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Mutters

Agenda

dritten Band

15. Dezember 1962

(Mutter zeigt Satprem einige Broschüren, die zur Zeit Théons gedruckt wurden und gerade unter alten Papieren aufgetaucht waren: "Grundlegende Lehrsätze der kosmischen Philosophie".)

Das ist amüsant! (Mutter liest:)

Auf der physischen Ebene ist der Mensch der höchste Träger der Evolution.

Es gibt nur ein Gesetz, das Gesetz der Wohltätigkeit, das eins mit der Gerechtigkeit ist.

Es gibt nur eine Störung des Gleichgewichts: die Verletzung dieses Gesetzes.

Die Ursache für dieses Ungleichgewicht ist das Übermaß.

Eine beständige Evolution in Richtung der Vollkommenheit...

Die Sterblichkeit ist das Ergebnis...

Im Französischen gibt es das Wort "mortalité" [Sterblichkeit] nicht!

Die Kindersterblichkeit!

Die Sterblichkeit ist das Ergebnis, dessen Ursache das Ungleichgewicht ist. Sie ist ungewollt und zeitbedingt...

Nach Théon wurde die Welt sechsmal geschaffen und wieder zerstört – Schöpfung und Pralaya. Jedesmal manifestierte sich ein Merkmal, aber da sich dieses Merkmal nicht vervollkommnen konnte, wurde die Welt wieder "verschlungen". Jetzt sind wir in der siebten Schöpfung, deren Merkmal das Gleichgewicht ist. Wenn das Gleichgewicht etabliert worden ist, wird ein ununterbrochener Fortschritt stattfinden, natürlich ohne eine Störung des Gleichgewichts, das heißt ohne den Tod, ohne die Auflösung.

(Satprem setzt die Lektüre fort:)

Es gibt nur ein Königtum, nur eine Aristokratie: die der Intelligenz.

Es gibt vier Klassifikationen der irdischen Gestaltungen: die Formation des Minerals, des Pflanzlichen, des Animalischen und des Psycho-Intellektuellen oder Göttlich-Menschlichen. Zwischen diesen vieren, in dieser Reihenfolge, gibt es keine Trennung.

Die göttliche Einheit wird verkörpert und manifestiert durch die kollektive Menschheit...

Es erschien zweisprachig [auf Englisch und Französisch]. Er nannte es: "Grundlegende Lehrsätze der kosmischen Philosophie". Es gab einen gewissen französischen Metaphysiker, der um die Jahrhundertwende herum bekannt war – sein Name begann mit B. Er hatte Théon in Ägypten getroffen, als Théon mit Madame Blavatzky zusammen war (sie hatten eine Zeitschrift gegründet, mit einem alt-ägyptischen Namen, ich erinnere mich nicht mehr). Dieser B hatte Théon geraten, eine Kosmische Zeitschrift zu gründen und die "Kosmischen Bücher" zu veröffentlichen (Théon war wohl schon vertraut mit dem Französischen). Er formulierte dieses ganze Kauderwelsch.

Der Name des Druckers und das Datum waren angegeben, aber sie sind nicht mehr vorhanden...

Doch: "Imprimerie du Petit Tlemcénien".

Kommt es von Tlemcen?

Ja.

Anscheinend hatte dieser B die Vorstellung, daß ein perfekter unsterblicher Mensch kugelförmig sei! Théon sagte mir immer (er erzählte mir das alles): "Und ich sagte ihm, das sei nicht möglich, weil es unpraktisch wäre, man könnte sich nämlich nicht umarmen." Scherze dieser Art! Théon erzählte mir auch, daß, als B nach Tlemcen kam und das Haus sah, das Théon gerade baute (sie hatten sich in Ägypten getroffen, und dann kamen sie in Tlemcen wieder zusammen), B gefragt habe: "Warum ist Ihr Haus rot? Hat dies eine mystische Bedeutung?" Théon antwortete ihm: "Nein, das ist so, weil das Rot gut zum Grün paßt!" Aber ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen, er war damals sehr bekannt, es war ein Zeitgenosse der Person, die Les Grandes Initiés schrieb.

Schuré?

Ja, Edouard Schuré. Er war sein Zeitgenosse, etwas älter als Edouard Schuré (den ich übrigens kannte – er war ziemlich hohl). Sein Name beginnt mit B, und er verfaßte diese "Lehrsätze".

