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Mutters

Agenda

dritten Band

27. Januar 1962

Ich würde dir gerne eine Frage über diesen Abschnitt in Savitri stellen, den ich dir letztes Mal zeigte. Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, es ist dieser Abschnitt über "the white gods" [die weißen Götter].

Was wolltest du fragen? Was die "weißen Götter verfehlt haben"? Aber Sri Aurobindo hat es ja hier in den Aphorismen deutlich beschrieben. Er erwähnte all das, er nahm alle Dinge der Reihe nach vor: "Ohne dies gäbe es nicht das; ohne jenes gäbe es nicht das ..." usw. 1

Aber ich erinnere mich auch, daß ich, noch bevor ich Sri Aurobindo traf, im Buch "Die Tradition" (Théon nannte es Die Tradition, es war ein historischer Roman, romantisch, völlig episodisch, aber sehr plastisch, über die Erschaffung der Welt) den ersten Hinweis über die vier ersten Emanationen der universellen Mutter erhielt – als der Herr seine Schöpfermacht der Mutter übertrug. Es war völlig identisch mit der alten indischen Tradition, nur war es auf eine fast kindliche Art erzählt – jedermann konnte das verstehen, es waren Bilder, wie eine Kino-Bilderwelt, und sehr lebendig.

So erschuf sie ihre ersten vier Emanationen. Die erste war das Bewußtsein und das Licht (das aus dem Satchitananda entstand). Die zweite war das Ananda und die Liebe. Die dritte war das Leben, und die vierte war die Wahrheit. Dann, so geht die Geschichte, wurden sie sich ihrer unendlichen Macht bewußt, und anstatt weiterhin mit der höchsten Mutter verbunden zu bleiben und durch sie mit dem Höchsten, und ihre Handlungsanweisungen von Ihm zu erhalten, machten sie sich alle selbständig auf den Weg, um zu tun, was ihnen beliebte – sie waren sich ihrer Macht bewußt und benutzten sie. Sie vergaßen ihren Ursprung. Dieses erste Vergessen bewirkte, daß das Bewußtsein zum Unbewußten wurde und das Licht zur Finsternis; die zweite Emanation, das Ananda, wurde zum Leiden, die Liebe wurde Haß; die dritte Emanation, das Leben, wurde zum Tod; und die vierte Emanation, die Wahrheit, wurde zur Falschheit. Und sie wurden augenblicklich in das geschleudert, was zur Materie wurde. Gemäß Théon geht die Welt, so wie wir sie kennen, darauf zurück. Dies war der Höchste selbst in seiner ersten Manifestation.

Aber die Geschichte ist leicht verständlich, man gewinnt so einen Zugang zur Sache. Für Intellektuelle erscheint sie äußerlich recht kindisch, aber wenn man die Erfahrung hat, versteht man sehr gut – ich verstand sofort und fühlte, worum es ging.

Als die Welt nun zu dem geworden ist, als sie zur vitalen Welt in ihrer Finsternis geworden ist und sie die Materie aus dieser vitalen Welt erschaffen haben, sieht die höchste Mutter (lachend) das Resultat ihrer vier ersten Emanationen, und Sie fleht zum Höchsten: "Die Welt muß gerettet werden! Man kann sie einfach nicht in diesem entsetzlichen Zustand belassen, man muß sie retten und ihr das göttliche Bewußtsein zurückgeben. Was tun?" Worauf der Höchste sagt: "Wirf dich in eine neue Emanation, aber eine WESENTLICHE Emanation der Liebe tief in der materiellsten Materie". Das bedeutete, in die Erde hinabzutauchen (die Erde war zum Symbol und zur Verkörperung des ganzen Dramas geworden). "Tauch in die Materie!" So tauchte Sie in die Materie, und dies war die Urquelle des Göttlichen im Innern der Substanz. Und von dort, vom Innern aus (wie es in Savitri so schön beschrieben ist), beginnt Sie, die Materie emporzuheben.

