Mutters
Agenda
dritten Band
9. Februar 1962
(Im Zusammenhang mit einer europäischen Anhängerin, die die Vorzüge eines gewissen pseudo-spirituellen Buches preist, das Mutter als "spirituellen Romantizismus" charakterisiert:)
Es ist sehr europäisch, die sind nun einmal so.
Sie wollen vergleichen – sie wollen die Lehren vergleichen, sich nur ja nicht auf eine Sache festlegen: man muß einen "weiten Geist", einen eklektischen Geist haben. Und somit...
Genau das wollen sie: viel Vitales, viel Phantasie und einen genügenden Anteil an Lüge, um mit ihrer eigenen Denkart im Einklang zu sein.
Wie Z, die mir sagte, Maharshi 1 habe in seinem Buch geschrieben, daß mir ganz Indien zu Füßen läge, wenn ich nur eine Hinduistin wäre und jeden Tag Asanas machte. Sicher war das für Z die große Schwierigkeit: Es war nämlich einfach, hierher zu kommen, sie konnte völlig frei mit mir sprechen, ich umgab mich nicht mit einem geheimnisvollen Mäntelchen... Also war es zu einfach.
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Kurz danach, im Zusammenhang mit der Lektüre des Stücks "Rodogune" von Sri Aurobindo:
Die Menschheit erscheint mir als so armselig! So erbärmlich – warum nur habe ich die ganze Zeit diesen Eindruck?
Ich hätte gerne eine tröstlichere Sicht von ihr.
Ja, sie ist erbärmlich dran. Ich muß sagen, je weiter ich gehe, desto...
Aber das habe ich von Anfang an gewußt! Mein Kind, mit fünf wußte ich schon, daß sie jämmerlich dran war, schon damals wirkte sie so auf mich. Nur machte ich einfach das beste daraus, und die ganze Zeit, in der ich mit Sri Aurobindo arbeitete, ging das sehr gut: Ich verschwendete keinen Gedanken daran, ich nahm die Menschen so, wie sie waren, für das, was sie waren, und auch mit dem Leben hielt ich es so. Das ging völlig in Ordnung, man war damit sehr glücklich. Aber jetzt... sie scheint mir so arm, so arm.
Ich würde gerne gehen.
Ich möchte lieber in einem anderen Stadium zurückkommen.
Ich kann nicht, ich habe zu tun.
1 Maharshi: ein berühmter, inzwischen verstorbener Yogi Südindiens.