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Mutters

Agenda

dritten Band

27. Mai 1962

(Über die "Wellenbewegung" der Erfahrung vom 13. April:)

...Was ich da sage, ist vollkommen wahr. Wenn ich nicht gerade beobachte, formuliere, erkläre, ist es ein absolut ruhiger, friedlicher, zufriedener Zustand, der sich selbst genügt. Ich sehe sehr wohl, daß daraus etwas hervortreten muß.

Sobald ich aber versuche, es hervorzubringen, verwischt sich alles. Das heißt, daß es noch nicht reif ist. Es ist ein sehr unpersönlicher Zustand, wo die Gewohnheit der Reaktion auf die äußeren, umgebenden Dinge vollkommen verschwunden ist. Sie wurde aber durch nichts ersetzt. Es ist... eine Wellenbewegung.

Das ist alles.

Wann sich das in etwas anderes verwandeln wird, weiß ich nicht.

Es zu versuchen ist nicht möglich. Durch eine Anstrengung ist es auch nicht möglich, man kann nicht suchen, weil sofort die intellektuelle Aktivität dazwischentritt, die damit nichts zu tun hat.

Folglich schließe ich daraus, daß es etwas ist, das man werden, sein, leben muß – aber wie, auf welche Weise? Ich weiß es nicht.

Was macht dein Buch?

(Hier geht es um einen nicht erhalten gebliebenen Brief, in dem Satprem den Wunsch äußerte, sein neues Buch 1 im Himalaya zu schreiben, fern von den gegenwärtigen Umständen. Teil dieser Umstände war ein schlechter Gesundheitszustand, dessen unsichtbare Ursache vor allem die heftige, fast physische innere Verwundung durch den Bruch mit X war. Der Zweck war also eine "Luftveränderung".)

(Mit einem ironischen Lächeln) Auf den gewundenen Wegen der Welt sieht diese Reise nicht schlecht aus. Für dich persönlich wäre es jedenfalls eine Erfahrung, die dich... ja, die dich konkret die Nichtigkeit bestimmter Dinge fühlen ließe... Durch alle Leben und alle Umstände des Lebens kommt dieses und dann jenes, eine Sache, dann eine andere und später wieder etwas anderes... (Geste im Zickzack), um einem die Augen zu entsiegeln.

(Schweigen)

Sujatas Fall ist schwieriger. Vom rein äußerlichen Standpunkt wäre es zweifellos sowohl erfreulich als auch lehrreich. Aber Sujata steht in einer sehr speziellen Beziehung zu mir. Im Grunde genommen macht sie den Yoga, ohne ihn zu tun, das heißt, sie profitiert automatisch vom Yoga, den Sri Aurobindo und ich machen. Dies geriete in Gefahr, gestört zu werden.

Ich sage nicht, daß es unbedingt so sein wird, ich weiß es nicht – es könnte aber sein. Jedenfalls... wie ich sagte, vom äußeren Standpunkt könnte es sicherlich eine Bereicherung für das Wesen sein.

Aus kollektiver Sicht wäre es natürlich ein Nachteil für die Arbeit. Selbst wenn wir es schafften, das Bulletin für August zu beenden, wäre die Novemberausgabe in Frage gestellt.

Die Agenda ihrerseits wird während dieser Zeit schlicht zum Stillstand kommen. Vielleicht werde ich auch nichts zu sagen haben, ich weiß es nicht – es kann sein, daß ich für zwei oder drei Monate nichts zu sagen habe, vielleicht auch länger. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was mir passieren wird, ich meine all dem (Mutter deutet auf ihren Körper), dieser Ansammlung körperlicher Erfahrung und Erforschung. Mir wurde nichts gesagt – ich frage nicht danach und will es auch nicht wissen. Folglich werde ich wahrscheinlich nichts zu sagen haben. So sehe ich die Sache insgesamt.

Im Bewußtsein gibt es keine definitive Antwort.

Die letzten Tage – besonders jetzt, aufgrund der Geschichte mit X – sah ich die beiden Personen in dir. Die eine erscheint dir viel wirklicher, weil sie mehr Ausdruck erhielt, sich mehr verwirklichen konnte und sich selbst bewußter ist. Es ist etwas, das du gut kennst. Das andere Wesen hat noch nicht die Macht... (wie soll ich sagen?), offen, bewußt dein Schicksal zu lenken. Daher wirst du möglicherweise noch Labyrinthe vor dir haben.