Du erzähltest mir einmal von jemandem, der Barlet hieß?

Ach, es ist Barlet! Ja, es muß Barlet sein.

Théons Frau war Engländerin, und sie schrieb, aber sie schrieb Geschichten, während mir das hier von Barlet zu sein scheint, denn am Ende, auf der letzten Seite, las ich etwas, das reichlich... es ist dürftig, all das ist sehr dürftig.

(Mutter blättert und liest lachend:)

Der einzig legitime Kult ist der Kult des Menschen...

Der Übermensch, ja, den er "psycho-intellektuell" nennt. Das ist der Übermensch – das ist der einzige legitime Kult...

All das scheint etwas summarisch.

Sehr summarisch. Ich glaube, es lohnt sich nicht, daß du deine Zeit damit verlierst. Es amüsierte mich nur, die ersten Blätter wiederzufinden, denn... schau mal das Symbol: (Mutter weist auf die erste Seite)

Ja, ich hab's gesehen!

Das Symbol ist interessant.

Es ähnelt dem Sri Aurobindos.

Auf der Grundlage dieses Symbols zeichnete ich Sri Aurobindos Symbol.

Siehst du, sie zogen das Viereck im Zentrum in die Länge. Das unsrige ist korrekter: Pavitra machte es gleichmäßig. Aber das der Revue Cosmique war länglich, mit dem Lotos im Zentrum.

Es ist das gleiche [wie das Sri Aurobindos], nur länglich, damit das Quadrat im Schnitt der Dreiecke liegt.

Ich behalte es, um es Pavitra zu zeigen, denn so versuchte ich es zuerst zu zeichnen. Aber offensichtlich ist das jetzige richtig.

Théon sagte mir, es sei das Siegel des Salomon.

Hast du dein Buch nun mitgebracht?

(Ohne Begeisterung:) Ja-a...

(Mutter blättert weiter in den Seiten)

Sie geben dort alle möglichen Ratschläge. Zum Beispiel soll man für die Erfahrungen der Exteriorisierung eine lockere Bekleidung tragen, die man nur zu diesem Zweck anzieht.

Warum? Welche Idee steckt dahinter?

Eine Frage der Aura. Die Idee ist, daß die Kräfte sich ansammeln. Sie sagen sogar, es sei besser, das Gewand nicht zu waschen!

Das sind "Ideen".

Dahinter steht aber etwas Wahres.

Sie sagten auch, um im Körper zu bleiben, sei es besser, ein blaues Tuch über die Füße zu breiten (beim Schlafen hat man ja nackte Füße). Das würde einen im Körper halten.

???

Das ist das Ergebnis von Madame Théons okkulten Erfahrungen, aus denen sie allgemeine Regeln ableiten.

Aber ein lockeres Gewand ist völlig einleuchtend: Bei dieser Erfahrung darf einem nicht kalt sein, das ist wichtig, und nichts soll einen behindern. Dann ist es sehr wichtig, daß nichts den Kreislauf beeinträchtigt, denn er verringert sich sehr, weshalb man ihn schützen muß.

Das sind praktische Ratschläge, aber...

Es ist so armselig.

Alles in Paragraphen Gefaßte erscheint immer etwas summarisch und dogmatisch.

Ja, dumm: es sind Beteuerungen des Widerspruchs, das heißt, Behauptungen, um gewisse Dinge zu widerlegen. Es ist ganz und gar nicht dazu gedacht, etwas zu bestätigen, das GESEHEN wurde – gesehen und vermittelt –, sondern soll die Geschichte von der Ursünde in den Religionen widerlegen, die sich, nach Théon, immer an mehr oder weniger feindliche Wesen richten.

Théon sagte auch, daß der Mensch vollkommen geboren und dann gestürzt sei.

Die Geschichte vom irdischen Paradies?

Verzeihung! Théon sagte immer, daß "die Schlange" ganz und gar nicht Satan sei, sondern vielmehr das Symbol der Evolution (er war ganz und gar für die Evolution), der Evolution, die spiralförmig verlaufe. Das irdische Paradies stand im Gegenteil unter der Vorherrschaft Jehovas, des großen Asuras, der behauptete, einzig zu sein – er wollte der einzige Gott sein. Für Théon gab es keinen einzigen Gott sondern nur das Undenkbare. Das ist kein "Gott".

