Mutters
Agenda
dritten Band
Bald werde ich meine Übersetzung [der Synthese des Yoga] beendet haben, was ich bedaure.
Aber du willst mit Savitri beginnen?
Auf einmal erschien mir das schrecklich ehrgeizig... (lachend) Der Wortschatz reicht nicht aus dazu.
(Schweigen)
H.S. 1 schrieb mir einen Brief, in dem mich ein Satz stutzig machte. Er sagte: "Ich übersetze so und so viele Stunden am Tag, das ist eine mechanische Arbeit." Ich fragte mich, was er mit "mechanischer Arbeit" sagen will, denn meiner Ansicht nach kann man nicht übersetzen, ohne die Erfahrung zu haben – wenn man anfängt, Wort für Wort zu übersetzen, besagt es überhaupt nichts mehr. Wenn man nicht die Erfahrung von dem hat, was man übersetzt, kann man nicht übersetzen. Dann überlegte ich plötzlich: "Aber die Chinesen können ja nicht so übersetzen wie wir!" Es muß eine ganz andere Arbeit sein, denn für sie muß die Idee die Grundlage sein, weil ihre Schriftzeichen Ideen bedeuten, jedes Zeichen stellt eine Idee dar – die Zeichen sind die Grundlage für Ideen, nicht Worte mit fester Bedeutung. Ich identifizierte mich damit, um zu sehen, wie H.S. Sri Aurobindos Synthese des Yoga in chinesische Schriftzeichen übersetzt... Er mußte gewiß neue Buchstaben erfinden. Das war sehr interessant. Die Buchstaben bestehen aus Wurzelzeichen [root-signs], und je nach ihrer Stellung wechselt die Bedeutung. Jedes Wurzelzeichen kann in den Kombinationen vereinfacht werden, je nachdem, wo es plaziert ist: oben, rechts, links oder unten. Das muß also eine hochinteressante Arbeit sein, die richtige Kombination zu finden. Ich weiß nicht, wie viele man zusammensetzen kann, aber es gibt sehr große Buchstaben, die sehr viele Wurzelzeichen enthalten müssen. Vor kurzem zeigte man mir Buchstaben, mit denen sie die neuen wissenschaftlichen Entdeckungen ausdrücken, sie waren sehr groß. Die neuen Ideen müssen wirklich interessant sein. Er nennt das eine "mechanische Arbeit".
Dieser H.S. ist ein Genie!
Er hat auch Erfahrungen. Wir begegnen uns so gut wie nie, aber ich habe Briefe gelesen, die er an Leute schrieb. Er schrieb jemandem: "Wenn Sie die Erfahrung des Tao haben wollen, brauchen Sie nur hierher zu kommen und im Ashram zu leben, hier werden Sie die VERWIRKLICHUNG von Lao-Tses Philosophie haben."
Er ist ein Weiser!
*
* *
Etwas später
...Ich bin zum Schluß gekommen, daß die Chinesen vom Mond stammen – ihr Ursprung ist auf dem Mond. Als der Mond sich abkühlte und diese Wesen dort wahrscheinlich nicht mehr überleben konnten, weil die notwendigen Bedingungen fehlten, kamen sie auf die Erde. Ich erkannte das um die Jahrhundertwende, und als ich nach China reiste 2, verstärkte sich mein Eindruck. Sie stammen vom Mond. Sie machten auf mich den Eindruck von Menschen, denen das psychische Wesen fehlt: sie sind kalt, eiskalt. Aber wunderbar intellektuell!
Vor einigen Jahren traf ich einen anderen Chinesen, einen Mann, der ein spirituelles Leben führt. Er suchte mich auf und sprach während einer Stunde über China. Damit begann ich, China zu verstehen, als wäre ich dort geboren und hätte mein ganzes Leben dort verbracht. Ich sah, daß diese Leute auf dem Höhepunkt der Intelligenz stehen, mit einer schöpferischen Kraft – sie sind Erfinder. Er sagte mir: "Es gibt kein Land der Welt, das Sri Aurobindo intellektuell so gut verstehen kann wie die Chinesen." Das leuchtete mir unmittelbar ein. Ihr intellektuelles Verständnis liegt sehr hoch, ganz oben.
Der Yoga ist allerdings eine andere Sache... Das muß eine rein persönliche Frage sein. Bei ihnen besteht nicht diese spirituelle Intensität, wie man sie in der Tiefe der indischen Natur findet – es ist ganz und gar nicht dasselbe. Hier ist das spirituelle Leben etwas Wirkliches, Konkretes, Berührbares, völlig wirklich. Für die Chinesen spielt es sich auf der Ebene des Kopfes ab.