Gegenwärtig befinde ich mich in einem scheinbar neutralen Zustand, wo ich nur sagen kann: "Wir werden sehen." Es gibt kein definitives "Nein" und kein definitives "Ja", keine definitive Zustimmung, aber auch kein Nein, das sagt: "Es ist unmöglich." Demzufolge scheint es immer noch das ewige "Wir werden sehen" zu sein. Aber wann werden wir denn sehen? – Ich weiß es nicht, vielleicht in einigen Stunden, in einigen Tagen, in einigen Minuten, ich weiß es nicht.

Dieses Vorhaben stellt jedenfalls keine Öffnung nach oben dar. Es ist kein Flug zu einer höheren Verwirklichung – nein, entschieden nicht.

Das suchte ich ja auch nicht!

Es ist der Weg des Labyrinths in den Umständen des physischen Lebens.

Das ist so deutlich, wie es nur sein kann.

Aber der Beweggrund war ein physischer Zustand. Anfangs dachte ich nicht an Sujata... Ich weiß nicht, ich bin sehr müde, ja. Meine Reserven sind aufgebraucht. Sobald etwas Zusätzliches anfällt, bin ich erschöpft. Hinzu kommt ein entmutigender psychologischer Zustand, weil... Besonders meine Nächte sind vollkommen unbewußt, ich schlafe nicht, weil das Mental sich dreht. In meinen Meditationen ist es immer dasselbe... Verstehst du, ich habe den Eindruck, da ist nichts, nichts, nichts. Die Ursache scheint mir in meiner gegenwärtigen physischen Lebensweise zu liegen 2 .

Eine mangelnde Vitalität.

Eine mangelnde Vitalität, zu viel Spannung, ich weiß nicht, oder das Klima setzt mir zu. Eine bestimmte Anzahl physischer Dinge, die... Das war der Beweggrund dieses Plans.

Von Sujata verlangst du geradezu ein Opfer. Nicht äußerlich, aber für sie wäre das ein Opfer. Sie würde dir etwas opfern, und zwar etwas sehr Kostbares: sie müßte ihre eigene Verwirklichung opfern, um dir zu helfen. Das hat auch seinen Stellenwert in der Hierarchie der Verwirklichung.

Ich verstehe.

Sie würde notgedrungen mit anderen Leuten in Kontakt kommen.

Wenn ich überhaupt irgendwo hingehe, vermeide ich alle Kontakte. Ich suche keinen gesellschaftlichen Austausch.

(Mutter schweigt)

Ich kann es nicht sagen.

Woran liegt denn die vollkommene Unbewußtheit meiner Nächte? Die vollkommene Abwesenheit von was auch immer in meinen Meditationen?

(Nach einem Schweigen) Das ist etwas, das du selber fühlen müßtest, nicht?

Ich weiß es, aber...

Wenn man nicht selber die Erfahrung hat, kommt einem das vor wie... eine Art Märchen (aber kein angenehmes Märchen).

Vielleicht könntest du mir einen Hinweis geben...

(Nach einem Schweigen) Unter jenen, die das Stadium der aufeinanderfolgenden Reinkarnationen zur Entwicklung des psychischen Wesens überschritten haben und die eine bewußte, voll entwickelte Seele haben, gibt es manche... (wie soll ich sagen?), die auserwählt oder bestimmt sind, an einer besonderen irdischen Aktion teilzunehmen. Wie du weißt, gibt es im Verlauf der Reinkarnationen stets... mehr oder weniger Unordnung und Verwirrung. Wenn du willst, kann ich dir meinen Fall erzählen: Trotz aller getroffenen Vorsichtsmaßnahmen traten notgedrungen gewisse Verwirrungen auf, die natürlich die Arbeit erschwerten. Auch bei Sri Aurobindo. Mitunter stören diese Verwirrungen die Arbeit sehr.

Es gibt aber Menschen – nicht viele –, die nur aus EINEM Grund wieder auf die Erde kamen, nämlich um auf eine ganz bestimmte Art an einer bestimmten Arbeit mitzuwirken. Die äußeren, persönlichen oder individuellen Dinge werden dem weitgehend geopfert. Zum Beispiel werden bestimmte Fähigkeiten, die vom höheren Wesen stammen und die im gewöhnlichen Leben ein bestimmtes Ausmaß an Kraft, Erfolg, Macht oder Verwirklichung zur Folge hätten, unter Bedingungen versetzt, wo ihre äußere Wirksamkeit den Notwendigkeiten dieser Arbeit untergeordnet wird.

