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Mutters

Agenda

dritten Band

19. Dezember 1962

(Einige Tage zuvor weihte Mutter den neuen Musiksaal in der Nähe ihres Zimmers ein. Ohne es ihr zu sagen, hatten die Schüler auch einen Balkon gebaut, in der Hoffnung, daß Mutter ihren morgendlichen "Darshan" wieder aufnehmen würde wie vorher.)

Wie geht es? Besser oder nicht?

Innerlich geht es gut.

Denn die Serie setzt sich fort: als ob sich alles – in allem – überall zersetzen wollte. Aber die Kraft beginnt zu wirken (es ist nicht genau so, das ist schlecht ausgedrückt...) Es ist, als präsentierten sich alle Gelegenheiten, die Kraft wirken zu lassen, nicht eine nach der anderen, sondern alle zugleich und fast wie eine Lektion, das heißt, um zu lehren, was zu tun ist.

Ich muß sagen, es endet immer gut, in dem Sinne, daß die Kraft immer die Oberhand behält, aber es ist so... (wie soll ich sagen?) wiederholt, vielfältig und parallel ablaufend, daß es ein bißchen so ist, als ob man stundenlang galoppierte, ohne anzuhalten.

Neulich hatte ich eine interessante Erfahrung, als wir das Zimmer da oben einweihten. Die Schufte hatten einen Balkon gebaut! Eine Menschenmenge hatte sich dort versammelt, in allen Straßen, auf den Dächern – ich konnte nicht anders, als auf den Balkon hinauszugehen. Da merkte ich, daß ein vollkommener Kontinuitätsbruch zwischen damals und jetzt eingetreten ist (die berühmte Erfahrung 1 liegt dazwischen): ich machte dieselbe Bewegung, wie um die Erinnerung an ein früheres Leben wachzurufen. Es war bestürzend, denn es war so konkret! Die gleiche Bewegung des Bewußtseins, wie um sich an ein früheres Leben zu erinnern. Es war, als müßte ich mich daran erinnern, wie ich mich in meinem anderen Leben auf dem Balkon verhielt. Ich lehrte den Körper, als ob er es nicht wüßte. Aus den Tiefen einer unbewußten Erinnerung versuchte ich zu ermitteln, wie ich mich verhalten mußte. Aber es war nicht dasselbe, denn die Türen waren nicht dieselben, die Dinge waren anders angeordnet, deshalb war es etwas kompliziert. Als ich dann auf den Balkon hinaustrat, zog ich plötzlich etwas herab im Sinne von: "Genau so war es, so handelte ich", und die Gegenwart war wieder da. Die ganze Zeit, während der ich mich auf dem Balkon aufhielt, war es... besser als vorher, die Erfahrungen waren sehr viel klarer – sehr viel einfacher und absoluter (wenn ich jetzt etwas weiß, weiß ich es besser als vorher).

Verstehst du, früher ging ich viermal am Tag die Treppe hinauf und hinunter. Ich trat hinaus, stieg die anderen Treppen hinunter, das ergab eine Übung. Jetzt tue ich es nicht mehr, außer einer halben Stunde Gehen (zweimal eine halbe Stunde), aber das genügt nicht: die Beine sind etwas steif aus Mangel an Übung. Und ich möchte nicht wie ein Hampelmann gehen – vor den Leuten, die auf dem Balkon warteten, die dort waren und sich fragten... Die meisten glauben ja, ich sei schwer krank gewesen. (Mutter lacht) Fast im Sterben (so drückt es sich in ihrem Bewußtsein aus). Ich konnte ihnen nicht jemanden vorführen, der aus einer "schweren Krankheit" zu kommen schien. Und so sah ich, daß ich meinem Körper sagen mußte: "Geh jetzt nicht so, sondern so! So gingst du früher." Der Körper hörte zu wie ein kleines Kind, ich mußte ihm sagen: "Du wirst gehen, so wirst du gehen!", und er machte sich daran, zu gehen. Das war amüsant.