Sie werden doch wohl nicht hierher kommen?
Ich hoffe nicht!
Sie sind Menschen ohne Gefühl. Ich weiß nicht, ob sie ein psychisches Wesen angenommen haben, seitdem sie auf der Erde sind (alle Rassen sind ja vermischt, reine Rassen gibt es nicht mehr), aber sie sind immer noch eiskalt. Schwierig.
Es ist möglich, daß sie den Zugang zu Sri Aurobindos Gedankenwelt finden. Aber nicht ihre Truppen! Ich weiß nicht, ob die modernen Chinesen sehr an Philosophie interessiert sind... Es wäre besser, sie kämen nicht!
*
* *
(Etwas später greift Satprem die letzte Unterhaltung wieder auf, wo es um Musik ging:)
Gehören die Bereiche der Musik, der Malerei usw. dem Übermental an?
Tja! Nun... Ich weiß nicht. All diese Klassifikationen erscheinen mir zu starr. Es fehlt die Flexibilität, die im Universum besteht. Wir haben immer das Bedürfnis, eine Schachtel in die andere zu stecken. (Mutter lacht) So ist es nicht! Es wäre eher eine Entsprechung als ein Bestandteil von etwas. Es ist ein Teil, ja, aber welches ist ein Teil des anderen? Es ist ein Teil von "etwas", das weder dies noch jenes noch etwas anderes ist.
Die ANSÄTZE sind verschieden. Im Grunde hängt es von der Aspiration oder der vorherrschenden Beschäftigung ab oder von den Erfordernissen für die jeweilige Arbeit. Als ginge man DIREKT zum Ort, den man erreichen will, ohne das übrige zu beachten oder wahrzunehmen – wenn nötig, durchquert man es, aber ohne sich damit zu beschäftigen. Der Wunsch zu klassifizieren, weißt du... das kommt später, wenn man es beschreiben will, aber es ist nicht nötig.
Es ist wie das berühmte Nirvana: man kann es hinter allem finden. Es gibt ein psychisches Nirvana, ein mentales Nirvana und sogar ein vitales Nirvana. Ich glaube, ich habe schon über die Erfahrung gesprochen, die ich mit Tagore in Japan hatte. Tagore sprach immer davon, daß er ins Nirvana einträte, sobald er sich zur Meditation hinsetze, und er bat mich, mit ihm zu meditieren. Wir setzten uns zusammen zur Meditation. Ich stimme mich immer auf die Person ein, mit der ich meditiere – ich identifiziere mich mit ihr und weiß so, was vorgeht –, ich war also darauf gefaßt, einen steilen Anstieg zu erleben, aber er trat IN SEIN MENTAL, und dort... versank er in Meditation, und alles hörte sofort auf, wurde völlig unbewegt (das machte er sehr gut), von dort vollzog er eine fallende Bewegung, nach hinten, und dann war es das Nichts. Er konnte beliebig lange in diesem Zustand verharren. In der Tat blieben wir recht lange darin. Ich erinnere mich nicht mehr, wie lange, ob es eine Dreiviertelstunde oder eine Stunde dauerte, jedenfalls ziemlich lange. Ich blieb immer aufmerksam, um zu sehen, ob er von dort vielleicht anderswohin ginge, aber er blieb da – ganz ruhig, ohne sich zu bewegen. Dann kam er zurück, sein Mental begann wieder zu arbeiten, und es war vorbei.
Ich sagte ihm nichts.
Es war wirklich ein Nirvana: das Nichts. Keine Wahrnehmung, keine Bewegung, natürlich kein Gedanke, nichts, keine Vibration – einfach das Nirvana. Meine natürliche Schlußfolgerung war, daß es hinter dem Mental ein Nirvana gibt, denn er ging direkt dorthin. Ich machte meine eigene Erfahrung in den verschiedenen Bereichen des Wesens, und ich erkannte, daß tatsächlich hinter allem ein Nirvana besteht (es muß auch ein Nirvana hinter der physischen Zelle geben – vielleicht drückt sich das durch den Tod aus! Wir wissen es nicht, das ist möglich). Ein Nichts, keine Regung. Es gibt nichts mehr – es besteht nichts mehr, nichts kann sich bewegen (Mutter lacht). Das Nichts.
