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Mutters

Agenda

dritten Band

29. Mai 1962

... Ist dieses zweite Buch über Sri Aurobindo nicht etwas durch die Umstände Erzwungenes? Ist es wirklich etwas, das sein soll, das bereits existiert und verfügt wurde?

Ich sehe einen "Sri Aurobindo"...

(Schweigen)

Kaum etwas Philosophisches und Intellektuelles, eher eine Geschichte. Die Darstellung seines Werkes auf sehr praktische und konkrete Weise, so wie ich es hier den Kindern sagte, als ich ihnen erklärte: "Wißt ihr, dies ist der Grund, warum ihr hier seid". Ich sagte es auf eine Weise, daß sie es verstehen konnten. So ein Buch sehe ich. Wenn ich schreiben würde (ich werde nie ein Buch über Sri Aurobindo schreiben, nie-nie-nie – das weiß ich), wenn ich aber je ein Buch über Sri Aurobindo schriebe, würde ich es wie ein Märchen schreiben: "Stellt euch vor... Ihr seht das Leben, ihr seht, wie es ist, ihr seid dieses Dasein gewöhnt, es ist trübsinnig, traurig (manche Leute finden es unterhaltsam, aber nur weil sie sich mit wenig zufrieden geben). Doch dahinter steckt ein Märchen, etwas, das im Kommen ist und das unaussprechlich schön sein wird. Und daran werden wir teilnehmen... Ihr habt keine Ahnung, ihr glaubt, daß ihr nach dem Tode alles vergessen und verlassen werdet, aber das ist nicht wahr! Alle, die sich für ein schönes, helles, freudiges, fortschrittliches Leben interessieren, werden auf die eine oder andere Art daran teilhaben. Ihr wißt es jetzt noch nicht, aber nach einiger Zeit werdet ihr es wissen ..."

Ein Märchen.

Könntest du dir vorstellen, ein Märchen zu erzählen?... Es braucht nicht sehr lang zu sein.

Mit Bildern, mein Kind. Bilder von den verschiedenen praktischen Tätigkeiten, wie im Kino – eine hübsche illustrierte Zeitschrift. Das scheint mir wirklich die einzige Möglichkeit zu sein, es zu sagen, denn das kann man sehen. Du zeigst all das und sagst: "Ja, und hier ist jemand, der mit all dem etwas zu gestalten versucht. Seht doch das schöne Bild, die schöne Geschichte dahinter... Diese Geschichte wollte er auf die Erde ziehen, und sie wird gewiß kommen."

"Wenn ihr wollt, könnt ihr auch mithelfen, damit es auf die Erde kommt."

Mein Kind, wenn es so angelegt wäre, könnte das ein fabelhaftes Buch werden!...

Bei deiner ersten Version handelt es sich ein prophetisches und sehr schönes Buch, ich muß aber sagen, daß es nicht vielen Leuten zugänglich ist – tatsächlich wäre es ein Buch, um uns mit all jenen in Verbindung zu bringen, die sich für den Yoga, für das spirituelle Leben interessieren: eine Elite. Es ist ein Buch für eine Elite, nicht für die breite Öffentlichkeit.

Ich stelle mir fast ein Buch für Kinder vor. Für eine ganze Generation von Zehn- bis Achtzehnjährigen... Für Tausende von Kindern – mit schönen Bildern.

(Schweigen)

Mich beunruhigt wirklich nur eines, und zwar deine physische Gesundheit... Doch um die Wahrheit zu sagen (die wahre Wahrheit dessen, was ich WEISS), so glaube ich nicht, daß es irgendein Klima gibt, dem sich der Körper nicht anpassen könnte.

Nein, das glaube ich auch nicht!

Die Menschen sind schließlich nicht so begrenzt! Eher ist es... ja, eine Frage des Atavismus, der Erziehung, aller möglichen Dinge. Ich glaube, der Hauptgrund ist der, daß es dich nicht interessiert – es macht dir keinen Spaß!

(Satprem lacht übereinstimmend)

Ich wurde von einer asketischen, stoischen Mutter erzogen, die wie eine Eisenstange war. Als wir klein waren, sagte sie meinem Bruder und mir ständig, daß wir nicht auf der Erde seien, um uns zu amüsieren, daß es eine ständige Hölle sei und man seinen Teil auf sich nehmen müsse und die einzig mögliche Befriedigung die Pflichterfüllung sei.