Laß mich deutlicher werden: Es wäre zum Beispiel erforderlich gewesen, daß dein physischer Körper entweder stärker oder flexibler wäre oder einen gewissen sehr starken vitalen Ausgleich hätte, damit du nicht unter deinen Arbeitsbedingungen leidest... Für jemanden, der einem yogischen Aufstieg folgt, dessen Seele sich weiterentwickelt, sind normalerweise die Bedingungen seines physischen Lebens, was immer sie auch seien, die besten für seine innere Entwicklung, selbst wenn diese Bedingungen äußerlich nicht gut sind. Folglich kann man ihm nur raten: "Entweder gib das spirituelle Leben auf oder halte durch!" Bei dir ist es aber etwas anderes. Es handelt sich um eine Mission, eine Arbeit, und es besteht eine Diskrepanz zwischen deiner spezifischen physischen Formation und dieser Mission. Fragst du mich deutlich, was ich sehe, kann ich es dir klar sagen. Bestimmten Sadhaks oder jenen, die aufrichtig den Weg des Yogas gehen wollen, würde ich sagen: "Ihr könnt es tun oder lassen; man muß einfach lernen, sich innerlich ausreichend zu wandeln, um den Körper und seine Bedürfnisse zu beherrschen." – Aber dir kann ich das nicht sagen, weil es nicht so ist.

Ich will sagen, es kann sein – es kann sein –, daß sogar eine innere Umwandlung (zum Beispiel eine vollständige Umgestaltung des Vitalwesens) nicht unbedingt zu einer Verbesserung deiner Gesundheit führt. Hier... Hier sehe ich nichts Zwingendes. Zum gewöhnlichen Leben zurückzukehren, wäre allerdings das Ende von allem – deines physischen wie auch deines inneren Lebens.

Das will ich ja auch gar nicht!

Das ist offensichtlich – diese Erfahrung hattest du ja.

Aber Vorsichtsmaßnahmen und bestimmte äußere Hilfen sind nicht zu vernachlässigen. Deshalb kann ich nicht sagen: "Achte nicht auf deinen Körper, geh voran, und alles wird gut gehen!" – Nein. Zwei oder drei Monate in den Bergen könnten dir durchaus helfen. Das ist möglich. Aber ich sehe nichts Bestimmtes, ich weiß es nicht.

Ist die Blockade während der Meditationen denn auch die Folge dieser besonderen "Arbeit"?... Ich habe den unbestimmten Eindruck von Verwirklichungen, die ich bereits hatte...

Aber ja!

... verstehst du, all das ist mir verschlossen. Ich habe den Eindruck von einem Wissen, das ich bereits hatte, einer Vision, die ich bereits hatte...

Bestimmt.

Und daß all das... Ich bin wie jemand, der verbannt wurde, verstehst du?

Eine VERBINDUNG fehlt.

Jeden Morgen, wenn ich mit einem schwarzen Loch angesichts meiner Nacht erwache, sage ich mir voller Entmutigung: "Was soll das alles?"

Ja.

Dort könnte die physische Seite...

Es liegt am Vital, mein Kind. Bei deiner Formation ist etwas passiert – dein Vital ist nicht stark genug.

Verstehst du, ich bin absolut davon überzeugt, daß sich auch für dich alles augenblicklich ändern wird (Geste der Umkehrung), wenn ich das gefunden habe, was ich suche [die dritte Position] – mit einem Schlag, ohne jegliche Anstrengung deinerseits – es wird so sein, ein Blitz. In der Zwischenzeit möchte ich aber, daß es dir gut geht. Und wenn dir einige Monate in den Bergen sehr gut tun... Ich sage "wenn" – ich bin nicht sicher.

Das einzige, was dir wirklich gut tun würde, ist eben das, was du die Befreiung von der "Blockade" nennst – dann wäre es vorbei.

Ja, natürlich! Davon bin ich überzeugt.

Du wärst glücklich, und deinem Körper ginge es auch gut.

Eben wegen dieser Blockade sagt sich der Körper: "Was soll das alles?"

