SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 03 Bande

Mutters

Agenda

dritten Band

21. Januar 1962

(Das folgende Gespräch hatte einen Aphorismus von Sri Aurobindo als Ausgangspunkt:)

70 – Prüf dich erbarmungslos, und du wirst dich deinen Mitmenschen gegenüber gütiger und mitfühlender verhalten.

Sehr gut! (Mutter lacht) Das ist sehr gut.

Das tut allen gut, nicht wahr?

Besonders den Leuten, die sich für sehr überlegen halten.

Aber es entspricht wirklich etwas sehr Tiefem.

Das ist genau meine Erfahrung der letzten Tagen, die vorgestern so etwas wie ihren Höhepunkt erreichte und sich heute morgen zu einer umfassenden Vision auf globalem Niveau entwickelte.

Es läuft fast auf eine Umkehr der Einstellung hinaus.

Im Grunde haben sich die Menschen immer für von feindlichen Kräften drangsalierte Opfer gehalten – die Mutigen schlagen sich, die anderen beklagen sich. Jetzt hat sich aber immer mehr eine sehr konkrete Sicht der Rolle entwickelt, die die feindlichen Kräfte in der Schöpfung spielen, nämlich ihre beinahe absolute Notwendigkeit, um den erforderlichen Fortschritt zu erzielen, damit die Schöpfung wieder zu ihrem Ursprung wird. Ich sah sehr deutlich, daß man zuerst seine eigene Transformation zu leisten hat – dafür muß man beten, und die gilt es auszuführen, anstatt sich nach der Umwandlung oder Vernichtung der feindlichen Kräfte zu sehnen.

Dies von einem globalen Gesichtspunkt aus gesehen, ich gehe nicht vom individuellen Standpunkt aus (der ist bekannt) – hier geht es um eine globale Sicht.

Es war die plötzliche Erkenntnis aller Fehler, allen Unverständnisses, allen Unwissens, aller Dunkelheit, ja, noch schlimmer, aller Böswilligkeit des irdischen Bewußtseins, das sich für die Fortdauer dieser Wesen und feindlichen Kräfte verantwortlich fühlte; all dies wurde in einer großen... mehr als einer Aspiration, in einer Art Holocaust dargeboten, damit die feindlichen Kräfte sich auflösen konnten, keine Existenzberechtigung mehr haben würden, damit sie nicht mehr da sein müssen als Anzeichen für all das, was sich verändern muß.

Durch all die Dinge, die das göttliche Leben verneinten, waren sie zwangsläufig da. Diese Bewegung des irdischen Bewußtseins zum Höchsten, die Hingabe all dieser Dinge in einer außerordentlichen Intensität war wie ein Freikauf, um die feindlichen Kräfte zum Verschwinden zu bringen.

Es war eine sehr intensive Erfahrung. Sie kristallisierte sich um einen Erfahrungskern, der zu persönlich ist, als daß ich davon sprechen könnte (ich will damit sagen, daß es nicht nur mich betraf), der sich aber wie folgt ausdrückte: "Nimm all die Fehler, die ich begangen habe, nimm all diese Fehler, nimm sie an, lösch sie aus, damit diese Kräfte verschwinden können!"

Das will dieser Aphorismus vom anderen Ende her gesehen eigentlich besagen. Solange ein menschliches Bewußtsein in sich die Möglichkeit hat, im Widerspruch zum göttlichen Werden zu fühlen, zu handeln, zu denken oder zu sein, kann man unmöglich jemand anderem die Schuld zuschieben; es ist unmöglich, die Schuld den feindlichen Kräften zu geben, die in der Schöpfung als das Mittel wirken, um die Menschen den ganzen Weg, der noch zu begehen ist, sehen und fühlen zu lassen.