Mein Kind, das war eine hervorragende Erziehung!

Hervorragend. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar. Mein Körper verlangte nie danach, sich zu amüsieren oder gesund zu sein, nichts – er sagte: "So ist das Leben, man muß es so nehmen." Deswegen sagte ich der ersten Person, die mir erklärte, daß es anders sein könne (ich war bereits über zwanzig): "Ach, wirklich? Glauben Sie?" (Mutter lacht) Und als sie mir von Théons Lehre und dem Kosmischen Leben erzählte, vom inneren Gott und der neuen Welt, die eine Welt der Schönheit und (zumindest) des Friedens und des Lichts sei, stürzte ich mich kopfüber dahinein.

Schon damals sagte man mir: "Es hängt ausschließlich von DIR ab, nicht von den Umständen – beschuldige bloß nicht die Umstände! Du mußt es in dir finden, in dir liegt das Element der Transformation. Egal wo du dich befindest, selbst wenn du in einer Zelle auf dem Grund eines Lochs steckst, kannst du es tun." Es fiel auf fruchtbaren Boden, denn der Körper verlangte nach nichts.

Ich glaube, das ist die beste Erziehung. Hier lehren wir die Kinder genau das Gegenteil! Prinzipiell trifft es zu – es ist allerdings nicht praktisch.

Wieso nicht praktisch?

(Mutter lacht) Ich glaube nicht, daß es praktisch ist, sie zu lehren, daß das Leben dazu da ist, sich zu entwickeln, sich zu verwirklichen, glücklich zu sein – sie werden nämlich unerträglich! (Mutter lacht)

Manche Kinder hier werden richtige kleine Teufel. Durchaus interessant, ja, das Vital ist gewiß nicht unterdrückt. Aber dann...

Hier lebt ein kleiner Amerikaner (seine Mutter ist... ich weiß nicht, ob sie äußerst schwach ist oder ob sie ihn abgöttisch liebt, jedenfalls läßt sie ihn machen, was er will: sie verteidigt ihn immer, niemand darf ihn bestrafen oder schelten). Der Junge kann in keine Klasse gehen (er akzeptiert keinen Lehrer), er läuft im Hof umher und geht von einer Klasse zur anderen, macht Lärm, schlägt die Leute, beleidigt die Lehrer, ein Riesenwirbel, und dann läuft er davon. Eines Tages kam er auf das Spielfeld (man hatte ihm untersagt, dorthin zu gehen, weil er sich wie ein Verrückter benimmt), er betrat das Spielfeld unbemerkt. Die Mädchen und Frauen machten gerade ihre Übungen auf der Erde: er sprang auf ihren Bäuchen umher. Ein Skandal!

Ach, was für ein Zirkus! Aber so ist die Atmosphäre.

Nun, das ist ein anderes Thema.

Die Lösung für dich wäre, daß du Erfahrungen hast, ich weiß es...

Ich habe den Eindruck, daß sich etwas geändert hat, seit X gegangen ist.

So!

Ich weiß nicht, ich kann es nicht genau definieren... Ich habe den Eindruck, anstatt Berge versetzen zu wollen, bleibe ich passiver. Es besteht jetzt eher eine Bewegung der Hingabe als der Konzentration.

Ja, genau! Eben das werfe ich dem tantrischen System vor: sie glauben überhaupt nicht an die Möglichkeit einer Hilfe von oben. Sie glauben an die stramme Leine. Das ist nicht gut.

Ja, ich fühle... Es ist zwar sehr subtil, aber ich fühle eine Verbesserung.

Würdest du mich nach meinem Geschmack fragen (habe ich überhaupt noch einen Geschmack? – sicher habe ich keine Vorlieben, aber manche Dinge sind spontaner), wäre meine spontane Bewegung dies (alles umfassende Geste, offen in alle Richtungen) und dann loslassen.

Könnte ich dich in bestimmte Schwingungen tauchen, bräuchtest du die Berge nicht mehr.

