Mutters
Agenda
zweiten Band
(Bezüglich der Erfahrung, die Mutter am 24. Januar beschrieben hatte, in der die supramentale Kraft die Tätigkeit der Bewußtseinszentren neuorganisierte. Die Erfahrung endete mit einer tiefen Trance:
"Ich floß in die Trance...")
Ich vergaß, dir etwas sehr Wichtiges zu sagen.
Im Augenblick, als ich aus der Trance kam, hatte ich eine sehr konkrete, entscheidende Erkenntnis (aber es war kein intellektuelles Verständnis, es kam nicht von dem intellektuellen Teil des Wesens, das alles versteht und erklärt – ich glaube, Indra symbolisiert das –, es war nicht Ausdruck dieses höheren Intellekts, es war nicht mental), eine Erkenntnis (nicht wirklich ein Gefühl, mehr als ein Gefühl), eine Art Erkenntnis, wie nahezu vollkommen unwichtig die äußere, materielle Erscheinung ist, die das körperliche Befinden ausdrückt: ob die äußeren, physischen Anzeichen nun so oder anders sind, war dem Bewußtsein DES KÖRPERS vollkommen gleichgültig (das Bewußtsein hatte die Erfahrung der Einigkeit). Das Bewußtsein des Körpers erkannte die EXTREME RELATIVITÄT des materiellsten Ausdrucks.
Ich übersetze, um mich verständlich zu machen (zum Zeitpunkt der Erfahrung war es nicht so). Angenommen, irgendein Teil des Körpers ist gestört (nicht eigentlich krank, denn eine Krankheit bedeutet etwas wichtiges Inneres: ein Angriff, die Notwendigkeit einer Transformation, vieles Verschiedenes), aber der äußere Ausdruck einer Störung, zum Beispiel geschwollene Beine oder Schmerzen in der Leber (keine Krankheit: eine Störung, eine Funktionsstörung). Nun, das hat überhaupt keine Bedeutung, ES ÄNDERT NICHTS AM WAHREN BEWUSSTSEIN DES KÖRPERS. Dagegen sind wir es gewohnt, daß der Körper, wenn er krank ist oder etwas nicht gut geht, sehr gestört ist – das ist nicht mehr so.
Er ist nicht gestört im Sinne, wie wir es sonst verstehen.
Aber was ist dann gestört, wenn nicht der Körper?
Oh, das physische Mental, dieses idiotische Mental! Alle Probleme stammen von ihm, immer.
Überhaupt nicht vom Körper?
Aber nein! Der Körper ist SEHR ausdauernd.
Aber was leidet dann?
Das geschieht auch über dieses physische Mental. Wenn man diesen Wicht beruhigt, leidet man nicht mehr! Das ist ja gerade, was ich erlebte.
Weißt du, das physische Mental bedient sich der nervlichen Substanz; entfernt man es aus der nervlichen Substanz, fühlt man nichts mehr. Es gibt einem die Empfindung des Schmerzes. Man weiß, daß etwas nicht richtig ist, aber man leidet nicht mehr darunter.
Das war etwas sehr Wichtiges, eine sehr wichtige Erfahrung. Später, vor allem seit gestern nachmittag und heute morgen, merkte ich nach und nach, daß dieses objektive Losgelöstsein eine WESENTLICHE Bedingung ist, damit die Wahre Harmonie in der materiellsten Materie wirksam werden kann – in der äußersten, materiellsten Materie (Mutter kneift die Haut ihrer Hand).
Diese Erfahrung war wie ein Schritt – ein unerläßlicher Schritt für die vollkommene Losgelöstheit; unerläßlich, damit sich die Harmonie des Körperbewußtseins (mit der Erfahrung des Göttlichen, die es hatte) auf den äußersten, oberflächlichsten Teil des Körpers auswirken kann.
(Schweigen)
Es ist die logische Folge meiner langen Forschung über die Ursachen der Krankheiten und den Weg, sie zu überwinden.
Schreib das auf, es ist wichtig. Und es erscheint mir um so wichtiger seit zwei Tagen: ich hatte eine ganze Serie von Erfahrungen seit gestern abend, und heute morgen kam ich zu einem gewissen Schlußergebnis, und ich sah, daß der Ausgangspunkt in dieser Erfahrung nach der Trance lag.
Der Rest wird später kommen.
Es kam genau im Moment, als ich um drei Uhr morgens die Trance verließ. Ich kam damit 1 aus der Trance: das war mein erster Eindruck. Ich hatte vergessen, es dir zu sagen, weil es erst vor sehr kurzer Zeit Wichtigkeit bekam.
