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Sri Aurobindo

Briefe όber den Yoga

Band 2

SADHANA IM ASHRAM UND AUSSERHALB DES ASHRAMS

I. Der Ashram

II. Die Arbeit im Ashram

III. Die Sadhaks des Ashrams

IV. Regel und Disziplin im Ashram

V. Die Rückkehr in das Welt-Leben

VI. Sadhana im Leben der Welt

I. Der Ashram

Dieser Ashram wurde mit einem anderen Ziel gegründet als dem, das solchen Institutionen meist zugrundeliegt – nicht zur Entsagung von der Welt, sondern als ein Zentrum und Wirkungsfeld für die Evolution einer anderen Art und Form des Daseins, das letztlich von einem höheren spirituellen Bewusstsein gelenkt und ein größeres Leben des Spirits verkörpern wird. Es gibt keine allgemein gültige Regel dafür, in welchem Stadium man das gewöhnliche Leben verlassen sollte, um hier einzutreten; es hängt in jedem Fall von dem persönlichen Erfordernis jedes einzelnen ab, von seinem Impuls sowie der Möglichkeit und Ratsamkeit, diesen Schritt zu tun.

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Dies ist nicht ein Ashram wie andere – seine Mitglieder sind keine sannyasins, nicht mokṣa ist hier das einzige Ziel des Yoga. Was hier geschieht ist vielmehr die Vorbereitung auf ein Werk – ein Werk, das sich auf yogischem Bewusstsein und der Yoga-Shakti gründen wird und keine andere Grundlage haben kann. Inzwischen aber wird von jedem Mitglied erwartet, dass es eine Arbeit im Ashram aufnimmt und sie als Teil dieser spirituellen Vorbereitung verrichtet.

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Das Problem ist, dass sie anscheinend nur vairāgya für das weltliche Leben empfindet, ohne die Kenntnis dieses Yoga oder einen besonderen Ruf dafür zu haben; doch sind der Yoga und das Leben hier etwas ganz anderes als der übliche Yoga in den üblichen Ashrams. Dies ist nicht ein Leben meditativer Zurückgezogenheit wie anderswo. Zudem können wir von ihr unmöglich etwas verlangen, ohne sie gesehen und aus der Nähe betrachtet zu haben. Wir wollen im Augenblick auch nicht mehr Mitglieder in den Ashram aufnehmen, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen.

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Die “Weihung des Lebens” ist durchaus möglich, ohne dass man hier ist. Es ist eine Frage der inneren Haltung und der völligen Hingabe des Wesens an das Göttliche.

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Wir halten es nicht für ratsam, dass X in diesem Stadium in den Ashram kommt, um hier zu bleiben. Durch den Eintritt in den Ashram hören die Schwierigkeiten nicht auf – man muss ihnen entgegentreten und sie überwinden, wo immer man ist. Für bestimmte Naturen ist ein Aufenthalt im Ashram von Anfang an förderlich – andere müssen sich in der Welt draußen vorbereiten.

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Ich habe deinen Brief gelesen und darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dir die Gelegenheit, um die du bittest, zu geben; du kannst zunächst also zwei oder drei Monate lang im Ashram wohnen, um zu prüfen, ob dies tatsächlich der von dir gesuchte Ort und Weg ist; und auch wir können bei einer näheren Beobachtung deiner spirituellen Möglichkeiten erkennen, auf welche Weise wir dir am besten zu helfen vermögen und ob dieser Yoga für dich geeignet ist.

Diese Probezeit ist aus vielen Gründen erforderlich, besonders aber deshalb, weil es ein schwieriger Yoga ist und nicht viele die Anforderungen tatsächlich erfüllen können, die er an die menschliche Natur stellt. Du schreibst, dass du mich als jemanden betrachtest, der durch die Vervollkommnung des Intellekts seine Spiritualisierung und Vergöttlichung erreichte; in Wirklichkeit aber geschah es durch das vollkommene Schweigen des Mentals, und was immer an Spiritualisierung und Vergöttlichung erreicht wurde, geschah durch die Herabkunft eines höheren überintellektuellen Wissens in dieses Schweigen. Das Buch “Essays on the Gita” wurde in diesem Schweigen des Mentals geschrieben, ohne intellektuelle Bemühung und durch eine freie Tätigkeit dieses Wissens von oben. Das ist deshalb wichtig, da das Prinzip dieses Yoga nicht die Vervollkommnung der menschlichen Natur als solcher ist, sondern eine seelische und spirituelle Umwandlung aller Wesensteile durch die Tätigkeit eines inneren und später eines höheren Bewusstseins, das auf sie einwirkt, ihre alten Bewegungen ausstößt oder sie in das Ebenbild seiner eigenen [Bewegungen] verwandelt und auf diese Weise die niedrigere Natur in die höhere umformt. Es ist nicht so sehr die Vervollkommnung des Intellekts als vielmehr seine Transzendierung, eine Umwandlung des Mentals, die Einsetzung eines umfassenderen und größeren Wissensprinzips – und dies gilt für das ganze übrige Wesen.

Das ist ein langsamer und schwieriger Vorgang; der Weg ist lang, und allein die erforderliche Grundlage zu errichten, ist schon schwer. Die alte, vorhandene Natur widersetzt sich und hemmt, Schwierigkeiten erheben sich, eine nach der anderen, bis sie überwunden sind. Es ist daher notwendig, dass man diesen Pfad mit Sicherheit als denjenigen erkennt, zu dem man gerufen wurde, bevor man sich endgültig entschließt, ihn zu betreten.

Wenn du willst, sind wir bereit, dir die Probezeit zu gewähren, um die du bittest. Nach Erhalt deiner Antwort wird sich die Mutter um die notwendige Vorbereitung für deinen Aufenthalt im Ashram kümmern.

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Eine Abkehr vom gewöhnlichen Leben ist nicht förderlich, solange das Wesen für das volle spirituelle Leben noch nicht bereit ist. Sich trotzdem dafür zu entscheiden bedeutet, einen Kampf zwischen den verschiedenen Wesenselementen heraufzubeschwören und ihn zu einer Intensität zu steigern, die die menschliche Natur nicht mehr zu ertragen vermag. Den vitalen Elementen in dir musst du teils durch Disziplin, teils durch Lebenserfahrung entgegentreten, dabei das spirituelle Ziel im Auge behalten und mit seiner Hilfe versuchen, das Leben immer mehr im Geist des Karmayoga zu führen.

Aus diesem Grund gaben wir unsere Zustimmung zu deiner Heirat.

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Nein, es ist nicht genug, im Ashram zu sein; man muss sich der Mutter öffnen und das Mental ablegen, mit dem man in der Welt spielte.

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Es gibt hier keine formelle Initiation – angenommen zu werden reicht aus; ich nehme aber meist niemanden an, den ich zuvor nicht gesehen habe oder den die Mutter nicht gesehen hat, es sei denn, ein deutliches Zeichen weist auf seine Bestimmung für diesen Yoga hin. Manchmal haben mich jene, die meine Jünger werden wollen, in einem Traum oder einer Vision gesehen.

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Was du sagst, ist richtig. Die Einstellung, dass das Göttliche des Sadhaks bedarf und nicht der Sadhak des Göttlichen, ist vollkommen falsch und absurd. Wenn Menschen hier [im Ashram] angenommen werden, wird ihnen die Chance einer großen Göttlichen Gnade gegeben und Instrument eines großen Werkes zu sein. Es ist höchst arrogant und unlogisch anzunehmen, das Göttliche kann nicht ohne die Hilfe dieser oder jener Person seine Arbeit verrichten. Erinnere dich des ṛte'pi tvām in der Gita, “auch ohne dich” kann die Arbeit geschehen, und an das nimittamātraṃ bhava [“werde nur zur Gelegenheit”, Gita 11.33].

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Ich habe nicht praṇām usw. gemeint, das einen lebendigen Wert besitzt, sondern die alten Formen [der Riten], die ohne Sinn fortbestehen – zum Beispiel śrāddha für die Toten. Ich meinte vor allem Formen, die ohne Beziehung zu diesem Yoga sind, wenn sich zum Beispiel die Christen an christliche Formen klammern oder die Mohammedaner an das Namaz oder die Hindus an das sandhyāvandana [das Morgen-, Mittag– und Abendgebet eines Brahmanen], werden sie bald erkennen, dass diese entweder abfallen oder ein Hindernis für die freie Entwicklung ihrer Sadhana darstellen.

