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Mutters

Agenda

dritten Band

4. Dezember 1962

(Mutter spricht erneut von ihrer unmittelbaren Erfahrung des Höchsten, als Sri Aurobindo seinen Körper verließ:)

Das verstehe ich nicht genau. Man würde annehmen, daß du die Erfahrung des Höchsten schon früher hattest, bevor Sri Aurobindo wegging?

Spirituell hat man die Erfahrung, sobald man in Kontakt mit dem inneren Göttlichen tritt. Mental hat man die Erfahrung, wenn das Mental geklärt ist. Im Vital hat man die Erfahrung, sobald man das Ego aufgegeben hat. Das Bewußtsein DES KÖRPERS – das Bewußtsein der Zellen – hatte in dem Moment die Erfahrung. Alle anderen Teile hatten diese Erfahrung seit sehr langer Zeit und kannten sie beständig, aber der Körper... Man hatte es ihm gesagt, er glaubte es, aber er hatte nicht diese so konkrete, totale, absolute Erfahrung, als daß er sie auch nur eine einzige Sekunde vergessen konnte.

In dem Augenblick hatte das physische Wesen und der individuelle, persönliche Körper ein für allemal diese Erfahrung.

Der Körper ließ sich immer tragen. Er hatte sich im Bewußtsein mit Sri Aurobindos Gegenwart vereinigt und stützte sich darauf ab, ohne eine Spur von Unruhe – er fühlte, daß sein Leben, sein Fortschritt, sein Bewußtsein, seine Handlung und seine Macht davon abhingen. Es gab keine Frage: er fragte nicht. Etwas anderes war für ihn absolut UNMÖGLICH.

Schon der Gedanke, daß Sri Aurobindo seinen Körper verlassen könnte, daß diese Seinsart für den Körper nicht mehr gelten könnte, war absolut undenkbar. Man mußte ihn in eine Kiste stecken und die Kiste ins Samadhi, um den Körper davon zu überzeugen, daß es so war.

In dem Augenblick hatte er diese Erfahrung.

Dieser Körper ist sehr bewußt, er wurde bewußt GEBOREN, und sein Bewußtsein wuchs, wurde vollkommener, vervielfältigte sich sozusagen in all diesen Jahren. Das war seine Aufgabe, seine Freude. Es war eine so friedliche Gewißheit, daß es keine Probleme und keine Schwierigkeiten mehr gab: die Zukunft öffnete sich leuchtend, friedlich und zuversichtlich. Da war es für ihn ein Zusammenbruch, für den es einfach keine Worte gibt.

Nur weil der bewußte Wille Sri Aurobindos in ihn eintrat – seinen Körper verließ und in den meinen eintrat... Ich stand vor seinem Körper und fühlte materiell die Reibung. Sein Wille trat ein (sein Wissen und sein Wille): "Du wirst mein Werk tun." Er sagte es diesem Körper: "Du wirst mein Werk weiterführen." Nur das hielt mich am Leben.

Abgesehen davon... Ich glaube, daß ihm keine, wirklich keine physische Zerstörung widerfahren könnte, die diesem Zusammenbruch gleichkäme.

Ich brauchte zwölf Tage, um dort herauszukommen – zwölf Tage lang sprach ich kein Wort.

Die Erfahrung, von der ich berichtete, ist also eine PHYSISCHE Erfahrung.

(Schweigen)

Sri Aurobindo bemüht sich jetzt, diesem Körper das Bewußtsein der Fortdauer, der Unsterblichkeit, der Gewißheit, der absoluten Sicherheit in der Materie, im Leben, in der Handlung einer jeden Minute zu geben. Es wird immer näher, immer beständiger. Allmählich verschwindet das Gemisch der alten Eindrücke – das ist das FUNDAMENT und die Basis der Transformation.