Aber zur gleichen Zeit, als Sie in die Erde tauchte, fand eine zweite Reihe von Emanationen statt, die der Götter für die Zwischenbereiche zwischen Satchitananda und der Erde. Und diese Götter (lachend), nun, man achtete sehr darauf, sie perfekt zu machen, um weiteren Verdruß zu vermeiden. Allerdings sind sie ein wenig... ein wenig zu perfekt, nicht wahr? Ja, ein wenig zu perfekt, sie machen nämlich nie Fehler, sie tun immer genau das, was ihnen aufgetragen wird – kurz, es fehlt ihnen ein bißchen an Initiative. Sie haben schon welche, aber...

Tatsächlich waren sie nicht surrendered [sie hatten sich nicht hingegeben], so wie dies ein psychisches Wesen tun kann, denn sie hatten kein psychisches Wesen. Das psychische Wesen ist das Ergebnis des Abstiegs. Nur die Menschen haben ein psychisches Wesen, was zur Folge hat, daß die Menschheit den Göttern WEIT überlegen ist. Darauf bestand Théon sehr: In seiner ganzen Geschichte sind die Menschen den Göttern weit überlegen und haben ihnen nicht zu gehorchen – sie müssen nur mit dem Höchsten in seinem Aspekt der vollkommenen Liebe in Verbindung stehen.

Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll... Mir persönlich erschienen diese Götter immer ein wenig... (nicht so, wie sie in den Puranas beschrieben sind, die sind anders – oder doch nicht so anders!), aber wie sie Théon zeigte, waren sie ein wenig süßlich-kitschig. So ist das. Nicht, daß sie keine Macht hatten – sie hatten sogar eine große Macht, aber es fehlte ihnen diese Flamme des psychischen Wesens.

Für Théon war der jüdische und christliche Gott ein Asura. Ein Asura, der einmalig sein wollte, und aus diesem Grund war er der schrecklichste Despot, den man sich vorstellen kann. Anatole France sagte dasselbe (heute weiß ich, daß Anatole France die Geschichte von Théon nicht gelesen hatte – ich weiß nicht, woher er es nahm). Es steht in seinem Roman Der Aufstand der Engel. Er sagt, Satan sei der wahre Gott; der "einzige Gott" Jehova hingegen das Monster. Als die Engel Satan zum einzigen Gott machen wollten, war ihm klar, daß er augenblicklich alle Fehler Jehovas übernehmen würde. Er lehnte also ab und sagte: "Nein danke, nicht mit mir!" Diese Geschichte ist köstlich. Sie ist genau im selben Geist geschrieben, wie es Théon meinte. Das erste, was ich ihn fragte (ich erzählte dir, daß ich Anatole France einmal traf – gemeinsame Freunde stellten mich ihm vor), war: "Haben Sie Die Tradition gelesen?" Er verneinte. Ich erklärte ihm, warum, und es interessierte ihn. Er sagte, es sei seiner Vorstellungskraft entsprungen. Aber er hatte etwas aufgegriffen, es war Intuition.

Wenn man all dies den Philosophen und Metaphysikern sagt, schauen sie einen an, als ob sie sagen wollten: "Sie müssen reichlich beschränkt sein, um diese Albernheiten zu glauben!" Aber diese Dinge dürfen nicht als konkrete Wahrheiten aufgefaßt werden – es sind eindrucksvolle Darstellungen. So kam ich sehr konkret mit der Wahrheit über den eigentlichen Grund dieser Verfälschung der Welt in Berührung, viel besser als durch alle Hindu-Geschichten, viel konkreter.

Der Buddhismus und alle ähnlichen Gedankenrichtungen haben sich für den kürzesten Weg entschieden: "Der Wunsch zu existieren ist verantwortlich für den Schlamassel." Wenn der Herr es unterlassen hätte, diesen Wunsch zu hegen, wäre es nicht zu dieser Welt gekommen. Aber das ist kindisch. Wirklich kindisch, eine allzu menschliche Sicht des Problems.

Der Standpunkt der Freude am Sein ist von sehr viel höherer Qualität, dann bleibt aber das Problem, warum alles so geworden ist? – Eben weil alles möglich war und dies EINE der Möglichkeiten bildete. Das ist aber nicht sehr befriedigend, und man sagt sich: "Ja, sicher, so ist es, das ist eine Tatsache." Théon wurde auch gefragt: "Aber warum ist alles so gekommen? Warum ..." – "Wenn ihr auf der anderen Seite seid, werdet ihr es wissen. Wartet, bis ihr drüben seid! Tut das Nötige, um dorthin zu gelangen, das ist dringender!"