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II. Die Arbeit im Ashram

Dein Brief zeigt, dass du dir eine falsche Vorstellung von der Arbeit gemacht hast. Die Arbeit im Ashram ist weder als ein Dienst an der Menschheit gedacht noch für den Teil von ihr, der aus den Sadhaks dieses Ashrams besteht. Sie ist auch nicht als Gelegenheit für ein frohes Gemeinschaftsleben gedacht oder für den Austausch von Gefühlen und Bindungen oder den Ausdruck vitaler Bewegungen unter den Sadhaks, gleichsam als ein freier, vitaler Verkehr mit einigen von ihnen oder allen. Die Arbeit war vielmehr als Dienst am Göttlichen gedacht, als ein Übungsfeld für das innere Sich-Öffnen gegenüber dem Göttlichen, für die Hingabe allein an das Göttliche, für die Zurückweisung des Egos und all der gewöhnlichen vitalen Bewegungen und um sich in einer seelischen Erhebung zu schulen sowie in Selbstlosigkeit, Gehorsam, in der Zurückweisung aller Selbstanmaßung der begrenzten Persönlichkeit, sei sie mental, vital oder sonstwie. Selbstbestätigung ist hier nicht das Ziel, ebensowenig die Formung eines kollektiven vitalen Egos. Das Ziel des Karmayoga ist das Aufgehen des kleinen Egos in der Einung mit dem Göttlichen, die Läuterung, die Hingabe, die Ersetzung der eigenen unwissenden Selbstführung, die sich auf persönliche Gefühle und Ideen stützt, durch die Führung des Göttlichen sowie die Unterordnung des eigenen Willens gegenüber dem Göttlichen Willen.

Wenn man sich menschlichen Wesen nahe fühlt und dem Göttlichen fern, wenn man das Göttliche durch den Dienst an den Menschen und durch ihre Liebe sucht und nicht durch den unmittelbaren Dienst am Göttlichen und die unmittelbare Liebe zum Göttlichen, dann folgt man einem falschen Prinzip – denn das ist das Prinzip des mentalen, vitalen und moralischen, nicht aber des spirituellen Lebens.

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(“Die Liebe des Göttlichen in allen Wesen und das immerwährende Wahrnehmen und Annehmen seines Wirkens in allen Dingen.”) Das ist soweit in Ordnung für den gewöhnlichen Karmayoga, der auf die Einung mit dem Kosmischen Spirit hinzielt und beim Obermental haltmacht; hier dagegen hat eine bestimmte Arbeit zu geschehen, muss eine neue Verwirklichung für die Erde und nicht nur für uns erlangt werden. Es ist notwendig, von der übrigen Welt Abstand zu halten, um sich vom gewöhnlichen Bewusstsein abzusondern und damit ein neues Bewusstsein herabzubringen.

Nicht dass die Liebe zu allen kein Teil der Sadhana wäre, doch darf sie nicht derart ausarten, dass jeder mit jedem Umgang pflegt, sie sollte sich vielmehr in einem allgemeinen und, wenn nötig, dynamischen universalen Wohlwollen ausdrücken; im übrigen aber muss sie sich Luft schaffen in dieser Arbeit des Herabbringens des höheren Bewusstseins mit seiner ganzen Auswirkung für die Erde. Was das Annehmen des Göttlichen Wirkens in allen Dingen anbelangt, so ist das auch hier [in diesem Yoga] notwendig, und zwar in dem Sinn, dass man selbst hinter unseren Kämpfen und Schwierigkeiten das Göttliche erkennt, die Natur des Menschen aber und die Welt, wie sie ist, nicht hinnimmt – unser Ziel ist vielmehr, sich auf ein göttlicheres Wirken hin zu bewegen, das alles Gegenwärtige durch eine größere und glücklichere Manifestation ersetzen wird. Auch das ist ein Werk göttlicher Liebe.

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Wenn wir nach unserer Auffassung das gewöhnliche Leben als Maya bezeichnen, dann nicht in dem Sinne, dass es eine Illusion sei, denn es existiert und ist durchaus real, sondern dass es aus Unwissenheit besteht, etwas, das vom spirituellen Standpunkt aus gesehen auf Falschheit grόndet1. Daher ist es logisch, es zu meiden, oder besser gesagt, wir sind gezwungen, eine gewisse Verbindung damit aufrechtzuerhalten, müssen aber diese weitgehend verringern, es sei denn, dass sie für unser Ziel nützlich ist. Wir müssen das Leben von der Falschheit in die spirituelle Wahrheit, von einem Leben der Unwissenheit in ein Leben spirituellen Wissens wenden. Solange wir aber hierin für uns selbst noch nicht erfolgreich waren, ist es besser, sich vom Leben der Unwissenheit in der Welt fernzuhalten – andernfalls würde unser kleines, langsam wachsendes Licht wahrscheinlich in den Meeren der Finsternis, die es umgeben, verlöschen. Die Bemühung, so wie sie ist, ist schwierig genug – sie wäre zehnmal so schwer, wenn wir uns nicht isolieren würden.

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Die Arbeit hier ist natürlich nicht das gleiche wie die Arbeit in der Welt. Die Arbeit dort ist in keiner Weise eine göttliche Arbeit – es ist die gewöhnliche Arbeit der Welt. Und dennoch muss man sie als ein Training betrachten und im Geist des Karmayoga verrichten – was dabei zählt, ist nicht so sehr die Natur der Arbeit an sich, sondern die Einstellung, in der sie verrichtet wird. Sie hat im Geist der Gita zu geschehen, ohne Begehren, losgelöst, ohne Widerwillen, doch in größtmöglicher Vollkommenheit, nicht der Familie, der Beförderung oder des Vorgesetzten wegen, sondern einfach weil sie einem zur Verrichtung übergeben ist. Sie ist ein Bereich inneren Trainings, nichts anderes. In ihm hat man all die Dinge wie Gleichmut, Wunschlosigkeit und Weihung zu lernen. Was dem Göttlichen geweiht werden muss, ist nicht die Arbeit als eine Sache um ihrer selbst willen, sondern ihre Verrichtung und die Art ihrer Verrichtung. Bei dieser Einstellung spielt es keine Rolle, welche Art von Arbeit es ist. Wenn man sich auf diese Weise spirituell schult, wird man fähig werden, jede spezielle Arbeit, die einem jeden Tag gegeben werden kann (wie die Ashram-Arbeit), auf die wahre Weise und unmittelbar für das Göttliche zu tun.

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Das Leben hier ist offensichtlich nicht der Ort, wo Mental und Vital darauf hoffen können, Befriedigung und Erfüllung zu finden oder ein lebensvolles Leben zu führen. Erst wenn man innerlich zu leben vermag, wird es einen befriedigen – und hat man einmal ein gefestigtes inneres Leben erreicht, dann gibt es auch keine Langeweile mehr. Die innere Verwirklichung muss das erste Ziel sein. Das Ergebnis, das folgen kann, ist die Arbeit für das Göttliche auf der Grundlage des wahren inneren Selbstes und eines neuen Bewusstseins – und nicht auf der Grundlage des alten. Bis dahin können Arbeit und Leben lediglich Hilfsmittel der Sadhana sein, nicht aber der “Selbst-Erfüllung” oder einem blendenden und interessanten vitalen Leben in der alten Form dienen.

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Hier gibt es nichts, was der menschlich-vitalen Natur dient; die Arbeit ist gering, still, von der äußeren Welt und ihren Umständen abgeschlossen, und hat nur einen Wert als Feld spiritueller Selbstkultur. Wenn man einzig vom spirituellen Motiv beherrscht wird und das spirituelle Bewusstsein erlangt hat, kann man Freude und Interesse an dieser Arbeit finden. Oder, wenn der Arbeitende trotz seiner menschlichen Unzulänglichkeiten hauptsächlich auf den spirituellen Fortschritt und die spirituelle Selbst-Vervollkommnung ausgerichtet ist, dann kann er ebenfalls Interesse an der Arbeit finden und sowohl ihre Nützlichkeit für die Entdeckung und Läuterung seiner egoistischen mentalen, vitalen und physischen Natur spüren, als auch an ihr als Dienst am Göttlichen Freude haben.

