wirklichkeiten. Unvermeidlich muß sich so das menschliche Wesen zuerst fest auf den Boden der Materie stellen, den äußeren Tatsachen und dem äußeren Dasein ihre gebührende Bedeutung beimessen. Denn darin besteht die erste Vorsorge, die die Natur für unser Dasein trifft und auf die sie so nachdrücklich Wert legt. Auf den physischen Menschen in uns legt die Natur ihr Haupt-Gewicht. Ihn vermehrt sie in der Welt so reichlich, weil er ihre Kraft zur Bewahrung der gesicherten, wenn auch irgendwie trägen, materiellen Basis ist, auf der sie sich behaupten kann, während sie ihre höheren Entwicklungen verfolgt. In dieser mentalen Gestaltung gibt es aber keine Macht zum Fortschritt oder nur die Macht zum materiellen Fortschritt. Sie ist unser erster mentaler Zustand. Doch kann das mentale Wesen, der Mensch, nicht immer auf dieser untersten Sprosse der evolutionären Leiter der Menschheit stehen bleiben.

Höher als unser physisches Mental und tiefer in unserem Innern als das physische Empfinden ist das, was wir die Intelligenz des Lebens-Mentals nennen könnten: Sie ist dynamisch, vital, besitzt empfindliche Nerven und ist, wenn auch noch im Verborgenen, offener für das Psychische. Sie ist fähig für eine erste Seelen-Gestaltung, wenn auch nur für eine dunkle Lebens-Seele, die noch nicht das psychische Wesen ist sondern eine vordergründige Gestaltung des vitalen purusha. Diese Lebens-Seele empfindet konkret die Dinge der Lebens-Welt und kommt mit ihnen in Kontakt. Sie versucht, sie hier zu realisieren. Sie nimmt die Befriedigung und Erfüllung des Lebens-Wesens, der Lebens-Kraft, der vitalen Natur überaus wichtig: Sie betrachtet das physische Dasein als Feld zur Selbst-Erfüllung der Lebensimpulse, für das Spiel von Ehrgeiz, Macht, starkem Charakter, Liebe, Leidenschaft, Abenteuer, für das individuelle, das kollektive und das allgemein menschliche Streben, als Wagnis und Abenteuer für alle Arten des Lebens-Experiments und neuer Lebens-Erfahrung. Die physische Existenz allein hätte für sie ohne dieses befreiende Element, diese höhere Macht, dieses Interesse und diese Bedeutung keinen Wert. Diese Lebens-Mentalität wird durch unser verborgenes subliminales vitales Wesen unterstützt und steht in verhülltem Kontakt mit einer Lebens-Welt, für die sie sich leicht öffnen und so die unsichtbaren dynamischen Kräfte und Wirklichkeiten hinter dem materiellen Universum fühlen kann. Es gibt ein inneres Lebens-Mental, das für sein Wahrnehmen nicht das Zeugnis der physischen Sinne benötigt und durch diese nicht eingeschränkt wird. Denn auf dieser Ebene werden unser inneres Leben und das innere Leben der Welt für uns etwas Wirkliches, ohne daß wir vom Körper und den Symbolen der physischen Welt abhängig sind. Wir bezeichnen diese allein als natürliche Phänomene, als ob die Natur keine größeren Phänomene und keine höheren Wirklichkeiten besäße als die der groben Materie. Der vitale Mensch, der bewußt oder unbewußt von diesen Einflüssen geformt wird, ist der Mensch des Begehrens und der Empfindungen, der Mensch von Kraft und Aktion, von Leidenschaft und Emotion, der kinetische individuelle Mensch. Großes Gewicht legt er gern auf das materielle Dasein, und er tut das wirklich. Er gibt diesem aber auch dann, wenn er sich am meisten mit dessen gegenwärtigen Aktualitäten befaßt, stets einen Anstoß zur Lebens-Erfahrung, zu einer Kraft der Lebens-Realisierung, zur Lebens-Ausweitung, zur Lebens-Macht, zur Lebens-Bejahung und zur Expansion des Lebens. Darin liegt der erste Drang der Natur zur Ausweitung des Wesens. Wenn sich dieser Lebens-Drang äußerst verstärkt hat, durchbricht der Mensch alle Bindungen, sucht er neue Horizonte, revoltiert er gegen Vergangenheit und Gegenwart im Interesse der Zukunft. Er führt ein mentales Leben, das oft an die vitale Kraft, ihr Begehren und ihre Leidenschaften versklavt ist, und er sucht gerade diese durch sein Mental zu befriedigen. Wenn er sich aber stark für mentale Dinge interessiert, kann er zum mentalen Abenteurer werden, der den Weg zu neuen Mental-Gestaltungen öffnet, oder zum Kämpfer für eine Idee. Er wird zum empfindsamen Typus des Künstlers, zum dynamischen Dichter des Lebens oder zum Propheten und Vorkämpfer für eine große Sache. Das vitale Mental ist kinetisch und darum eine starke Kraft im Wirken der evolutionären Natur.