Die Berge... Ich weiß, wie das ist: Der Körper fühlt sich während einer bestimmten Zeit wohl, aber... Weißt du, Z hatte dasselbe Gefühl (sie kommt aus den Bergen), es schien ihr, daß sie ohne die Bergluft ständig krank sein würde. Ich wußte, daß es nicht stimmte, daß es innere Schwierigkeiten waren. Aber ich ließ sie in die Berge gehen – der Körper fühlte sich überschwenglich gut! Doch sie kam noch kranker zurück als vorher. Obwohl ihr Körper vor Freude ganz außer sich war – das ist rein oberflächlich.

Nein, ich fühle überhaupt nicht, daß ich die Berge brauche. Die Idee kam mir nur wegen des Buches.

Kind, offen gesagt, glaube ich nicht, daß dort das Problem liegt, weil ich dieses Buch sehe, fühle. Da ich es so lebend fühle, glaubst du nicht auch, daß es leichter wäre, es hier zu schreiben als dort oben?...

Nein, der einzige Beweggrund wäre deine Gesundheit. Könnte ich nur... Als ich in Frankreich war, wollte ich so gern in den Himalaya gehen. Als ich dann hier ankam, war zuerst alles sehr gut, ich war sehr zufrieden, alles war schön, großartig, aber... ach, könnte ich doch nur für kurze Zeit in den Himalaya gehen! (Ich liebte die Berge immer sehr.) Damals wohnte ich in einem Haus in der Rue Dupleix. Ich meditierte, während ich auf und ab ging, und da war ein kleiner Hof, eingegrenzt von einer mit Glassplittern besetzten Mauer, damit keine Einbrecher darüber klettern konnten. Ich meditierte gerade – über das spirituelle Leben –, als mein Auge plötzlich von etwas angezogen wurde: Auf einem spitzen blauen Glasstück auf der Mauer spiegelte sich ein Sonnenstrahl, und absolut spontan, ohne zu überlegen oder zu denken... sah ich den Gipfel des Himalayas. Ich war auf dem Gipfel des Himalayas.

Das hielt mehr als eine halbe Stunde an. Es war ein wunderbarer Blick auf die Berge – die Bergluft, die Leichtigkeit der Berge, alles war da. Der Glanz der Sonne auf den Gipfeln des Himalayas.

Nach dieser halben Stunde hatte ich nicht mehr das geringste Verlangen, dorthin zu gehen.

Ich hatte die VOLLE Erfahrung, die man spirituell im Himalaya erlangen kann.

Es war eine Gnade, die mir da zuteil wurde. Man machte mir dieses Geschenk.

Könnte ich dir so ein Geschenk machen... Ich versuche es. Ich weiß nicht warum, aber ich kann es noch nicht. Du weißt sehr wohl, daß ich für viele Leute Vieles getan habe. Warum also das nicht? – Die Möglichkeit wurde noch nicht gefunden.

Hat man die Erfahrung, ist sie voll! Sie ist vollkommen physisch und materiell.

(Schweigen)

Ich hatte eine ähnliche Erfahrung mit dem Meer... Im Haus, wo ich die "Prosperity" 1 verteile, ist eine Veranda mit einem kleinen verborgenen Winkel am Ende. Dort ist ein Fenster (kein Fenster, eine Öffnung), und man sieht ein kleines Stück Meer (Geste). Der Körper fühlte sich gerade ziemlich eingeschlossen, müde, eingeengt. Ich hielt dort mit ungefähr zwanzig Personen Meditationen ab (wie immer teilte ich Sri Aurobindo nachher meine Beobachtungen mit). Eines Tages ging ich über diese Veranda zur Meditation, ich drehte mich um und... sah das Meer. Plötzlich spürte ich die ganze ozeanische Weite mit dem Gefühl des freien Segelns von Ort zu Ort, der Brise des Meeres, des Geruchs des Meeres und dann dieses Gefühl der Weite, der Öffnung, der Freiheit. Etwas Grenzenloses. Das dauerte eine Viertelstunde, zwanzig Minuten. Danach fühlte sich mein Körper so erfrischt wie nach einer langen Schiffsreise.

Ich betone die PHYSISCHE Wirkung: die Erfahrung ist konkret, sie hat einen physischen Effekt. Das möchte ich dir geben.