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Es ist ganz und gar nicht eine Frage der Nützlichkeit – obwohl deine Arbeit, wenn du dich ihr widmest, durchaus nützlich ist. Arbeit ist ein Teil der Sadhana, und in der Sadhana erhebt sich die Frage der Nützlichkeit nicht – das ist ein äußeres, praktisches Maß der Dinge; doch selbst im äußeren, gewöhnlichen Leben ist Nützlichkeit nicht das einzige Maß. Die Frage ist, ob das Streben nach dem Göttlichen dein zentrales Lebensziel, dein inneres Bedürfnis ist oder nicht. Die Sadhana für einen selbst ist etwas anderes – man kann sie aufnehmen oder nicht. Die wahre Sadhana ist für das Göttliche – sie ist ein Erfordernis der Seele und kann nicht aufgegeben werden, auch wenn man in Augenblicken der Verzagtheit denkt, man könne es tun.

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Die Arbeit hier soll nicht dazu dienen, die eigenen Fähigkeiten sichtbar zu machen oder eine Position zu erlangen oder der Mutter physisch nahe sein zu können, sondern als Wirkungsbereich und Gelegenheit für den Karmayoga, der Teil des Integralen Yoga ist; ihr Zweck ist zu lernen, sie im wahren yogischen Bewusstsein zu verrichten und sich durch Dienen zu weihen, Selbstlosigkeit, Gehorsam, Genauigkeit und Disziplin zu üben, das Göttliche und die Göttliche Arbeit voran– und sich selbst hintanzustellen, und Harmonie, Geduld und Ausdauer walten zu lassen. Wenn die Arbeitenden diese Dinge einmal erfasst und aufgehört haben, egozentrisch zu sein, wie es die meisten von euch sind, dann wird auch die Zeit für eine Arbeit kommen, in der Fähigkeiten tatsächlich sichtbar gemacht werden können, obwohl selbst dann dieses Sichtbarmachen von Fähigkeiten nur ein Nebenumstand sein wird und niemals die hauptsächliche Überlegung für die göttliche Arbeit oder ihr Ziel sein kann.

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Es besteht nicht die Notwendigkeit, dass jeder ein Künstler oder Schriftsteller wird oder eine Arbeit von öffentlichem Charakter verrichtet. X und Y haben ihre eigenen Fähigkeiten, und für den Augenblick reicht es aus, wenn sie sich darin üben, für die Arbeit der Mutter nützlich zu sein. Andere haben große Fähigkeiten und sind damit zufrieden, sie in der kleinen und unauffälligen Arbeit des Ashrams zu gebrauchen, ohne mit etwas Großem vor die Öffentlichkeit zu treten. Das Wichtigste ist jetzt, das wahre Bewusstsein von oben zu empfangen, sich vom Ego zu befreien (was bislang noch niemand getan hat) und zu lernen, ein Instrument der Göttlichen Kraft zu sein. Erst dann kann die Manifestation stattfinden und nicht vorher.

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Das, was man Politik nennt, ist zu rajasisch, verdorben und mit allen Arten von egoistischen Motiven vermengt. Unser Weg besteht in dem Druck des Spirits auf das Erdbewusstsein, damit es sich ändere.

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Nein, Politik wird niemandem als Arbeit gegeben. Die Menschen beschäftigen sich aus vitalem Interesse oder aus Gewohnheit weiterhin damit und wollen sie nicht aufgeben – es ist wie die vitale Gewohnheit des Teetrinkens oder etwas Ähnliches. Politik erhält man hier nicht nur nicht als Arbeit, sondern auch das Diskutieren über Politik wird weitestgehend eingeschränkt.

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Ganz sicher aber ist Politik nicht die einzig mögliche Beschäftigung für das Vital – es gibt hundert andere. Wann immer etwas hergestellt, geschaffen, organisiert, erworben und erobert werden muss, ist das Vital unerlässlich.

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Ich habe es mir zur Regel gemacht, nichts über Politik zu schreiben. Auch die Frage, welche Aufgabe man in einer gesetzgebenden Körperschaft übernehmen soll, hängt von den Umständen und den praktischen Erfordernissen, der Situation ab. In einer solchen Körperschaft hat die Arbeit keinen spirituellen Charakter. Mit dem spirituellen Bewusstsein im Hintergrund kann jede Art von Arbeit verrichtet werden – tatsächlich muss man sich, außer man ist sehr weit fortgeschritten, von den Erfordernissen der Arbeit selbst und ihrer spezifischen Eigenart leiten lassen. Da du dich dieser Partei angeschlossen hast, musst du ihr Programm zu dem deinen machen und dich ihm mit aller dir zur Verfügung stehenden Gewissenhaftigkeit, Fähigkeit und Selbstlosigkeit widmen. Es ist gut, dass du wie versprochen keine Funktion übernimmst. In jedem Fall sollte ein Sadhak, der sich der Politik zuwendet, nicht für sich, sondern für sein Land arbeiten. Wenn er eine Funktion übernimmt, dann nur, wenn er dadurch etwas für sein Vaterland tun kann, und erst, wenn er seinen Charakter, seine Befähigung und Eignung für die Position geprüft hat. Du solltest dich auf einem hohen Niveau bewegen, das dir die Achtung sogar des Gegners einträgt und deine Nominierung durch die Wähler rechtfertigt.

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Was die Propaganda anbelangt, so habe ich erkannt, dass sie ohne jeden Wert für uns ist – wenn überhaupt eine Wirkung erzielt wird, ist sie von nur sehr oberflächlicher und dürftiger Art und lohnt die Mühe nicht. Wenn die Wahrheit sich ausbreiten soll, wird sie es aus eigener Kraft tun; diese Dinge sind unnötig.

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“Berühmt” oder “unbekannt” ist vom spirituellen Standpunkt aus betrachtet ohne jede Bedeutung. Das ist nur der Propaganda-Geist. Wir sind keine Partei oder Kirche oder Religion, die Anhänger oder Konvertiten sucht. Ein Mensch, der ernsthaft den Yoga ausübt, ist mehr wert als tausend berühmte Leute.

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Furcht zu haben bei solchen Erfahrungen, ist etwas, wovon man sich befreien muss; wenn Gefahr besteht, reicht ein Ruf an die Mutter aus, tatsächlich aber gibt es keine Gefahr, denn der Schutz ist immer vorhanden.

Es ist wahr, dass die meisten Menschen hier die Eigenart haben, den auswärtigen Besuchern nachzulaufen, besonders wenn sie berühmt oder vornehm sind. Es ist dies eine allgemeine Schwäche in der menschlichen Natur, und die Sadhaks scheinen nicht den Wunsch zu haben, sie – wie auch andere Schwächen – loszuwerden. Der Grund dafür ist der, dass sie nicht genügend im Inneren leben und das Vital sich erregt oder angezogen fühlt, wenn etwas Wichtiges oder jemand Wichtiger von außerhalb kommt.

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Was X oder andere sagen oder denken, ist im Grunde nicht sehr wichtig, da wir für unsere Arbeit nicht von ihnen, sondern allein vom Göttlichen Willen abhängen. Viele Leute von außerhalb haben alle möglichen Dinge über oder gegen uns gesagt, die weder uns noch unsere Arbeit im geringsten beeinträchtigten – es hat fast keine Bedeutung.

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III. Die Sadhaks des Ashrams

Es ist notwendig oder ziemlich unvermeidlich, dass in einem Ashram, der – wie X es ausdrückt – ein Laboratorium für einen spirituellen und supramentalen Yoga ist, die Menschheit auf verschiedene Weise vertreten sein sollte. Denn die Umwandlung hat sich mit allen Arten von günstigen und ungünstigen Elementen auseinanderzusetzen, wobei in ein und demselben Menschen eine Mischung von beiden zu finden ist. Wenn nur sattvische und kultivierte Leute zum Yoga kämen, Menschen ohne viele vitale Schwierigkeiten in sich, könnten unsere Bemühungen leicht fehlschlagen, da der Widerstand des vitalen Elementes in der Erdnatur nicht besiegt und überwunden würde. Es wäre unter bestimmten Umständen denkbar, dass eine obermentale Schicht das Mental, Vital und Physische überlagert und beeinflusst, aber kaum etwas Supramentales und somit keine höhere Wandlung des menschlichen Wesens stattfindet. Die Bewohner des Ashrams kommen von überall her und sind von ganz unterschiedlicher Art – das ist anders gar nicht möglich.