Oberhalb dieser Stufe vitaler Mentalität und mehr nach innen ausgebreitet liegt eine Mental-Ebene reinen Denkens und reiner Intelligenz, für die die Dinge der mentalen Welt die bedeutendsten Wirklichkeiten sind. Menschen, die unter dem Einfluß dieser Mental-Ebene stehen, repräsentieren das jetzige mentale Wesen auf seiner bisher erreichten Höhe: der Philosoph, der Denker, der Wissenschaftler, der intellektuell Schöpferische, der Mensch der Idee, des geschriebenen oder gesprochenen Wortes, der Idealist und Träumer. Dieser mentale Mensch spielt seine Lebens-Rolle, das Leben der Leidenschaften, Sehnsüchte, des Ehrgeizes und der Hoffnungen aller Art. Sein niederes sinnenhaftes, physisches Dasein und dessen niedere Rolle können aber sein edleres mentales Element so sehr aufwiegen oder überwiegen, daß dieses, obwohl es die höchste Stufe seines Wesens ist, doch in seinem Wesen nicht vorherrschend und maßgebend werden kann. Aber das ist für ihn in seiner höchsten Entwicklung nicht typisch, denn dort werden die vitalen und physischen Elemente kontrolliert und durch den denkenden Willen und die Intelligenz beherrscht. Der mentale Mensch kann seine Natur nicht transformieren, er kann sie aber kontrollieren und harmonisieren. Er kann ihr das Gesetz eines mentalen Ideals auferlegen, Ausgewogenheit oder einen verfeinernden und veredelnden Einfluß aufnötigen. Er kann die multi-personale Verwirrung, den Konflikt oder das summarische Flickwerk unseres zerteilten oder halb-durchkonstruierten Wesens zu einem größeren inneren Halt erziehen. Er kann zum Beobachter und Beherrscher seines eigenen Mentals und Lebens werden, kann sie bewußt entwickeln und dementsprechend zu seinem Selbst-Schöpfer werden.

