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Sri Aurobindo

Briefe όber den Yoga

Band 2

MENSCHLICHE BEZIEHUNGEN IM YOGA

I. Liebe, Freundschaft und Wohlwollen

II. Der Umgang mit anderen

III. Der Wunsch zu helfen

IV. Vitaler Austausch

I. Liebe, Freundschaft und Wohlwollen

Du scheinst das Prinzip dieses Yoga nicht verstanden zu haben. Der alte Yoga forderte eine vollkommene Entsagung, die bis zur Aufgabe des weltlichen Lebens reichte. Dieser Yoga hat stattdessen ein neues und umgewandeltes Leben zum Ziel. Er besteht aber ebenso unerbittlich auf einem vollkommenen Ablegen von Begehren und Verhaftetsein im Mental, Leben und Körper. Sein Ziel ist, das Leben in der Wahrheit des Spirits neu zu gründen und zu diesem Zweck den Ursprung all dessen, was wir sind und tun, vom Mental, Leben und Körper in ein größeres Bewusstsein über dem Mental zu verlegen. Das bedeutet, dass in dem neuen Leben alle menschlichen Beziehungen auf einer spirituellen Vertrautheit gründen müssen und auf einer ganz anderen Wahrheit als jener, die unsere gegenwärtigen Verbindungen stützt. Wenn der höhere Ruf ergeht, muss man bereit sein, all das zurückzuweisen, was man als natürliche Neigungen bezeichnet. Wenn sie dennoch beibehalten werden, kann es nur in einer veränderten Form sein, durch die sie insgesamt umgewandelt werden. Ob sie aber zurückgewiesen oder beibehalten und verändert werden sollen, darf nicht durch das persönliche Begehren, sondern muss durch die Wahrheit über uns entschieden werden. Alles muss dem Höchsten Meister des Yoga hingegeben werden.

Die Macht, die in diesem Yoga wirkt, ist von kompromissloser Art und duldet am Ende nichts Großes und nichts Kleines, wenn es der Wahrheit und ihrer Verwirklichung im Wege steht.

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Persönliche Beziehungen gehören nicht zu diesem Yoga. Erst wenn man die Einung mit dem Göttlichen erlangt hat, kann man eine wahre spirituelle Beziehung zu anderen aufnehmen.

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Die Meinung, dass sich alle Sadhaks aus dem Wege gehen und miteinander auf Kriegsfuß stehen müssten, ist eine vorgefasste Meinung, die aufzugeben ist. Harmonie und nicht Hader ist das Gesetz yogischen Lebens. Diese vorgefasste Meinung hat möglicherweise ihre Ursache in der alten Auffassung von nirvāṇa als dem Ziel; nirvāṇa aber ist nicht das Ziel in diesem Yoga. Das Ziel hier ist vielmehr die Erfüllung des Göttlichen im Leben, und hierfür sind Eintracht und Solidarität unerlässlich.

Das Ideal dieses Yoga ist, dass alles im Göttlichen und um das Göttliche zentriert sein sollte; auf dieser festen Grundlage muss sich das Leben der Sadhaks aufbauen, und auch in ihren persönlichen Beziehungen sollte das Göttliche im Mittelpunkt stehen. Außerdem sollten alle Beziehungen von der vitalen zur spirituellen Ebene verlagert werden, wobei die vitale Ebene der spirituellen nur als Form und Instrument dienen kann; das bedeutet, dass aus allen Beziehungen der Sadhaks untereinander Eifersucht, Hass, Kampf, Abneigung, Bitterkeit und andere böse vitale Gefühle aufgegeben werden sollten, da sie nichts mit dem spirituellen Leben zu tun haben. Ebenso hat jede egoistische Liebe und Anhänglichkeit zu verschwinden – jene Liebe, die nur um des Egos willen liebt und zu lieben aufhört und sogar Groll und Hass nährt; sobald das Ego verletzt oder unbefriedigt ist. Die Liebe muss von einer echten, lebendigen und bleibenden Eintracht getragen werden. Es versteht sich von selbst, dass Dinge wie sexuelle Unreinheit ebenfalls verschwinden müssen.

Das ist das Ideal – der Weg zu seiner Erreichung mag für verschiedene Menschen verschieden sein. Eine Möglichkeit ist, alles zurückzulassen und allein dem Göttlichen zu folgen. Das bedeutet aber nicht eine Abneigung gegen irgend jemand, ebensowenig wie gegen das Leben und die Welt. Es bedeutet, allein auf das zentrale Ziel ausgerichtet zu sein, wobei man weiß, dass, nachdem es einmal erreicht ist, es ein leichtes sein wird, alle Beziehungen auf der wahren Grundlage aufzubauen und mit anderen im Herzen, Spirit und Leben wahrhaft geeint zu sein – geeint in der spirituellen Wahrheit und im Göttlichen. Ein anderer Weg ist, von dort aus, wo man gerade steht, weiterzugehen, ausschließlich das Göttliche zu suchen und alles übrige dem unterzuordnen, also nicht alles übrige abzulegen, sondern langsam und fortschreitend zu versuchen, das umzuwandeln, was einer Umwandlung fähig ist. Alle die Dinge, die in der [menschlichen] Beziehung unerwünscht sind – sexuelle Unreinheit, Eifersucht, Ärger, egoistische Forderung –, fallen in dem Maße ab, wie das innere. Wesen reiner wird und diese Dinge ersetzt werden durch das Einssein zweier Seelen und den Zusammenschluss des Lebens mit anderen durch das Band des Göttlichen.

Man kann mit Menschen von außerhalb des Ashrams, die dem Kreis der Sadhaks nicht angehören, Beziehungen aufrecht erhalten; doch auch hier muss das spirituelle Leben, wenn es innerlich wächst, notwendigerweise die Beziehung beeinflussen und spiritualisieren. Eine Bindung, die eine persönliche Beziehung zu einem Hemmnis oder Rivalen für das Göttliche machen würde, darf nicht bestehen. Häufig ist die Bindung an die Familie von dieser Art, und wenn das der Fall ist, muss der Sadhak sie aufgeben – eine Forderung, die, wie ich meine, nicht unangemessen ist. All dies aber kann nach und nach geschehen. Ein Sich-Loslösen von allen bestehenden Beziehungen ist für manche notwendig, nicht aber für alle. Eine Umwandlung, wie langsam auch immer, ist unerlässlich – Loslösung, wo Loslösung das richtige ist.

PS. Ich möchte wiederholen, dass jeder Fall anders liegt –eine Regel für alle ist weder praktisch noch praktikabel. Jedem das, was er für seinen spirituellen Fortschritt braucht – das ist das eine Erfordernis, das wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen.

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Mangel an Liebe und Zusammengehörigkeitsgefühl ist nicht notwendig, um dem Göttlichen nahe zu sein; im Gegenteil, die Empfindung der Nähe zu anderen und des Einsseins mit anderen ist ein Teil des Göttlichen Bewusstseins, in das der Sadhak durch die Nähe zum Göttlichen und das Gefühl des Einsseins mit dem Göttlichen eintritt. Des Mayavadins [ein Anhänger der Lehre, dass die Welt Illusion sei] höchstes Ziel ist es hingegen, alle menschlichen Beziehungen zurückzuweisen, und in einem asketischen Yoga würde das völlige Fehlen aller Beziehungen der Freundschaft und Zuneigung, der Bindung an die Welt und ihre lebenden Geschöpfe als ein vielversprechendes Zeichen des Fortschritts auf die Befreiung, mokṣa, hin angesehen werden; doch ist vermutlich selbst dort das Gefühl des Einsseins und nichtverhafteten spirituellen Wohlwollens für alle Wesen ein zumindest vorletztes Stadium, ähnlich dem Mitleid des Buddhisten vor der endgültigen Hinwendung zu mokṣa und nirvāṇa. In unserem Yoga ist das Gefühl der Einheit mit anderen, der Liebe, der universalen Freude und des ānanda ein wesentlicher Teil jener Befreiung und Vollendung, die das Ziel der Sadhana sind.

Auf der anderen Seite aber haben Dinge wie die menschliche Gesellschaft, die Freundschaft, die Liebe und Zuneigung und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Regel – nicht völlig oder in allen Fällen – eine vitale Grundlage und werden zentral vom Ego beherrscht. Die Menschen lieben meist aus Freude daran, geliebt zu werden, aus Freude, ihr Ego durch Kontakt oder gegenseitige geistige Erfahrung zu vergrößern, und aus Freude am vitalen Austausch, der ihre Persönlichkeit stärkt – es gibt auch andere, noch selbstsüchtigere Motive, die sich mit dieser essentiellen Bewegung mischen. Natürlich gibt es auch höhere spirituelle, seelische, mentale und vitale Elemente, die hinzukommen oder hinzukommen können, die ganze Sache aber ist sehr vermischt, selbst in ihrer besten Form. In einem bestimmten Stadium verlieren daher – mit oder ohne ersichtlichen Grund – die Welt, das Leben, die menschliche Gesellschaft und menschliche Beziehung sowie die Philanthropie (die so egozentrisch wie alles übrige ist) ihren Reiz. Manchmal gibt es dafür einen scheinbaren Grund – eine Enttäuschung des Oberflächenvitals über die Abkehr von anderen Menschen, die Erkenntnis, dass jene, die man gern hat, oder die Menschen im allgemeinen nicht so sind, wie man dachte, und eine Unmenge anderer Gründe; häufig jedoch ist der Grund in der geheimen Enttäuschung eines inneren Wesensteils zu suchen – die gar nicht oder nicht gut auf das Mental übertragen wurde –, der von diesen Dingen etwas erwartete, was sie nicht geben können. Dies trifft für viele zu, die sich dem spirituellen Leben zuwenden oder in es hineingedrängt werden. Bei manchen nimmt es die Form einer vairāgya an, die sie zu asketischer Gleichgültigkeit führt und den Anstoß für die Befreiung gibt. Wir hingegen erachten es als notwendig, dass dieses ganze Gemisch verschwindet und das Bewusstsein auf einer reineren Ebene gefestigt wird (nicht mir spirituell und seelisch, sondern ein reineres und höheres mentales, vitales und physisches Bewusstsein), auf der es dieses Durcheinander nicht gibt. Dort würde man den wahren ānanda des Einsseins, der Liebe, der Zuneigung und der Zusammengehörigkeit fühlen, der in seinem Grunde spirituell und selbstbestehend ist, sich aber durch die anderen Teile der menschlichen Natur ausdrückt. Wenn dies geschehen soll, muss ganz offensichtlich eine Wandlung stattfinden; die alten Formen dieser Bewegungen [Liebe, Zuneigung, Zusammengehörigkeitsgefühl] müssen abfallen und einem neuen und höheren Selbst Platz machen, damit es die ihm eigene Art des Ausdrucks und der Verwirklichung seiner selbst und des Göttlichen durch diese Dinge offenbaren kann – das ist die innere Wahrheit der Sache.

Ich nehme daher an, dass der Zustand, den du beschreibst, eine Periode des Übergangs und der Veränderung ist, negativ zu Beginn, wie es diese Bewegungen häufig zuerst sind, um für das neue Positive einen freien Raum zu schaffen, damit es erscheinen und darin leben und ihn erfüllen kann. Das Vital aber, das keine lang andauernde oder auch nur annähernd ausreichende oder vollständige Erfahrung dessen hat, was die Leere ausfüllen soll, empfindet nur den Verlust und bedauert ihn, während ein anderer Teil des Wesens, ja sogar ein anderer Teil des Vitals bereit ist, das, was geht, ziehen zu lassen und nicht zurückzuhalten. Wenn es diese Bewegung des Vitals nicht gäbe (das in deinem Fall sehr stark und weit und lebensgierig ist), würde das Verschwinden dieser Dinge, zumindest nach dem ersten Gefühl der Leere, lediglich ein Gefühl des Friedens, der Erleichterung und einer ruhigen Erwartung von etwas Größerem verursachen. Das, was vor allem diese Leere ausfüllen soll, wurde in dem Frieden und der Freude angedeutet, die wie die Anrührung Shivas zu dir kamen – das wird natürlich nicht alles sein, es ist nur ein Anfang, eine Grundlage für ein neues Selbst, ein neues Bewusstsein, eine Aktivität von größerer Art; eine tiefe spirituelle Ruhe, ein tiefer spiritueller Friede sind – wie ich dir sagte – die einzig stabile Grundlage für eine beständige bhakti und einen immerwährenden ānanda. In diesem neuen Bewusstsein würde es auch eine neue Grundlage für die Beziehungen zu anderen geben, denn asketische Dürre oder isolierte Einsamkeit kann nicht dein spirituelles Schicksal sein, da es mit deinem svabhāva nicht übereinstimmt, welches für Freude, Weite und Ausdehnung geschaffen ist, für eine umfassende Bewegung der Lebenskraft. Lass dich daher nicht entmutigen – warte auf die läuternde Bewegung Shivas.