(Mutter reicht Satprem eine Schachtel:) F kam mit R, und sie brachte mir kandierte Kastanien aus Paris mit...

Köstlich... Hast du einen Unterschied in der Atmosphäre der Leute bemerkt?

Sie lernten es besser zu schätzen. Aber das verstanden sie erst, als ich mich zurückzog – das ist immer notwendig, damit sie verstehen.

Wirst du wieder damit anfangen?

Später.

Es war... schwierig.

Es war schwierig, und es zieht viel... Man könnte es als eine andere Art Übung bezeichnen. Man lehrt meinen Körper etwas Neues. Verstehst du, anders zu sein – anders zu sein –, er ist auf der Suche nach einer Harmonie, nach einem beständigen harmonischen Gleichgewicht. Das ist äußerst schwierig. Es geschieht nicht aus Gewohnheit: Im alltäglichen Leben sind die Zellen daran gewöhnt, ein sehr aufgeregtes und unvorhersehbares Leben mit Höhen und Tiefen zu führen, mit Blitzen intensiver Empfindungen, bald Kummer, bald Freude, bald durchdringender Schmerz oder etwas sehr Angenehmes – all das chaotisch vermischt. Ich merkte, daß die Leute hier in meiner Umgebung sogar noch schlimmer sind. Mir erscheint das jetzt recht unverständlich. Der Körper hingegen folgt ganz natürlich einer leicht wellenartigen Bewegung, sehr harmonisch, sehr friedlich, sehr ruhig, und wenn er nicht äußerlich handeln muß, ist es ein so wunderbares Gefühl der göttlichen Gegenwart, all-überall, in ihm, um ihn herum, auf ihm, in den Dingen, in allem, und auf so konkrete Weise! (Mutter berührt ihre Hände, ihre Arme, ihr Gesicht, als ob sie in ein Bad des Herrn getaucht sei). Es ist unaussprechlich. Und DAS will er IMMER haben, in allen Umständen, selbst wenn er äußere Kontakte aufnehmen muß. Deshalb kann ich nicht schnell handeln. Dinge wie das Darshan auf dem Balkon setzen mich zu sehr unter Zeitdruck, so daß der Körper ein wenig unsicher zu werden beginnt.

Gestern mußte ich zum Beispiel F und R treffen, die tags zuvor angekommen waren: Ich verbrachte eine Dreiviertelstunde mit ihnen. Sie ENTLEERTEN die Atmosphäre buchstäblich jeglichen spirituellen Sinns – es war leer und hohl geworden. Ich brauchte zwei, drei Minuten der Konzentration (nicht lang), damit alles in den richtigen Zustand zurückkam.

In dieses Zimmer 2 bin ich noch nicht oft gegangen. Das erste Mal schaute ich es mir am Abend vor der Eröffnung an, und ich hatte den Eindruck von etwas völlig Leerem – leer und trocken. Es war so stark, daß mein Körper sich so fühlte (schwankende Bewegung, als verlöre Mutter den Halt). Ich spreche vom Gefühl DES KÖRPERS, nicht vom Bewußtsein sondern vom Körperbewußtsein – leer, hohl. So sehr, daß er wie erschöpft war, als müsse sich alle seine Kraft und sein Bewußtsein ausbreiten, um das zu füllen.

Am nächsten Morgen war es nicht mehr so. Die Arbeit war am Vortag in einer Minute getan worden (das geschieht sehr schnell, aber sehr heftig, auf sehr intensive Weise). Am nächsten Tag war es besser, denn ich war absichtlich am vorigen Abend dorthin gegangen, und die Dinge waren richtiggestellt worden. Dann setzte ich mich an die Orgel... es war viel besser, als ich dachte. Es war, als wartete eine Formation, und sobald ich mich setzte, strömte es herab: ja, es war eine wunderbare musikalische Freude! Ich mußte nicht hinschauen – wenn ich nicht hinschaute, sah ich von innen alle Noten, die Hände und alles, mit geschlossenen Augen. Und es strömte herab... Ich war sehr glücklich. Ich spielte gute zwanzig Minuten.