Im Laufe des Yoga erheben sich in dem Maße, wie jede Ebene kollektiv erfasst wird, alle Schwierigkeiten – wenn auch nicht für jeden gleichermaßen. Das erklärt vieles im Ashram, was die Menschen dort nicht erwarten. Wenn die Vorarbeit im “Laboratorium” beendet ist, müssen sich die Dinge ändern.

Auf menschliche Kameradschaft der üblichen Art unter den Bewohnern [des Ashrams] wird wenig Wert gelegt (obwohl Sympathie, Rücksichtnahme und Höflichkeit immer vorhanden sein sollten), da dies nicht das Ziel ist; das Ziel ist das Einssein in einem neuen Bewusstsein, und das Wichtigste für jeden ist, seine Sadhana zu tun, dieses neue Bewusstsein zu erlangen und darin das Einssein zu verwirklichen.

Alle Fehler in den Sadhaks müssen durch das Licht von oben ausgemerzt werden – eine sattvische Regel hingegen kann nur jene Naturen ändern, die für eine sattvische Regel empfänglich sind.

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Wenn sein Glaube auf der Vollkommenheit der Sadhaks beruht, ist er vermutlich eine ziemlich wacklige Angelegenheit! Von Sadhaks und Sadhikas wird nicht erwartet, vollkommen zu sein. Nur von siddhas kann man Vollkommenheit fordern, und selbst dann nicht nach mentalen Maßstäben. Sein Glaube scheint von mehr mentaler als anderer Natur zu sein, und mentaler Glaube kann leicht erschüttert werden.

Um oft für sich allein sein zu können, braucht man eine gewisse Kraft inneren Lebens. Es ist vielleicht besser, Einsamkeit mit etwas Gegenteiligem abzuwechseln. Doch alles hat seine Vor– und Nachteile, und nur durch Wachsamkeit und die Bewahrung eines inneren Gleichgewichts kann man die Nachteile vermeiden.

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In diesem Yoga ist das allgemeine Prinzip des Selbstgebens und Selbstweihens für alle gleich, doch schlägt jeder hierfür seinen eigenen Weg ein. Der von X gewählte Weg ist gut für X, genauso, wie der von dir eingeschlagene Weg für dich der richtige ist, da er mit deiner Natur übereinstimmt. Wenn es nicht diese Plastizität und Vielfalt gäbe, wenn man alle in die gleiche Schablone pressen würde, wäre der Yoga ein starrer, mentaler Mechanismus und keine lebendige Kraft.

Wenn du aus deinem inneren Bewusstsein heraus zu singen vermagst, in dem du fühlst, dass die Mutter all deine Tätigkeiten lenkt, besteht kein Grund, warum du es nicht tun solltest. Die Entwicklung von Fähigkeiten ist nicht nur erlaubt, sondern richtig, wenn sie zu einem Teil des Yoga gemacht werden kann; nicht nur die eigene Seele, sondern auch all seine Fähigkeiten kann man dem Göttlichen darbringen.

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Von einer höheren spirituellen Warte aus ist es etwas schwierig, deine Frage so zu beantworten, wie du es erwartest, wie jedes mentale Wesen es erwartet, nämlich mit einem energischen “du sollst” oder “du sollst nicht”, besonders dann, wenn mit dem “du” “alle” gemeint sein sollen. Denn obwohl es eine Identität des eigentlichen Zieles und allgemeine, klare Richtlinien des Bestrebens gibt, bestehen dennoch für die inneren Dinge im einzelnen keine allgemeinen Regeln, die für alle Suchenden gleichermaßen anwendbar wären. Du fragst: “Ist nicht dieses oder jenes schädlich?” Doch was für den einen schädlich ist, mag für den anderen hilfreich sein, was in einem bestimmten Stadium hilfreich ist, mag es in einem anderen Stadium nicht mehr sein, was unter bestimmten Voraussetzungen schädlich ist, mag unter anderen förderlich sein, was man in einer bestimmten Einstellung tut, kann verhängnisvoll sein, und die gleiche Sache in einer anderen Einstellung verrichtet, kann harmlos oder sogar segensreich sein... Man muss viele Dinge in Betracht ziehen, die Umstände, die Person, das Erfordernis und die Veranlagung der Natur und das Entwicklungsstadium. Deshalb wird oft gesagt, dass der Guru jeden einzelnen Schüler seiner besonderen Natur gemäß behandeln und entsprechend seine Sadhana lenken muss; selbst wenn es eine gleiche Richtlinie der Sadhana für alle gäbe, würde sie sich doch für jeden an jedem einzelnen Punkt unterscheiden. Daher sagen wir auch, dass der göttliche Weg vom Mental nicht verstanden werden kann, weil das Mental nach harten und voreiligen Regeln und Normen arbeitet, während der Spirit die Wahrheit von allem und jedem sieht und gemäß der ihm eigenen weiten und komplexen Schau wirkt. Und deshalb wird weiterhin gesagt, dass niemand mit Hilfe seines persönlichen mentalen Urteils das Tun der Mutter und seine Gründe verstehen kann; es kann erst dann verstanden werden, wenn man in ein größeres Bewusstsein eintritt, von dem aus sie die Dinge sieht und auf sie einwirkt. Für das Mental ist das verwirrend, da es kleine Maßstäbe gebraucht, doch ist es die Wahrheit der Sache.

Du wirst daher erkennen, dass es hier keine mentale Regel gibt, sondern in jedem Fall spirituelle Gründe mit flexiblem Charakter die Führung bestimmen. Es gibt keine andere Betrachtungsweise, keine Regel. Musik, Malerei, Dichtung und viele andere Tätigkeiten, die aus dem Mental und Vital stammen, können für einen spirituellen Zweck als Teil der spirituellen Entwicklung oder Arbeit aufgenommen werden. Es hängt von der Einstellung ab, in der man sie ausübt.

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Warum sollte die Mutter jeden auf die gleiche Weise behandeln? Sie würde damit etwas höchst Törichtes tun.

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Nicht alles, was ich schreibe, ist für jeden auf die gleiche Weise anwendbar. Das würde voraussetzen, dass alle gleich sind und zwischen zwei Sadhaks kein Unterschied besteht. Wenn es so wäre, würde jeder auf die gleiche Weise vorankommen, die gleiche Zeit benötigen, um durch die gleichen Schritte und Entwicklungsstadien fortzuschreiten. Das ist keineswegs so. In diesem Fall wurden die allgemeinen Regeln für jemanden festgelegt, der nicht weiter gekommen war – doch hängt alles davon ab, auf welche Weise jeder den Yoga aufnimmt.

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Es ist nicht immer ungefährlich, für sich in die Praxis umzusetzen, was für einen anderen festgelegt wurde. Jeder Sadhak ist ein Fall für sich, und eine mentale Regel starr für all jene anzuwenden, die den Yoga ausüben, ist nicht immer oder nur selten möglich. Was ich an X schrieb, war für X bestimmt und für ihn richtig; doch angenommen, es würde sich um einen anderen Sadhak mit einer anderen groben, vitalen Natur handeln, könnte ich zu ihm das anscheinend reine Gegenteil sagen, nämlich: “Sitze fest auf deinen niederen vitalen Neigungen, befreie dich von deiner Gier nach Nahrung, denn sie ist ein ernsthaftes Hindernis auf deinem Weg; es wäre besser für dich, in deinen Gewohnheiten asketisch zu sein, als in diesem Teil gemeinhin tierisch, so wie du es jetzt bist!” Zu jemandem, der im Eifer seines Strebens nicht genügend Nahrung zu sich nimmt oder nicht genügend schläft und ruht, könnte ich dagegen sagen: “Iss mehr, schlafe mehr, ruhe dich besser aus, überanstrenge dich nicht und meide den asketischen Geist in deiner tapasyā.” Zu dem Nächsten mit der gegensätzlichen Übertreibung könnte ich in einer ganz anderen Sprache sprechen. Jeder Sadhak hat seine eigene Natur oder Veranlagung der Natur, und die Yoga-Entwicklungen zweier Sadhaks, selbst wenn sie gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, sind selten genau gleich.