(Schweigen)

Es war wie eine Erinnerung 1 – eine Erinnerung, die ewig gegenwärtig ist – dieses Bewußtseins der höchsten Liebe, das der Herr auf die Erde – IN die Erde – ausströmen ließ, um sie zu ihm zurückzuführen. Es war wirklich der Abstieg des eigentlichen Wesens der göttlichen Natur in eine äußerste Verneinung des Göttlichen und damit die Aufgabe des göttlichen Zustandes, um die Finsternis der Erde auf sich zu nehmen, so daß sie ihren göttlichen Zustand wiedererlange. Solange Das nicht existiert, diese göttliche Liebe, die hier auf Erden allmächtig bewußt werden soll, kann die Rückkehr nie endgültig sein.

Das kam nach der Vision des großen göttlichen Werdens 2 . So fragte ich mich: "Da diese Welt fortschreitet, da sie ja immer mehr zum Göttlichen wird, existiert dann nicht stets dieses so schmerzliche Empfinden des Nicht-Göttlichen, des Zustandes, der im Vergleich zu dem, was kommen soll, nicht-göttlich ist? Wird dann nicht stets das existieren, was man "feindliche Kräfte" nennt, das heißt etwas, das der Bewegung nicht harmonisch folgt?" Darauf kam die Antwort, die Vision: "Nein, genau jetzt naht der Augenblick dieser Möglichkeit, der Augenblick für die Manifestation dieser Essenz vollkommener Liebe, die diese Unbewußtheit, diese Unwissenheit und die daraus folgende Böswilligkeit in ein leuchtendes, freudiges Fortschreiten umwandeln kann, in etwas unaufhaltsam Fortschreitendes, Allumfassendes, nach Vollkommenheit Dürstendes."

Das war sehr konkret.

Es entspricht einem Zustand, in dem man sich so VOLLKOMMEN mit allem identifiziert, was existiert, daß man konkret zu all dem wird, was anti-göttlich ist – worauf man es hingeben kann. Man kann es hingeben und durch dieses Opfer wirklich transformieren.

Im Grunde genommen stellt dieser Wille nach Reinheit, nach dem Guten (was sich in der gewöhnlichen Mentalität ausdrückt als das Bedürfnis, tugendhaft zu sein) das GROSSE HINDERNIS im Menschen für eine echte Selbsthingabe dar. Der Ursprung der Falschheit und besonders die eigentliche Wurzel der Heuchelei liegt hier: in der Weigerung, den eigenen Anteil der Last der Schwierigkeiten auf sich zu nehmen. Dieses Problem berührte Sri Aurobindo in seinem Aphorismus auf sehr einfache, direkte Art und Weise.

Versucht nicht, tugendhaft zu sein. Seht, wie weit ihr mit allem, was anti-göttlich ist, verbunden und EINS seid, nehmt euren Teil der Last an, akzeptiert, selbst unrein und falsch zu sein, denn so könnt ihr den Schatten aufnehmen und ihn hingeben. In dem Maße, wie ihr fähig seid, ihn aufzunehmen und hinzugeben, werden sich auch die Dinge ändern. 3

Versucht nicht, zu den Reinen zu gehören. Akzeptiert, mit jenen zu sein, die in der Dunkelheit sind, und gebt all dies hin in totaler Liebe.

(Schweigen)

Sobald dies erkannt und GETAN war, kam die volle Macht zurück – die große schöpferische Macht.

(Schweigen)

Wahrscheinlich konnte diese Erfahrung nur deshalb stattfinden, weil die Zeit für die Hingabe all dieser Dinge gekommen war.

Es geht nicht darum, diese Dinge fortbestehen zu lassen, sondern sie hinzugeben.

Denn der Augenblick ist gekommen, diese Macht zu manifestieren, welche eine Macht der Liebe ist – eine Macht der LIEBE, nicht nur der Identität – der Liebe, einer vollkommenen Liebe, die allein zu geben vermag.

Dies geschah heute morgen, in großer Schlichtheit, aber gleichzeitig hatte es etwas so Weites und Allmächtiges an sich, als ob die universelle Mutter sich zum Herrn wende und ihm sagte: "Endlich! Wir sind bereit."