Nach zwanzig Minuten sagte etwas: "Das reicht!" Ich sah, daß es für den Körper genug war, daß er sich nicht weiter verausgaben sollte – da zog es sich zurück. Ich konnte keinen Ton mehr spielen!... Sehr interessant. So erkannte ich, daß der Wille, der meinen Körper handeln läßt, völlig anders ist als zuvor. Vorher war es der Wille des Wesens, das in den Körper gelegt und dort geformt worden war (nicht persönlich, aber immerhin sehr individuell). Doch das war es nicht: ein Wille irgendwo (ein Irgendwo, das überall und in allem ist) entscheidet, und wenn er sagt: "Handle!", tut der Körper es. Wenn er sagt: "Nein!", könnte nichts in der Welt ihn in Bewegung setzen. Es muß etwas sein, das irgendwo bewußt ist, das wie ein Vermittler zwischen dem Körper und dem äußeren Leben steht, und dann sagt ihm der Wille dort oben: "Das ist nötig" (niemals widersetzt er sich: die Sache, die spricht, weiß SEHR GENAU). Sie sagt: "Das ist nötig", also wird es getan. Und wenn man sagt: "Es reicht jetzt!", hört er auf. Denn (wie soll ich sagen?...) FÜR DEN KÖRPER weiß der dort oben besser als der Vermittler. Für die Umstände ist es alles eins. Im Hinblick auf die zu verrichtende Arbeit ist alles eins, aber was die Sorge um den Körper angeht, die Art, ihn zu erziehen, weiß DAS (dort oben) sehr viel besser: dem Vermittler ist es ziemlich gleichgültig (!), aber wenn Das sagt: "Handle!", wird es getan. "Fertig!", und es ist fertig. Das ist sehr interessant.

Natürlich fragten all die Leute, die anwesend waren: "Wann wird das nächste Darshan auf dem Balkon sein, jetzt wo er gebaut ist?" (Als ich zurückkam, sagte ich ihnen nur: "Ach, ihr habt also einen Balkon gebaut!") – "Wann werden wir wieder ein Darshan haben?" Da sagte der Vermittler: "Ich weiß nicht, das ist nicht meine Sache." – Betroffenheit! Dann verhielt ich mich eine Weile schön ruhig und horchte nach ganz oben. Von ganz oben kam es, ganz langsam (es kommt tropfenweise, denn all das muß SEHR ruhig geschehen – es kommt tropfenweise), dann sagte mir Das, was ich zu sagen hatte: "Keine Entscheidung", denn Man sagte mir: "Es kommt darauf an." Das sehe ich wohl – alles hängt von der speziellen Arbeit ab, die in meinem Körper stattfindet, und von deren Ergebnis. Es ist nicht formuliert, "Man" sagt es mir nicht. Man sagt mir nicht, was geschehen wird. Man sagt immer: "Es könnte so sein." (Mutter lacht) Also gut. Ich sagte: "Gut".

Aber es war eine amüsante Erfahrung, denn hättest du mich nach meinem Eindruck gefragt ("mich", das heißt die, die hier spricht), hätte ich dir gesagt, daß es genügte, den Entschluß zu fassen, auf den Balkon zu gehen, und es würde geschehen. (Ich sah lediglich die Unmöglichkeit, die Zeit dazu zu finden.) Aber so ist es nicht – so ist es GANZ UND GAR NICHT! Es ist etwas anderes, das ganz neu ist, das ich nicht kenne, ich habe keine Anhaltspunkte, und... die Entscheidungen werden ganz hoch oben getroffen – nur in bezug auf den Körper. Das heißt, für die allgemeine Arbeit, die globale Sicht und all das besteht kein Unterschied: es geschieht, es ist gewußt. Aber für diese spezielle Sache im Körper wird meine Meinung nicht gefragt.