Dieses Mental der reinen Intelligenz hat zu seinem Hintergrund unser inneres oder subliminales Mental, das die Dinge der Mental-Ebene unmittelbar empfindet, offen ist für das Wirken der Welt mentaler Kräfte, das die ideativen und anderen unwägbaren Einflüsse fühlen kann, die auf die materielle Welt und auf die Lebens-Ebene einwirken, die wir aber gegenwärtig nur mittelbar erschließen und nicht unmittelbar erfahren können. Für den mentalen Menschen sind diese ungreifbaren und unwägbaren Dinge etwas Wirkliches und Offenkundiges. Er erachtet sie als Wahrheiten, die nach Verwirklichung in uns oder auf der Erde verlangen. Auf der inneren Ebene können für uns das Mental und die Mental-Seele unabhängig vom Körper zur vollen Wirklichkeit werden. Wir können in ihnen ebenso bewußt leben wie in unserem Körper. Darum ist auf jenen Stufen der Natur, kurz bevor wir die Spiritualität erlangen, unsere Lage die, daß wir ganz im Mental und in den Dingen des Mentals leben, eher Intelligenz als nur Leben und Körper sind. Der mentale Mensch, der Mensch, der sich selbst durch Mental und Willen beherrscht und gestaltet, der sich eines Ideals bewußt ist und der Verwirklichung dieses Ideals zuwendet, der hohe Intellekt, der Denker, der Weise ist zwar weniger kinetisch und weniger unmittelbar effektiv als der vitale Mensch, der ein Mensch der Aktion und raschen äußeren Lebens-Erfüllung ist. Er ist aber ebenso machtvoll und schließlich machtvoll genug, um der Menschheit neue Ausblicke zu eröffnen. Er ist der normale höchste Typus der evolutionären Gestaltung der Natur auf der menschlichen Ebene. Für unsere gewöhnliche Intelligenz stellen diese drei Grade der Mentalität, die in sich klar abgegrenzt, zumeist aber in unserem zusammengesetzten Wesen miteinander vermischt sind, nur die psychologischen Typen dar, die sich eben so entwickelt haben, und wir entdecken in ihnen keine andere Bedeutung. Tatsächlich sind sie aber höchst bedeutungsvoll, denn sie sind Stufen der Evolution, zu denen die Natur das mentale Wesen bis jetzt gebracht hat, damit es über sich selbst hinauskommt. So wie das denkende Mental die höchste Stufe ist, die sie bisher erreichen kann, so ist der vollkommen gewordene mentale Mensch das seltenste und höchste ihrer normalen menschlichen Geschöpfe. Damit wir darüber hinauskommen können, muß sie das spirituelle Prinzip in das Mental einführen und in Mental, Leben und Körper aktiv werden lassen.

Das sind die evolutionären Gestaltungen, die die Natur aus der vordergründigen Mentalität aufgebaut hat. Wenn sie mehr tun will, muß sie das unsichtbare Material, das unter unserer Oberfläche verborgen ist, in reicherem Maß verwenden. Sie muß in das Innere hinabtauchen und die verborgene Seele, die Psyche, hervorbringen. Oder sie muß über unsere normale mentale Stufe in Ebenen des intuitiven Bewußtseins emporkommen, die ganz erfüllt sind von einem Licht, das aus der spirituellen Gnosis herrührt, in die aufsteigenden Ebenen des reinen spirituellen Mentals, auf denen wir in unmittelbarer Berührung mit dem Unendlichen stehen. Sie muß das Selbst und die höchste Wirklichkeit der Dinge, saccidananda, ergreifen. In unserem eigenen Innern, hinter unserem vordergründigen natürlichen Wesen, gibt es eine Seele, ein inneres Mental, eine innere Lebens-Seite, die sich ebenso für diese Höhen öffnen kann wie für den verborgenen Geist in unserem Innern. Dieses doppelte Sich-Öffnen ist das Geheimnis einer neuen Entwicklung. Dadurch, daß diese Verschlüsse, Wände und Begrenzungen durchbrochen werden, erhebt sich das Bewußtsein zu einem höheren Aufstieg und zu einer umfassenderen Integration. Diese wird, ebenso wie es bei der Evolution des Mentals geschah, die alle Mächte unserer Natur mentalisiert hat, diese durch eine neue Evolution spiritualisieren. Denn der mentale Mensch ist nicht die letzte Anstrengung oder die höchste Stufe der Entwicklung der Natur, wenn er sich auch im allgemeinen in seiner eigenen Art vollständiger entwickelt hat, als die Wesen unterhalb von ihm es erreichten oder als die über ihm es erstrebten. Die Natur hat aber den Menschen auf eine noch höhere und schwierigere Stufe verwiesen. Sie hat ihn mit dem Ideal eines spirituellen Lebens begeistert und in ihm die Evolution eines spirituellen Wesens begonnen. Dem spirituellen Menschen gilt ihr höchstes, über das Normale hinausgehende Bemühen bei der menschlichen Schöpfung. Nachdem sie den mentalen Schöpfer, den Denker, den Weisen, den Propheten eines Ideals, das selbst-kontrollierte, selbst-harmonisierte mentale Wesen entwickelt hat, versucht sie, höher empor und tiefer nach innen zu gehen und die Seele, das innere Mental und das Herz in den Vordergrund zu rufen. Von oben herab entbindet sie die Kräfte des spirituellen Mentals, des höheren Mentals und des Übermentals. Sie will unter ihrem Licht und durch ihren Einfluß den spirituellen Weisen, Seher, Propheten, Gott-Liebenden, Yogin, Gnostiker, Sufi, Mystiker erschaffen.