Aber es ist mit einem Vorteil verbunden: Ohne diese Wesen, ohne diese Entstellung der Welt, würde vieles fehlen. Diese Wesen enthielten potentiell einige absolut einmalige Elemente – was ganz natürlich ist, da sie ja zur ersten Welle gehörten. Und eben weil sie noch so sehr dem Höchsten angehörten, fühlten sie sich auch als das Höchste. Da war es also passiert. Nur genügt das überhaupt nicht, aus dem einfachen Grund, weil sie schon in vier geteilt waren und eine einzige Teilung genügt, damit alles falsch läuft. Das ist leicht zu verstehen: Es ist nicht grundlegend schlecht, nur die FUNKTIONSWEISE ist schlecht – nicht die Substanz oder die Essenz. Die Essenz ist nicht schlecht, nein, es ist ein Funktionsfehler.

Aber wenn man versteht...

Worte sind so kindisch. Wenn man das intelligenten Menschen erzählen wollte, würden sie einen mitleidig anschauen – aber man gewinnt dadurch einen solch konkreten Zugang zum Problem! Mir hat das sehr geholfen.

Es war auf Englisch geschrieben, und ich übersetzte alles ins Französische – in ein abscheuliches Französisch, absolut schrecklich, weil ich alle Worte, die sich Théon ausgedacht hatte, mitübernahm. Alle im Menschen verborgenen Fähigkeiten hatte Théon detailliert beschrieben, phantastisch, aber mit solch barbarischen Worten! Im Englischen kann man neue Worte bilden, das geht noch an, aber im Französischen wirkte es absolut lächerlich – und ich übersetzte sie so gewissenhaft! Die Erfahrung selbst war aber phantastisch, eine wirkliche Erfahrung, die auf Madame Théons Außerkörper-Erfahrungen zurückging. Sie hatte gelernt, was mir Théon auch beigebracht hatte: zu sprechen, während man im siebten Himmel ist (der Körper spricht weiter, ein wenig langsamer zwar, mit leiserer Stimme, aber es geht schon). Sie pflegte zu sprechen, und eine Freundin von ihr, die ihre Sekretärin war, übrigens auch eine Engländerin, schrieb alles fortlaufend auf (ich glaube, sie konnte stenographieren). Das ergab dann die Geschichten, es wurde in Form von Geschichten erzählt. All dies wurde Sri Aurobindo gezeigt, und es interessierte ihn sehr. Gewisse Worte übernahm er sogar in seine Terminologie.

Alle Unterteilungen des Wesens waren mit vollkommener Präzision bis ins geringste Detail beschrieben. Unabhängig davon machte ich die Erfahrung danach nämlich selber, ohne jegliche vorgefaßte Meinungen, einfach indem ich einen Körper nach dem anderen verließ, Körper für Körper, zwölf Mal, und meine Erfahrung war genau dieselbe, abgesehen von einigen unwesentlichen Unterschieden, die lediglich auf Unterschiede im Gehirn des Empfängers zurückzuführen sind.

(Die Uhr schlägt)

Ich muß gehen...

Ich weiß nicht, ob schriftliche Aufzeichnungen dieser Erfahrungen existieren, jedenfalls habe ich keine gelesen. Ich kenne nichts von der indischen Literatur, gar nichts. Ich weiß nur, was Sri Aurobindo sagte, und ein paar Brocken von hier und da. Jedesmal, wenn ich mit ihrem Vokabular konfrontiert werde... ach, es ist so trocken.

Du sprichst von Exteriorisierung, könntest du mir nicht auf einfache Art beibringen, wie man es tut?

Man kann es nicht allein tun, es ist gefährlich.