Der gute Wille ist da...

Vergessen wir diese Reise. Wenn mir das Buch eingegeben wird, beginne ich damit, das ist alles.

Das eilt nicht.

Es eilt nicht, ich möchte, daß es dir einfach so kommt, wie zum Spaß, daß du dir vorstellst, mit Kindern zu sprechen, und ihnen die schönste Geschichte der Welt erzählst.

Und das ist wahr! Es ist das schönste Märchen der Welt. Es gibt kein schöneres.

"Ich will euch die schönste Geschichte der Welt erzählen ..."

Ich werde mich bemühen. Ich werde es versuchen.

*
*   *

(Dann stellt Mutter Satprem verschiedene Fragen über sein Japa. Nach einem langen Schweigen, in dem sie sehr fern zu sein oder weit "zu sehen" scheint, fügt sie hinzu:)

Mein Kind, das ist sehr interessant... Als du mir das sagtest, geriet ich automatisch in diesen Zustand, und da war dieses... Wie soll ich sagen?... Ich weiß nicht, wie ich das nennen soll, es ist eine Bewegung ähnlich dem Willen, aber ohne Bezug zum Denken, ein Gefühl: ich wollte dich in die Erfahrung miteinbeziehen. Dann zeigte man mir – buchstäblich –, daß all deine Beziehungen zur inneren und äußeren Welt hier stattfinden (Geste über dem Kopf), deswegen drückt es sich so gut als intellektuelle Aktivität aus. Hier hingegen (Geste zum Sonnengeflecht) ist sehr wenig. Ich sah und berührte es. Dort kommt es nur als indirekte Folge. Und dann da (Geste noch tiefer): NICHTS. Das bleibt, wie es ist, so wie es gebildet wurde, als du auf die Welt kamst!

Dann zeigte man mir, daß hier (Nabelgegend) eine Ausweitung des Wesens und der Schwingungen erforderlich wäre – ein Friede und eine Ruhe in der Unendlichkeit. DORT, das heißt das Prana, muß es sich ausweiten, in Frieden, Frieden, Frieden und Ruhe. Aber in der Unendlichkeit.

Das würde dich befreien.

Hier (Geste zum Kopf und darüber) ist die Arbeit getan, da besteht keine Gefahr, sie kann nicht verloren gehen, dort ist die Verbindung sehr wirksam hergestellt: du brauchst nur so zu machen (Geste, Atem zu holen), und es ist da. Hier (Herzbereich) ist es etwas zu... ein wenig zu klassisch, in dem Sinne, daß du unweigerlich in das klassische Wissen und die klassischen Methoden und Wege verfällst – das wird sich ganz natürlich von selbst geben.

Hier (Nabelgegend) erfordert es etwas wie a quiet ease [ein ruhiges Wohlbehagen], auf Französisch gibt es kein treffendes Wort dafür: a quiet ease. Das ist verkrampft und muß sich ausweiten. Das innere Leben des Pranas muß erweitert werden (das innere Vital, das wahre Vital, das die Erfahrungen hat, von denen ich dir erzählte – jene des Glassplitters und des Blicks auf das Meer), das muß weiter werden. Weit – weit... Es ist verkrampft und leidet. Es muß innerlich entspannt werden, das heißt, es gilt, die Kraft dorthin zu bringen: die Kraft dieser neuen Erfahrung [vom 13. April] dorthin bringen. Du brauchst dich nur gehen zu lassen – ideal wäre, wenn du diese Wellenbewegung erfassen könntest.

Einfach entspannen, entspannen, entspannen, man schwebt. Auf einer unendlichen Wellenbewegung schweben, schweben, schweben. Sollen wir es versuchen?

Nimm aber nicht die Meditationsstellung ein! Und verkrampfe dich nicht, laß dich gehen, als ob du dich ganz einfach ausruhen wolltest – nicht in einem leeren Loch ausruhen, sondern in einer unendlichen Masse von Kraft... in einer plastischen Festigkeit.

(Meditation)

Eine sehr leuchtende Atmosphäre...

 

1 Anfangs verteilte Mutter selber einmal im Monat die diversen persönlichen Gebrauchsartikel an die Schüler.

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