Mutters
Agenda
zweiten Band
28. September 1961
(Brief von Satprem an Mutter)
Liebe Mutter,
Ich habe das Gefühl, völlig mir selbst überlassen zu sein. Dieses Buch ist ein wahrer Leidensweg. Ich sehe nicht, wohin er führt, ich suche in allen Richtungen. Mutter, bitte hilf mir. Wo liegt der Fehler? Ich leide, weißt du. Ich möchte es ja gerne tun, aber es kommen nur Fragmente, nichts Zusammenhängendes. Manchmal glaube ich, dieser Aufgabe nicht gewachsen zu sein.
Was soll ich tun?
Dein Kind,
Satprem 1
(Mutters Antwort)
Donnerstag
Satprem, mein liebes Kind,
Eines können wir tun, wenn du einverstanden bist. Lies mir vor, was du bisher geschrieben hast. Es in meinem Bewußtsein reflektiert zu sehen, hilft dir vielleicht.
Wenn du glaubst, es könnte hilfreich für dich sein, komme ich Samstag (übermorgen) um zehn Uhr morgens.
Mit all meiner Zärtlichkeit,
Mutter
1 Mit ein oder zwei anderen ist dieser Brief der einzige Verbliebene. Satprems gesamte Korrespondenz mit Mutter nach 1960 – dreizehn Jahre – wurde nach Mutters Abschied vom Ashram beschlagnahmt, aus welchen Gründen auch immer. Die Briefe bis 1960, die bereits im 1. Band der Agenda erschienen, entgingen dem Massaker, weil Mutter sie persönlich aufbewahrte. Dies bedeutet ein großes Loch in der Agenda, nicht nur für Satprem, der all sein Herz, seine Fragen, Zweifel und Schwierigkeiten in diese Briefe geschüttet hatte, sondern auch aus dokumentarischer Sicht, weil viele der Gespräche mit Mutter unsichtbar von seinem eigenen Zustand beeinflußt wurden. Tatsächlich war Satprem innig mit dem Fluß dieser Agenda verbunden, der so verstümmelt ist. Überhaupt wäre hier zu erwähnen, daß Satprem diese ersten beiden Bände auf der Flucht zusammenstellen mußte und es Mutters wunderbarer Hilfe bedurfte, um noch schwerwiegenderen Verstümmelungen als der Zensur seiner Korrespondenz zu entgehen.