Dies ist der einzige Weg, wie der Mensch in Wahrheit über sich hinauskommen kann. Denn solange wir in unserem vordergründigen Wesen leben oder uns völlig auf die Materie gründen, können wir unmöglich höher emporkommen. Es ist vergeblich, zu erwarten, es könne hier einen neuen Übergang von radikalem Charakter in unserem evolutionären Wesen geben. Der vitale und mentale Mensch haben auf das Erden-Leben einen außerordentlichen Einfluß ausgeübt. Sie haben die Menschheit von der Stufe des Tier-Menschen zu dem emporgehoben, was er jetzt ist. Sie können aber nur innerhalb der Grenzen der bereits festgelegten evolutionären Formel des menschlichen Wesens wirken. Sie können den menschlichen Aktionskreis nur ausweiten. Sie können aber nicht das Bewußtseins-Prinzip oder dessen charakteristische Wirkweise verändern oder umwandeln. Jeder Versuch, auf ungeordnete Weise das Mental zu erhöhen oder auf ungeordnete Weise den vitalen Menschen in ein Übermaß zu steigern – zum Beispiel beim “Übermenschen” von Nietzsche – kann nur kolossale Übersteigerungen der menschlichen Kreatur hervorbringen. Dadurch kann er aber nicht umgewandelt oder vergöttlicht werden. Eine ganz andere Möglichkeit eröffnet sich uns, wenn wir im inneren Wesen leben und dieses zum unmittelbaren Lenker unseres Lebens machen können oder auf den spirituellen und intuitiven Ebenen des Wesens einen festen Stand einnehmen und von dorther und durch deren Macht unsere Natur umwandeln können.

Der spirituelle Mensch ist der Wegweiser für diese neue Entwicklung, für dieses neue und höhere Bemühen der Natur. Diese Evolution unterscheidet sich aber in zwei Aspekten von dem vergangenen Prozeß der evolutionären Energie: Sie wird durch bewußte Anstrengung des menschlichen Mentals durchgeführt. Und sie ist nicht nur auf ein bewußtes Vorwärtsschreiten der äußeren Natur beschränkt. Vielmehr ist sie von dem Versuch begleitet, die Wände der Unwissenheit zu durchbrechen und uns nach innen bis in das geheime Prinzip unseres gegenwärtigen Wesens, ebenso nach außen in das kosmische Wesen und nach oben zu einem höheren Prinzip hin auszuweiten. Was die Natur bis jetzt erreicht hat, war eine Ausweitung der Grenzen unserer vordergründigen Wissens-Unwissenheit. Bei dem spirituellen Bemühen wird versucht, die Unwissenheit ganz zu beseitigen, nach innen zu gehen, die Seele zu entdecken und im Bewußtsein mit Gott und dem ganzen Sein vereint zu werden. Das ist das letzte Ziel der mentalen Stufe der evolutionären Natur im Menschen. Und es ist der Anfangs-Schritt zu einer radikalen Umwandlung der Unwissenheit in das Wissen. Die spirituelle Umwandlung beginnt mit einem Einfluß des inneren Wesens und des höheren spirituellen Mentals, mit einer solchen Aktion, die an der Außenseite gefühlt und von ihr angenommen wird. Das kann aber an sich selbst nur bis zu einem erleuchteten mentalen Idealismus oder bis zum Wachsen eines religiösen Mentals, eines religiösen Temperaments, einer gewissen Hingabe im Herzen und zur Frömmigkeit im Verhalten führen. Es ist eine erste Annäherung des Mentals an den Geist. Es kann aber nicht zu einem grundlegenden Wandel führen. Dazu muß mehr getan werden. Wir müssen tiefer in unser Inneres gehen. Wir sollen über unser gegenwärtiges Bewußtsein hinauskommen und unseren gegenwärtigen Status in der Natur überschreiten.