Das scheint mir die Folge seines jüdischen Ursprungs zu sein. Théon war nämlich Jude, obwohl er nie davon sprach (die Behörden in Tlemcen sagten das: als er ankam, mußte er wohl angeben, wer er war).

Er sprach nie davon, er hatte seinen Namen geändert. Sie meinten, er sei jüdischen Ursprungs, aber sie wußten nicht, ob er Pole oder Russe war. Die Person, die mir das sagte, wußte es jedenfalls nicht. Aber für die jüdische Tradition ist es der "Undenkbare", dessen Namen man nicht aussprechen darf (man spricht ihn nur einmal jährlich aus, am Tage der "großen Reue"; ich glaube, so nennen sie es). Das Wort Jahwe darf man nicht aussprechen. Aber die Gebete sprechen von "Elohim", und Elohim ist Plural (das hebräische Wort "Elohim" ist Plural) und es bedeutet "die unsichtbaren Herren". Doch für Théon gab es keinen einzigen Gott: es gab den Formlosen, Undenkbaren. Alle unsichtbaren Wesen, die vorgaben, einzige Götter zu sein, waren Asuras.

Er nannte Christus "diesen jungen Mann"! (Lachen) Das war sehr lustig!

Nun. Ich hab das wiedergefunden, und es amüsierte mich.

Ich werde es lesen.

Aber es ist dürftig.

Es ist knapp gefaßt.

Es ist sehr dürftig.

Offensichtlich war es ein Mittel, um alte Dinge auszulöschen. Es geht um die Idee, daß der Mensch göttlich war und es durch die Evolution wieder werden kann: ursprünglich war er unsterblich, und er soll wieder unsterblich werden.

Man fragt sich, wie man in Europa den christlichen Panzer durchbrechen kann, der so außerordentlich hart erscheint. Dieser Panzer ist schrecklich!

Oh, ja!...

Selbst in Amerika stecken sie darin fest. Sie fallen immer in ihr Christentum zurück.

Es wird sehr schwer sein.

Ich weiß nicht warum, aber jedesmal, wenn ich mit der christlichen Gedankenwelt in Kontakt komme, gerate ich in Zorn.

Ja, das verstehe ich. Es ist wahr, weißt du, hinter all dem steht ein Asura – nicht Christus! Sri Aurobindo hielt Christus für einen Avatar (eine geringere Form eines Avatars). Er sagte immer, er sei eine Emanation der Liebe Gottes. Aber was ist nur daraus gemacht worden... Übrigens wurde die Religion zweihundert Jahre nach seinem Tod gegründet. Sie ist ein bloßes politisches Herrschaftsinstrument, und dahinter steht der Herr der Lüge, der etwas Wahres nahm und es verzerrte, wie er dies gewöhnlich tut.

Diese Religion ist ein Sammelsurium – die Zahl der Sekten! Nur eines ist ihnen gemeinsam, nämlich die Göttlichkeit Christi, und die wurde dann asurisch, in dem Sinne, daß man sie als einzig erklärte: es gab nur EINE Inkarnation, Christus. Von da an lief alles schief.

Wir werden sehen.

Es leistet Widerstand – überall leistet es Widerstand – mehr noch als der Materialismus.

Aber ja! Es gibt nichts Schrecklicheres als die Idealisten, sie sind schlimmer. Sie sind schlimmer als böse Menschen.

Ja! Aber wenn du von den Puritanern, von den Protestanten sprichst... die sind schrecklich, sie sind die Schlimmsten. Der Katholizismus bewahrt wenigstens noch etwas von seiner okkulten Bedeutung, auch haben sie eine gewisse Verehrung für die Jungfrau, durch die sie die Verbindung mit etwas aufrechterhalten, was nicht asurisch ist.

Der verstorbene Papst, nicht der jetzige sondern sein Vorgänger [Pius XII], hatte seinen Geist und auch die Lehre sehr erweitert: er war ein Verehrer der Jungfrau.

Aber die Protestanten kehrten zum Vater zurück, und daraus wurde dann eben die Anbetung des einzigen, persönlichen, asurischen Gottes. Sie erfanden alles, entstellten alles: wie die Askese zum Beispiel, all diese Dinge – überall nahmen sie die Dinge, entstellten sie und verdarben alles.

Jetzt lies mir aus deinem Buch vor!

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