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Mutters

Agenda

zweiten Band

19. Mai 1961

(Während der Arbeit geht es um die Schwierigkeit, Sri Aurobindo gut zu übersetzen)

Es ist unvermeidlich, daß beim Übersetzen etwas verloren geht: sobald man übersetzt, geht etwas verloren.

Nicht etwas: sehr viel. Sehr viel.

Je mehr ich diese Texte betrachte, um so... Anfangs hatte ich den Eindruck einer bestimmten Verschwommenheit im englischen Text und daß man diese Verschwommenheit gerade dazu ausnützen könnte, den Geist einer anderen Sprache einzuführen. Doch jetzt sehe ich: diese Verschwommenheit, die lag in meinem Kopf! Nicht in dem, was er schrieb.

Ja, ich sehe es deutlich: es hat einen Sinn, wie es steht.

Jedes Wort, mein Kind! Jedes Wort und die STELLE des Wortes im Satz, sogar die Stelle eines Adverbs ist von kapitaler Bedeutung für den Sinn. Alle Feinheit, alle tiefe Weisheit verflüchtigt sich sonst. Im Grunde vermitteln wir nur Oberflächlichkeiten – keine Oberflächlichkeiten verglichen mit dem normalen Geist, aber Oberflächlichkeiten im Vergleich zu dieser PRÄZISION, mit der er die Dinge differenziert.

Das Unglück ist, wenn man wörtlich übersetzt, in schlechtes Französisch, kommt man dem tiefen Sinn auch nicht näher, denn das verwüstet die Bedeutung ebenso.

Eine wörtliche Übersetzung ist genauso entstellend wie eine freie.

Ja! Eigentlich gibt es nur eine Lösung: man müßte sein Genie haben!

Ja, man müßte es von neuem denken.

(Lachend) Das ist die einzige Lösung!

Ich sehe überhaupt nicht, wie ich dieses Buch über Sri Aurobindo schreiben kann. Je weiter ich komme, um so mehr scheint es mir...

Das ist etwas anderes. Denn du schreibst es für Leute, die im Grunde nichts davon wissen.

Ja, das ist klar, aber...

Und trotz allem sind unsere Übersetzungen von Sri Aurobindos Schriften besser als die, die in Frankreich erschienen, denn die...

Die sind ein absoluter Verrat.

Oh!... Die Übersetzungen von J.H. und diesen Leuten sind schrecklich.

Ein Verrat, ein Verrat.

Ja, und mit einer Selbstsicherheit! Unerschütterlich.

Vor nicht sehr langer Zeit traf ich jemanden aus Frankreich, der mit sagte: "Verstehen Sie, ich hatte überhaupt keine Lust, Sri Aurobindo zu lesen – Sri Aurobindo übersetzt von J.H., nein danke!" Dann las er Übersetzungen von hier und sagte: "Ah, das ist etwas anderes!"

Aber trotzdem bin ich nicht damit zufrieden.

Nun, was können wir tun? Wir sind arme Kerle! (Lachend) Wir tun unser Bestes, das ist alles.

*
*   *

(Satprem wollte Mutter bestimmte frühere Gespräche vorlesen, damit sie sie zu ihrer Agenda hinzufüge. Mutter weigerte sich – übrigens nicht zum ersten Mal –, was zu lebhaften Protesten führte)

Du willst es nicht hören?

Ich finde das nicht interessant, mein Kind!

Natürlich ist das eine Wiederholung für dich. Aber das ist unbestreitbar von Interesse, ohne Zweifel.

Das enthält einfach nichts Sensationelles, was interessant zu erzählen wäre: es ist eine unscheinbare Arbeit jeder Minute, wie... oh, nicht einmal so interessant, wie einen Pfad durch den Urwald zu hauen, denn der Urwald ist wenigstens schön zu sehen! Doch hier... Das ist fast, als müsse man einen Weg pflastern, um ihn begehbar zu machen. Da sind es jeden Tag und die ganze Zeit, Tag und Nacht, in jedem Augenblick winzige kleine Dinge, winzige Dinge – das ist nicht interessant.