Das ist meine Erfahrung von heute morgen.

Willst du damit sagen, daß dies einen weltweiten Fortschritt bedeutet?

Ja, weltweit, es geht hier um die Geschichte der Erde.

Jetzt?

Weißt du, in diesen Bereichen erstreckt sich das "Jetzt" manchmal über viele Jahre. Ich sage nicht, daß es augenblicklich stattfinden wird, ich weiß es nicht – ich weiß nicht, wahrscheinlich werde ich es in ein paar Tagen wissen.

Weißt du, wenn man eine Tür einen Spalt weit öffnet und einen Blick erhascht...

Als ich Sri Aurobindo sagte, daß Indien frei sei, war es dieselbe Erfahrung; die universelle Mutter selbst sprach, sozusagen von ihrem Ursprung aus – und es dauerte fünfunddreißig Jahre, bis sich das auf der Erde manifestierte.

Als ich die Erfahrung hatte, daß der Augenblick für die Herabkunft der supramentalen Kraft auf die Erde gekommen war, folgte ich in meinem Bewußtsein den Auswirkungen und Konsequenzen, aber für eine gewöhnliche Sicht muß es dem entsprochen haben, was bei der Befreiung Indiens geschah – die Herabkunft mag zwar stattgefunden haben, aber im Moment sind die Auswirkungen mehr als verhüllt.

Die erste ein wenig greifbare Manifestation war die Vision des Schiffes; damit wurde die Sache konkreter, es veränderte etwas radikal an der Haltung.

Jetzt beginnt eine neue Etappe.

(Schweigen)

Die ganze letzte Zeit war sehr schwierig. Ich sehe deutlich, daß es eine Vorbereitung war – eine Vorbereitung für diese Erfahrung. Es ging darum, die Haltung zu revidieren, eine Haltung des Kampfes, um all das, was in der Schöpfung anti-göttlich ist, zu überwinden, zu besiegen, zunichte zu machen. Wahrscheinlich (nein, nicht wahrscheinlich, sondern sicher) war diese Haltung bis jetzt nötig, um die Dinge vorzubereiten. Aber jetzt hat eine Art Umsturz stattgefunden, als ob der Moment für das schöpferische Prinzip, die Kraft, die schöpferische Kraft des Universums gekommen sei, um zu sagen: "Auch das bin Ich. Denn es ist Zeit, daß es verschwinde. Auch das bin Ich; Ich behandle es nicht mehr wie einen Feind, den ich zurückweisen muß. Ich akzeptiere es als Mich, so daß es wirklich Ich werde."

Eine Art Pein ging dem voraus: "Wird es immer so etwas geben, das im Vergleich zu dem, was werden soll, anti-göttlich erscheint?" – Nein, nach einer langen Vorbereitung wird es fähig, sich göttlich zu fühlen – und folglich göttlich zu sein.

Betrachtet man die äußerliche, materielle Wirklichkeit, so bleibt noch ein langer Weg, bis diese neue Manifestation zur vollbrachten Tatsache wird. Doch wahrscheinlich besteht bereits jetzt ihr Keim – so wie der Keim von Indiens Unabhängigkeit gekommen war, sich aber erst später erfüllte.

 

Addendum

(Zwei Briefe von Sri Aurobindo über die Psychoanalyse)