*
* *
(Etwas später geht es um die Fotos, die Mutter am 21. nicht an X. schicken wollte, dann aber am 25. mit "blockartiger" Bestimmtheit doch schicken ließ:)
X hat geantwortet. Er sagte ungefähr dies (Amrita hat es übersetzt): "Ich habe Ihre Sendung erhalten, es ist eine..." (ich weiß nicht mehr, ob er Erleuchtung oder Flamme sagte) "... die zur Wahrheit aufsteigt, zur Wahrheit führt." Diesen Eindruck gab es ihm. Es führte also zu etwas.
Es ist gut. Er hat es so empfangen, wie ich es sandte.
Aber hätte es wirklich einen Unterschied ausgemacht, die Fotos am 21. zu schicken, wie Amrita es wollte, oder später?
Ah, ja! (Wie soll ich sagen?...) Am 21. hätte die Sendung noch eine gewisse Schwierigkeit in Xs Bewußtsein erzeugen können, eine halb-bewußte Schwierigkeit, und zwar wegen all der Widerstände, all der Widersprüchlichkeiten: weißt du, alles was da kämpfte – er ist diesen Dingen gegenüber sehr empfindlich. Ich wollte ihn nicht damit in Berührung bringen. Später hingegen war es... diese Dinge hatten einen Schlag auf den Kopf bekommen (Mutter schlägt mit beiden Händen nach unten), und sie blieben ruhig. Da sagte ich: "Gut, Sie können es schicken."
Ich vermeide es immer, ihn mit den Bereichen der Kämpfe und Widersprüche in Berührung zu bringen, weil er äußerst sensibel ist und ihm das Schwierigkeiten bereitet. Deshalb hatte ich zuerst gesagt: "Nein, besser nicht."
Und später war es sehr gut!
(Schweigen)
Jetzt habe ich angefangen, diese Hymnen 2 zu lesen... Oh, jetzt verstehe ich! All das war eine Vorbereitung, die Sri Aurobindo mir gab. Jetzt verstehe ich das! ("Verstehen" soll besagen, daß es hilft, einen Fortschritt zu machen, das nenne ich verstehen.) Ich verstehe die Beschaffenheit gewisser Hindernisse und Schwierigkeiten. Und ich verstehe sehr gut, was gewissen Kräften ermöglicht, sich zu widersetzen.
Ich habe erst zwei Hymnen gelesen. Wenn ich zum Ende komme... dann werde ich wahrscheinlich etwas gefunden haben.
*
* *
(Nach der Arbeit spricht Mutter über ihre Übersetzung von "The Synthesis of Yoga")
Diesbezüglich hatte ich vor einigen Tagen eine Erfahrung. Seit langer Zeit konnte ich nicht arbeiten, weil es mir nicht gut ging und meine Augen müde waren. Vor zwei oder drei Tagen machte ich mich dann wieder an die Übersetzung und merkte plötzlich, daß ich es jetzt alles anders sehe! In dieser Zeit ist etwas geschehen. Wie soll ich das sagen... Die Stellung gegenüber der Übersetzung ist anders. Also nahm ich den letzten Satz meiner Übersetzung noch mal auf (mehr hatte ich nicht bei mir, weil ich meine Papiere immer sofort einordne), und verglich ihn mit dem englischen Originaltext – "Oh!" sagte ich mir, "sieh, so gehört das!" Und ich verbesserte alles, ganz selbstverständlich. Es war wirklich wie eine andere Stellung.
Als ich es dann später durchlas, sah ich (es ist noch nicht perfekt, es ist noch im Werden), sah ich wirklich, daß ich das Stadium überschritten habe, wo man versucht, etwas dem gegebenen Originaltext Entsprechendes zu finden, also einen Ausdruck, der paßt und dem Text genügend nahe ist (das war meine Stellung vorher). Jetzt ist es anders! Die Übersetzung kommt wie spontan: dies auf Englisch, das auf Französisch. Ganz anders. Manchmal ist es sehr wörtlich. Und es gab etwas Interessantes: du weißt, Sri Aurobindo gefiel die französische Sprachkonstruktion enorm (er sagte, daß sie dem Englischen eine viel bessere, klarere, mächtigere Struktur gibt, als die englische Konstruktionsweise), und wenn er etwas auf Englisch schrieb, verwendete er oft ganz natürlich eine französische Satzstruktur. In solchen Fällen paßt sich die Übersetzung ganz von selbst an: es macht fast den Eindruck, daß es auf Französisch geschrieben wurde. Aber bei einer englischen Satzstruktur kam mir immer etwas Äquivalentes. Jetzt aber ist es fast so, als ob etwas "von oben denkt" und sagt: "So ist das Englische, so ist es auf Französisch."
So war es, offensichtlich. Aber es ist noch nicht beständig, es ist erst ein Anfang. Ich hoffe, daß es sich nach einiger Zeit festigen wird, dann gibt es keine Schwierigkeiten mehr.
Unterdessen interessiert es mich, die Arbeitsweise davon in deinem Mental zu sehen... ich glaube, in einiger Zeit, vielleicht in nicht allzu langer Zeit, werden wir auf sehr interessante Art zusammen arbeiten können...