Weiterhin ist es in der Anwendung einer festgelegten Wahrheit notwendig, ihre genaue Bedeutung zu erkennen. Es ist zum Beispiel durchaus richtig, dass “auf unserem Pfad die Haltung nicht die einer gewaltsamen Unterdrückung, nigraha, ist”; auf keinen Fall wird auf ein nicht überzeugtes vitales Wesen ein Zwang entsprechend einer mentalen Regel oder eines mentalen Prinzips ausgeübt. Das bedeutet aber nicht, dass das Vital seinem eigenen Weg oder seiner Laune folgen soll. Nicht Zwang, sondern eine innere Veränderung wird angestrebt, in der das niedrigere Vital von einem höheren Bewusstsein, das von den Zielen des vitalen Begehrens abgelöst ist, geführt, erleuchtet und umgewandelt wird. Um diese Entwicklung zu fördern, muss man eine Haltung einnehmen, in welcher man den Forderungen der niederen vitalen Natur eine immer geringere Bedeutung beimisst, muss eine gewisse Meisterung stattfinden, saṃyama, die über jedem Anspruch dieser Dinge steht und so etwas wie Essen auf den ihm gebührenden Platz verweist. Das niedere Vital hat seinen Wert, es soll nicht zermalmt oder getötet, sondern gewandelt werden; “ergreife beide Enden” – am oberen eine Meisterung und Kontrolle, am unteren die rechte Anwendung. Die Hauptsache ist, sich vom Verhaftetsein und Begehren zu befreien – dann wird auch die völlig richtige Anwendung möglich werden. Durch welche Schritte, in welcher Reihenfolge, durch welche Vorgänge diese Meisterung des niederen Vitals geschehen soll, hängt von der menschlichen Natur und dem Druck der Entwicklung sowie der eigentlichen Yoga-Bewegung ab.

Es ist nicht wichtig, etwas Bestimmtes zu essen oder nicht zu essen; wichtig ist, welche Bedeutung du all dem oder allen diesen Essensfragen beimisst, wie dein innerer Zustand ist und wie jedes derartige Frönen, sei es Kochen oder Essen, seinem Fortschritt oder seiner Wandlung im Weg steht oder nicht, und welche yogische Disziplin für dich die beste ist. Eine Regel aber kann ich für dich festlegen: “Tue, sage oder denke nichts, was du vor der Mutter verbergen möchtest.” Das erklärt auch den Widerstand, der sich in dir dagegen erhoben hat, “diese geringfügigen Dinge” der Mutter vorzutragen. Warum glaubst du, dass die Mutter durch all dies gestört und es als unwichtig ansehen würde? Wenn alles Leben Yoga sein soll, was kann dann geringfügig oder unwichtig genannt werden? Selbst wenn dir die Mutter nicht antwortet, genügt schon die Tatsache, ihr einen Umstand deiner Arbeit und Selbstentwicklung im rechten Geist vorgetragen zu haben, um ihn unter ihren Schutz zu stellen, ihn dem Licht der Wahrheit und den Strahlen ihrer Macht auszusetzen, die für die Umwandlung arbeiten – denn sobald die Mutter davon Kenntnis erhält, beginnen diese Strahlen sofort zu spielen und auf die betreffende Sache einzuwirken. Das, was in deinem Inneren dir rät, etwas nicht zu tun, wenn der Spirit in dir dich dazu bewegen will, es zu tun, kann durchaus ein Trick des Vitals sein, um dem Lichtstrahl und dem Wirken der Kraft aus dem Weg zu gehen.

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Man darf die menschliche Natur nicht wie eine Maschine unter Anwendung starrer mentaler Regeln behandeln – eine große Plastizität ist erforderlich, um mit ihren komplexen Beweggründen umzugehen.

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IV. Regel und Disziplin im Ashram

Auch im gewöhnlichen Dasein müssen Vital und Ego kontrolliert werden – im anderen Fall wäre Leben unmöglich. Selbst viele Tiere, die in Gruppen leben, haben ihre strengen Gesetze, die das Spiel des Egos kontrollieren, und ein Verstoß dagegen wird hart geahndet. Besonders die Europäer haben dies begriffen, und obwohl sie selbst voller Ego sind, verstehen sie es vorzüglich, sobald sich die Frage einer gemeinsamen Arbeit oder eines Zusammenlebens mit anderen ergibt, es im Zaum zu halten – auch wenn es innerlich grollt. Das ist das Geheimnis ihres Erfolges. Im yogischen Leben allerdings ist die Frage nicht so sehr die der Kontrolle des Egos als der Befreiung vom Ego und des Aufsteigens zu einem höheren Lebens-Prinzip, daher wird das Begehren noch viel stärker und nachdrücklicher zurückgewiesen.

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Eine Regel, die von jedermann anders ausgelegt werden kann, ist keine Regel. In allen Ländern, in denen organisierte Arbeit erfolgreich verrichtet wird (Indien ist keines von ihnen ), bestehen Regeln und niemand denkt daran, sie zu brechen, weil man erkannt hat, dass Arbeit (oder auch das Leben) ohne Disziplin bald in Verwirrung und einem chaotischen Misslingen enden würde. In Indiens großen Tagen hatte alles seine Regel, selbst die Kunst und Poesie, selbst der Yoga. In Wirklichkeit aber werden Regeln hier viel weniger starr aufgefasst als in jedem europäischen System. Dagegen misst man dem persönlichen Ermessen, selbst in einem Gefüge von Regeln, ausgiebig Spielraum zu – nur sollte dieses Ermessen richtig angewandt werden, sonst wird daraus etwas Willkürliches oder Chaotisches.

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Der Schutz der Mutter umgibt alle Sadhaks, wenn sie jedoch durch ihre eigene Tat oder Haltung den Schutzkreis verlassen, kann es unerwünschte Folgen zeitigen.

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Disziplin besteht darin, gemäß einem Wahrheitsprinzip zu handeln, entsprechend einer Regel oder einem Gesetz des Tuns (dharma) oder einer übergeordneten Autorität, oder den höchsten Prinzipien, welche die Vernunft und der Verstandeswille entdeckten, zu gehorchen, nicht aber den eigenen Launen und vitalen Impulsen und Begierden. Im Yoga besteht die Grundlage der Disziplin aus Gehorsam gegenüber dem Guru oder dem Göttlichen, sowie gegenüber dem Gesetz der Wahrheit, wie es vom Guru dargelegt wird.

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Du spannst den Karren vor das Pferd. Gehorsam und froh zu sein unter der Bedingung, dass du erhältst, was du willst, ist nicht der richtige Weg. Sei vielmehr immer gehorsam und froh, dann hat das, was du willst, eine Chance, zu dir zu kommen.

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Regeln sind unerlässlich für die ordentliche Verrichtung der Arbeit; denn ohne Ordnung und Einteilung kann nichts auf die richtige Weise geschehen, sondern endet in Konflikt, Verwirrung und Unordnung.

In all diesen Auseinandersetzungen mit anderen solltest du nicht nur deine Seite, sondern auch die Gegenseite sehen. Kein Ärger, keine heftige Erwiderung oder Drohung, denn diese Dinge fachen nur den Zorn und die Entgegnung des anderen an. Ich schreibe dir dies, da du versuchst, dich über dich selbst zu erheben und dein Vital zu beherrschen, und wenn man dies will, kann man in diesen Dingen mit sich selbst nicht streng genug sein. Das Beste ist, seinen eigenen Fehlern gegenüber unnachsichtig und gegenüber den Fehlern der anderen milde zu sein.