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Ich habe immer gesagt, dass das Vital für die göttliche oder spirituelle Arbeit unerlässlich ist – ohne es kann es keinen vollständigen Ausdruck, keine Verwirklichung im Leben und kaum eine Verwirklichung in der Sadhana geben. Wenn ich von dem vitalen Gemisch, den Behinderungen oder dem Aufbegehren des Vitals spreche, so meine ich das ungeläuterte äußere Vital, voller Begehren, Ego und niederer Leidenschaften. Das gleiche könnte man gegen das Mental und Physische vorbringen, wenn sie hemmen oder widerstreben; doch gerade weil das Vital so machtvoll und unerlässlich ist, ist seine Behinderung, sein Widerstreben oder sein Verweigern der Zusammenarbeit von größter Auswirkung und sein falsches Gemisch für die Sadhana besonders gefährlich. Aus diesem Grund habe ich immer die Gefahren des ungeläuterten Vitals hervorgehoben und das Erfordernis der Läuterung und Meisterung betont; doch nicht deshalb, weil ich wie die sannyasins der Ansicht bin, dass das Vital und seine Lebenskraft zu verdammen und ihrer eigentlichen Natur nach zurückzuweisen wären.

Zuneigung, Liebe, Zärtlichkeit sind ihrem Wesen nach seelisch – sie treten im Vital in Erscheinung, weil die Seele versucht, sich durch das Vital auszudrücken. Die Seele drückt sich am leichtesten durch das emotionale Wesen aus, denn sie befindet sich unmittelbar dahinter im Herzzentrum. Sie will aber, dass diese Dinge rein sind. Sie lehnt zwar den äußeren Ausdruck durch das Vital und Physische nicht ab, doch empfindet sie natürlich, da das seelische Wesen die Form der Seele ist, die Anziehung von Seele zu Seele und die Vereinigung von Seele mit Seele als die beständigsten und konkretesten Dinge. Mental, Vital und Körper sind Mittel des Ausdrucks, und zwar sehr kostbare Mittel des Ausdrucks; aber das innere Leben ist für die Seele das wichtigste, die tiefste Wirklichkeit, und jene [Mental, Vital und Körper] müssen sich ihr unterordnen und von ihr abhängig sein – als ihr Ausdruck, ihre Instrumente, ihr Kanal. Ich glaube nicht, dass in meiner Betonung der inneren Dinge, der Seele und des Spirituellen, etwas Neues, Seltsames oder Unverständliches liegt. Diesen Dingen wurde immer Wichtigkeit beigemessen, und je mehr das menschliche Wesen entwickelt ist, desto mehr gewinnen sie an Bedeutung. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Yoga ohne diese besondere Betonung des inneren Lebens, der Seele und des Spirits möglich sein soll. Auch die Meisterung des Vitals, seine Unterordnung und Abhängigkeit gegenüber dem Spirituellen und der Seele sind nichts Neues, Fremdartiges oder Ungewöhnliches. In jeder Art von spirituellem Leben wurde darauf bestanden, und selbst Yogasysteme, die das Vital durchaus zu benutzen suchten, wie bestimmte Formen des Vishnuismus, forderten seine Läuterung und gänzliche Darbringung an das Göttliche. Jede Verwirklichung des Göttlichen ist eine innere Verwirklichung, und hier bringt sich die Seele durch das emotionale Wesen als Instrument dar. Die Seele oder das seelische Wesen ist nichts Unbekanntes oder Unbegreifliches.

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Menschliche Zuneigung ist offensichtlich deshalb unzuverlässig, da sie so sehr auf Selbstsucht und Begehren beruht; sie ist eine Ego-Flamme, manchmal trübe und verschleiert, manchmal in klaren und lichteren Farben brennend – manchmal tamasisch und auf Instinkt und Gewohnheit gründend, manchmal rajasisch, genährt durch Leidenschaft oder den Schrei nach vitalem Austausch, manchmal etwas mehr sattvisch in dem Versuch, selbstlos zu sein oder sich so vorzukommen. Grundlegend aber hängt sie von einem persönlichen Erfordernis oder einer Erwiderung innerer oder äußerer Art ab, und wenn das Erfordernis nicht befriedigt wird oder die Erwiderung nachlässt oder verweigert wird, schwächt sie sich meist ab oder geht zu Ende oder besteht lediglich als ein laues, gestörtes Überbleibsel einer Gewohnheit aus der Vergangenheit fort, oder aber sie wendet sich zur Befriedigung jemandem anderen zu. Je intensiver sie ist, desto mehr neigt sie dazu, durch Wirrnis, Zusammenstöße, Streit und egoistische Störungen aller Art sowie durch Selbstsucht, übermäßige Anforderungen, sogar durch Wut– oder Hassausbrüche und Trennung beunruhigt zu werden. Nicht dass diese Zuneigungen nicht andauern können – tamasische, instinktive Zuneigungen dauern aus Gewohnheit an, trotz allem, was die Betreffenden trennt, wie zum Beispiel gewisse familiäre Zuneigungen; rajasische Zuneigungen können manchmal trotz aller Störungen, Gegensätzlichkeiten und ungestümer Ausbrüche andauern, weil man ein vitales Verlangen nach dem anderen hat und sich deshalb an ihn klammert oder weil beide Beteiligten dieses Verlangen haben und sich fortwährend trennen, um zueinander zurückzukehren, und zurückkehren, um sich wieder zu trennen – vom Streit zur Versöhnung übergehend und von der Versöhnung zum Streit; sattvische Zuneigungen dauern aus Pflichtgefühl gegenüber einem Ideal oder aufgrund einer anderen Unterstützung oft sehr lange an, obwohl sie dabei ihre Heftigkeit, Intensität oder Klarheit einbüßen können. Wahre Zuverlässigkeit aber ist nur dann vorhanden, wenn das seelische Element in den menschlichen Zuneigungen so stark wird, dass es dem übrigen Farbe verleiht oder es beherrscht. Aus diesem Grund ist Freundschaft die dauerhafteste der menschlichen Zuneigungen – oder besser gesagt, kann es sein –, da sich hier das Vital weniger einmischt; und wenngleich auch sie eine Ego-Flamme ist, kann sie ein ruhiges und reines Feuer sein, das immer Wärme und Licht spendet. Nichtsdestoweniger ist eine verlässliche Freundschaft in der Regel nur einigen wenigen vergönnt; eine Schar liebender, selbstloser, treuer Freunde zu haben, ist ein derartig seltenes Phänomen, dass man es getrost in den Bereich der Illusion verweisen darf... In jedem Fall aber hat die menschliche Zuneigung, was immer auch ihr Wert ist, ihren Platz, da durch sie das seelische Wesen die emotionale Erfahrung erhält, deren es bedarf, bis es bereit ist, das Wahre dem Scheinbaren vorzuziehen, das Vollkommene dem Unvollkommenen, das Göttliche dem Menschlichen. Genau wie das Bewusstsein sich zu einer höheren Ebene erheben muss, müssen sich auch die Bewegungen des Herzens zu dieser höheren Ebene erheben und ihre Grundlage und ihren Charakter ändern. Yoga ist die Gründung des gesamten Lebens und Bewusstseins im Göttlichen; daher müssen auch Liebe und Zuneigung im Göttlichen wurzeln und auf einem spirituellen Einssein im Göttlichen beruhen. Der gerade Weg zu dieser Veränderung besteht darin, zuerst das Göttliche zu erreichen und andere Dinge beiseite zu lassen oder ausschließlich das Göttliche zu suchen. Das bedeutet, nicht verhaftet zu sein – es braucht aber nicht zu bedeuten, Zuneigung in Abneigung oder kühle Gleichgültigkeit zu verwandeln. X scheint seine vitalen Emotionen, so wie sie sind, mit zum Göttlichen nehmen zu wollen; lass es ihn versuchen und belästige ihn nicht mit Kritik und Predigten; wenn es nicht möglich ist, wird er es selbst herausfinden müssen.

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Nicht deine Natur oder dein schlechtes Geschick ist die Ursache dafür, dass dein Vital die Befriedigung, die es von der Beziehung zu anderen erhofft, nicht finden kann. Solche Beziehungen können niemals voll und dauernd befriedigen; wenn dies möglich wäre, gäbe es keinen Grund dafür, warum das menschliche Wesen jemals das Göttliche suchen sollte. Es würde zufrieden im gewöhnlichen Erdenleben ausharren. Erst wenn das Göttliche gefunden und das [gewöhnliche] Bewusstsein in das wahre Bewusstsein erhoben ist, können wahre Beziehungen mit anderen Menschen hergestellt werden.

Wenn ich sagte, dass es nichts schaden würde, meinte ich, dass es besser sei, der Mutter zu sagen, was dich drückt, statt es in dir herumzuwälzen. Wenn es aber einmal gesagt ist, sollte es aus dem Mental verschwinden und dieses seine Ruhe wiedergewinnen.

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Diese Bewegungen gehören zur unwissenden vitalen Natur des Menschen. Die Liebe, die menschliche Wesen zueinander empfinden, ist meist eine egoistische, vitale Liebe, und Bewegungen wie Forderung, Begehren, Eifersucht, abhimāna [verletzter Stolz], Ärger usw. sind ihre üblichen Begleiterscheinungen. Im Yoga haben sie keinen Platz, ebensowenig wie in der wahren Liebe, die von seelischer oder göttlicher Natur ist. Im Yoga sollte alle Liebe dem Göttlichen zugewandt sein, den menschlichen oder anderen Wesen aber lediglich als den Gefäßen des Göttlichen – abhimāna und all das übrige sollten von ihr ausgeschlossen sein.

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All das ist natürlich nicht Liebe, sondern Selbst-Liebe. Eifersucht ist nichts als eine hässliche Form der Selbstliebe. Die Menschen verstehen das nicht und glauben sogar, dass Forderungen, Eifersucht und verletzte Eitelkeit Zeichen der Liebe oder zumindest ihre natürlichen Begleiterscheinungen sind.

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Die Bewegung des höheren Vitals ist verfeinerter und weiter als die des gewöhnlichen Vitals. Sie misst der Emotion mehr Gewicht bei als der Erregung und dem Begehren, ist aber nicht frei von Forderung und dem Verlangen nach Besitz.

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[Persönliche] Beziehungen, die der gewöhnlichen vitalen Natur im menschlichen Leben angehören, haben im spirituellen Leben keinen Wert – sie beeinträchtigen vielmehr den Fortschritt, denn auch Mental und Vital sollten gänzlich dem Göttlichen zugewandt sein. Überdies ist es das Ziel der Sadhana, in ein spirituelles Bewusstsein einzutreten und alles auf einer neuen spirituellen Grundlage zu errichten, was aber nur dann geschehen kann, wenn man die vollkommene Einheit mit dem Göttlichen erreicht hat. Bis dahin sollte man ein ruhiges Wohlwollen für alle Wesen empfinden; vitale Beziehungen aber sind nicht förderlich, denn sie halten das Bewusstsein auf einer vitalen Basis und verhindern seinen Aufstieg zu einer höheren Ebene.