Offensichtlich können wir auf diese Weise tiefer in unserem Innern leben und die inneren Kräfte stetiger draußen in unserer äußeren Instrumentation einsetzen oder uns so emporheben, daß wir in höheren und weiteren Bereichen daheim sind und deren Mächte im physischen Dasein zur Auswirkung bringen. Wir sollen nicht nur die Einflüsse empfangen, die von ihnen herabkommen; das ist alles, was wir jetzt tun können. Es könnte vielmehr eine Verdichtung unseres bewußten Wesens anfangen, um ein neues Bewußtseins-Prinzip zu erschaffen, einen neuen Bereich von Aktivitäten, neue Werte für alle Dinge, eine Ausweitung unseres Bewußtseins und Lebens. So könnten wir die niederen Stufen unseres Daseins empornehmen und umwandeln. Das ist in Kürze der ganze evolutionäre Prozeß, durch den der Geist in der Natur einen höheren Typus des Wesens erschafft. Jede Stufe könnte ein Schritt zu dem wenn auch noch so entfernten Ziel oder eine weitere Annäherung an ein umfassenderes und mehr göttliches Wesen bedeuten, an mehr göttliche Kraft, göttliches Bewußtsein, Wissen und Wollen, Empfinden des Daseins und Freude am Dasein. Hier könnte der Anfang liegen zu einer Entfaltung zum göttlichen Leben. Jede Religion, alles okkulte Wissen, alle übernormale (im Gegensatz zur abnormen) psychische Erfahrung, jeder Yoga, alles psychische Erleben und jede Disziplin sind Wegweiser und Hinweise, die uns dieses Fortschreiten des verborgenen, sich selbst entfaltenden Geistes zeigen.

Aber die menschliche Rasse wird noch durch eine gewisse Schwerkraft zum Physischen hinabgezogen. Sie gehorcht noch der Anziehung unserer bislang unbezwungenen Erden-Materie. Sie wird vom Gehirn-Mental, von der physischen Intelligenz beherrscht. Von vielen Fesseln zurückgehalten, zögert sie am Wegweiser und scheut vor der zu strengen Forderung spirituellen Ringens zurück. Auch hegt sie noch zu viel törichte Skepsis, starke Indolenz, eine enorme intellektuelle und spirituelle Angst und konservative Ablehnung, wenn sie zum Verlassen ihrer alten Gewohnheit aufgefordert wird. Selbst der ständige Beweis des Lebens, daß es dort, wo es siegen will, auch siegen kann – bewiesen durch die Wunder der doch untergeordneten Macht der Naturwissenschaften –, hindert sie nicht, weiter zu zweifeln. Sie weist den neuen Anruf zurück und überläßt die Antwort darauf einigen wenigen Einzelnen. Das ist aber nicht genug, wenn der Schritt nach vorn für die ganze Menschheit getan werden muß. Und nur dann, wenn die Menschheit als Ganzes fortschreitet, können für sie die Siege des Geistes gesichert sein. Denn selbst, wenn es zum Abgleiten der Natur, zum Absinken in ihren Bemühungen kommt, wird der Geist im Innern sie wieder nach oben rufen. Er verwendet dabei eine geheime Erinnerung. Manchmal wird sie nach der niederen Seite, in einer Gravitation nach unten, durch eine atavistische Kraft im Menschen repräsentiert; in Wirklichkeit ist das die Kraft einer dauerhaften Erinnerung in der Natur, die uns entweder nach oben oder nach unten ziehen kann. Durch diese Erinnerung wird der nächste Aufstieg wegen der Anstrengung in der Vergangenheit leichter und dauerhafter sein. Denn es kann nicht anders sein, als daß dieses Bemühen, sein Impuls und sein Ergebnis im unterbewußten Mental der