Einigen Leuten fällt es spontan zu, und wenn sie einmal so weit sind, sagt man ihnen nicht, es sei gefährlich. Es ist aber gefährlich: Wenn sie es einfach so tun, ohne Überwachung, und jemand oder etwas – irgendein Ereignis, irgendein Umstand – sie brüsk zurückruft, können sie abgeschnitten werden (Geste des Zerreißens der Schnur). Ich würde es niemanden tun lassen, der kein Wissen hat. Wenn es spontan geschieht, kommt es aus früheren Leben, und dann ist es eine alte Gewohnheit. Trotzdem ist es ein wenig riskant, es müßte immer jemand dabei sein, der auf den Körper aufpaßt. Aber jemandem das einfach so beibringen, nein.

Ich versuchte es einmal in Frankreich... Es war dieser Hollenberg, der Maler, der während des Krieges [Erster Weltkrieg] hierher kam und dann zurückgehen mußte 2 . Er kam nach Frankreich und bat um Hilfe, er bestand unbedingt darauf. Er hatte alles von Théon gelesen, wußte über alles bescheid und war ausgesprochen erpicht darauf. So brachte ich es ihm bei (ich war also da, er tat es in meiner Gegenwart). Mein Kind, als er aus seinem Körper austrat, geriet er in Panik! Er war kein Angsthase – er war sehr mutig –, aber es jagte ihm einen solchen Schrekken ein! Reine Panik... Da sagte ich nein, nein!

Aber zum Beispiel in der Nacht verlasse ich meinen Körper auch.

Nicht auf dieselbe Weise.

Nicht auf dieselbe Weise?... Ich muß auch kämpfen, und wie!

Wohin gehst du?

An alle möglichen Orte, zum Beispiel hatte ich Erfahrungen mit P 3...

Wenn du dich schlafen legst, brauchst du mich nur zu rufen.

 

1 88 – Diese Welt wurde durch den Tod gebaut, um leben zu können. Möchtest du den Tod aufheben? Dann wird auch das Leben zunichte. Den Tod kannst du nicht aufheben, aber du kannst ihn in ein größeres Leben umwandeln. 89 – Diese Welt wurde durch die Grausamkeit gebaut, um lieben zu können. Willst du die Grausamkeit aufheben? Dann wird auch die Liebe zunichte. Die Grausamkeit kannst du nicht aufheben, aber du kannst sie in ihr Gegenteil umgestalten: in eine brennende Liebe und eine Köstlichkeit. 90 – Diese Welt wurde durch die Unwissenheit und den Irrtum gebaut, um wissen zu können. Willst du die Unwissenheit und den Irrtum aufheben? Dann wird auch das Wissen zunichte. Die Unwissenheit und den Irrtum kannst du nicht aufheben, aber du kannst sie in strahlend-glänzendes Überschreiten der Vernunft verwandeln. 91 – Wenn das Leben allein existierte, ohne den Tod, gäbe es keine Unsterblichkeit; wenn die Liebe allein existierte, ohne die Grausamkeit, wäre die Freude nur ein laues, flüchtiges Entzücken; wenn die Vernunft allein existierte, ohne die Unwissenheit, wäre unsere höchste Errungenschaft nicht mehr als eine beschränkte Rationalität und Lebensklugheit. 92 – Umgewandelt, wird der Tod zum Leben als Unsterblichkeit; umgestaltet, wird die Grausamkeit zur Liebe als unerträgliche Ekstase; verwandelt, wird die Unwissenheit zum Licht jenseits von Wissen und Weisheit.

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2 Er malte ein Portrait des jungen, in die Zukunft blickenden Sri Aurobindo im Profil.

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3 Da ich sie für unbedeutend hielt, notierte ich meine Antwort nicht. Der erwähnte P landete geistesgestört in einem "japanischen Krankenhaus", wo er starb. Eines Nachts – dies ist vermutlich die Geschichte, die ich Mutter berichtete – begegnete ich ihm in einer Art Hölle, in der er gefangen war. Er litt an zahlreichen Wunden, die ich mit Balsam einrieb. Dann forderte ich ihn auf, Mutters Mantra zu wiederholen, und sobald wir das Mantra aussprachen, explodierte der gesamte Ort, alles wurde zertrümmert – die sofortige Erlösung. Einige Monate später (vielleicht waren es auch einige Jahre) besuchte P mich eines Nachts mit einem Blumenstrauß, lächelnd, als wollte er mir mitteilen, daß er wieder einen Körper annehme.

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