Aber was bringt das?
Weiß ich nicht! Es muß für irgend etwas gut sein.
Muß denn alles unbedingt zu etwas nützlich sein?
Dient es dazu, einen Fortschritt zu machen?
Es sind Erfahrungen.
Ja, aber dient es dem Fortschritt?
Jedenfalls fördert es die Stabilisierung.
(Schweigen)
Ich weiß nicht, ob man die Dinge von diesem Standpunkt aus betrachten kann, denn es ist nur ein Standpunkt. Wenn man Ihn fragte: "Zu was ist das nütze?" würde der Herr sicherlich entweder sagen: "Das ist mir egal", oder: "Das geht euch nichts an", oder: "Es amüsiert mich" – das muß Ihm genügen!
Nein...
(Schweigen)
Buddha war tief erschüttert über die Vergänglichkeit der Dinge, die Vergänglichkeit der gesamten Schöpfung, daß es nichts Beständiges gab. Dies bildete den Ursprung seiner Suche: Als er erkannte, daß es nichts Dauerhaftes gab – nichts Beständiges – und daß es folglich nichts gab, von dem man sagen konnte "für immer", schockierte ihn das, und es erschien ihm, daß er etwas Dauerhaftes finden müsse. In seiner Suche nach dem Beständigen kam er zum Nichts. So hieß seine Schlußfolgerung: "Nur eines ist dauerhaft: das Nichts. Sobald es eine Schöpfung gibt, ist sie vergänglich."
Was hatte er gegen die Vergänglichkeit einzuwenden? Das weiß ich nicht – wahrscheinlich war sein Temperament so veranlagt. Für ihn hatte das Nirvana also den Nutzen, daß es dauerhaft ist.
Es ist dauerhaft, es ist das einzig Dauerhafte.
Das erscheint mir aber...
Sri Aurobindo sagt selber: "Ja, es ist wahr, es ist etwas Dauerhaftes. Ein gewisses Nicht-Wesen ist beständig. Es steht hinter allem. Aber warum sollte Er sich nicht damit amüsieren, einmal beständig und einmal unbeständig zu sein – nicht "einmal", sondern ZUGLEICH, im selben Moment. Dagegen gibt es keinen Einwand." Jedenfalls hat Er keinen.
Unserem Mental gefällt das vielleicht nicht, aber Ihm...
Ich sehe nicht ein, was am Nirvana so großartig sein soll. Ich weiß nicht, ob ich ins Nirvana eintrete, aber wenn ich mich zur Meditation setze und ganz ruhig bin, was dann? Nichts existiert mehr! Wenn man das Nirvana nennt, finde ich es nicht besonders großartig.
Bist du deiner selbst bewußt?
Oh, ja! Ich verliere nicht das Bewußtsein. Aber nichts existiert mehr. Es ist klar und leuchtend, und dann nichts mehr.
Das ist der Zustand der mentalen Ruhe.
Es existiert nichts mehr für dich?
Ich höre die Geräusche.
Ah!
Ich kann physisch hören, was um mich herum vorgeht.
Dann bist du nicht im Nirvana.
Ist es denn eine Art Auflösung?
Nein, es ist eine vollkommene Beruhigung. Aber keine Auflösung.
(langes Schweigen,
Mutter stimmt sich auf Satprem ein)
Wahrscheinlich dringst du in den Zustand der reinen Existenz vor. Erst das mentale Schweigen, dann die reine Existenz, das heißt die Existenz außerhalb der Manifestation: der Zustand des Sat. Das Sat.
Es ist die reine Existenz außerhalb der Manifestation.
Wenn wir zusammen meditierten, hatte ich immer den Eindruck, du gingest in eine Art glückseliges Schweigen – ja, es ist etwas Beständiges, aber keine Auflösung. Es ist Sat – das Sat vor dem Chit-Tapas 3 . Das heißt, es kann eine Ewigkeit dauern – ohne den Begriff der Zeit –, und es kann eine Unendlichkeit sein, ohne den Begriff des Raumes.
Das ist sogar AUSSERGEWÖHNLICH nützlich: es erneuert automatisch alle Energien. Eigentlich ist das der wirkliche Grund für den Schlaf: um in diesen Zustand zu treten. Deshalb benötigen die Leute, die diesen Zustand bewußt in der Meditation erreichen, viel weniger Schlaf. Viel weniger. Das erlaubt dem Körper anzudauern. Es ist das Sat. Das spürte ich jedesmal, wenn ich mit dir meditierte: daß wir in diesen Bereich gingen.