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Ja, ganz richtig. Es ist ein Mangel an seelischem Wahrnehmungs– und spirituellem Unterscheidungsvermögen, welcher die Menschen auf diese Weise sprechen und die Wichtigkeit des Gehorsams ignorieren lässt. So argumentiert das Mental, das seiner eigenen Denkweise folgen will, und das Vital, das die Freiheit für seine Begierden sucht. Wenn du nicht den Regeln folgst, die vom spirituellen Lehrer festgelegt sind, oder demjenigen gehorchst, der dich zum Göttlichen führt, wem oder was willst du dann folgen? Vielleicht den Ideen des individuellen Mentals und den Begierden des Vitals? Diese Dinge werden dich aber niemals zur siddhi im Yoga führen. Regeln werden zum Schutz gegen gewisse Einflüsse und ihre Gefahren festgelegt und um die rechte Atmosphäre im Ashram aufrechtzuerhalten, die der spirituellen Entwicklung förderlich ist; Gehorsam ist notwendig, um sich vom eigenen Mental und Vital abzuwenden und zu lernen, der Wahrheit zu folgen.

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Regeln wie diese sind dazu bestimmt, dem Vital und Physischen zu helfen, sich der Disziplin der Sadhana zu fügen und sich nicht in Launen, Impulsen und der Nachgiebigkeit gegenüber sich selbst zu zerstreuen; man sollte sich ihnen aber auf eine einfache Art und Weise unterordnen, nicht mit dem Gefühl der Überlegenheit oder des asketischen Stolzes, sondern als etwas ganz Natürliches. Es ist richtig, sie können in große mentale Starrheit ausarten – so als ob sie in sich Dinge von höchster Wichtigkeit und nicht nur Hilfsmittel wären. Doch am rechten Ort und im rechten Geist angewandt, können sie für ihren Zweck sehr nützlich sein.

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Meist wollen die Menschen, dass die Dinge nach ihrem Wunsch ohne Prüfung oder Begutachtung geschehen sollen. Das Gerede von der Vollkommenheit ist Humbug. Vollkommenheit besteht nicht daraus, dass jeder sich selbst Gesetz ist. Vollkommenheit erlangt man durch die Zurückweisung der Wünsche und die Unterwerfung einem höheren Willen gegenüber.

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Wenn ich Dinge sagen würde, welche die menschliche Natur einfach und natürlich findet, dann wäre das für die Sadhaks sicherlich sehr bequem, doch würde das spirituelle Ziel oder Bestreben zu kurz kommen. Spirituelle Ziele und Methoden aber sind nicht einfach oder natürlich (wie zum Beispiel Streit, Sex, Wohlleben oder Gier, Faulheit und das Hinnehmen aller Schwächen einfach und natürlich sind); von denen, die meine Jünger werden wollen, wird erwartet, dass sie spirituellen Zielen und Bemühungen folgen, wie hart und die gewöhnliche Natur überschreitend sie auch sein mögen, und nicht Dingen, die einfach und natürlich sind.

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In der Welt draußen gibt es die mentale und gesellschaftliche Kontrolle und in anderen Dingen die Verdrängung. Hier bist du mit deinem Bewusstsein allein und musst die mentale und äußere Kontrolle durch eine innere Selbstkontrolle des Spirits ersetzen.

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Es ist keine Frage von Schuld oder Bestrafung – wenn wir die Menschen ihrer Fehler wegen verdammen und bestrafen und mit den Sadhaks wie bei einem Gerichtstribunal verfahren mussten, wäre keine Sadhana möglich. Ich verstehe nicht, wie du deinen Vorwurf gegen uns rechtfertigen willst. Unsere einzige Pflicht besteht darin, die Sadhaks zu ihrer spirituellen Verwirklichung zu führen – wir können nicht wie ein Familienoberhaupt häuslichen Streit schlichten, und dabei den einen unterstützen und den anderen belasten. Wie oft X auch straucheln mag, wir haben ihn bei der Hand zu nehmen, ihn wieder aufzurichten und ihn dazu zu bewegen, sich wieder dem Göttlichen zuzuwenden. Das gleiche haben wir immer mit dir getan. Wir konnten aber keine deiner Forderungen an ihn unterstützen, sondern haben es immer als eine Sache zwischen ihm und dem Göttlichen betrachtet. Worauf wir bei dir bestanden haben war, die vitale Beziehung zu ihm völlig abzubrechen und nichts mehr darauf aufzubauen – und das mit deiner vollen Zustimmung und deiner Bitte an uns, dir dabei zu helfen. Nun aber schreibst du, dass du uns für immer verlassen willst, weil wir das nicht gebilligt hätten, war du zu Y gesagt hast, was immer es auch war.

Ich muss dich darum bitten, dich auf dein besseres Selbst und dein wahres Bewusstsein zu besinnen und diese Stimmungen vitaler Leidenschaft, die deiner Seele nicht würdig sind, zurückzuweisen. Du hast wiederholt von deiner Liebe zur Mutter geschrieben, von dem ānanda und den spirituellen Erfahrungen, die du von ihr empfingst. Erinnere dich all dessen und besinne dich darauf, dass dies dein wahrer Weg, dein wahres Wesen ist und nichts anderes zählt! Gewinne dein Gleichgewicht zurück und werfe die niedere Natur mit ihrer Dunkelheit und Unwissenheit ab!

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V. Die Rückkehr in das Welt-Leben

Von niemandem wird verlangt hier zu bleiben, wenn es sein Wille oder Entschluss ist fortzugehen – obzwar die Grundregel des spirituellen Lebens sich gegen jede Rückkehr zum Alten wendet, auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit ist, besonders wenn das tiefere Drängen und das Streben nach einem fest fundierten neuen Bewusstsein vorhanden ist; denn die Rückkehr zur gewöhnlichen Atmosphäre, Umgebung und zu den gewöhnlichen Beweggründen stört die Arbeit und hemmt den Fortschritt.

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Wenn zwischen dem inneren und dem äußeren Wesen ein derart scharfer Zwiespalt besteht, hat immer der Sadhak selbst seine Wahl zu treffen. Was die Rückkehr [in den Ashram] anbelangt, so gibt es viele, die fortgegangen und wieder zurückgekommen sind, andere hinwiederum kamen nicht mehr – denn wenn man den Ashram verläßt, besteht immer die Gefahr, dass man in einen Kräftestrom gerät, der eine Rückkehr unmöglich macht. Welche Entscheidung du auch immer triffst, sie sollte eindeutig und gut überlegt sein; andernfalls könnte es sein, dass du von hier fortgehst, und sobald du draußen bist, wieder zurückkommen möchtest und nachdem du erneut hier bist, wieder gehen willst – das wäre unzulässig.

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Es versteht sich von selbst, dass unsere Erlaubnis, den Ashram zu verlassen, die Möglichkeit nicht ausschließt, dass dieses Experiment ein schlechtes Ende nimmt. Es wird aber unumgänglich, wenn der Sog des Egos oder äußeren Wesens und der [Gegensog] der Seele für eine andere Lösung zu heftig wurden oder wenn das äußere Wesen darauf besteht, seine Erfahrung zu haben.

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Das Experiment (den Ashram zu verlassen) wird besonders dann unvermeidlich, wenn das äußere Wesen die Wahrheit zurückweist und darauf besteht, sein eigenes Leben zu führen, und wenn es die Regel des spirituellen Lebens nicht anerkennt. Ich habe niemals gesagt, dass es zu empfehlen ist.

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In einigen ist der Drang, den Ashram zu verlassen, zu groß – sie müssen daher gehen und selbst weitersehen. Das heißt aber nicht, dass jeder gehen soll, wann immer er auf eine Schwierigkeit stößt. Dies sind Ausnahmefälle.

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Der Sieg über die hartnäckigeren Teile deiner Natur ist nicht so unmöglich wie du glaubst: Das einzig Erforderliche ist die Ausdauer, durchzuhalten bis der Widerstand zusammenbricht und die Seele – die weder abwesend noch unmanifestiert ist – die anderen Wesensteile zu beherrschen vermag. Das hat zu geschehen, ob du hier bleibst oder nicht; wenn du aber gehst, vergrößerst du vermutlich die Schwierigkeit nur und gefährdest das endgültige Ergebnis – es wird dir nicht helfen. Hier hingegen hat der Kampf durch die unmittelbare Gegenwart der Mutter die beste Chance und Gewähr für eine Lösung und ein siegreiches Ende.