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Was die Frage einer dich ergänzenden Seele und einer Heirat anbelangt, so ist die Antwort leicht zu geben; dein Weg spirituellen Lebens liegt in der einen Richtung, die Heirat aber liegt in einer ganz anderen und entgegengesetzten Richtung. Das ganze Gerede über eine dich ergänzende Seele ist eine Verschleierung, mit deren Hilfe das Mental versucht, die sentimentalen, sinnlichen und physischen Wünsche der niederen vitalen Natur zu verdecken. Diese vitale Natur in dir ist es, die die Frage stellt und gern eine Antwort hätte, die ihre Begierden und Forderungen mit dem Ruf der wahren Seele in dir in Einklang bringt. Von meiner Seite aber darf sie sich die Zustimmung zu einem derartig widerspruchsvollen Ausgleich nicht erhoffen. Der Weg des supramentalen Yoga ist klar, und er führt nicht über ein Zugeständnis an diese Dinge, in deinem Fall über die Befriedigung – möglichst unter einem spirituellen Deckmantel – des Verlangens nach den Bequemlichkeiten und Freuden eines häuslichen und ehelichen Lebens und über den Genuss der gewöhnlichen, emotionalen Begierden und physischen Leidenschaften, sondern über die Läuterung und Umwandlung jener Kräfte, die diese Bewegungen entstellen und missbrauchen. Nicht diese menschlichen und tierischen Forderungen, sondern der göttliche ānanda, der darüber und jenseits von ihnen ist und dessen Herabkunft durch die Hingabe an diese entstellten Formen verhindert würde, ist die große Sache, auf die das Streben des vitalen Wesens im Sadhak ausgerichtet sein sollte.

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Menschlich-vitaler Austausch kann keine wahre Stütze für die Sadhana sein, sondern wird sie im Gegenteil bestimmt schädigen und entstellen, da er zu einer Selbsttäuschung im Bewusstsein und zu einer falschen Ausrichtung des emotionalen Wesens und der vitalen Natur führt.

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Was du über die Familienbande schreibst, ist durchaus richtig. Durch sie entsteht ein unnötiger Austausch, und sie stehen der vollkommenen Hinwendung zum Göttlichen im Weg. Die menschlichen Beziehungen sollten, nachdem man den Yoga aufgenommen hat, weniger auf einem physischen Ursprung oder den Gewohnheiten des physischen Bewusstseins beruhen, sondern mehr und mehr auf der Grundlage der Sadhana – es sollten Beziehungen von Sadhak zu Sadhak sein, und zu anderen Menschen als Seelen, die den gleichen Weg gehen, oder als Kinder der Mutter, und nicht die üblichen Beziehungen mit dem alten Standpunkt.

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Wenn man in das spirituelle Leben eintritt, fallen die Familienbande, die zum gewöhnlichen Leben gehören, ab, und man wird vergangenen Dingen gegenüber gleichgültig. Diese Gleichgültigkeit ist eine Befreiung und braucht keinerlei Härte zu enthalten. An vergangene physische Zuneigungen gebunden zu bleiben, würde bedeuten, an die gewöhnliche Natur gebunden zu bleiben und den spirituellen Fortschritt zu verhindern.

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Die Bindung an die Eltern gehört der gewöhnlichen physischen Natur an und hat mit Göttlicher Liebe nichts zu tun.

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Die Dankesschuld des Kindes gegenüber seinem Vater ist ein Gesetz der menschlichen Gesellschaft und kein karma-Gesetz. Das Kind hat den Vater nicht darum gebeten, es in die Welt zu setzen, und wenn es der Vater zu seinem Vergnügen tat, ist seine mindeste Pflicht, das Kind aufzuziehen. All dies sind familiäre Beziehungen (es besteht auch keinesfalls eine einseitige Schuld des Kindes gegenüber seinem Vater), doch was auch immer sie sind, sie hören auf zu bestehen, sobald man in das spirituelle Leben eintritt. Denn das spirituelle Leben beruht ganz und gar nicht auf äußeren physischen Beziehungen, sondern man hat es hier ausschließlich mit dem Göttlichen zu tun.

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Das innere Wesen, das dem Göttlichen zugewandt ist, zieht sich natürlich von den alten vitalen Beziehungen, von äußeren Bewegungen und Kontakten zurück, bis es auch in das äußere Wesen ein neues Bewusstsein bringen kann.

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Die Bewegung, von der du sprichst, ist nicht seelisch, sondern emotional. Es ist eine vitale emotionale Kraft, die du hervorbringst und verschwendest. Sie [diese Bewegung] ist auch deshalb schädlich, weil du auf der einen Seite versuchst, eine vergangene vitale Beziehung oder Verbindung zu diesen Menschen zurückzuweisen, durch diese Bewegung aber auf andere Weise wieder eine vitale Beziehung zu ihnen herstellst. Wenn schon in deiner ersten Bewegung etwas Falsches war, so ist dies bestimmt ein ganz falscher Weg, den Schaden wieder gutzumachen.

Natürlich wäre eine Zurückweisung ohne jedes heftige Gefühl gegenüber irgend jemand besser, denn Heftigkeit ist das Zeichen einer gewissen Schwäche im Vital, die überwunden werden muss – aus keinem anderen Grund sonst. Die Zurückweisung sollte ruhig, fest, selbstsicher und entschlossen sein, dann ist sie durchgreifend und wirksam.

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In dem Maße wie die Liebe zum Göttlichen wächst, hören die anderen Dinge auf, das Mental zu beunruhigen.

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Wenn die Liebe zum Göttlichen von einem Wesensteil Besitz ergreift, beeinflusst sie diesen sich dem Göttlichen zuzuwenden – wie du es als “Konzentration auf die Mutter” beschreibst –, und am Ende ist das ganze Wesen um diese zentrale Wende versammelt und harmonisiert. Schwierigkeiten bereiten nur die mechanischen Wesensteile, in denen die alten Gedanken gewohnheitsmäßig weiterhin ablaufen. Wenn aber die Konzentration fortwährend wächst, wird dies zu etwas Bedeutungslosem an der Peripherie des Mentals und hört schließlich auf zu bestehen, um durch Dinge ersetzt zu werden, die dem neuen Bewusstsein angehören.

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Innere Einsamkeit kann allein durch die innere Erfahrung des Einsseins mit dem Göttlichen geheilt werden; keine menschliche Beziehung vermag diese Leere auszufüllen. Ebenso darf im spirituellen Leben die Harmonie mit anderen nicht auf mentaler oder vitaler Wesensverwandtschaft beruhen, sondern muss auf dem göttlichen Bewusstsein und dem Einssein mit dem Göttlichen gründen. Wahre Harmonie kommt erst, wenn man das Göttliche fühlt, wenn man die anderen im Göttlichen fühlt. Solange aber sind Wohlwollen und Einigkeit angebracht, die das Gefühl eines gemeinsamen göttlichen Zieles zur Grundlage haben und die Empfindung, dass wir alle Kinder der Mutter sind... Echte Harmonie kann nur auf einer seelischen oder spirituellen Basis entstehen.

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Mit dem Göttlichen allein zu sein, ist für den Sadhak der höchste aller privilegierten Zustände, denn in diesem kommt er innerlich dem Göttlichen am nächsten und kann das ganze Dasein in der Kammer des Herzens und im Tempel des Universums umschließen. Zudem ist das der Anfang und die Grundlage des wahren Einsseins mit allen, da es dieses Einssein auf seiner wahren Basis, dem Göttlichen, errichtet; denn das Göttliche ist es, in dem der Sadhak allen begegnet und sich mit allen eint und nicht mehr in einem fragwürdigen Austausch des mentalen und vitalen Egos. Fürchte dich also nicht vor der Einsamkeit, sondern vertraue auf die Mutter und schreite auf dem Pfad in ihrer Stärke und Gnade voran.

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Die Liebe des Sadhaks sollte dem Göttlichen gehören. Erst wenn er dies in seiner ganzen Fülle erreicht hat, kann er auch andere auf die rechte Weise lieben.

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Sich einem Außenstehenden zu widmen bedeutet, die Atmosphäre der Sadhana zu verlassen und sich den äußeren Weltkräften auszuliefern.

Man kann ein seelisches Gefühl der Liebe für jemanden haben, eine universale Liebe für alle Geschöpfe, man darf sich aber nur dem Göttlichen geben.

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Man kann keine allgemeine Behauptung aufstellen, dass diese gegenseitigen Verbindungen entweder schlecht oder gut sind. Das hängt von der Person, den Auswirkungen und vielen anderen Dingen ab. Eine allgemeine Regel ist, dass all diese engen Beziehungen, zusammen mit der alten menschlichen Natur, dem Göttlichen hingegeben werden müssen, damit das, was sich in Harmonie mit der Göttlichen Wahrheit befindet, bewahrt und für ihre Arbeit in dir umgewandelt werden kann. Alle Beziehungen mit anderen Menschen müssen Beziehungen im Göttlichen sein und ihren alten persönlichen Charakter ablegen.

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Es gibt eine Liebe, in der die Emotion in einer zunehmenden Empfangsbereitschaft und in wachsendem Einssein die Hinwendung zum Göttlichen vollzieht Was sie vom Göttlichen empfängt, strömt sie auf andere aus, doch frei, ohne etwas zurückzufordern – wenn du hierzu fähig bist, dann ist das der höchste und befriedigendste Weg der Liebe.

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Eine persönliche Beziehung wird hergestellt, wenn man nur sich und den anderen sieht Die Regel für persönliche Beziehungen in diesem Yoga ist folgende: 1. Alle persönlichen Beziehungen müssen mit der einen Beziehung, die zwischen dem Sadhak und dem Göttlichen besteht, verschmelzen. 2. Alle persönlichen Beziehungen müssen von der Göttlichen Mutter ausgehen, von ihr bestimmt werden und Teil der einen Beziehung zur Göttlichen Mutter sein. Eine persönliche Beziehung ist erlaubt, sofern sie sich an diese beiden Regeln hält und keine physische Befriedigung, keine vitale Entstellung und kein vitales Durcheinander zulässt. Da aber das Supramental noch nicht gesiegt hat, sondern erst herabkommt, und es daher auf den vitalen und physischen Ebenen immer noch Kampf gibt, ist große Vorsicht geboten, die nicht nötig wäre, wenn die supramentale Umwandlung bereits stattgefunden hätte. Beide [Beteiligten] müssen in direkter Beziehung zur Mutter stehen und sich in vollkommener Abhängigkeit von ihr befinden, und sie müssen darauf achten, dass dies erhalten bleibt und nicht im mindesten seine Vollständigkeit verringert oder gefährdet wird.

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In diesem Yoga ist die einzige Beziehung, die zwischen einem Sadhak und einer Sadhika erlaubt ist, die gleiche, die zwischen Sadhak und Sadhak oder zwischen Sadhika und Sadhika besteht – eine freundliche Beziehung als Anhänger des gleichen Yoga-Pfades und als Kinder der Mutter.

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Allgemein gesagt, liegt die einzige Methode, um zwischen einem Mann und einer Frau jene freien und natürlichen yogischen Beziehungen herzustellen, wie sie zwischen einem Sadhak und einer Sadhika in diesem Yoga bestehen sollten, in der Fähigkeit, einander begegnen zu können, ohne überhaupt den Gedanken aufkommen zu lassen, dass der eine ein Mann und die andere eine Frau ist – beide sind einfach menschliche Wesen, beide sind Sadhaks, beide streben danach, dem Göttlichen zu dienen, und suchen allein das Göttliche und nichts sonst. Wenn du das voll in dir aufgenommen hast, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach keine Schwierigkeit geben.

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Gemeint ist, dass du eine Beziehung herstellen sollst, wie sie Sadhaks untereinander haben, eine Beziehung der Sympathie und freundlichen Gefühle; nicht aber eine Beziehung von vitalem Charakter. Wenn es jemanden gibt, dem du nicht begegnen kannst, ohne dass eine derartige vitale Beziehung entsteht, ist es ratsam, demjenigen oder derjenigen aus dem Wege zu gehen.

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Alles dem Göttlichen hinzuwenden, ist ein Rat zur Vervollkommnung für jene, denen es nichts ausmacht, ohne Gepäck zu reisen. Andererseits aber ist Freundschaft unter Männern oder unter Frauen oder zwischen Mann und Frau nicht verboten, unter der einen Voraussetzung, dass es die wahre Sache ist und sich keine Sexualität einmischt, und unter der weiteren Voraussetzung, dass es nicht vom Ziel ablenkt. Wenn das zentrale Ziel stark ist, genügt das.... Als ich von persönlichen Beziehungen sprach, meinte ich mit Sicherheit nicht reine Gleichgültigkeit, denn Gleichgültigkeit schafft keine Beziehung, sondern ist auf Nicht-Beziehung ausgerichtet. Emotionale Freundschaft braucht ganz und gar kein Hindernis zu sein.