Das sind aufeinanderfolgende Kurven, die man in jeder Sekunde aufzeichnen müßte, und mitten in einer dieser Kurven entdeckt man dann plötzlich etwas. Am Anfang des Yoga of Self-Perfection gibt Sri Aurobindo zum Beispiel eine Übersicht der anderen Yogawege, und er beginnt mit dem Hatha-Yoga. Ich hatte das gerade übersetzt, als ich mich erinnerte, was Sri Aurobindo darüber gesagt hatte, daß Hatha-Yoga sehr wirksam ist, daß man aber im Grunde sein ganzes Leben damit verbringt, sich mit seinem Körper zu beschäftigen und dies eine gewaltige Arbeit für etwas im wesentlichen nicht sehr Interessantes ist. Ich betrachtete das (betrachtete das Leben, wie es gegenwärtig ist und wie die Leute es leben) und sagte mir: "Letztendlich verbringt man mindestens 90% seines Lebens damit, den Körper zu ERHALTEN, daß er bestehen bleibt! Im Grunde bedeutet das viel Aufmerksamkeit und Konzentration auf ein Instrument, das sehr wenig benutzt wird." Ich betrachtete das mit dieser Einstellung, als plötzlich alle Zellen meines Körpers auf so spontane und WARME und... bewegende Weise antworteten: "Aber das ist der Herr, der sich in uns um sich selbst kümmert!" Jede Zelle sagte: "Aber das ist der Herr, der sich in uns um sich selbst kümmert!"

Das war wirklich schön. Da gab ich meinem Intellekt eine Ohrfeige: "Wie dumm kann man nur sein! Du vergißt immer das Wesentliche."

Das war sehr spontan und schön.

Du siehst also, es gibt kleine Geschehnisse hier und dort, aber das ist nichts.

(Schweigen)

Das war ein so warmes, so nahes Gefühl... so sanft und zugleich so stark... Oh, so konkret! Die ganze, ganze Atmosphäre war konkret geworden: alles-alles hatte den Geschmack des Herrn. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Es war ganz und gar materiell, als hätte man einen Bissen davon im Mund! Alles war voll davon – so war es. Und auf so PHYSISCHE Weise! Wie... Man könnte es mit dem köstlichsten nur vorstellbaren Geschmack vergleichen (es war das Gefühl von Berühren und Geschmack), sehr-sehr materiell. Als würde man, wenn man die Hand schließt, etwas Festes halten – eine so warme, so sanfte und so STARKE Vibration, so mächtig, so konkret!

Offensichtlich beweist es, daß in dieser ganzen Ansammlung von Zellen eine Evolution in dieser Richtung stattfindet, aber...

Im Grunde wollen wir etwas anderes.

Was wir im Grunde wollen, ist... (langes Schweigen) etwas wie eine Absolutheit der Gegenwart, der Aktion, des Bewußtseins, zur Beseitigung dieser... (Geste, die vielleicht eine Entfernung, eine Trennung oder einen Austausch zwischen zwei getrennten Dingen ausdrückt). Man kann es fast nicht mehr als "Dualität" bezeichnen, aber es bleibt doch noch "etwas, das sieht und fühlt". Das ist ärgerlich.

Ich spüre deutlich, daß alles-alles auf EINES ausgerichtet ist: "Du, Du allein, daß es nur Dich gebe"... Man kann nicht sagen "ich" (mit diesem idiotischen "ich" gibt es immer Mißverständnisse), es ist nicht "Du", es ist nicht "ich", es ist... ein EINZIGES. Daß DAS sei, und nichts anderes.

Solange es nicht DAS ist, ist es... ja, man pflastert den Weg.

Und das ist nicht unterhaltsam zu erzählen.

Doch, es ist wichtig.

(Schweigen)

Es ist Nacht und Tag, Tag und Nacht, wenn ich Leute sehe, wenn ich keine Leute sehe...

Wenn ich ganz alleine bin, dann ist es wunderbar! Sobald er alleine ist, ist dieser Körper... als würde er schmelzen – schmelzen. Es gibt keine Grenzen mehr, er ist zufrieden: "Oh, endlich kann ich aufhören zu sein!"

Und er vergißt sich wirklich: es geht wirklich in etwas anderes über.

Aber die ganze restliche Zeit... Die Briefe zu lesen, Dinge zu entscheiden und Leute zu empfangen, von Morgen bis Abend. Und nachts, jedesmal, wenn ich aus meiner Trance komme, wartet ein ganzer Schwarm von Dingen (Geste um den Kopf herum), daß man sie anhört, ihnen Aufmerksamkeit schenkt.