Menschheit gespeichert wird. Wer kann sagen, welche Siege dieser Art in den Zyklen unserer Vergangenheit davongetragen wurden und wie nahe der nächste Aufstieg ist? Gewiß ist es nicht nötig oder möglich, daß sich alle Menschen von mentalen Wesen in spirituelle umwandeln sollen. Notwendig ist aber eine allgemeine Anerkennung des Ideals, ein weitverbreitetes Bemühen, die bewußte Konzentration, um diese Tendenz zu einem gewissen Erfolg zu leiten. Sonst werden letzten Endes nur einige wenige Erfolg haben und eine neue Seins-Ordnung begründen, während die Menschheit als Ganzes über sich selbst das Urteil gefällt hat, sie sei dazu unfähig. So mag sie evolutionär verfallen oder in statische Unbeweglichkeit zurücksinken. Denn nur ihr ständiges Streben nach oben hat die Menschheit lebendig erhalten und ihr einen Platz an der Spitze der Schöpfung gesichert.

Der Prozeß der Evolution hat folgendes Prinzip: Zuerst ein Unterbau, von diesem Fundament aus ein Aufstieg; bei diesem Aufstieg eine Umkehrung des Bewußtseins; von der gewonnenen größeren Höhe und Weite aus eine Aktion zur Umwandlung und neuen Integration der ganzen Natur. Der Unterbau ist Materie. Der Aufstieg ist eine Aufwärts-Entwicklung der Natur. Die Integration ist zuerst eine unbewußte oder halb-bewußte automatische Umwandlung der Natur durch die Natur. Sobald aber bei diesen Aktionen der Natur eine vollständigere bewußte Teilnahme des menschlichen Wesens begonnen hat, ist ein Wandel im Prozeß unvermeidlich. Der physische Unterbau von Materie bleibt bestehen. Materie kann aber nicht mehr das Fundament des Bewußtseins sein. Bewußtsein selbst wird in seinem Ursprung nicht mehr ein Aufwallen aus dem Unbewußten oder ein verborgenes Strömen aus einer geheimen subliminalen Kraft unter dem Druck von Berührungen aus dem Universum sein. Fundament des sich entwickelnden Seins wird der neue spirituelle Zustand über uns oder der unverhüllte Zustand der Seele in uns sein. Es ist ein Strom von Licht und Wissen und Willen von oben und dessen Annahme von innen, der die Reaktionen des Wesens auf die kosmische Erfahrung bestimmen wird. Alle Konzentration des Wesens wird von unten nach oben und von außen nach innen verlegt. Unser höheres und inneres Wesen, das jetzt für uns noch etwas Unbekanntes ist, wird zu unserem Selbst werden. Das äußere oder vordergründige Wesen, das wir jetzt für unser Selbst halten, wird dann nur noch eine offene Vorderseite oder ein Anbau sein, durch die das wahre Wesen mit dem Universum verkehrt. Die äußere Welt selbst wird für das spirituelle Bewußtsein zu etwas Innerem werden, zu einem Teil seiner selbst, die es in einem Wissen und Fühlen von Einheit und Identität innig umfaßt und mit einer intuitiven Schau des Mentals durchdringt. Der unmittelbare Kontakt von Bewußtsein mit Bewußtsein wird ihr antworten, und sie wird in eine vollendete Vollständigkeit aufgenommen werden. Selbst das alte unbewußte Fundament in uns wird durch das Einströmen von Licht und Bewußtsein von oben her bewußt gemacht, seine Tiefen werden an die Höhen des Geistes angeschlossen werden. Basis für die völlige Harmonisierung des Lebens wird ein integrales Bewußtsein werden durch vollständige Umwandlung, Vereinigung und Einbeziehung des Wesens und der Natur.