Die reine Existenz außerhalb der Manifestation, wunderbar leuchtend, unbewegt, ruhig, und... eine Art Glückseligkeit ohne jede Vibration, außerhalb der Vibrationen.
Das ist sehr nützlich.
Im Grunde muß man das immer im Hintergrund des Bewußtseins haben und sich automatisch darauf beziehen, um alle Störungen zu berichtigen oder zu vermeiden oder auszuschalten – all disturbances.
Ich mache zum Beispiel davon Gebrauch, wenn der Körper Schmerzen empfindet (für die gewöhnlichsten und nebensächlichsten Dinge: Husten, wenn man sich verschluckt, Schluckauf usw.), alle diese kleinen Beschwerden des Körpers kann man fast augenblicklich auflösen, wenn man in diesen Zustand geht. Es dauert nur einige Sekunden. Das muß im Hintergrund zugegen sein, immer, immer, immer, dahinter, als ob es alles unterstütze. Natürlich ist es völlig schweigend, unbewegt, leuchtend... Ja, es gibt einem das Gefühl der Ewigkeit und Unendlichkeit. Es ist ewig, unendlich, außerhalb der Zeit, außerhalb des Raumes, es ist... es ist das Sat.
Wenn man es die ganze Zeit im Hintergrund seines Bewußtseins bewahren kann, muß man nicht anderswohin gehen (Bewegung der Verflüchtigung nach oben): man braucht nur so zu machen (Geste nach hinten), und es ist da.
Es ist die radikale Heilung aller Störungen, die Anti-Störung.
Damit kann man jemanden heilen (wenn er aufnahmefähig ist). Es ist das Gegenmittel zur Störung – das vollkommene Gegenmittel für die Störung.
Ja, wenn man von dort herauskommt, ist man erfrischt und ausgeruht.
Ja, so ist es.
(Schweigen)
Gut, mein Kind, ich wünsche dir ein gutes neues Jahr 4, ein fortschrittliches Jahr, mit Erfahrungen! Ich beginne zu verstehen, welche Erfahrungen du dir wünschst, aber so viele Leute wären begeistert, wenn sie deine gegenwärtigen Erfahrungen hätten.
(Satprem scheint erstaunt zu sein)
Du nennst das nicht "Erfahrungen" – man nennt immer "Erfahrung", was man nicht hat.
Ich sagte auch jahrelang: "Aber ich habe keine Erfahrungen, ich habe keine Erfahrungen ..."
Die einzige Erfahrung meines Lebens war diese Welt der Musik – das erschütterte mich. Es war so... Es war das Göttliche.
Aber ja, das ist so.
Das nenne ich eine Erfahrung.
Ja, ich verstehe.
Wie geschah es?
Einfach im Schlaf, in einer Nacht in Ceylon.
Zu welcher Zeit?
Ich glaube, gegen Ende der Nacht. Denn ich erwachte und war... Ich weiß nicht, mindestens zwei Stunden war ich wie benommen. Ich sagte mir: "Aber das ist nicht möglich, das ist doch nicht möglich!" Ich konnte es wirklich nicht fassen.
Ja, das ist eine Erfahrung! (Mutter lacht)
Du verstehst also, wenn man in Kontakt mit dem inneren Gott kommt – das ist eine Erfahrung. Du verstehst: Diese Intensität und Realität deiner Erfahrung hast du dann MIT dem Gefühl des ewigen Göttlichen. Es ist einfach der innere Gott: man braucht nicht in die Höhen zu entschwinden, es ist gleich hier (Mutter berührt ihr Herz).
Diese Erfahrung hatte ich 1912. Der erste Kontakt, wenn man nach innen tritt, und ES IST DAS... diese konkrete Realität und diese Intensität, die alle möglichen physischen Intensitäten übersteigt. Dann das Gefühl: es ist DAS – das Göttliche. Es ist das Göttliche, die Realität des Göttlichen. Dies ist das Göttliche. Man IST das Göttliche.
Das ist die Erfahrung. Sie bildet die Grundlage: die grundlegende Erfahrung. Wenn man das einmal hat, geht man mehr oder weniger schnell voran... Wenn man sich wirklich hingibt, geht man sehr schnell voran. Äußerlich bist du in der Position, wo du mit dieser Erfahrung in einigen Jahren den ganzen Weg zurücklegen und sofort die Arbeit der Transformation beginnen könntest (Mutter berührt ihren Körper).