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Eine Freundschaft unter Männern oder unter Frauen ist mit Sicherheit einfacher als zwischen Mann und Frau, da hier die sexuelle Einmischung fehlt. Bei einer Freundschaft zwischen Mann und Frau kann die sexuelle Wende – sei es in einer subtilen oder direkten Weise – in jedem Augenblick eintreten und Störungen verursachen. Eine Freundschaft zwischen Mann und Frau, die von diesem Element frei ist, ist aber nicht unmöglich – solche Freundschaften kann es geben und hat es immer gegeben. Das einzig Wichtige dabei ist, dass das niedrigere Vital nicht durch die Hintertür hereinschaut oder durch sie eintritt. Häufig besteht ein Gleichklang zwischen einer männlichen und weiblichen Natur, eine Anziehung oder Neigung, die auf etwas anderem als einer niederen, vitalen (sexuellen) Grundlage beruht, sei sie offen oder versteckt; manchmal gründet ihre Substanz überwiegend auf dem Mental, manchmal auf der Seele oder dem höheren Vital, manchmal auf einer Mischung von allen. In einem solchen Fall ist die Freundschaft etwas Natürliches und die Wahrscheinlichkeit gering, dass andere Elemente eindringen und sie herabziehen oder zerbrechen können.

Es ist auch ein Fehler zu glauben, dass allein das Vital Wärme besitzen würde und die Seele etwas Kaltes und ohne Feuer sei. Ein klares, reines Wohlwollen ist gut und wünschenswert. Das aber ist nicht mit seelischer Liebe gemeint. Liebe ist Liebe und nicht nur Wohlwollen. Die seelische Liebe kann eine Wärme und ein Feuer haben, die ebenso intensiv wie die des Vitals sind, ja intensiver, nur dass es ein reines Feuer ist und nicht abhängig von der Befriedigung des Ego-Verlangens oder davon, das Öl, von dem es genährt wird, aufzuzehren. Es ist eine weiße Flamme und keine rote, doch ist die weiße Hitze in ihrer Glut der roten nicht unterlegen. Es stimmt, meist kommt die seelische Liebe in der menschlichen Beziehung und Natur nicht voll zum Zug. Sie findet die Fülle ihres Feuers und ihrer Ekstase leichter, wenn sie sich zum Göttlichen erhebt. In der menschlichen Beziehung wird die seelische Liebe mit anderen Elementen vermischt, die sie sofort zu benützen oder zu überschatten suchen. Nur in seltenen Augenblicken erhält sie ein Ventil für ihre volle Intensität. Meist tritt sie nur als Element in Erscheinung, doch selbst dann steuert sie zu einer im Grunde vitalen Liebe alle höheren Dinge bei – die reine Süße, die Zärtlichkeit und Treue, das Selbstgeben, die Selbstaufgabe, das Ergriffenwerden zweier Seelen, die idealisierenden Vergeistigungen, welche die menschliche Liebe über sich selbst hinausheben – all dies hat seinen Ursprung in der Seele. Wenn sie fähig wäre, die übrigen Elemente menschlicher Liebe – die mentalen, vitalen und physischen – zu beherrschen, zu lenken und umzuformen, könnte die Liebe auf Erden eine Widerspiegelung oder Vorbereitung der wahren Sache sein, eine umfassende Einung der Seele mit ihren Instrumenten in einem Leben zu zweit. Doch selbst in unvollständiger Form kommt das nur selten vor.

Das Normale im Yoga ist unserer Ansicht nach, dass sich das ganze Feuer der menschlichen Natur dem Göttlichen zuwendet und das übrige auf die wahre Grundlage zu warten hat; höhere Dinge auf dem Sand und Morast des gewöhnlichen Bewusstseins aufzubauen, ist keine sichere Sache. Das schließt aber Freundschaft und Kameradschaft nicht unbedingt aus, doch müssen sie sich völlig dem zentralen Feuer unterordnen. Wenn jemand in der Zwischenzeit die Beziehung zum Göttlichen zu seinem alles beanspruchenden Ziel macht, ist das etwas durchaus Normales und verleiht der Sadhana die volle Kraft. Seelische Liebe findet ihren vollen Ausdruck, wenn sie die Ausstrahlung jenes göttlicheren Bewusstseins ist, nach dem wir suchen; bis dahin aber hat sie es schwer, ihr ungeschmälertes Wesen und ihre wahre Form zu zeigen.

PS. Das Mental, Vital und das Physische sind eigentlich Instrumente der Seele und des Spirits; wenn sie selbständig arbeiten, bringen sie unwissende und unvollkommene Dinge hervor – wenn sie aber zu bewussten Instrumenten der Seele und des Spirits gemacht werden können, empfangen sie ihre göttlichere Erfüllung; das ist die Idee, die dem zugrundeliegt, was wir in diesem Yoga die Umwandlung nennen.

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Freundschaft oder Zuneigung ist vom Yoga nicht ausgeschlossen. Die Freundschaft mit dem Göttlichen ist eine anerkannte Beziehung in der Sadhana. Es bestehen Freundschaften unter Sadhaks und werden von der Mutter gutgeheißen. Nur versuchen wir, sie auf einer sichereren Grundlage aufzubauen als die, auf der die Mehrzahl menschlicher Freundschaften trügerisch gründet. Gerade deshalb, weil wir Freundschaft, Bruderschaft und Liebe als heilige Dinge ansehen, wollen wir diese Veränderung; sie sollen nicht in jedem Augenblick durch Egobewegungen zerbrechen und durch Leidenschaften, Eifersucht und Verrat, wozu das Vital neigt, beschmutzt, verdorben und zerstört werden können. Um sie wahrhaft zu heiligen und zu schützen, wollen wir, dass sie in der Seele wurzeln, verankert im Felsen des Göttlichen. Unser Yoga ist kein asketischer Yoga; er zielt auf Reinheit, aber nicht auf kalte Enthaltsamkeit. Freundschaft und Liebe sind unerlässliche Noten in der Harmonie, nach der wir streben. Es ist kein leerer Traum, denn wir haben gesehen, dass selbst unter unvollkommenen Voraussetzungen die Sache möglich ist, wenn im tiefsten Grund nur ein wenig des unerlässlichen Elementes vorhanden ist. Es sei schwierig und die alten Hemmnisse würden sich hartnäckig anklammern? Es gibt aber keinen Sieg ohne langwierige Bemühung und standhafte Treue zum Ziel. Es gibt keinen anderen Weg als durchzuhalten.

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Freundschaft kann im Yoga bestehen bleiben, doch muss die Bindung wegfallen, sowie jede Zuneigung, die derartig beanspruchend wäre, dass sie dich an das gewöhnliche Leben und Bewusstsein fesseln würde.

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Jede Bindung ist ein Hindernis für die Sadhana. Für alle solltest du Wohlwollen und seelische Freundlichkeit empfinden, dich aber an niemanden vital binden.

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Wenn du erwartest, dass deine Freundlichkeit erwidert wird, wirst du notwendigerweise enttäuscht werden. Nur diejenigen, welche Liebe und Freundlichkeit um ihrer selbst willen geben, ohne eine Erwiderung zu erwarten, werden von dieser Erfahrung verschont. Eine persönliche Beziehung kann nur dann auf einer sicheren Grundlage errichtet werden, wenn sie ohne Bindung oder auf beiden Seiten vorwiegend seelisch ist.

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Es gibt ein grundlegendes seelisches Gefühl, das allen gegenüber gleich ist; es gibt aber auch ein besonderes seelisches Gefühl für die eine oder andere Person.

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Nein, seelische Liebe schließt Unterscheidung nicht aus.

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Es hängt davon ab, was du mit seelischer “Liebe” meinst. Man kann ein seelisches Gefühl für alle Wesen haben, das von der Sexualität unabhängig ist und nichts Sexuelles enthält.

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Beziehungen zwischen Mann und Frau, die durch Sexualität nicht getrübt wurden, hat es sogar im weltlichen Leben gegeben – rein seelische Beziehungen. Das Bewusstsein des anderen Geschlechts ist zweifellos vorhanden, doch nicht als eine Quelle des Begehrens und der Störung. Hierzu ist aber eine gewisse seelische Entwicklung notwendig.

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Es ist schwierig, ihre Grenzen festzulegen oder zu erkennen. Denn selbst wenn eine seelische Liebe zu jemand anderem besteht, wird sie im menschlichen Wesen derart mit dem Vital vermischt, dass es die gewöhnlichste Sache ist, eine vitale Liebe zu rechtfertigen, indem man einen seelischen Charakter für sie in Anspruch nimmt. Man könnte vielleicht sagen, dass sich die seelische Liebe durch eine essentielle Reinheit und Selbstlosigkeit unterscheidet, die aber das Vital ausgezeichnet nachahmen kann, wenn es will.

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Unserer Erfahrung nach besteht nur dann eine gewisse Aussicht, einander im Göttlichen zu begegnen, wenn beide Teile im wahren Bewusstsein leben, das um das Göttliche zentriert ist. Im anderen Fall kommt mit der sich bildenden persönlichen Beziehung entweder Enttäuschung oder Entfremdung auf, oder aber es stellen sich ungeläuterte Reaktionen ein.

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Aber das ist doch das Wesen menschlich-vitaler Zuneigungen – sie bestehen ganz aus Selbstsucht, die sich als Liebe verkleidet. Manchmal, bei einer starken vitalen Leidenschaft, Forderung oder Bindung, ist die betreffende Person bereit, alles zu tun, um die Zuneigung des anderen zu erhalten. Doch nur dann, wenn die Seele die Bewegung aufzunehmen vermag, ist eine wirklich selbstlose Zuneigung oder wenigstens ein Element davon vorhanden.

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Das ist ein durchaus normales Phänomen in der menschlichen Natur. Die Menschen werden durch ein gewisses Gefühl der Nähe, Übereinstimmung oder Anziehung zwischen einem Teil in der eigenen Natur und einem Teil in der Natur des anderen zueinander hingezogen. Zuerst fühlt man nur das; man sieht nur das, was man in der Natur des anderen als gut oder angenehm empfindet, und unterstellt ihm vielleicht Vorzüge, die gar nicht vorhanden sind oder nicht in dem Ausmaß, wie man glaubt. Bei näherer Bekanntschaft aber bemerkt man auch andere Teile der Natur, von denen man sich nicht angezogen fühlt – vielleicht gibt es einen Zusammenprall von Ideen oder gegensätzlichen Empfindungen oder den Konflikt zwischen zwei Egos. Wenn es eine starke Liebe oder Freundschaft von dauerhaftem Charakter ist, kann man diese Schwierigkeiten überwinden und eine Harmonisierung oder Angleichung erreichen; sehr häufig aber ist das nicht der Fall oder der Missklang ist so stark, dass er der Neigung zur Anpassung entgegenwirkt, oder aber das Ego wird derart verletzt, dass es zurückschreckt. Dann ist es durchaus möglich, dass man zu sehr die Fehler des anderen sieht oder sie übertreibt und ihm schlechte oder unangenehme Dinge zuschreibt, die nicht vorhanden sind. Alles kann sich ändern, das gute. Gefühl kann sich in Abneigung, Entfremdung, ja sogar Feindschaft und Antipathie verwandeln. So etwas geschieht laufend im menschlichen Leben. Auch das Gegenteil kann stattfinden, was aber nicht so häufig vorkommt – die Wandlung von Abneigung in Zuneigung, von Gegensatz in Harmonie. Natürlich braucht eine schlechte Meinung über eine Person oder eine Abneigung nicht allein diese Ursache zu haben; sie kann viele Gründe haben, instinktive Abneigung, Eifersucht, gegensätzliche Interessen usw..

Man muss versuchen, andere ruhig zu betrachten – mit ruhigem Geist und ruhiger Schau – und weder ihre Tugenden noch ihre Mängel übermäßig zu betonen.

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Das ist der Verlauf, den die vitale Liebe meistens nimmt, wenn eine starke seelische Kraft fehlt, die sie in die rechten Bahnen lenkt und aufrechterhält. Nachdem die erste vitale Glut erloschen ist, beginnt sich die Unvereinbarkeit der beiden Egos zu zeigen, und die gegenseitigen Beziehungen werden immer mühsamer – das Vital des einen empfindet die Forderungen des anderen als unerträglich oder umgekehrt, eine ständige Gereiztheit greift um sich, und die Beanspruchung wird als Bürde und Joch empfunden. Natürlich gibt es in einem Leben der Sadhana keinen Platz für vitale Beziehungen – sie sind ein Hemmnis, das die volle Wende der menschlichen Natur zum Göttlichen hin verhindert.