Dich einer Psychoanalyse zu unterziehen, war ein Fehler. Zumindest für den Augenblick hat sie die Arbeit der Läuterung komplizierter und nicht einfacher gemacht. Die Freudsche Psychoanalyse ist das Letzte, was man mit dem Yoga in Verbindung bringen sollte. Sie befaßt sich mit einem bestimmten Teil, und zwar dem dunkelsten, gefährlichsten, ungesundesten Teil der menschlichen Natur, mit der niederen vitalen, unterbewußten Schicht, isoliert einige ihrer krankhaftesten Erscheinungsformen und unterstellt ihnen einen Einfluß, der in keinem Verhältnis zu ihrer wahren Rolle in der Natur steht. Die moderne Psychologie ist eine in den Kinderschuhen steckende Wissenschaft, sowohl unbesonnen als auch unsicher und unausgereift. Wie bei allen neu entwickelten Wissenschaften tobt sich hier die universelle Gewohnheit des menschlichen Mentals aus, eine unvollständige oder örtlich begrenzte Wahrheit ungebührlich zu verallgemeinern und zu versuchen, den gesamten Bereich der Natur mit ihren engen Begriffen zu erklären. Im übrigen ist es ein gefährlicher Fehler, die Bedeutung unterdrückter sexueller Komplexe zu übertreiben; es kann einen schlimmen Einfluß haben und dazu führen, Mental und Vital grundlegend unreiner zu machen als vorher und nicht reiner.

Es ist richtig, daß das Unterschwellige [subliminal] im Menschen den größten Teil seiner Natur umfaßt und das Geheimnis ungeahnter Dynamiken in sich birgt, welche seine Tätigkeiten an der Oberfläche erklären. Doch das niedere vitale Unterbewußte – das ist alles, was diese Psychoanalyse von Freud zu kennen scheint, und selbst hiervon kennt sie nur ein paar schlecht ausgeleuchtete Winkel – ist nicht mehr als ein sehr begrenzter und untergeordneter Teil des unterschwelligen Ganzen. Dahinter steht das unterschwellige Selbst und stützt den ganzen Menschen der Oberfläche; es birgt ein umfassenderes und wirksameres Mental hinter dem Oberflächen-Mental, ein größeres und machtvolleres Vital hinter dem Oberflächen-Vital, ein feineres und freieres physisches Bewußtsein hinter dem Oberflächen-Dasein des Körpers. Über diesen öffnet es sich dem höheren Überbewußten und darunter den niederen unterbewußten Bereichen. Wenn man die Natur läutern und umwandeln will, muß man sich der Macht dieser höheren Bereiche öffnen und sich zu ihnen erheben, um mit ihrer Hilfe sowohl das unterschwellige als auch das Oberflächen-Wesen zu wandeln. Auch das sollte nicht übereilt und unbesonnen sondern mit Bedacht geschehen, indem man einer höheren Führung folgt und immer die richtige Haltung bewahrt; andernfalls könnte die Kraft, die herabgezogen wird, zu stark sein für das dunkle und schwache Gerüst der menschlichen Natur. Doch zuerst das niedere Unterbewußtsein zu öffnen und zu riskieren, daß all das Verdorbene oder Finstere in ihm sich erhebt, bedeutet eine ausdrückliche Anstrengung, um sich Schwierigkeiten zu bereiten. Zuerst sollte man sich bemühen, das höhere Mental und Vital stark und beständig werden zu lassen und es mit dem Licht und Frieden von oben erfüllen; dann erst kann man mit größerer Sicherheit und einiger Aussicht auf eine schnelle und erfolgreiche Wandlung das Unterbewußte öffnen und sogar in es hinabtauchen.