Ich hatte sie (um dir einen Anhaltspunkt zu geben) nach einem Jahr der ausschließlichen Konzentration, um das in mir zu finden und mit dem innewohnenden Gott in Kontakt zu treten. Ich beschäftigte mich nur noch damit, dachte nur an das, wollte nur das. Es geschah sogar auf amüsante Weise: Ich faßte den Entschluß, es zu tun... Ich arbeitete schon seit sehr langer Zeit daran. Madame Théon hatte es mir gesagt, und ich wußte, was meine Aufgabe auf der Erde war und so weiter. Es geht um das psychische Wesen, das dieser Schöpfung angehört, diese Form – (Mutter berührt ihren Körper). Es war der 31. Dezember, und ich beschloß: "In diesem Jahr!" Ich hatte ein großes Atelier, etwas größer als dieses Zimmer, fast quadratisch. Eine Tür führte auf einen Hofgarten. Ich öffnete die kleine Tür und betrachtete den Himmel. Genau in dem Moment, wo ich den Himmel betrachtete, sah ich eine Sternschnuppe. Du kennst den Brauch: Wenn du dir etwas wünschst, während du eine Sternschnuppe siehst, bevor sie verschwindet, wird es sich innerhalb eines Jahres erfüllen. Und gerade, als ich die Tür öffnete: eine Sternschnuppe! Ich war ganz in meine Aspiration vertieft: "Die Vereinigung mit dem inneren Göttlichen". Vor Ende des nächsten Dezembers hatte ich die Erfahrung.
Ich war nur darauf konzentriert. Ich lebte in Paris und kümmerte mich um nichts anderes. Wenn ich auf der Straße ging, dachte ich nur daran. Als ich eines Tages den Boulevard Saint-Michel überquerte, wäre ich beinahe überfahren worden (ich erzählte es dir schon). Es geschah, weil ich nur an das dachte: diese Konzentration, eine Konzentration, als säße man vor einer verschlossenen Tür. Und es tut weh! (Mutter macht eine inbrünstige Geste an ihre Brust) physisch weh, aufgrund des Drucks. Dann, auf einmal, ohne offensichtlichen Grund – ich war weder konzentrierter noch mehr dies oder weniger das – pluff, und etwas öffnete sich. Und dann... Es währte nicht für Stunden sondern Monate, mein Kind! Dieses Licht, dieses Strahlen, dieses Licht und diese Unermeßlichkeit verließen mich nicht. Das Gefühl, daß es DAS ist, was will, DAS, was weiß, DAS, was das ganze Leben lenkt, DAS, was alles führt – es verließ mich niemals mehr. Nicht für eine Minute seit diesem Augenblick. Immer, wenn ich eine Entscheidung treffen mußte, hielt ich eine Sekunde inne und empfing es von dort.
Aber das ist lange her! Inzwischen habe ich viele Dinge getan. Das ist lange her, es war 1912. Und jetzt... ach, dieses alte Gerippe!...
Es tut sein Bestes.
Ich glaube, der vollkommenste Ausdruck ist: "Was Du willst, Herr, was Du willst, Herr, was Du willst, Herr – mit Freude, was immer es sei." – In jeder Zelle.
Es müßte verhältnismäßig schnell gehen, aber... ich weiß nicht. Wie lange wird es dauern?... Es ist neu, neu, du verstehst: Man weiß eben nicht, ob man vorankommt. Man weiß nicht, wohin man geht, man hat keine Ahnung, welchem Weg man folgt. Man weiß es einfach nicht. Alle möglichen Dinge geschehen, aber sind sie ein Teil des Weges oder nicht? Ich weiß nichts. Erst am Ziel werden wir es wissen.
Gut.
Dann auf Wiedersehen, mein Kind, ein gutes Jahr! Ich hoffe, du wirst dieses Jahr eine entscheidende Erfahrung haben – bevor du vierzig wirst.
1 Ein chinesischer Schüler, der Sri Aurobindos Werk übersetzt.
2 Wahrscheinlich im März 1920, zur selben Zeit, als Mao Tse-tung Die große Vereinigung der Volksmassen schrieb.
3 Sat: Existenz oder Sein, Chit-Tapas: Bewußtseins-Energie. Der dritte Teil der Dreiheit ist Ananda: Freude.
4 Es ist Satprems neununddreißigster Geburtstag.