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II. Der Umgang mit anderen

Eine Stille in allen Teilen und ein intensives Streben wurden dir zuteil. Als Ergebnis hiervon, fühltest du in deiner inneren Meditation den Kontakt mit der Mutter, dein inneres Wesen erhob sich zu den Ebenen des Friedens, der Weite und des Lichtes über uns und kehrte schließlich zu seinem zentralen Ort im Herzen zurück.

Die Ungleichheit der Gefühle anderen gegenüber, Neigung und Abneigung, ist in der Natur des menschlichen Vitals tief verwurzelt. Das kommt daher, weil einige Menschen mit dem vitalen Temperament eines anderen harmonieren, andere aber nicht; auch ist das vitale Ego vorhanden, das ungehalten wird, sobald man es kränkt oder die Dinge nicht so laufen oder die Menschen nicht so handeln wie es möchte oder wie es seiner Vorstellung entspricht. Im Selbst über uns herrschen spirituelle Ruhe und die Gleichmäßigkeit [der Gefühle], ein Wohlwollen für alle oder in einem bestimmten Stadium eine ruhige Gleichgültigkeit gegenüber allem, außer dem Göttlichen; in der Seele besteht grundlegend eine gleiche Freundlichkeit oder Liebe gegenüber allen, es können jedoch spezielle Beziehungen zu einer bestimmten Person vorhanden sein; das Vital hingegen ist immer unbeständig und voller Neigungen und Abneigungen. Es muss durch die Sadhana beruhigt werden; vom Selbst über uns muss es das ruhige Wohlwollen und den Gleichmut gegenüber allen Dingen empfangen und von der Seele die allgemeine Freundlichkeit und Liebe. Das wird kommen, doch mag es eine gewisse Zeit beanspruchen, bis es so weit ist. In der Zwischenzeit musst du die Ideen, die du in dem Brief zum Ausdruck bringst, festigen, denn es sind wahre seelische Ideen, die dir dazu verhelfen werden, dieses Ziel zu erreichen. Du musst dich von allen inneren und äußeren Bewegungen des Ärgers, der Ungeduld oder der Abneigung befreien. Wenn etwas falsch läuft oder falsch getan wird, sagst du dir einfach “die Mutter weiß es” und fährst ruhig und ohne Spannung fort, die Dinge so gut wie möglich zu tun oder dafür zu sorgen, dass sie so getan werden. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir dir zeigen, auf welche Weise du die Kraft der Mutter benutzen kannst, damit die Dinge besser laufen, doch musst du zuerst ein ruhiges Gleichgewicht in einem ruhigen Vital erlangen, denn nur so kann die Kraft mit dem bestmöglichen Erfolg eingesetzt werden.

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Die Arbeit wird am besten im Schweigen verrichtet, außer man hat zur Arbeit selbst etwas zu sagen. Gespräche hebt man sich besser für Mußestunden auf. Daher wird niemand gegen dein Schweigen während der Arbeit etwas einzuwenden haben.

Was das übrige anbelangt, so musst du die richtige Haltung anderen gegenüber bewahren und darfst dir nicht erlauben, durch irgendetwas, was sie sagen oder tun, dich aufregen, reizen oder kränken zu lassen – in anderen Worten, bewahre den Gleichmut, samatā, und das universale Wohlwollen, wie es einem Sadhak dieses Yoga gebührt. Wenn du so handelst und die anderen sich dennoch aufregen oder gekränkt sind, darfst du nicht darauf achten, denn ihre falsche Reaktion ist nicht deine Schuld.

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Ich habe deinen Brief gelesen und verstehe nun, was du schwierig findest – es scheinen aber nicht so ernsthafte Dinge zu sein, dass man sie zu Recht als eine Ursache der Störung empfinden könnte. Diese Art von Unbequemlichkeiten hat man immer, wenn man mit Menschen zusammenlebt und -arbeitet. Sie ergeben sich aus einem Missverständnis zwischen zwei Arten von Mental oder Willen, wobei jede in ihre Richtung zieht und sich verletzt oder gequält fühlt, wenn die andere nicht nachgibt. Nur ein Bewusstseinswandel kann dies ändern, denn erst wenn man in ein tieferes Bewusstsein eintritt, sieht man die Ursache dieser Dinge und ist nicht mehr beunruhigt – man erlangt das V erstehen, die Geduld und die Nachsicht, die von Ärger und anderen Reaktionen befreien. Wenn das Bewusstsein beider oder aller wächst, tritt auch das mentale Verstehen der gegenseitigen Standpunkte ein, wodurch Harmonie und ein leichtes Arbeiten ermöglicht werden. Das ist es, was durch die innere Veränderung gesucht werden sollte – diese gleiche Harmonie von außen, durch äußere Mittel zu schaffen, ist nicht so einfach, da das menschliche Mental in seinen Wahrnehmungen schwerfällig ist und das menschliche Vital auf seiner eigenen Weise des Handelns besteht. Richte dein hauptsächliches Augenmerk darauf, innerlich zu wachsen, lass das klarere und tiefere Bewusstsein sich entwickeln und habe den Wunsch, dass die gleiche Veränderung auch in anderen stattfindet, damit Klarheit und Einklang an die Stelle von Bruch und Missverstehen treten.

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Nun, ich habe bereits gesagt, dass zu streiten oder den anderen zu schneiden nichts mit der Sadhana zu tun hat; die Zusammenstöße und Spannungen, von denen du sprichst, sind wie in der Welt draußen auf Reibereien des vitalen Egos zurückzuführen. Feindseligkeit, Antipathie, Abneigung und Streit dürfen genausowenig als zur Sadhana gehörend betrachtet werden wie Seximpulse oder sexuelle Beziehungen. Harmonie, Wohlwollen, Nachsicht und Gleichmut sind die Ideale, die in der Beziehung von Sadhak zu Sadhak benötigt werden. Man ist nicht verpflichtet, mit anderen Umgang zu pflegen, doch wenn man für sich bleibt, sollte es aus Gründen der Sadhana sein und aus keinem anderen Motiv – und außerdem sollte es ohne jedes Gefühl der Überlegenheit oder Verachtung anderen gegenüber geschehen... Wenn jemand erkennt, dass der Umgang mit einer bestimmten Person aus irgendwelchen Gründen unliebsame vitale Gefühle in ihm weckt, kann sich der Betreffende aus Gründen der Vorsicht natürlich von dieser Verbindung zurückziehen, bis die Schwäche überwunden ist. Ein Zur-Schau-Stellen des Meidens oder ein öffentliches Schneiden ist aber hierin nicht mit einbezogen und verrät Gefühle, die überwunden werden müssen.

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Diese Ergebnisse sind keine Bestrafung, sie sind ein natürliches Ergebnis der Nachgiebigkeit gegenüber dem Egoismus. Alle Streitereien wurzeln im Egoismus, der seine eigene Meinung durchsetzen will, in der Annahme, dass sie die richtige und alles übrige falsch sei, und auf diese Weise Ärger und ein Gefühl der Kränkung usw. hervorruft. Diesen Dingen sollte man nicht nachgeben, sondern sie sofort zurückweisen.

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Ich bitte dich darum, lass nicht Unmut oder etwas anderes aufkommen oder dein Benehmen diktieren. Überwinde diese Dinge und sieh zu, dass der innere Friede und das Suchen nach dem Göttlichen die einzig wichtige Sache sind – diese Zusammenstöße werden nur durch das Ego ausgelöst. Wende dich in diese eine Richtung und bewahre im übrigen ein ruhiges Wohlwollen für alle.

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Wenn du Wissen erlangen oder alle als Brüder sehen oder Frieden erreichen willst, darfst du weniger an dich selbst denken, an deine Wünsche und Gefühle oder daran, wie dich die Menschen behandeln, sondern musst deine Gedanken mehr dem Göttlichen zuwenden – für das Göttliche leben und nicht für dich selbst.

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Du hast nun die richtige Einstellung gewonnen, und wenn du sie bewahren kannst, wird alles besser werden. Du bist zur göttlichen Mutter des Yoga wegen gekommen und nicht, um die alte Lebensweise fortzusetzen. Dies hier solltest du auch als einen Ashram betrachten und nicht als das gewöhnliche saṃsāra [das Leben in der Welt der Unwissenheit]; in deinem Umgang mit anderen solltest du danach streben, des Ärgers, der Anmaßung und des Stolzes Herr zu werden, wie immer auch die Haltung oder das Benehmen der Menschen dir gegenüber sein mag; denn solange du diesen Stimmungen unterliegst, wirst du im Yoga schwerlich Fortschritte machen.

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Streitereien und Zusammenstöße sind ein Beweis, dass die yogische Haltung fehlt, und diejenigen, die ernsthaft den Yoga ausüben wollen, müssen lernen, aus diesen Dingen herauszuwachsen. Es ist ein leichtes, keine Zusammenstöße zu haben, wenn keine Ursache für Hader, Kontroversen oder Streit vorhanden ist; wenn es aber Ursache gibt und die Gegenseite sich unmöglich und unvernünftig benimmt, erhält man die Gelegenheit, über seine vitale Natur hinauszuwachsen.

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Um auf deine Frage zurückzukommen, es ist der sentimentale Teil der vitalen Natur, von dem der Streit mit Menschen ausgeht, oder die Weigerung, mit ihnen zu sprechen, und der gleiche Teil ist es, der in einer Reaktion gegen diese Stimmung wieder mit ihnen sprechen und die Beziehung herstellen will. Solange eine dieser Bewegungen vorhanden ist, ist auch die andere möglich. Erst wenn du dich von dieser Sentimentalität befreist und all deine geläuterten Gefühle dem Göttlichen zuwendest, können diese Schwankungen aufhören und stattdessen ein ruhiges Wohlwollen für alle Menschen an ihre Stelle treten.

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Es gibt zwei Haltungen, die ein Sadhak einnehmen kann, entweder ruhiger Gleichmut gegenüber allen, ungeachtet ihrer Freundschaft oder Feindschaft, oder ein allgemeines Wohlwollen.

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Kehre die Fehler der anderen nicht so sehr hervor. Es ist nicht förderlich. Bewahre in deiner Haltung immer Ruhe und Frieden.

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Das ist ganz richtig. Nur die Wohlgesinnten vermögen zu helfen; natürlich sollte man auch fähig sein, die Fehler der anderen ohne Hass zu sehen. Hass verletzt beide Parteien und hilft keiner.

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Es ist nichts dagegen einzuwenden, [bei anderen] etwas zu erkennen und zu beobachten, wenn es mit Sympathie und Unvoreingenommenheit geschieht; was eine schlechte Atmosphäre für einen selbst und für andere schafft, ist die Neigung, unnötig zu kritisieren, Fehler zu sehen und andere zu verurteilen (häufig ganz zu Unrecht). Warum auch diese Härte und dieses todsichere Urteil? Hat nicht jeder seine eigenen Fehler – woher also dieser Eifer, bei anderen Fehler zu entdecken und zu verurteilen? Manchmal hat man etwas zu beurteilen, was aber nicht hastig oder mit kritischer Einstellung geschehen sollte.

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Die Menschen verstehen es immer besser, die Arbeit der anderen scharf zu kritisieren und ihnen zu sagen, wie die Dinge eigentlich zu geschehen hätten und was zu unterlassen sei, als selbst auf gekonnte Weise die gleichen Fehler zu vermeiden. Tatsächlich sieht man in anderen oft Fehler, die man selbst hat, aber nicht erkennt. Diese und andere Mängel sind in der menschlichen Natur weit verbreitet, und nur wenige entgehen ihnen. Das menschliche Mental ist sich seiner nicht wirklich bewusst – das ist der Grund, weshalb man im Yoga immer sehen und erkennen muss, was in einem selbst ist, und zunehmend bewusster zu werden hat.

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Es ist nicht eine Frage des gewöhnlichen Lebens. Im gewöhnlichen Leben urteilen die Menschen immer falsch, da es von mentalen und meist von konventionellen Gesichtspunkten aus geschieht. Das menschliche Mental ist nicht ein Instrument der Wahrheit, sondern der Unwissenheit und des Irrens.