Die Methode, sich von den Dingen durch Anubhava [Erfahrung] zu befreien, kann ebenfalls gefährlich sein, denn auf diese Weise kann man sich leicht noch mehr verstricken, statt die Freiheit zu erlangen. Hinter dieser Methode stehen zwei wohlbekannte psychologische Motive. Eines davon, das Motiv der willentlichen Erschöpfung, ist nur in einigen Fällen gerechtfertigt, besonders dann, wenn eine angeborene Neigung des Wesens eine zu große Gewalt über die Person oder einen zu ausgeprägten Charakter hat, als daß man sich mittels Vicara [intellektuelle Reflexion] oder Zurückweisung und Ersetzen durch die wahre Bewegung davon befreien könnte; wenn Anubhava im Übermaß angewendet wird, muß der Sadhak manchmal sogar zur gewöhnlichen Tätigkeit des gewöhnlichen Lebens zurückkehren, um mit frischem Geist und frischer Willenskraft zur wahren Erfahrung zu gelangen, und erst wenn das Hindernis ausgeräumt oder für die Ausmerzung reif ist, zum spirituellen Leben zurückkehren. Doch diese Methode des bewußten Nachgebens ist, wenngleich manchmal unvermeidlich, immer gefährlich. Sie hat nur dann Erfolg, wenn im Wesen ein sehr starker Wille zur Verwirklichung besteht; denn dann ruft dieses Nachgeben eine große Unzufriedenheit und Gegenwirkung hervor – Vairagya [Abscheu vor der Welt] –, und der Wille zur Vervollkommnung kann in den widerstrebenden Teil der Natur herabgebracht werden.

Das andere Motiv für Anubhava ist von allgemeinerer Anwendbarkeit, denn um etwas vom Wesen zurückweisen zu können, muß man sich dessen erst bewußt werden, die klare innere Erfahrung seiner Wirkungsweise haben und seinen tatsächlichen Platz unter den Abläufen der menschlichen Natur entdecken. Dann kann man darauf einwirken und es beseitigen, wenn es eine völlig falsche Bewegung ist, oder umwandeln, wenn es nur die Entartung einer höheren und wahren Bewegung ist. Dies oder Ähnliches wird im System der Psychoanalyse auf unreife oder falsche Weise mit bruchstückhaftem und ungenügendem Wissen versucht. Die Methode, die niederen Bewegungen in das volle Licht des Bewußtseins zu heben, um sie kennenzulernen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ist unvermeidlich, denn ohne sie gibt es keine vollständige Wandlung. Wirklich erfolgreich kann sie aber nur dann sein, wenn ein höheres Licht und eine höhere Kraft hinreichend tätig sind, um früher oder später die Kraft der zu wandelnden Veranlagung zu überwinden. Viele rühren unter dem Vorwand von Anubhava nicht nur die feindliche Bewegung auf, sondern unterstützen sie noch durch ihre Zustimmung, statt sie zurückzuweisen; sie erfinden Ausflüchte, um sie fortzusetzen oder zu wiederholen, und fahren auf diese Weise fort, damit zu spielen, sich ihrer Wiederkehr hinzugeben, sie zu verewigen; wenn sie sich später davon befreien wollen, hat sie sich derart festgesetzt, daß sie hilflos in ihrer Gewalt sind und nur ein furchtbarer Kampf oder ein Eingreifen der göttlichen Gnade sie befreien kann. Einige tun dies aus vitaler Verschrobenheit oder Perversion heraus, andere aus reiner Unwissenheit; aber sowohl im Yoga als auch im Leben wird Unwissenheit von der Natur nicht als rechtfertigende Entschuldigung akzeptiert. Diese Gefahr besteht immer, wenn man sich den unwissenden Teilen der menschlichen Natur gegenüber falsch verhält; aber nichts ist unwissender, gefährlicher, unvernünftiger und hartnäckiger in seiner Wiederkehr als das niedere vitale Unterbewußte mit seinen Regungen. Es im Sinne von Anubhava übereilt oder auf falsche Weise aufzurütteln, kann zur Folge haben, daß auch die bewußten Teile von seinem dunklen und schlammigen Stoff überflutet und auf diese Weise das ganze Vital und selbst die mentale Natur vergiftet werden. Daher sollte man stets mit einer positiven und nicht mit einer negativen Erfahrung beginnen, indem man etwas von der göttlichen Natur – Stille, Licht, Gleichmut, Reinheit, göttliche Stärke – in die zu verwandelnden Teile des bewußten Wesens herabbringt; erst wenn das zur Genüge geschehen und eine feste, positive Grundlage geschaffen ist, ist es ungefährlich, die verborgenen unterbewußten, feindlichen Elemente aufzurütteln, um sie durch die Stärke der göttlichen Stille, des Lichtes, der Kraft und des Wissens zu vernichten und auszurotten. Auch dann wird sich von selbst noch genug von dem niederen Stoff erheben, um dir so viel Anubhava zu verschaffen, wie du zur Befreiung von den Hindernissen brauchst; nun kannst du dich allerdings wesentlich ungefährdeter und unter einer höheren inneren Führung mit ihnen auseinandersetzen.