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Meist geschieht es auf diese Weise – wenn man aus der Welt kommt, versuchen die Kräfte, die die Welt regieren, dich in ihre eigene unruhige Bewegung zurückzuziehen.

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Es ist recht eigenartig. Die meisten Menschen können, nachdem sie die Atmosphäre hier erlebt haben, die gewöhnliche Atmosphäre draußen nicht mehr ertragen. Wenn sie hinausgehen, finden sie keine Ruhe mehr, bis sie zurückgekehrt sind. Xs Tante, die nur einige Monate hier war, schreibt das gleiche. Wenn aber Menschen wie X oder Y unter die Herrschaft der Falschheit geraten, werden sie in die ungeläuterte vitale Natur projiziert und empfinden den Unterschied in der Atmosphäre nicht mehr.

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Jeder Yoga ist schwierig, da jeder Yoga die Erreichung des Göttlichen, die gänzliche Hinwendung zum Göttlichen zum Ziel hat, was die Abkehr von den gewöhnlichen Bewegungen der menschlichen Natur bedeutet und die Hinwendung zu etwas, was darüber hinausreicht. Doch wenn man in voller Wahrhaftigkeit strebt, wird einem die Stärke gegeben, und zuletzt überwindet man die Schwierigkeiten und erreicht das Ziel.

Die Mutter sprach von Sadhaks, die in das Leben und die Atmosphäre des Ashrams eingetreten sind und die Anrührung ihrer Seele hier fühlten. Es betrifft nicht jene, die aus dem Leben der Welt draußen kamen und immer noch mit ihm verbunden sind. Xs Natur war noch ganz und gar mit dem äußeren Leben verhaftet; ihr Vital hatte sich dem Ashram-Leben nicht angepasst und schreckte vor der Vorstellung zurück, es immer leben zu müssen. Sie ließ ihrer Seele keine Zeit, die Verbindung herzustellen und jenen Einfluss aufzunehmen, der in ihr das Gefühl hätte erstehen lassen, dass der Ashram ihre eigentliche Heimat ist. Es gibt Menschen, die auf diese Weise zu uns kommen, eine Zeitlang hier bleiben und uns ohne jede Schwierigkeit wieder verlassen, wie es schon viele getan haben. Andererseits ist die Empfindung, dass es schwerfällt zu gehen oder man sich unbehaglich fühlt, ein Zeichen, dass die Seele hier Wurzeln geschlagen hat und es ihr weh tut, sich loszureißen. Es gibt einige, denen es so erging und die weggehen mussten, darüber aber nie froh wurden und immer überlegen, auf welche Weise sie baldigst zurückkommen könnten.

Ohne Egoismus oder Verhaftetsein anderen zu helfen oder die spirituelle Umgebung und das spirituelle Leben zu verlassen, ist die eine Sache – vom persönlichen Verhaftetsein oder dem Bedürfnis, anderen zu helfen, in die Welt hinausgezogen zu werden, ist eine andere.

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Die Unfähigkeit, den Ashram zu verlassen, kann von der Seele herrühren, die, wenn sie diesen Punkt erreicht hat, nicht zulassen wird, dass sich die anderen Wesensteile von der Stelle rühren; sie kann aber auch vom Vital kommen, welches sich vom gewöhnlichen Leben nicht mehr angezogen fühlt und weiß, dass es dort niemals Befriedigung findet. Das betrifft meist die höheren Teile des Vitals. Das, was sich nach außen wenden will, ist vermutlich das physische Vital, in dem die alten Neigungen noch nicht erloschen sind.

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Du solltest fähig sein zu erkennen, dass die Ursache der Unrast in dir selbst und nicht in den äußeren Umständen liegt. Es ist dein vitales Verhaftetsein mit der Familie und den gewöhnlichen gesellschaftlichen Ideen und Gefühlen, das sich in dir erhoben hat und Schwierigkeiten schafft. Wenn du den Yoga ausüben willst, musst du, solange du draußen in der Welt bist, fähig sein dort zu leben mit einem Mental, das auf das Göttliche gerichtet und von der Umgebung unbeeinflusst ist. Einer, der hierzu in der Lage ist, kann den Menschen um sich herum hundertmal mehr helfen als einer, der an die Welt gebunden und mit ihr verhaftet ist.

Es ist der Mutter nicht möglich, dir zu sagen, dass du bleiben sollst, solange dein Mental und Vital danach verlangen zu gehen. Aus dir selbst muss auf die eine oder andere Weise die klare Entscheidung kommen.

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Es ist leichter, die Göttliche Gegenwart in der Atmosphäre des Ashrams zu spüren als außerhalb. Dies aber ist nur eine anfängliche Schwierigkeit, die man durch einen stetigen Ruf und ein fortwährendes Sich-Öffnen gegenüber dem [Göttlichen] Einfluss überwinden kann.

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Die Kraft ist in der Atmosphäre, doch du musst sie auf die rechte Weise empfangen – im Geist des Selbst-Gebens, Sich-Öffnens, Vertrauens. Alles übrige beruht darauf.

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Es ist wahr, dass von hier eine starke Kraft ausgeht, die im Zentrum natürlich am stärksten ist. Doch hängt ihre Wirkung davon ab, wie man sie empfängt. Wenn sie mit einfachem Vertrauen empfangen wird, mit Glauben, Offenheit und Zuversicht, wirkt sie als vollkommener Schutz. Sie kann auf die gleiche Weise aber auch aus der Entfernung wirken. Es ist nicht der Wohnort, sondern die innere Nähe, die von Bedeutung ist.

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VI. Sadhana im Leben der Welt

Der beste Weg, sich für das spirituelle Leben vorzubereiten, solange man noch einer gewöhnlichen Arbeit in einer gewöhnlichen Umgebung nachgeht, besteht darin, vollkommenen Gleichmut, eine [innere] Loslösung und den samatā der Gita zu entwickeln, ferner den Glauben zu haben, dass das Göttliche hier ist, dass der Göttliche Wille in allen Dingen wirkt, wenn auch gegenwärtig noch unter den Bedingungen einer Welt der Unwissenheit. Jenseits davon sind das Licht und der ānanda, auf die das Leben hinarbeitet; der beste Weg aber, um ihre Ankunft und Errichtung im einzelnen Wesen und der einzelnen Natur zu beschleunigen, besteht darin, in diesen spirituellen Gleichmut hineinzuwachsen. Das würde auch deine Schwierigkeiten mit unangenehmen und unerwünschten Dingen lösen. Allem Unangenehmen sollte man in diesem Geist der samatā begegnen.

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Man kann sich im gewöhnlichen Leben nicht so wie in einem Ashram verhalten – man hat mit den Menschen zu verkehren und wenigstens äußerlich die üblichen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Wichtig dabei ist, das innere Bewusstsein für das Göttliche offen zu halten und in ihm zu wachsen. In dem Maße wie man dies tut, wird sich mehr oder weniger schnell, entsprechend der inneren Intensität der Sadhana, die Haltung anderen gegenüber verändern. Alles wird mehr und mehr im Göttlichen gesehen, und die Gefühle, das Handeln usw. werden immer weniger durch die vergangenen Reaktionen, sondern mehr und mehr durch das wachsende Bewusstsein in dir bestimmt.

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Die Schwierigkeit von seiten der Verwandten und anderen ist das übliche Hindernis, wenn man die Sadhana in gewöhnlicher oder ungünstiger Umgebung ausüben muss. Dem kann man nur entgehen, indem man lernt, in sich zu leben, in seinem inneren Wesen – und das wird dann möglich, wenn die Offenheit und das Licht, wovon du in deinem Brief sprichst, sich mehren und ganz normal werden; denn nun nimmst du ständig dein inneres Wesen wahr, du lebst sogar in ihm, und das äußere wird zu einem Instrument, zu einem Hilfsmittel für die Verbindung mit der äußeren Welt und das Handeln in ihr. Dann ist es möglich, Beziehungen, die frei von Bindung und Reaktion sind: mit den Menschen in der Welt herzustellen und von innen die eigene Reaktion oder Nicht-Reaktion zu bestimmen; es findet eine grundlegende Befreiung von den äußeren Verknüpfungen statt – natürlich nur, wenn man es will.