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Das kleine Ego in jedem ist es, dass die “wirklichen und unwirklichen” Mängel von anderen zu entdecken und darüber zu schwatzen sucht, wobei es keine Rolle spielt, ob sie wirklich oder unwirklich sind; das Ego aber hat kein Recht, sie zu beurteilen, da es nicht den richtigen Überblick und die richtige Einstellung besitzt. Allein der Spirit – still, teilnahmslos, leidenschaftslos, all-mitleidsvoll und all-liebend – vermag die Stärke und Schwäche in jedem Wesen auf die rechte Weise zu erkennen und zu beurteilen.

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Ja, all das ist wahr. Das niedere Vital findet ein gemeines und minderwertiges Vergnügen daran, die Fehler der anderen herauszupicken; hierdurch wird der eigene Fortschritt und der des Opfers der Kritik gehemmt.

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Eine geschwätzige Haltung ist immer ein Hindernis.

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Derartige Vorwürfe (wie ein Stein zu sein usw.) gegen den Sadhak, der auf seinem Pfad gegenüber den gewöhnlichen menschlich-vitalen Forderungen fest bleibt, werden meist von Menschen erhoben, die dafür kein Verständnis haben. Das aber sollte dich nicht stören. Es ist besser, ein Stein auf dem Weg zum Göttlichen zu sein, als weicher, nachgiebiger Lehm auf den schlammigen Pfaden der gewöhnlichen vitalen menschlichen Natur.

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Es kommt nicht darauf an, was andere über dich denken, sondern was du wirklich bist.

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Selbst eine boshafte (eine unfaire oder in böser Absicht geäußerte) Kritik kann manchmal durch einen bestimmten Aspekt hilfreich sein, wenn man fähig ist, sie unberührt von ihrer Unbilligkeit zu betrachten.

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Ja, Lob und Tadel können diese Wirkung haben (die menschliche Natur ist für sie empfänglicher als für beinahe alles übrige, sogar empfänglicher als gegenüber echter Wohltat oder Kränkung), wenn nicht der Gleichmut gefestigt wurde; außer es besteht ein derart vollkommenes Vertrauen zu jemandem oder eine freudige Abhängigkeit von jemandem, dass Lob und Tadel gleichermaßen der Natur helfen. Es gibt Menschen, die, selbst ohne Yoga, ein derart ausgeglichenes Mental haben, dass sie Lob und Tadel ruhig hinnehmen oder gelten lassen – was aber außerordentlich selten ist.

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III. Der Wunsch zu helfen

Die Idee, anderen zu helfen, ist eine subtile Form von Egoismus. Nur die Göttliche Kraft vermag zu helfen. Man kann ihr Instrument sein, zuerst aber solltest du lernen, ein brauchbares und egoloses Instrument zu sein.

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Die Idee, anderen zu helfen, ist eine Täuschung des Egos. Man kann allein dann helfen, wenn die Mutter den Auftrag erteilt und ihre Kraft verleiht – und auch dann nur innerhalb bestimmter Grenzen.

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Jede Veränderung muss von innen her durch die fühlbare oder verborgene Unterstützung der Göttlichen Macht stattfinden; nur indem man sich ihr innerlich öffnet, kann man Hilfe empfangen und nicht durch mentalen, vitalen oder physischen Kontakt mit anderen.

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Sicher, es ist eine relative und teilweise Hilfe, manchmal jedoch ist sie nützlich. Eine radikale Hilfe kann aber nur von innen durch das Wirken der Göttlichen Kraft und die Zustimmung des Wesens erfolgen. Dem sei noch hinzugefügt, dass nicht jeder, der zu helfen glaubt, auch tatsächlich hilft; manchmal ist die Hilfe von der Ausübung eines “Einflusses” begleitet, der von zweifelhaftem Charakter sein und, sofern das Instrument nicht rein ist, sowohl schaden als auch nützen kann.

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Ja, so ist das menschliche V erhalten – die Menschen wollen einander helfen, doch mit einem Hintergedanken oder einem Gefühl, das im Ego wurzelt.

Erst wenn man in einem höheren Bewusstsein lebt, wird es anders.

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Die wahre Schwäche des Mutter-Triebes, wie er sich zumindest bei vielen zeigt, liegt darin, dass er eine Ego-Bewegung verbirgt, den Wunsch, eine wichtige Rolle zu spielen, die Menschen in Abhängigkeit von sich zu halten, die Stellung einer Mutter einzunehmen usw. usw.. Menschlicher Altruismus hat in Wirklichkeit diese Ego-Grundlage. Wenn man sich davon befreien kann, wird der Wille zu helfen als eine Bewegung der reinen Sympathie und des seelischen Fühlens seinen wahren Platz einnehmen.

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Du brauchst dich über Xs Ideen nicht sehr zu beunruhigen oder ihnen große Wichtigkeit beimessen. Wahr daran ist nur, dass sogar in die Bewegung der Sadhana sehr leicht ein vitales Gemisch eindringt, wenn man nicht auf der Hut ist. Die einzige Absicherung dagegen ist, alles dem Göttlichen zuzuwenden, alles vom Göttlichen zu empfangen und sich von Bindung, Ego und Begehren zu befreien. In der Beziehung zu anderen Sadhaks sollte es weder Starrheit und Härte noch Bindung und sentimentale Anlehnung geben.

Was das Mutter-Gefühl anbelangt, so muss es wie alles andere umgewandelt werden. Bei all diesen Beziehungen, sofern sie ungeläutert sind, besteht die Gefahr, dass sie auf subtile Weise dem Ego dienen. Um das zu vermeiden, muss man sich zu einem reinen Instrument machen – und sogar das Ego des Instrumentes ablegen –, muss man sich des Ursprungs bewusst werden und darf nicht auf einer Tat oder Verbindung bestehen, sondern ihr einfach erlauben, nützlich zu sein, wann immer man klar erkennt, dass dies die Absicht ist. Es ist auch darauf zu achten, dass man außer den richtigen Kräften keine anderen in sich eindringen lässt – also nur jene, die mit dem höheren Bewusstsein harmonieren und hilfreich sind. Wenn man immer in diesem Geist und mit dieser Vorsicht handelt, können sogar Fehler ohne Schaden begangen werden – das wachsende Bewusstsein wird sie in Ordnung bringen und zu einem vollkommeneren Wirken fortschreiten.

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Natürlich besteht der Nachteil, anderen zu helfen, darin, dass man mit ihrem Bewusstsein und ihren Schwierigkeiten in Berührung kommt und auch, dass man sich nach außen wendet.

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Ja, es ist gefährlich (mit jemandem, der in die Irre gegangen ist, zu sympathisieren); es bringt dich mit eben dieser feindlichen Kraft in Berührung, die ihn in die Irre führte, und sie wird sofort versuchen, auch dich zu ergreifen, dir ihre Vorschläge zu machen und dich durch einen verderblichen Einfluss oder ein Gift anzustecken.

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Durch Sympathie kommst du mit jemandem in Kontakt und empfängst, was in ihm ist – oder aber du gibst einen Teil deiner Kraft oder lässt sie ausströmen oder dir entziehen, die dann auf den anderen übergeht. Vitale Sympathie hat diese Wirkung; ein ruhiges spirituelles oder seelisches Wohlwollen aber ruft derartige Reaktionen nicht hervor.

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Ich befürchte jedoch, dass es für jedermann eine schwere Bürde wäre, die Schwierigkeiten des anderen zu tragen, und bezweifle die Wirksamkeit der Methode. Viel größeren Nutzen bringt es, dem anderen, wenn man Stärke hat, von der eigenen Stärke zu geben oder Frieden auf ihn auszuströmen, wenn man selbst Frieden hat usw.. Das kann geschehen, ohne dass man seine Stärke oder seinen Frieden einbüßt – vorausgesetzt, es geschieht auf die rechte Weise.

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In dieser Angelegenheit gibt es zwei Einstellungen, und jede hat etwas für sich. Viel wäre zu Xs Einstellung zu sagen – dass erstens, solange die eigene siddhi nicht vollständig ist, die Hilfe, die man anderen zuteil werden lässt, immer ein wenig zweifelhaft und unvollkommen ist; und zweitens besteht die Gefahr – vor der erfahrene Yogis so häufig warnen –, dass man die Schwierigkeiten jener auf sich nimmt, denen man hilft. Trotzdem ist es nicht immer möglich, auf die Vollendung zu warten.

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Dem anderen unentwegt Wohlergehen zu wünschen, sowohl im Mental als auch im Herzen, ist die beste Hilfe, die du geben kannst.

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Wenn dein Gatte eine gefahrvolle Zeit in seinem Leben zu bewältigen hat und an schlechter Gesundheit leidet und wenn du dir um ihn Sorgen machst, ist es das Beste für ihn, dich selbst zu beruhigen und das Göttliche um Hilfe zu rufen. Sogar im gewöhnlichen Leben schaffen Unruhe und Verzagtheit eine ungünstige Atmosphäre für denjenigen, der krank oder in Schwierigkeiten ist. Als Sadhak aber besteht für dich oder für denjenigen, um den du dich sorgst, der beste und wirksamste Weg der Hilfe in der wahren spirituellen Haltung des Vertrauens auf den Göttlichen Willen und in dem Ruf nach der Hilfe von oben.

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Was oder wen immer du dem Göttlichen anvertraut hast, du solltest nicht länger daran gebunden sein oder dich um ihn sorgen, sondern es dem Göttlichen überlassen, alles zum besten zu wenden.

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Es ist sehr erfreulich, dass der von dir geschilderte Zustand sich gefestigt hat, womit ein großer Fortschritt erzielt wurde. Nun zu den Gebeten: die Tatsache des Betens als solche und die innere Haltung, die es mit sich bringt, besonders das selbstlose Gebet für andere, öffnet dich gegenüber der höheren Macht, selbst wenn in der Person, für die du betest, kein entsprechendes Ergebnis erzielt wird. Über letzteres kann nichts mit Bestimmtheit ausgesagt werden, denn das Ergebnis hängt notwendigerweise von der Person ab, das heißt, ob sie offen oder empfänglich oder etwas in ihr fähig ist, auf irgendeine Kraft zu reagieren, die das Gebet herabbringt.

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IV. Vitaler Austausch

Es ist mit Sicherheit förderlich, wenn man fähig ist, seine Kontakte zu beschränken, vorausgesetzt, dass es nicht zu weit führt. Ich möchte jedoch hinzufügen, dass selbst bei einer Beschränkung der Kontakte unerwünschte Strömungen eindringen können – es ist eine Vorsichtsmaßnahme, die dich aber nicht unbedingt absichert. Auf der anderen Seite führt ein völliges Sich-Abschließen zu einem anderen Extrem, das seine eigenen Gefahren hat. Erst wenn das innere Bewusstsein wächst, ist man vor allem “Stoff”, der ablenkt, stört, veräußerlicht usw., absolut sicher. Solange aber kann ein Sich-Zurückziehen sowie die Beschränkung von Kontakten wie diesem eine hilfreiche Maßnahme sein, wenn sie in wohlüberlegter Weise angewandt wird.

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Ja, man muss versuchen, den inneren Zustand unter allen Umständen, selbst unter den widrigsten, zu bewahren; das bedeutet aber nicht, dass man unnötigerweise ungünstige Bedingungen hinnehmen muss, wenn für ihr Fortbestehen kein vernünftiger Grund vorhanden ist. Besonders das Nervensystem und das Physische können keine übermäßige Anstrengung ertragen – ebensowenig das Mental und das höhere Vital; deine Ermüdung rührt von der Anspannung her, in dem Einen Bewusstsein zu leben und sich gleichzeitig sehr ausgedehnten Kontakten im gewöhnlichen Bewusstsein auszusetzen. Ein gewisses Maß an Selbstverteidigung ist notwendig, damit das Bewusstsein nicht ständig in die gewöhnliche Atmosphäre hinab– oder hinausgezogen oder das Physische überfordert wird, indem man es zu Tätigkeiten zwingt, die einem fremd geworden sind. Diejenigen, die den Yoga ausüben, suchen häufig in der Einsamkeit diesen Schwierigkeiten zu entgehen; das ist hier [in diesem Yoga] nicht nötig – immerhin ist es überflüssig, dich dieser nutzlosen Art von Anspannung fortwährend auszusetzen.