*
*   *

Es fällt mir schwer, diese Psychoanalytiker überhaupt ernst zu nehmen, wenn sie versuchen, spirituelle Erfahrung im flackernden Licht ihrer Fackeln zu untersuchen – dennoch sollte man es vielleicht tun, denn Halbwissen ist eine machtvolle Sache und kann ein großes Hindernis für das Hervortreten der reinen Wahrheit sein. Diese modernen Psychologen kommen mir sehr wie Kinder vor, die ein abgekürztes und nicht ausreichendes Alphabet erlernen und jubelnd ihr ABC des Unterbewußten mit dem geheimnisvollen Untergrund des Über-Ichs vermischen und sich einbilden, daß ihr erstes Schulheft dunkler Anfänge (K-A-T-Z-E = Katze, B-A-U-M = Baum) der eigentliche Kern wahren Wissens sei. Sie blicken von unten nach oben und erklären die höheren Formen des Lichtes mit Hilfe der niederen Dunkelheit; aber die Grundlage dieser Dinge liegt oben und nicht unten, upari budhna esâm. Das Überbewußte, nicht das Unterbewußte, ist die wahre Grundlage der Dinge. Die Bedeutung des Lotos kann nicht ergründet werden, indem man die Geheimnisse des Schlammes analysiert, aus welchem er hier wächst; sein Geheimnis muß im himmlischen Urbild des Lotos gefunden werden, der ewig im Lichte blüht, das über uns ist. Außerdem ist der Bereich, den die Psychologen sich ausgewählt haben, unergiebig, dunkel und begrenzt; du mußt das Ganze kennen, bevor du den Teil kennen kannst, und das Höchste, bevor du das Niederste wirklich verstehen kannst. Dies ist die Verheißung einer höheren Psychologie, die ihrer Stunde harrt und vor der dieses armselige Umhertappen dahinschwinden und im Nichts zerrinnen wird. 4

 

1 Als Antwort auf die Frage, was diese Worte bedeuteten, sagte Mutter: "Der Zustand, in dem ich mich befand, war wie eine Erinnerung ..."

Rückwärts zum Text

2 Siehe Agenda vom 12. Januar 1962.

Rückwärts zum Text

3 Bei der ausschnittweisen Veröffentlichung dieses Gesprächs im Ashram-Bulletin im April 1962 veranlaßte mich Mutter (trotz meines Protestes), diesen Satz abzuändern. Anstatt "Versucht nicht, tugendhaft zu sein", formulierte sie: "Versucht nicht, tugendhaft zu erscheinen", und sie fügte hinzu: "Es hätte sonst eine nachteilige Wirkung. Die Leute verstehen nie, oder vielmehr, sie verstehen auf ihre Weise. Sie würden das als Ermutigung auffassen, Dummheiten zu machen, schlecht zu sein, schlechte Gefühle zu hegen, und sie würden sich sagen: Wir sind die Lieblinge des Herrn! Du erinnerst dich, es gibt einen Brief von Sri Aurobindo in dieser Art an Leute, die alles Schlechte in sich ausleben wollten – er sagte ihnen, daß dies nun wirklich nicht angehe!" (Siehe im Anhang zwei Briefe von Sri Aurobindo über die Psychoanalyse.)

Rückwärts zum Text

4 Sri Aurobindo, Letters on Yoga, Cent. Ed., XXIV, 1605ff.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English