Manchmal sind es amüsante Dinge; wenn ich alles notierte, was ich sehe! Bestimmte Dinge erscheinen... nicht wie sie im gewohnten Leben sind, sondern wie sie SIND, mit einem etwas hellseherischen Auge betrachtet – das ist recht amüsant. Aber das ist nicht bedeutsam, ein Zeitvertreib.

Weißt du... der Körper ist wunderbar – die ganze Zeit, wenn ich nörgele oder brumme, sagt er: "Vergiß nicht, es ist für Mich, Ich bin es, Ich bin es, der die Leute herführt, Ich bin es, der ordnet, Ich bin es, der sie fragen läßt, Ich..." Gut-gut. Dann zupfe ich meine Ohren oder meine Haare und sage mir: Dummkopf!

(Schweigen)

Aber diese Erfahrung hatte ich jetzt zum ersten Mal. Den physischen Kontakt hatte ich schon gehabt, das erzählte ich dir 1, doch jetzt war es anders, sehr viel materieller, und es hatte eine Beziehung mit dem Geschmackssinn. Als wäre die ganze Atmosphäre und alle Dinge eine wunderbare Nahrung... ein ekstatisches Mahl.

Für den Geruchssinn hatte ich diese Erfahrung schon: die göttliche Schwingung, die Schwingung des Ananda in den Gerüchen. Nripendra hat seine Küche genau unter meinem Fenster, wo er den ganzen Morgen und den ganzen Nachmittag lang für die Kinder kocht 2, da steigt all das in Schwaden herauf. Und wenn der Baum am Samadhi blüht, kommt der Duft in Schwaden; wenn die Leute unten Räucherstäbchen verbrennen, kommt es in Schwaden – alle-alle Düfte ("Düfte": sagen wir Gerüche). All das kommt meistens, während ich bei meinem Japa gehe: es ist das Ananda der Gerüche, jeder hat seine Bedeutung, seinen Ausdruck, sein... Motiv und sein Ziel – wunderbar! Da gibt es keine guten und schlechten Gerüche mehr, das existiert nicht mehr: jeder hat seinen Sinn – seinen Sinn und seinen Seinsgrund. Diese Erfahrung hatte ich schon seit langem.

Aber die Erfahrung des Geschmacks war völlig neu. Sie blieb nicht lange: es dauerte nur einige Minuten, weil ich so erstaunt war! Weißt du, als hätte ich die köstlichsten nur vorstellbaren Delikatessen im Mund. Und meine Hände sammelten das in der Atmosphäre auf, es war so seltsam!

Offensichtlich wird der Körper auf etwas vorbereitet.

Aber dieser Körper ist noch viel zu offen für die mentalen Formationen der Leute, deshalb findet er sich im Kampf gegen... oh!

Das ist auch mein Vorwurf gegen ihn: warum kämpft er? Warum überfällt mich plötzlich eine schreckliche Müdigkeit, daß ich mich anspannen muß? Er tut natürlich nur eines: er wiederholt automatisch das Mantra, und damit beruhigt und ordnet sich alles. Aber warum ist das nötig? Das müßte automatisch geschehen [die Reinigung der schlechten Vibrationen]. Warum ist es nötig, sich zu erinnern oder einen Kampf zu liefern? Eine Schlacht!

Er, auf seiner Seite, beschwert sich nicht, überhaupt nicht: ich beschwere mich! Ich glaube, er versucht sein Bestes, aber da widerlegt sich diese Art... (man kann kaum von Mental sprechen), diese mentale Tätigkeit in der Materie 3, die sich einmischt... abscheulich. Das konnte ich noch nicht ganz beseitigen.

In bestimmten Augenblicken hört es ganz auf. Oh, während ich gehe, hält sich manchmal alles so (Geste, als würde alles von oben beherrscht und reglos gehalten), straff.