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Du hast vollkommen recht. Durch die Tatsache, mit anderen keinen Umgang zu pflegen, entziehst du dich der Prüfung, die der Kontakt mit ihnen dem Bewusstsein auferlegen würde, und damit der Gelegenheit, in dieser Hinsicht Fortschritte zu machen. Vom spirituellen Standpunkt aus ist der Umgang mit anderen dann unvorteilhaft, wenn man nur dem Vital, dem Schwatzen oder dem Austausch vitaler Bewegungen freien Lauf lässt; auf jeden Umgang und Kontakt zu verzichten, ist aber auch nicht wünschenswert. Nur wenn das Bewusstsein wirklich einer vollen Abgeschiedenheit bedarf, kann man diese aufsuchen – es sollte aber keine absolute Abgeschiedenheit sein. Denn in der absoluten Abgeschiedenheit lebt man ein rein subjektives Leben ohne Gelegenheit, den spirituellen Fortschritt in das äußere Leben auszudehnen, um ihn dort gründlich zu prüfen.

Es ist erfreulich, dass du so schnell die richtige Einstellung gegenüber den Geschehnissen gewonnen hast – es zeigt einen guten Fortschritt im Bewusstsein an.

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Der [oberflächliche] Umgang mit Menschen, das Lachen und Scherzen usw. ist eine Art vitaler Überschwänglichkeit, nicht aber vitale Stärke; diese Überschwänglichkeit kommt auch teuer zu stehen; denn die im Vital Starken gewinnen bei diesem Umgang Stärke hinzu, während die im Vital Schwachen verausgaben, was sie an Stärke besitzen.

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Ich glaube, dass man keine Regel aufstellen kann, die für alle anwendbar wäre. Es gibt Menschen, die diese überschwängliche Neigung im Vital haben, während andere zur Konzentration neigen. Letztere sind von der Intensität ihrer Bemühung in Anspruch genommen und gewinnen hieraus bestimmt große Kraft für den Fortschritt – auch entgehen sie der Verausgabung und dem Verlust von Energie, womit die Kontaktfreudigeren zu rechnen haben, und öffnen sich weniger gegenüber den Einwirkungen anderer Menschen (obwohl dies nicht völlig vermieden werden kann). Die anderen haben das Bedürfnis mitzuteilen, was in ihnen ist, und können auf die volle Fülle nicht warten, bevor sie anwenden, was sie haben. Die Verausgabung kann ebenso wie die Aufnahme für ihren Fortschritt wichtig sein. Sie haben nur darauf zu achten, die beiden Neigungen im Gleichgewicht zu halten, also sich darauf zu konzentrieren, dass sie von oben ebensoviel oder mehr empfangen, als sie sich durch ein öffnen nach der Seite hin verausgaben.

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X hat ein sehr starkes und expansives Vital, weshalb es ganz natürlich ist, dass er, wenn er jemanden gern hat, bei einem Zusammentreffen diese Wirkung auf ihn ausübt. Ich glaube aber nicht, dass er sich bewusst ist, was er gibt oder empfängt; mit größerer Wahrscheinlichkeit ist es ein spontanes Handeln. Er ist nicht daran gewöhnt, nur zu geben. Im Gegensatz zu einem starken, in sich ruhenden Vital ist es für ein starkes, expansives Vital notwendig, sowohl zu empfangen als auch zu geben.

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Es ist eine Frage des Temperaments. Einige sind seelisch und vital empfindsam und reagieren auf alles, was von irgendwoher kommt; andere haben solide Nerven und sind gegen ein Eindringen von außen geschützt. Es ist durchaus nicht eine Frage von Stärke oder Schwäche. Die ersteren haben ein umfassenderes Lebensgefühl und stellen sich dem Leben – doch leiden sie mehr an diesem Leben, empfangen aber auch mehr davon. Es ist der gleiche Unterschied wie zwischen Griechen und Römern. Selbst ohne Egoismus bleibt der Unterschied bestehen, da er auf einer Verschiedenheit des Temperaments beruht. Im Yoga vermag der zuerst erwähnte Typ alles direkt zu fühlen und durch unmittelbare Erfahrung im einzelnen zu erkennen – das ist ein großer Vorteil. Die anderen müssen ihr Mental gebrauchen, um zu erkennen, und ihr Verständnis ist weniger innerlich.

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Es stimmt, ein zu enger Verkehr mit anderen, wenn sie nicht die richtige Einstellung haben und zu sehr im Vital leben, trägt dazu bei, den Bewusstseins-Zustand zu senken. Bei all deinen Kontakten ist in erster Linie wichtig, in dir zu bleiben, eine distanzierte Haltung zu bewahren und dir nicht zu erlauben, dich durch die Schwierigkeiten in der Arbeit und in den Begegnungen mit Menschen beunruhigen zu lassen, sondern in dir selbst die wahre Einstellung zu bewahren. Lass dich nicht von dem Wunsch verleiten, anderen zu “helfen”, sondern tue und sage das Richtige in innerer Ausgewogenheit; überlass es dem Göttlichen, ihnen zu helfen. Niemand vermag wahrhaft zu helfen – nur die Göttliche Gnade vermag es.

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Harmonie, Entzücken und Liebe sind in dir und breiten sich von dort in die Atmosphäre aus – natürlich können nur die, die offen sind, daran teilhaben und den Einfluss fühlen. Jeder, der Liebe und Frieden in sich hat, vermehrt den Einfluss auf ihr Wachsen in der Atmosphäre.

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Bei einem längeren Gespräch usw. findet immer ein gewisser vitaler Austausch statt, außer man weist das, was vom anderen kommt, instinktiv oder bewusst ab. Wenn man beeinflussbar ist, kann man von einem Menschen einen starken Eindruck oder Einfluss empfangen, den man möglicherweise bei einem anschließenden Zusammentreffen mit einer anderen Person auf diese überträgt. All dies geschieht aber, ohne dass der Übermittelnde es weiß. Wenn man bewusst ist, kann man es verhindern.

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Es ist durchaus möglich, durch ein Gespräch mit einem anderen deprimiert zu werden. So etwas kann immer stattfinden, da Sprechen einen vitalen Austausch bewirkt.

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Beim Umgang mit anderen Menschen kann immer ein gegenseitiger Austausch von Bewusstsein stattfinden – das ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Bindung; hierzu bedarf es mehr, nämlich jemand durch das eigene Vital zu beherrschen oder die Beherrschung des eigenen Vitals durch jemand anderen.

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Es ist hauptsächlich eine innere Wachsamkeit, die du dir bewahren musst. Wenn du dich in einer Menschenmenge unbehaglich fühlst, ist es besser, diese zu meiden – ausgenommen Musikveranstaltungen, sofern du dort das Gefühl der Sicherheit hast. Eine Menschenansammlung, die sich rein gesellschaftlichem Austausch hingibt, befindet sich notwendigerweise auf einer niedrigeren Bewusstseinsebene, auf der unerwünschte Kräfte wirksam werden können, sofern jemand dafür empfänglich ist; und solange man in einem Bewusstseinsstadium ist, das sich zwar höheren Dingen öffnet, aber in einer stetigen und selbstbestehenden Ruhe noch nicht gefestigt ist, ist es besser, solche Menschenansammlungen zu meiden.

In der Sadhana soll man äußere Kräfte von sich fernhalten, zumindest ihrem Eindringen nicht stattgeben. Wenn man einer Schwierigkeit in der rechten Haltung begegnet und sie überwindet, kann man natürlich Fortschritte machen, das ist aber etwas anderes, als fremde Kräfte oder Einflüsse in das bewusste Wesen eindringen zu lassen. Niemand braucht das herauszufordern – sie sind auch ohne Aufforderung hierfür nur allzu gern bereit. Man kann alle Kräfte erkennen und sich ihrer bewusst werden, selbst die schlimmsten, dunkelsten und feindlichsten, vorausgesetzt, man ist auf der Hut und verweigert ihren Einflüsterungen jeden Glauben und jede Unterstützung und verweist all ihre Forderungen auf einem bestimmten Platz im Bewusstsein und in der menschlichen Natur. Das kann aber in den frühen Stadien der Sadhana nicht von allen getan werden.

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Ablenkung und Sadhana sind zweierlei Dinge, die sich nicht miteinander vertragen. In der Sadhana muss man das Mental und all seine Tätigkeiten kontrollieren; in der Ablenkung ist man durchaus nicht kontrolliert, man wird vielmehr vom Mental fortgetragen und ist unfähig, es bei einer Sache zu halten. Wenn das Mental immer abgelenkt wird, kannst du dich weder auf das Lesen noch auf irgendeine andere Beschäftigung konzentrieren; du wirst zu nichts anderem taugen als vielleicht zu schwatzen, Anschluss zu suchen, mit Frauen zu flirten und für ähnliche Dinge mehr.

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Du hast unrecht, wenn du glaubst, dass die Sadhana von X, Y und Z nicht unter der Ablenkung ihres Mentals nach allen Richtungen leidet. Sie wären auf dem Yoga-Pfad viel weiter gekommen, wenn sie sich einem konzentrierten Yoga unterzogen hätten – selbst Y, der eine enorme Aufnahmebereitschaft hat und um seinen Fortschritt sehr bemüht ist, könnte schon dreimal so weit sein. Deine Natur hingegen ist in allem, was sie tut, voller Intensität; daher entsprach es ihrer Veranlagung, den direkten Weg zu wählen. Wenn dann einmal das höhere Bewusstsein gefestigt ist und das Vital und Physische so weit vorbereitet sind, dass die Sadhana von selbst vorangeht, ist eine strenge tapasyā nicht mehr notwendig. So lange aber erachten wir sie als durchaus nützlich, hilfreich und in vielen Fällen unerlässlich. Wir bestehen aber nicht darauf, wenn die menschliche Natur sich ihr widersetzt. Ich habe auch beobachtet, dass in jenen, die den direkten Weg einschlagen (es sind bislang noch nicht sehr viele), von selbst die Neigung entsteht, diese ablenkenden Interessen und Beschäftigungen aufzugeben und sich voll in die Sadhana zu werfen.

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Ja natürlich, Ablenkung ist eine innere Tatsache. Gewisse äußere Dinge tragen zur Ablenkung des Bewusstseins bei, und wenn jemand wie X sagt, dass es ihn nicht ablenkt, wenn er mit einem Gefährten wie Y verkehrt, möchte ich behaupten, dass er entweder nicht die Wahrheit sagt oder sich einer Selbsttäuschung hingibt. Wenn man immer im inneren Bewusstsein lebt, kann man nicht abgelenkt werden, selbst wenn man äußere Dinge tut; oder wenn man sich des Göttlichen zu allen Zeiten oder in allem, was man tut, bewusst ist, kann man auch eine Zeitung lesen und eine große Korrespondenz führen, ohne sich ablenken zu lassen. Und dennoch, auch wenn man nicht abgelenkt wird, hat das Bewusstsein während des Zeitunglesens und Briefeschreibens eine geringere Intensität als wenn man nicht mit einem Teil des Wesens in diese ganz äußerlichen Dinge verwickelt ist. Erst wenn das Bewusstsein ganz siddha ist, gibt es nicht einmal diesen Unterschied mehr. Das heißt aber nicht, dass man überhaupt keine äußeren Dinge tun sollte, denn dann würde man ohne Übung bleiben, die beiden Arten von Bewusstsein zu verbinden. Man muss aber erkennen, dass gewisse Dinge tatsächlich mehr als andere das Bewusstsein ablenken, senken oder veräußerlichen. Vor allem darf man sich nicht selbst täuschen oder sich vormachen, man wäre nicht abgelenkt, wenn es doch der Fall ist. – Jene Menschen aber, die andere zum Yoga bewegen wollen, könnten sich meiner Ansicht nach wesentlich fruchtbarer betätigen, wenn sie selbst sich näher auf das innere Ziel hinbewegen würden. Denn das würde am Ende viel mehr Menschen [zum Yoga] “bewegen” und auf eine bessere Weise als das Schreiben vieler Briefe.

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Das ist der Grund, weshalb wir die Korrespondenz mit Verwandten usw. außerhalb des Ashrams nicht befürworten. Es gibt keinen Berührungspunkt mit ihnen, außer du verläßt deine Bewusstseinsebene und begibst dich hinunter auf ihre Ebene, was aber vom Standpunkt des Yoga aus naheliegenden Gründen unerwünscht ist. Ich glaube nicht, dass viel Inspiration durch Briefe vermittelt werden kann, da das Bewusstsein dieser Menschen hierfür durchaus nicht vorbereitet ist. Worte berühren bestenfalls die Oberfläche ihres Mentals; für das Wichtige hinter den Worten jedoch sind sie nicht offen. Wenn bereits Interesse an spirituellen Dingen besteht, ist es etwas anderes. Doch auch dann ist es oft besser, die Menschen ihrem eigenen Guru folgen zu lassen, als sie zu diesem Pfad zu bewegen.

