Mutters
Agenda
ersten Band
24. Dezember 1958
(Brief von Satprem an Mutter)
Rameswaram, 24. Dezember 1958
Liebe Mutter,
Dein letzter Brief war mir ein großer Trost. Wärest Du nicht da, bei mir, wäre alles derart absurd und unmöglich. Ich störe Dich wieder, weil der Swami mir sagt, daß Du Dir Sorgen um mich machst und ich Dir schreiben soll. Nicht viel hat sich geändert, außer daß ich mich anklammere und vertraue. Gestern machte ich wieder eine schlechte Welle durch, im Tempel, und ich fand nur die Kraft, mit jedem Herzschlag Deinen Namen zu wiederholen, wie ein Ertrinkender. Ich blieb reglos wie ein Stein, vor dem Heiligtum, mit Deinem Namen (mein Mantra wollte nicht kommen), dann ging es vorbei. Es war hart. Ich habe das Vertrauen, daß ich mit jeder Welle an Kraft gewinne und daß Du da bist. Doch ich bin mir auch bewußt, wenn der Feind so heftig wirkt, dann ist es, weil etwas in mir darauf antwortet, oder antwortete, etwas, das seine Hingabe noch nicht vollbracht hat – das ist der Kern. Mutter, möge Dein Segen mir helfen, alles in Deine Hände zu legen, alles, ohne einen Schatten. Ich wollte so sehr in das Licht auftauchen, ein für allemal, herauskommen.
Ich folge den Anweisungen des Swami auf das Wort. Manchmal scheint mir das alles an Wärme, an Spontaneität zu mangeln, aber ich halte mich fest. Ich muß dazusagen, daß wir mitten im Bazar leben, in einem Lärm, der zwanzig Stunden am Tag andauert, was die Dinge nicht erleichtert. So wiederhole ich mein Mantra, wie man mit der Faust gegen die Mauern eines Gefängnisses schlägt. Manchmal entsteht eine kleine Öffnung, Du schickst mir eine kleine Freude, und dann ist alles leicht.
Das Mantra an Durga, sagt der Swami, ist dazu bestimmt, das Unterbewußte zu durchdringen. Um die Arbeit zu vervollständigen, macht er seine Pudjas an Kali, und schließlich hat noch einer seiner Freunde, X, der "Hohe Priester" des Tempels von Rameswaram (der, der über meine Initiation präsidierte) und der über große okkulte Mächte verfügt, es unternommen, acht Tage lang jeden Tag ein "sehr mächtiges" Mantra über mich zu sagen, um die dunklen Kräfte aus meinem Unterbewußtsein zu entwurzeln. Das begann vor vier Tagen. Während er sein Mantra wiederholt, hält er ein Glas Wasser in der Hand, und dann gibt er mir dieses Wasser zu trinken. Es heißt, daß am achten Tag, wenn der Feind überwunden wurde, dieses Wasser gelb wird – dann ist die Operation vollendet und das giftige Wasser wird weggeschüttet. Mir ist lieber, Du weißt dies. Jedenfalls mag ich diesen X sehr gerne, er ist ein sehr leuchtender, guter Mann. Wenn ich mit all dem nicht erlöst werde!!
Tatsächlich glaube ich nur an die Gnade. Mein Mantra und all der Rest erscheinen mir nur wie kleine Kunstgriffe, um zu versuchen, die Gnade günstig zu stimmen.
Mutter, liebe mich. Ich habe nur Dich, ich will nur Dir gehören.
Ich bin zu Deinen Füßen.
Dein Kind
Satprem
Bist Du völlig genesen?
Frohes neues Jahr, liebe Mutter.
(Mutters Antwort)
Sri Aurobindo Ashram
Pondicherry, den 26.12.58
Mein liebes Kind,
Ich erhalte Deinen Brief vom 24. Du hast gut daran getan zu schreiben, nicht daß ich mich sorgte, aber ich höre gerne von Dir, weil das meine Arbeit fixiert, mir nützliche materielle Einzelheiten gibt. Ich bin froh, daß X etwas für Dich tut. Mir gefällt dieser Mann und ich zählte auf ihn. Hoffentlich wird er Erfolg haben. Vielleicht wird das auch hier nützlich sein – denn ich habe ernsthafte Gründe zu glauben, daß zusammen mit den Angriffen bestimmte okkulte und sogar magische Praktiken direkt gegen meinen Körper gerichtet wurden. Das erschwert die Dinge ein wenig, und ich habe noch keine meiner gewohnten Tätigkeiten wieder aufgenommen – ich bleibe noch oben, um mich "auszuruhen"; in Wahrheit, um zu kämpfen. Gestern verlief die Weihnachtsausteilung ohne mich, und wahrscheinlich wird es am ersten Januar desgleichen sein. Auch die Arbeit wurde zur Gänze unterbrochen. Und ich weiß noch nicht, wielange das andauern wird.
Halte mich auf dem Laufenden über die Ergebnisse von Xs Vorgehen, das interessiert mich sehr...
Ich liebe Dich, mein Kind, und ich bin mit Zuversicht und Zärtlichkeit bei Dir.
Zweifele nicht am Sieg, er ist gewiß.
Mutter