In der wahren Bewegung fühlt man physisch das Absolute und die Ewigkeit. Wie? Das ist unmöglich zu beschreiben, aber es ist so. Wenn man heraustritt – wenn man aus Dem zurückfällt oder heraustritt, wie wenig auch immer, und in die gewöhnliche Bewegung, in die alte Bewegung zurückfällt, ist es ein Gefühl ABSOLUTER Unsicherheit. Eine Ungewißheit in jeder Sekunde. Es wäre unmöglich für ein gewöhnliches menschliches Wesen, mit diesem Bewußtsein zu leben, mit diesem Gefühl: das Gefühl einer völligen Unsicherheit, einer absoluten, totalen Unbeständigkeit – es ist keine Zerstörung mehr 1, aber auch noch keine zunehmende Transformation. Eine absolute Unbeständigkeit. Nichts dauert länger als der Bruchteil einer Sekunde – gerade genug, um sich seiner selbst bewußt zu werden, und das ist alles.

Gäbe es nicht die andere Bewegung, die sich mehr und mehr ausbreitet, wäre es unerträglich, im Sinne des englischen Wortes unbearable.

Die Beschaffenheit der beiden Bewußtseinszustände (die sich noch überlappen, so daß man sich beider bewußt ist) ist unbeschreiblich. Einer ist wie eine Zersplitterung – eine unendliche Zersplitterung –, eine absolute Unstetigkeit: wie ein atomares Zerstäuben in unaufhörlicher Bewegung. Der andere ist eine ewige Unbewegtheit, wie ich sie neulich beschrieb, eine unendliche Unermeßlichkeit absoluten Lichts.

Noch pendelt das Bewußtsein vom einen Zustand zum anderen.

(Schweigen)

Alles übrige... Wie soll ich sagen? Man könnte es fast als eine Zerstreuung bezeichnen. All die anderen Erfahrungen, die weder dies noch das sind, taugen lediglich dazu, die Zeit zu vertreiben, etwas, um sie auszufüllen, damit sie nicht leer ist.

Ein ewiger Film.

(Schweigen)

Mit dieser neuen Wahrnehmung fühle ich auf unaussprechliche Weise, wie sich eine Konzentration der... der Wahrheit von dem, was wir Sri Aurobindo nennen, um und auf und im Körper sammelt (es gibt kein "darin" oder "außerhalb"). Der Körper (der die Türen wieder öffnete, die er verschlossen hatte, um fortbestehen zu können 2) fühlt eine immer totalere, unvermischte Identität – wenn ich meiner Hand freien Lauf lasse, ähnelt sogar meine Handschrift der Sri Aurobindos: ganz klein.

Es ist nicht so, wie man es sich vorstellt, daß eine Form in die andere eintritt – das hindert ihn [Sri Aurobindo] nicht daran, überall zu sein, wo er sein will, alles zu tun, was er tun will, zu erscheinen, wie er erscheinen will, und sich um alles zu kümmern, was auf der Erde geschieht: es ändert nichts daran. Es ist kein Teil von ihm 3!... So verstehe ich, was er manifestierte, er war eine Manifestation des Absoluten. Natürlich zeigte er sich nachher als "Meister des Yoga", wie ich ihn genannt hatte, deshalb war er auf die Erde gekommen (hier nennt man es Avatar). Aber das ist noch eine GETRENNTE Weise, die Dinge zu sehen, es ist nicht die Sache – DIE Sache.

Morgen werden wir sehen... [5. Dezember]

Gut, mein Kind.

(Schweigen)

Was man hier "Sterben" nennt, ist im Grunde...

Man kann den Tod nur besiegen, wenn er keinen Sinn mehr hat. Ich sehe deutlich eine Kurve, eine Kurve der Erfahrung, die dorthin führt, wo der Tod keine Bedeutung mehr hat. Da wird man sagen können: "Nun hat er keine Bedeutung mehr."

Erst dann ist man sicher.

Deshalb gab man mir niemals eine Zusicherung, denn erst wenn man in dieses Bewußtsein eingetreten ist, hat er keine Bedeutung mehr.

Wir haben noch einen langen Weg vor uns.

 

1 Wie es im Augenblick von Sri Aurobindos Weggang der Fall war.

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2 Im Augenblick von Sri Aurobindos Weggang.

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3 Jener, der in Mutter ist, vielmehr seine Totalität.

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