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Das Leben des samsara ist seinem Wesen nach ein Feld der Unrast – um es auf die rechte Weise durchschreiten zu können, muss man sein Leben und seine Taten dem Göttlichen darbringen und um den Frieden des Göttlichen im Inneren bitten. Wenn das Mental ruhig wird, kann man fühlen, wie die Göttliche Mutter das Leben stützt und alles in ihre Hände nimmt.

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Frieden im Leben der Welt zu erlangen, ist niemals einfach und von Dauer, außer man lebt tief innerlich und erträgt die äußeren Tätigkeiten nur an der Oberfläche des Wesens.

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Um bei ihrer derzeitigen Verfassung die Sadhana aufnehmen zu können, bietet sich als einziger Weg der, sich immer des Göttlichen zu erinnern, die Schwierigkeiten als zu bestehende Prüfungen hinzunehmen, fortwährend zu beten und die Göttliche Hilfe, den Göttlichen Schutz zu suchen sowie um das Sich-Öffnen ihres Herzens gegenüber der stützenden Göttlichen Gegenwart zu bitten.

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Die Mutter kann nicht versprechen, dir in weltlichen Dingen zu helfen. Sie greift nur in besonderen Fällen ein. Es gibt natürlich einige, die durch ihr Offensein und ihren Glauben die Hilfe der Mutter in jeder weltlichen Schwierigkeit und Sorge erhalten, aber das ist etwas anderes. Sie denken einfach an die Mutter und rufen sie, und im rechten Augenblick zeigt sich das Ergebnis.

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Die Neigung, von der du sprichst, die Familie und das gesellschaftliche Leben um eines spirituellen Lebens willen zu verlassen, ist seit mehr als 2000 Jahren in Indien zur Tradition geworden – meist bei Männern; Frauen werden davon nur in kleiner Zahl berührt. Es darf nicht vergessen werden, dass das indische Gesellschaftsleben den einzelnen fast völlig der Familie unterordnete. Männer und Frauen heiraten nicht in freier Entscheidung, sondern ihre Heiraten werden meist schon im Kindesalter für sie vereinbart. Nicht nur das, sondern es war typisch für die Gesellschaft, jedem Individuum mit beinahe eiserner Starrheit seinen Platz zuzuordnen und von ihm zu erwarten, dass es sich fügt. Du sprichst von Auswegen und einer mutigen Lösung, doch gibt es in diesem Leben weder Probleme noch Auswege noch den Ruf nach einer Lösung – eine mutige Lösung ist nur dort möglich, wo es die Freiheit des persönlichen Willens gibt. Wo aber die einzige Lösung, sofern man dieses Leben beibehält, darin besteht, sich der Familie unterzuordnen, gibt es nichts dieser Art. Es ist ein sicheres Leben und kann sogar glücklich sein, wenn man sich ihm anpasst oder keine ungewöhnlichen, darüber hinausreichenden Bestrebungen hat und in diesem Milieu zufrieden ist; doch bietet es keine Abhilfe und keinen Ausweg für Zwiespalt oder jede Art von individueller Frustration und lässt für Initiativen, für eine freie Bewegung oder für Individualismus nur wenig Raum. Der einzige Ausweg des Individuums ist sein inneres, spirituelles oder religiöses Leben, und ein anerkannter Fluchtweg ist die Abkehr vom saṃsāra, dem Familienleben, durch eine Art von sannyāsa. Der sannyāsi, der vishnuitische vairāgī oder der brahmacārī sind frei; für die Familie sind sie gestorben und können nun dem Gebot des inneren Spirits folgen. Nur wenn sie in einen Orden oder in einen Ashram eintreten, müssen sie sich den entsprechenden Regeln fügen, doch ist das ihre Entscheidung. Dieser Fluchtweg aus der Gesellschaft wurde von ihr respektiert; und die Religion billigte die Idee, dass die Abneigung gegen das Leben der Gemeinschaft oder der Welt ein rechtmäßiger Grund dafür sei, das Leben eines Einsiedlers oder religiösen Wanderers aufzunehmen. Das betraf aber hauptsächlich Männer; für Frauen gab es, außer in alten Zeiten bei den Buddhisten, als sie ihre Klöster hatten, und später unter den Vaishnavas, wenig Gelegenheit für eine solche Flucht, außer sie wurden von einem starken spirituellen Impuls getrieben, der sich über jedes Verbot hinwegsetzte. Was die zurückgelassene Frau und die Kinder des sannyāsi betraf, so gab es wenig Schwierigkeiten, denn die Großfamilie nahm sie auf und kümmerte sich um ihre Erhaltung.

Gegenwärtig besteht noch das alte Gefüge, doch kam mit den modernen Ideen ein Zustand der Nicht-Anpassungsfähigkeit und Unrast auf. Das alte Familiensystem bricht auseinander, und die Frauen suchen nun in größerer Zahl die gleiche Freiheit des Entkommens, wie sie die Männer schon in der Vergangenheit immer hatten. Das würde die von dir angeführten Beispiele erklären, ich glaube aber nicht, dass die Zahl dieser Beispiele bislang sehr groß sein kann, da es sich um ein ziemlich neues Phänomen handelt; die Zulassung von Frauen in einem Ashram ist an sich etwas Ungewöhnliches. Diese neue Entwicklung hat ihre Ursache in dem großen Elend eines mentalen und vitalen Wachsens, das sich in die Umwelt nicht einfügen kann, in den auferlegten, unpassenden Heiraten, in: denen nichts Gemeinsames zwischen Mann und Frau besteht, und in der feindlichen und intoleranten Haltung der Umwelt gegenüber dem inneren Leben des einzelnen; auf der anderen Seite aber in der angeborenen Neigung des indischen Mentals, sich in einen spirituellen oder religiösen Ausweg zu flüchten. Wenn die Gesellschaft dies verhindern will, muss sie sich selbst ändern. Was den einzelnen anbelangt, so muss jeder Fall nach seinen eigenen Werten beurteilt werden; das Problem ist zu komplex, und die Verschiedenheit in der Natur, des Ausgangspunktes und der Beweggründe ist für eine allgemeine Regel zu groß.

Ich habe das gesellschaftliche Problem nur allgemein behandelt. Im Ashram gingen viele Anträge [zur Aufnahme] ein, die ganz offensichtlich von der Abneigung diktiert wurden, den Schwierigkeiten und Verantwortlichkeiten des Lebens zu begegnen – natürlich wurden sie von uns nicht beachtet oder abgelehnt; sie kamen aber meist von Männern; erst neuerdings waren ein oder zwei Fälle von Frauen darunter. Sonst haben Frauen meist nicht aufgrund einer unglücklichen Heirat oder schwieriger Lebensbedingungen um Aufnahme gebeten. Viele der verheirateten Sadhikas folgten ihrem Mann oder begleiteten ihn deshalb, weil sie den Yoga bereits aufgenommen hatten; andere kamen hierher, nachdem sie zur Genüge die Verpflichtungen eines Ehelebens erfüllt hatten; in zwei oder drei Fällen fand eine Trennung von ihrem Gatten statt, bevor sie hierher kamen. In einigen Fällen waren keine Kinder vorhanden, in anderen blieben die Kinder bei der Familie. All dies fällt nicht unter die von dir erwähnte Kategorie. Einige der Sadhaks haben Frau und Familie zurückgelassen, doch glaube ich nicht, dass in irgendeinem Fall die Schwierigkeiten des Lebens der Beweggrund für ihre Abkehr vom Leben waren. Es war vielmehr deshalb, weil sie glaubten, einen Ruf zu fühlen und alles verlassen zu müssen, um ihm zu folgen.

 

1 Die Unwissenheit und aus ihr hervorgehend die Falschheit sind die beiden Begriffe, die von Sri Aurobindo als kennzeichnend für das Weltbewusstsein verwendet werden. Er beschreibt die Unwissenheit als einen Schleier, der Mental, Körper und Leben von ihrem Ursprung und der Realität, dem Sachchidananda-Bewusstsein oder Wahrheits-Bewusstsein, trennt. Die Falschheit wird als eine asurische Macht beschrieben, die sich in ständigem Aufruhr gegen die Wahrheit befindet, welche sie zu ergreifen und zu entstellen sucht. Anmerkung des Übersetzers.

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