Das Schwierige ist nur, daß für das gewöhnliche Bewußtsein (und leider bin ich umgeben von einer Fülle von Leuten, die ein sehr gewöhnliches Bewußtsein haben – mir erscheint es jedenfalls sehr gewöhnlich; vom menschlichen Standpunkt sind es wahrscheinlich recht bemerkenswerte Leute, aber mir erscheint ihr Bewußtsein völlig gewöhnlich), für das gewöhnliche Bewußtsein gibt mein Zustand den Anschein der Benommenheit, der Verdummung, des Komas oder... ja, der Betäubung. Es hat ganz diesen Anschein. Etwas wird unbewegt, teilnahmslos, hält völlig inne (selbe Geste): man kann nicht mehr denken, nicht mehr beobachten, nicht mehr reagieren, nichts mehr, man ist einfach so (selbe Geste). Doch da sind all die Dinge, die von außen kommen, die ganze Zeit, die ganze Zeit, Dinge, die kommen und versuchen, das zu unterbrechen. Wenn es mir gelingt, sie davon abzuhalten, wenn ich diesen Zustand aufrechterhalten kann, dann wird es nach einiger Zeit etwas so MASSIVES! So konkret in seiner Macht, so massiv in seiner Unbewegtheit, ooh!... Das muß irgendwohin führen.

Doch ich konnte diesen Zustand nicht lange genug beibehalten (man muß es während STUNDEN beibehalten), ich konnte es nicht: ständig werde ich unterbrochen. Und wenn der Körper abrupt von dort weggezogen wird, ist es als verliere er sein Gleichgewicht – da ist ein unangenehmer Augenblick.

Ich verstehe die Leute, die fortgehen! Aber das ist es nicht, das ist nicht, was von mir verlangt wird! Ich muß genügend Flexibilität finden, daß beides gleichzeitig bestehen kann (Geste der Verschachtelung oder Verschmelzung der beiden Welten).

(Schweigen)

Wenn du wüßtest... (denn die Wahrnehmung, die bewußte Wahrnehmung, die habe ich schon seit vielen Jahren, aber sie wird immer schärfer und genauer...), wenn du wüßtest, was für eine Atmosphäre sie mich atmen lassen, mein Kind! (Geste um den Kopf herum) Solche Einfältigkeiten, solche Unsinnigkeiten, Bösartigkeiten, Dummheiten. Es ist voll-voll von all dem. Man kann nicht atmen, ohne das einzuatmen!

Ohne von dem zu sprechen, was die Leute mir schreiben.

Sie sagen, ich sei taub geworden... Ich glaube, das ist eine Gnade des Herrn! Wenn ich mich anstrenge und höre, was man mir sagt, ist es nämlich in neun von zehn Fällen völlig nutzlos und absolut idiotisch. Da ist es besser, nicht zu hören!

So ist es, mein Kind. Ich hatte gesagt, ich würde nicht reden! Es ist immer dasselbe.

Das macht nichts.

Du wirst zum Prügelknaben (lachend), du mußt dir all das anhören!

Aber nein! Das erscheint mir seltsam [diese Atmosphäre, mit der die Leute Mutter umgeben]... Nein, ich verstehe. "Verstehe": ich kann es ermessen.

(Schweigen)

Wenn "diese Dinge" verwirklicht worden sind, wird es wahrscheinlich etwas wie eine Macht bringen – ich bin der Ansicht, daß ich keine Macht habe. Im Augenblick ist es nichts. Es ist NICHTS. Meine Auffassung von Macht ist dies: wenn in das Bewußtsein kommt "so muß es sein", ja, dann MUSS es so sein. Aber jetzt ist das nicht der Fall. All die anderen Kräfte, all die anderen Bewußtseinsregungen kommen hinzu und mischen sich ein 4, und das ergibt das gewohnte Durcheinander: etwas von diesem, etwas von jenem, etwas vom einen, etwas vom anderen – kurz, etwas Ungenaues. Manchmal geht es, aber das ist...

Auf der auslösenden Seite, wo die Aktion in Gang gesetzt wird, vollzieht sich die Bewegung immer auf dieselbe Art: wie etwas, das in sehr bestimmter Weise GESEHEN wurde. Folglich müßte es IMMER eine Wirkung haben; aber dann dringen alle möglichen Dinge ein und stören. Das nenne ich nicht Macht, es ist zu ungewiß.

Und kümmere dich nicht um all dieses Geschwätz, das ich gerade erzählt habe.

Aber hör mal!...

 

1 Erfahrung vom 24. Januar 1961.

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2 Dr. Nripendra leitete die Ashramklinik.

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3 Das physische Mental.

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4 Mutter bezieht sich insbesondere auf das physische Mental ("diese Art mentale Tätigkeit in der Materie").

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