Vielleicht nicht. Vielleicht liegt es an etwas im Körper selbst? Wegen diesem "vielleicht" zögere ich.

Nimm zum Beispiel dieses Buch. Ich weiß nicht, ob es "Tamas" [Trägheit] ist, aber ich möchte am liebsten nur da sitzen und nichts tun! Oder nur ein Minimum an Arbeit tun, um verbunden zu bleiben – etwas Arbeit für dich, und die übrige Zeit...

Ja, das wäre nicht schlecht! Ich verstehe das sehr gut.

Über dieses Buch, das ich schreiben soll, würde ich äußerlich sagen: "Ich habe keine Lust!"... Ich bin zwar immerhin an einem Punkt angelangt, wo ich nicht mehr auf meine "Lust" oder "Unlust" achte, aber ich kann nicht behaupten, daß ich sehr enthusiastisch wäre.

Ja, das ist keine Tätigkeit, die dich interessiert. Das verstehe ich!

Trotzdem – trotz allem besteht eine Art ständige Kommunikation [zwischen dir und mir], durch die du ohne dein Wissen mit den Erfahrungen in Verbindung stehst. Und offensichtlich treibt meine Erfahrung gegenwärtig nicht zur Aktivität.

Nein, das ist es nicht. Deine physische Erschöpfung gefällt mir gar nicht.

Ich werde schnell müde, ich habe keine Reserven, und bei der geringsten Kleinigkeit bin ich sofort... Dann die Leute – der Kontakt mit den anderen erschöpft mich. Zu X zu gehen, war für mich eine Folter.

Ja.

Ich werde "schauen", wenn du willst.

Meinen ersten Eindruck habe ich dir gesagt.

Ich werde es mir ansehen, und während dieser Zeit sollten wir möglichst viel für das August-Bulletin erledigen.

Was ich dir eigentlich unterbreiten wollte, ist diese Lustlosigkeit, das Buch zu schreiben.

Das macht nichts, mein Kind!

Ich möchte nur nicht, daß...

Gib mir einige Tage, um zu schauen, und dann werden wir sehen, ob ein Hinweis kommt.

Ich verschwende deine Zeit...

Nein, ich bin an nichts gebunden, ich habe keine Verpflichtungen mehr!

Was du gesagt hast, ist wahr, ich empfinde das sehr wohl. Wenn diese Blockade gelöst werden könnte, gäbe es keine Probleme mehr.

Ja, genau!

Ich verspüre eine Ungeduld, denn da ist etwas, das ich KENNE, aber es gelingt mir nicht, es zu fühlen, weil der Kontakt fehlt. So drehe ich mich im Kreis. Es ist immer dasselbe.

Ein Verbindungsstück fehlt. Dort weiß man (Geste oben), hier weiß man nicht (in der Materie), und ständig meint man, ein Ortswechsel oder eine Veränderung der physischen Bedingungen würde den Kontakt herstellen... Das kann passieren, das ist wahr: ein plötzlicher Blitz. Aber das kann unter BELIEBIGEN Umständen geschehen. Es hängt nicht von einer äußeren Veränderung ab. Ich weiß, daß nichts am Klima oder an den Bedingungen hier absolut unerträglich ist – das liegt nur an der Vorstellung, die man sich davon macht, an der mentalen (und vitalen) Reaktion. Hätte man einfach die Freude der vollkommenen Öffnung, würde sich alles übrige von selbst ergeben.

Es ist auch möglich, daß es dort in der Einsamkeit und angesichts der Berge plötzlich geschieht – auch das ist möglich. Es gibt nichts, das nicht auch eine Möglichkeit der Wahrheit enthielte.

Aber laß mich wenigstens bis Dienstag schauen – dann sage ich dir, was ich sehe.

Auf Wiedersehen, mein Kind.

 

1 Das Abenteuer des Bewußtseins [deutsche Übers.: Verlag Hinder + Deelmann].

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2 Hierzu ist anzumerken, daß ich während der letzten acht Jahre (außer während meiner "Fluchten", und selbst dann noch...) mit der Vorbereitung des Bulletins und den anderen Veröffentlichungen des Ashrams, den Übersetzungen von Sri Aurobindos Werken, der Aufzeichnung dieser Agenda, dem Schreiben meiner eigenen Bücher, den Stunden des Japas und anderen Aufgaben an die fünfzehn Stunden pro Tag beschäftigt war.

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