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Das ist der Grund, warum es besser ist, die Korrespondenz mit Verwandten aufzugeben. Viele Menschen, die mit ihren Angehörigen weiterhin korrespondieren, empfinden es nicht so stark wie du; nichtsdestoweniger ist es eine Tatsache, dass sie Schwingungen aufrechterhalten und wirksam machen, welche die alten Kräfte im Vital aktivieren und ihre Einflüsse im Unterbewusstsein fortbestehen lassen.

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Jeder Brief bedeutet einen Austausch mit demjenigen, der ihn schreibt – denn etwas ist hinter den Worten, etwas von seiner Person oder den Kräften, die er während des Schreibens hervorbrachte oder um sich hatte. Unsere Gedanken und Gefühle sind ebenfalls Kräfte, die sich auf andere auswirken können. Man muss sich der Bewegung dieser Kräfte bewusst werden, dann kann man seine eigenen mentalen und vitalen Gestaltungen kontrollieren und wird nicht länger von denen der anderen beeinflusst.

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Ja, deine guten und schlechten Gedanken können eine gute oder schlechte Auswirkung auf andere haben; sie haben das zwar nicht immer, da sie nicht immer kraftvoll genug sind – es ist aber die allgemeine Tendenz. Daher wird von jenen, die dieses Wissen haben, immer betont, dass wir uns schlechter Gedanken über andere enthalten sollen. Es ist richtig, dass zu dem Mental in seinem gewöhnlichen Zustand beide Arten von Gedanken [gute und böse] in gleicher Weise kommen; wenn aber das Mental und der mentale Wille gut entwickelt sind, kann man seine Gedanken, genau wie die Taten, kontrollieren und die schlechten an ihrem Spiel hindern. Diese mentale Kontrolle ist aber für den Sadhak nicht genug. Er muss ein ruhiges Mental erlangen und darf im Schweigen des Mentals nur Göttliche Gedankenkräfte oder andere göttliche Kräfte empfangen und sich zu ihrem Wirkungsbereich und Instrument machen.

Um das Mental zum Schweigen zu bringen, genügt es nicht, jeden aufkommenden Gedanken abzuweisen – das kann nur eine untergeordnete Bewegung sein. Man muss von allem Denken zurückstehen, sich davon ablösen und ein schweigendes Bewusstsein entwickeln, das die Gedanken, wenn sie kommen, beobachtet, das aber nicht selbst denkt oder sich mit den Gedanken identifiziert. Gedanken müssen völlig als äußere Dinge angesehen werden. Es ist dann leichter, sie zurückzuweisen oder vorbeiziehen zu lassen, ohne dass sie die Stille des Mentals stören. Sich nicht beeinflussen zu lassen, weder durch Freude oder Schmerz, noch durch Gefallen oder Missfallen, noch durch das, was die Leute sagen oder tun, noch durch irgendwelche anderen äußeren Dinge, wird im Yoga als Zustand der samatā, des Gleichmuts gegenüber allen Dingen, bezeichnet. Es ist von ungeheurer Wichtigkeit, diesen Zustand in der Sadhana zu erreichen. Er fördert das Eintreten der mentalen und vitalen Ruhe und des mentalen und vitalen Schweigens. Tatsächlich bedeutet es, dass das Vital selbst und das vitale Mental bereits zum Schweigen gelangen und ruhig werden. Das denkende Mental wird mit Sicherheit folgen.

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über jemanden zu sprechen, kann sehr wohl eine Auswirkung auf den Betreffenden haben; das ist oft der Fall, da es eine wirksame Formulierung eines Gedankens oder Gefühls sein kann, die ihn in dieser Form erreicht. Rein mechanische Gedanken oder schlecht geformte Vorstellungen haben vermutlich nicht diese Wirkung – auf jeden Fall würde es seltene und außergewöhnliche Bedingungen voraussetzen oder ein Spiel von Kräften, in dem eine Kleinigkeit von Bedeutung ist.

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Der Teil unterhalb des Nabels ist das niedere Vital; in deinem Fall wurde es sehr empfindsam gegenüber dem Zustand des gleichen Teils in anderen Menschen, vielleicht sogar gegenüber ihrem allgemeinen Zustand, so dass eine Art Widerspiegelung oder eine entsprechende Reaktion stattfindet. Es ist eine Phase in der Entwicklung, die man überwinden muss, denn das niedere Vital muss vollständigen Frieden erlangen; selbst wenn es den Zustand der anderen spürt, darf es nur als ein Akt der Wahrnehmung oder Erkenntnis sein und keine Reaktion oder Reflexion hervorrufen.

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Ich vermute, es hängt von dem betreffenden Menschen und deiner Reaktion ihm gegenüber ab. Wenn Sex-Vibrationen von ihm ausgehen oder er sich vitale Energie aneignet, ist es vielleicht nicht das Richtige, sich ihm gegenüber zu öffnen. Doch bei einem gewöhnlichen, oberflächlichen Austausch verliert man im allgemeinen nichts oder so wenig, dass es nichts ausmacht, da es automatisch wieder ersetzt wird.

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Es ist durchaus möglich, dass er sich unbewusst vitale Energie aneignet, denn er ist ein vital schwacher Mensch und die vital Schwachen tun dies unbewusst und automatisch.

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Wenn Menschen miteinander Umgang pflegen, findet meist ein ganz unfreiwilliger Austausch von vitalen Kräften statt.... Vampirismus ist ein spezielles Phänomen – eine Person, die von dem Vital der anderen lebt und auf deren Kosten im Vital gedeiht.

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Das Gefühl der Ermüdung, das die Menschen häufig überfällt, wenn sie mit diesem X zusammengetroffen sind, deutet auf Vampirismus hin, doch meist ist solch ein Gefühl nicht festzustellen, sondern eine ganz allgemeine Nachwirkung. Die Nerven geraten allmählich in Unordnung – die sogenannte Nervenhülle wird geschwächt, die Vitalität auf die eine oder andere Weise angegriffen, beziehungsweise ihr Zustand anormal – erregbar und gereizt. Die Auswirkung kann sich auf viele Arten zeigen.

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Sex-Vampirismus ist etwas anderes – im sexuellen Verkehr ist es das Normale, zu geben und zu nehmen, der Sex-Vampir jedoch verschlingt das Vital des anderen und gibt nichts oder nur sehr wenig zurück.

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Es ist nicht notwendig, derart vorsichtig zu sein. Der normale vitale Umgang [mit Menschen] ist nur von oberflächlicher Art. Niemand kann sich das Vital eines anderen aneignen, denn sonst müßte der Betreffende, dem das Vital genommen wurde, sterben. Es ist natürlich möglich, dass ein Mensch einem anderen vitale Kräfte entzieht und ihn schlaff, schwach und trocken macht, doch tun das nur Vampire. Man kann aber auch selbst zuviel eigene vitale Kraft verausgaben und sich auf diese Weise schwächen oder der Energie berauben – etwas, was man vermeiden sollte; nur diejenigen, die wissen, wie man zur Ergänzung der Lebensenergien auf die universale vitale Kraft zurückgreift oder unumschränkt auf sie zurückgreifen kann, sind in der Lage, sich rückhaltlos zu verausgaben. Natürlich entnehmen alle in gewissem Ausmaß Energie aus der universalen vitalen Kraft, sonst würden sie nicht am Leben bleiben, denn die vitale Energie, die fortwährend verausgabt wird, muss ersetzt werden; bei den meisten Menschen aber ist die Fähigkeit der Entnahme begrenzt, und auch die Fähigkeit des Sich-Verausgabens ohne Erschöpfung ist begrenzt.

Die gewöhnlichen Bewegungen des menschlichen Austausches aber sind harmlos, vorausgesetzt, sie werden innerhalb gewisser Grenzen gehalten. Eine Schwierigkeit in der Sadhana ist, dass man leicht einen unerwünschten Einfluss aufnehmen oder ihn auf andere übertragen kann. Das ist der Grund, warum in bestimmten Stadien eine Beschränkung des Redens und Umgangs häufig ratsam ist. Die wahre Lösung aber besteht darin, innerlich bewusst zu werden und fähig zu sein, jeden unerwünschten Eingriff oder Einfluss abzuweisen – fähig zu sein, beim Sprechen, Verkehr mit Menschen usw. einen Verteidigungswall um sich aufzurichten und nur das einzulassen, was man annehmen kann, und nichts sonst. Sie besteht auch darin, dass man zu beurteilen weiß, was gefahrlos verausgabt werden kann und was nicht. Wenn man das Bewusstsein und die Übung hat, findet dies beinahe automatisch statt.

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Nein, die Menschen sind sich, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, dieser Dinge nicht bewusst. Der vitale Austausch ist zwar vorhanden, sie vermögen ihn aber nicht zu erkennen, da sie im äußeren Vital leben und diese Dinge im Hintergrund vonstatten gehen. Selbst wenn sie sich nach einem Austausch energischer fühlen oder wenn sie deprimiert und ermüdet sind, würden sie es nicht auf das Gespräch oder den Kontakt zurückführen, denn der vitale Austausch findet unbewusst statt und ihr äußeres Mental, in dem sie leben, erkennt ihn nicht.

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Das Bewusstsein des vitalen Austausches hängt von der Entwicklung einer inneren Macht ab, die auf dem Frieden gründet und auf diese Dinge einwirkt und sie verhindert. Solange man unbewusst ist, findet der Austausch in der Unwissenheit statt, und es gibt keine Möglichkeit, den Kreis zu verlassen, da man das Wissen noch nicht besitzt. Das Bewusstsein kommt mit der wachsenden inneren Entwicklung im Wesen, die Frieden und Befreiung zu einer Notwendigkeit macht – und damit öffnet man sich der höheren Kraft eines neuen Bewusstseins, die dem vitalen Umgang ein Ende bereitet und eine neue Einstellung für das mentale und vitale Leben mit sich bringt. Wenn man aber bei einer erhöhten Sensitivität anhält und nicht weitergeht, macht man natürlich keinen richtigen Gebrauch davon. Es gibt einige Menschen, wie X oder Y, die sich derart von “okkultem” Wissen absorbieren ließen, dass sie dort zum Stillstand kamen, immerzu im Kreis umherwanderten und alle Arten von Fehler begingen, da das spirituelle Licht nicht vorhanden war. Man darf dort nicht anhalten, sondern muss weitergehen, um darüber hinaus in das spirituelle Bewusstsein zu gelangen, in das größere Licht, die größere Stärke und Ausgewogenheit, die damit verbunden sind.

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Ich vermute, die Menschen sind sich dieses ganzen okkulten Geschehens überhaupt nicht bewusst. Manche, wie Daudet, mögen zwar die Verausgabung oder das Verschwenden von Kräften beobachten, doch nicht den Energie-Entzug oder die Auswirkung auf andere. Mit der Vorstellung eines mentalen Austausches, wenngleich nur von oberflächlicher Art, ist man vertraut, nicht aber mit dem schweigenden Einwirken von Mental auf Mental, das immerfort stattfindet; die vitalen Einwirkungen hingegen sind nur einigen wenigen Okkultisten bekannt. Wenn man sehr bewusst wird, kann man die Kräfte wahrnehmen, die in allem und aus allem rund um uns wirken, zum Beispiel Kräfte der Freude oder Niedergeschlagenheit oder des Ärgers.

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Notwendigerweise muss ein Unterschied zwischen der vitalen Energie eines kultivierten und wohlerzogenen Menschen und der eines Menschen, der roh und unwissend ist, bestehen. Zumindest ist eine größere Feinheit und Subtilität in der vitalen Kraft und damit in der Energie vorhanden. Übermäßiges Trinken greift die Substanz und Qualität der Energie an, mäßiges Trinken und Rauchen würde jedoch eine weniger wahrnehmbare Auswirkung haben. Ich glaube nicht, dass die Menschen im gewöhnlichen Leben all dies klar erkennen, doch ist es durchaus möglich, dass sie manchmal einen unbestimmten Eindruck haben, den sie nicht erklären oder spezifizieren können.

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