Das Problem ist der Zeitmangel. Die Zeit ist zu knapp! 3
Oh, das ist sehr, sehr ärgerlich, mein Kind. Mir brauchst du das kaum zu sagen! Mein ganzes Leben lang habe ich nie genug Zeit gehabt. Was immer ich mache, ob ich mit jemandem spreche, etwas ordne, eine Arbeit verrichte, die Zeit ist immer zu kurz. Ich habe immer das Gefühl: "Oh, könnte ich das nur in Ruhe tun!" Alles, was immer es ist, wird interessant, wenn man es in Ruhe, mit der richtigen Haltung und der nötigen Konzentration tun kann. Aber man wird immer von der darauffolgenden Sache gehetzt.
Aber das, das ist ein Mangel. Und ich weiß es – ich weiß es, und ich werde eine Lösung finden. Das wäre...
Aber die Zeit läßt sich nicht dehnen! Das wäre wunderbar, wenn die Tage drei Stunden länger wären.
Nun ja. Aber das ist nur so, weil wir noch zu stark an die äußerste Form gebunden sind. Du kannst dir kaum vorstellen, was für einen Unterschied das macht! Man tut DAS GLEICHE, auf die gleiche Art, mit denselben Gesten, und im einen Fall nimmt es Zeit in Anspruch und im anderen nicht.
Das habe ich konkret erfahren: heute morgen zum Beispiel hatte ich sehr wenig Zeit, um zum Balkon zu gehen; die Zeit ist sehr begrenzt, vorbestimmt und kurz. Und ich muß eine gewisse Anzahl von Dingen erledigen, rein materielle Dinge. Da glaubt man, daß die dafür benötigte Zeit natürlich immer die gleiche sein muß – das stimmt nicht. Es ist nicht wahr, ich wundere mich selber darüber!
Beim Japa gibt es denselben Kontrast, es ist wirklich erstaunlich: ich habe das Gefühl, ich sage die Worte auf die gleiche Weise, mit der gleichen Intonation, genau dem gleichen Rhythmus – aber manchmal, mit einer bestimmten inneren Einstellung, ist die chronometrische Zeit unterschiedlich! Und wir, so gebunden an unsere physische Materie, haben dennoch den Eindruck, daß es die gleiche Zeit braucht! Diese außerordentliche Relativität zur chronometrischen Zeit ist wirklich seltsam.
Das wollten sie wohl ausdrücken, als sie sagten, Joschua hielt die Sonne an.
Da gibt es etwas... zu finden. Etwas Außerordentliches. Wenn das gefunden ist, wird es fabelhaft sein.
So gibt es einige Geheimnisse – ich empfinde es als Geheimnisse. Und von Zeit zu Zeit ist es, als gäbe man mir ein Beispiel: "Siehst du, so ist es." – Es verblüfft mich... weißt du, im normalen Sprachgebrauch würde man sagen: "Es ist ein Wunder" – das ist etwas, das wir finden müssen.
Wir werden es finden! 4
So ist es, mein Kind.
1 Damit>mit der Erkenntnis, wie nahezu vollkommen unwichtig die äußere, materielle Erscheinung ist, die das körperliche Befinden ausdrückt.
2 Sri Aurobindos Übersetzung der vedischen Hymnen (On the Veda, 241 ff).
3 Satprem hat neuerlich wieder sieben Stunden Japa täglich zu verrichten.
4 In den Gleichungen von Einsteins Relativitätstheorie sind so "unveränderliche" Größen, wie die Masse eines Körpers, die Frequenz einer Schwingung oder die Zeit zwischen zwei Ereignissen abhängig von der Geschwindigkeit des Bezugsrahmens, in dem das Experiment abläuft. Experimente im Weltraum haben es erlaubt, Einsteins Gleichungen zu bestätigen. So wird zum Beispiel eine Uhr an Bord eines die Erde umkreisenden Satelliten 60 Sekunden zwischen zwei Signalen messen, während eine identische, auf der Erde verbliebene Uhr 61 Sekunden zwischen denselben Signalen mißt: die Zeit "verkürzt" sich mit steigender Geschwindigkeit. Die Abweichung wird um so größer, je mehr man sich der Lichtgeschwindigkeit nähert. So geht es auch in Geschichten, wo ein Weltraumfahrer weniger gealtert zur Erde zurückkehrt als seine Zeitgenossen: er befand sich in einem anderen "Bezugsrahmen". Es ist bemerkenswert, daß Mutters Erfahrungen im Körper sich sehr oft mit Theorien der modernen Physik überlappen – als wären die mathematischen Gleichungen ein Beschreibungsmittel für gewisse komplexe oder von der Realität entfernte Phänomene, die Mutter spontan in ihrem Körper lebte... vielleicht mit "Lichtgeschwindigkeit".