Das hat mich wirklich amüsiert.

Hast du dein Buch mitgebracht?

Lies!

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Nach der Lektüre des Manuskripts:

Das ist sehr gut, sehr gut, ausgezeichnet.

Es drückt genau meinen jetzigen Eindruck aus: Was geschieht, ist etwas, das noch nie geschehen ist, und folglich kann es NIEMAND verstehen.

Jene, die dem Phänomen tagtäglich beiwohnen (zum Beispiel der Arzt), sagen: "Ich verstehe es nicht. Ach, so ist das? Ich verstehe es nicht. Ja, es gibt Gründe dafür ..." Wenn etwas Unerwartetes aufkommt, frage ich ihn: "Wie erklären Sie sich das?" – "Ich weiß nicht." Und wenn ich ihm sage: "Ich glaube, ich weiß es, wovon es abhängt ...", sieht er mich an wie die Leute, die sagen: "Sie fängt an, verrückt zu werden." Also sage ich nichts. Ich habe es zwei–, dreimal versucht, einfach um zu sehen – keine Antwort, niemand versteht, niemand!

Selbst wenn ich mit jemandem spreche, der intelligenter oder besser informiert ist... Ein–, zweimal sagte ich Pavitra etwas, um seine Reaktion zu sehen: Er dogmatisiert immer, macht ein mentales Prinzip daraus (in Einklang mit Sri Aurobindos Lehre, wohlverstanden!). Dann wird alles starr, wie eine Schachtel. Dabei gibt er sich Mühe! Er versucht es, er WEISS, daß man sich nicht so verhalten sollte, aber... Das heißt, man kann erst verstehen, wenn man die Erfahrung hat – irgendwo mußt du die Erfahrung von all dem haben, sonst könntest du sie nicht beschreiben, mein Kind!

Aber es ist Sri Aurobindo!

Wie ich dir beim letzten Mal sagte, folgt es interessanterweise ziemlich eng und regelmäßig der Erfahrung meines Körpers. Das Problem hat so viele Seiten, es gibt so viele verschiedene Arten, es anzupacken und die Transformation zu versuchen, und das Buch scheint dem sehr, sehr gut zu folgen!... Das ist interessant. Dein Buch und dann meine Übersetzung – und doch sind beide so unterschiedlich! Aber natürlich ist die Erfahrung selbst sehr mannigfaltig, äußerst vielfältig, mit zahllosen Facetten oder Verästelungen, wie kleine Dinge, die auf dem Weg gezeigt werden, einfach als Andeutung – das ist eine ganze Welt!

Und ich sehe, daß jeder Versuch, es formulieren zu wollen, alles verdirbt. Man kann eine Kurve wirklich erst formulieren, wenn man das Ende der Kurve erreicht hat, sonst verdirbt man die Reise.

Aber es ist sehr interessant.

Auf Wiedersehen, mein Kind, es geht gut – es geht wirklich gut. Sri Aurobindo hat mir das vor einigen Tagen gesagt (ich verbrachte zwei Stunden in der Nacht mit ihm, wobei alle möglichen sehr interessanten Dinge geschahen). Mit seinem typischen Humor sagte er mir: "Siehst du? Ich ließ ihn das Buch schreiben, das ihn voranschreiten läßt." Also sagte ich: "Gut." Denn seit du mit dem Buch begannst, war er immer da. Er scheint dich nach einem Plan zu führen, den er entwickelte. Er sagte mir das. Ich sah ihn sehr oft mit dir (das erzählte ich dir bereits), aber neulich sagte er es mir ausdrücklich.

Es ist gut. Dieses Kapitel ist sehr gut.

 

1 vom 13. April 1962

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2 Das Musikzimmer, in dem Mutter zukünftig die Leute empfing.

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