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Mutters

Agenda

vierten Band

15. Februar 1963

(In bezug auf den Abschnitt in Savitri, wo Sri Aurobindo das Universum als ein Spiel zwischen Ihm und Ihr beschreibt: "Die ganze weite Welt ist nur Er und Sie", Er, der Höchste, verliebt in Sie und Ihr Diener – Sie, die schöpferische Kraft.)

As one too great for him he worships her;

He adores her as his regent of desire,

He yields to her as the mover of his will,

He burns the incense of his nights and days

Offering his life, a splendour of sacrifice....

In a thousand ways he serves her royal needs;

He makes the hours pivot around her will,

Makes all reflect her whims; all is their play:

This whole wide world is only he and she.1

(I.IV. 62)

Ein wunderbares Werk!

Er berührt damit einen völlig anderen Bereich, absolut erhaben über jegliches Denken! Diese anhaltende Vision läßt sich nicht erdenken – das Denken wirkt stets flach, hohl und leer – leer wie ein Blatt. Dies hingegen ist voll, der ganze Inhalt ist da, es lebt.

Es ist eine Erklärung des aktuellen Zustandes der Welt. Am Anfang sagt Sri Aurobindo: "Er betet Sie an." He worships Her. Auch da gibt es keine passenden Worte im Französischen: "Il lui rend un culte", aber das ist eine Phrase. He worships Her, wie etwas, das viel größer ist als Er. Dann sieht man, wie diese Projektion seiner selbst einen schöpferischen Charakter annimmt (notwendigerweise, sonst könnte es nicht geschehen!), der Zeuge sieht sein eigenes Werk der Schöpfung und verliebt sich in diese Macht der Manifestation – es wird greifbar. Und... ja! Er will Ihr die volle, uneingeschränkte Chance geben, Er will sehen, was alles geschehen wird, was mit dieser frei in die Welt geworfenen göttlichen Macht alles geschehen kann. Wie Sri Aurobindo es ausdrückt, liebt Er Sie auf vollkommene Weise: alles, was Sie will, alles, was Sie tut, alles, was Sie denkt, alles, was Sie wünscht, all das – alles ist wunderbar! Alles ist wunderbar. Das ist so bezaubernd!

Ich stand dem anfangs skeptisch gegenüber, weil mich diese Vorstellung schockierte, als ich zum ersten Mal davon hörte, denn... Ich weiß nicht, dies ist keine Idee, sondern ein Eindruck: als ob man einer Sache Wirklichkeitsgehalt beimißt, die meiner Auffassung nach gewiß schon seit sehr langer Zeit... (vielleicht seit Jahrtausenden) eine zu überwindende Lüge ist. Diese Lüge darf nicht mehr bestehen. Der Aspekt der Wahrheit muß sich manifestieren, nicht all das andere. Das Vergnügen, alles Erdenkliche zu tun, nur weil man alle Macht dazu besitzt... Man hat die Macht, alles zu tun, also tut man alles, und man weiß, daß dahinter irgendwo eine Wahrheit liegt, deshalb sind einem die Konsequenzen gleichgültig. Gegen diese Einstellung kämpfe ich, seit ich mich erinnern kann. Ich habe diesen Aspekt gut gekannt, aber mir scheint, daß es sehr, sehr lange zurückliegt und daß ich ihn äußerst heftig ablehnte, mich derart dagegen sträubte: "Nein, nein!" Und wie flehte ich den Herrn an, es möge anders werden. Ich flehte ihn an, seine allmächtige Wahrheit, seine allmächtige Reinheit, seine allmächtige Schönheit zu manifestieren und diesem Durcheinander ein Ende zu setzen. Als Sri Aurobindo so sprach, war ich anfangs schockiert. Diese Anschauungsweise war mir in diesem Leben bisher fremd gewesen. Théons Erklärung erschien mir zum Beispiel (wie soll ich sagen?) viel nützlicher vom Standpunkt der Arbeit aus: daß die Störung durch die Abtrennung der ersten Mächte entstanden war – aber so ist es ja gar nicht! ER ist da, glückselig, in Anbetung vor dieser ganzen Verwirrung!

Als ich dann anfing zu übersetzen, kam diese Einstellung natürlich wieder – zunächst ein Schaudern (Geste des Sträubens). Doch ich sagte mir: "Bist du immer noch auf dieser Ebene!" Und ich ließ mich in die Sache fließen. Daraufhin verbrachte ich eine wunderbare Reihe von Nächten mit Sri Aurobindo. Ich treffe ihn ja die ganze Zeit und gehe in die Welt des Subtilphysischen, in der er wohnt. Dies ist ein beinahe ständiger Kontakt (jedenfalls vergehen alle Nächte so: er läßt mich die Arbeit sehen, zeigt mir alles). Nach der Übersetzung von Savitri war es, als ob er mich lächelnd anschaute und sagte: "Endlich hast du verstanden!" (Mutter lacht) Ich erklärte: "Es ist nicht so, als ob ich es vorher nicht verstanden hätte, sondern ich wollte nicht!" Ich wollte nicht, ich WILL nicht mehr, daß es so ist – seit Jahrtausenden will ich nicht mehr, daß es so ist!

Die Nacht zuvor (nicht letzte Nacht) zog er einen meiner Saris an. Er sagte mir (lachend): "Warum nicht? Findest du, daß er mir nicht steht?" Ich erwiderte: "Er steht dir sogar sehr gut!" Ein Sari aus goldbraunem Georgette mit großen goldenen Borten! Ein sehr schöner Sari (den ich wirklich habe) – er zog ihn an. Dann bat er mich, ihn zu kämmen. Ich erinnere mich, wie ich seinen Nacken und seine Haare betrachtete, die später fast leuchtend wurden – seine Haare waren nie ganz weiß, sie hatten einen kastanienbraunen Widerschein; sie waren golden und blieben es, sehr fein, gar nicht wie die Haare der Leute hier. Seine Haare waren fast wie die meinen. Ich kämmte ihn, und dabei sah ich seinen leuchtenden Nacken und seine wunderbar leuchtenden Haare! Er meinte: "Warum sollte ich nicht einen Sari anlegen!"

Das eröffnete ein ganzes Feld... Weißt du, man ist immer so verschlossen.

Natürlich schließt diese Vision die Handlung aus, denn wenn man alles zuläßt, alles liebt und überall Herrlichkeit sieht, warum sollte man noch irgend etwas ändern wollen? Seit so langer Zeit lebte in mir die Kraft, daß die Welt einen weiteren Fortschritt machen solle. Dies führte dazu, daß ich alles ablehnte, was den gegenwärtigen Stand der Dinge dadurch legimitierte, als es einen mit dieser inneren Lebensfreude in Kontakt brachte – wie er sagte: Um Seiner allgegenwärtigen Freude willen möchte niemand fortgehen...

So konnte ich die Situation von oben sehen – etwas höher als die schöpferische Kraft – von der anderen Seite.

*
*   *

(Später ist die Rede von einem Gespräch aus dem Jahre 1962, als Mutter ihre erste große Wende durchmachte. Ursprünglich wollte sie die Aufzeichnung einem der ihr Nahestehenden zeigen, um ihm ihre Arbeit verständlich zu machen:)

Ich bat Sujata um zwei Kopien, dann wurde mir klar, daß es überhaupt keinen Sinn hatte. Ich hatte dir erzählt, daß ich es A geben wollte. Als er kam, gab ich ihm ein oder zwei der letzten Agendaeinträge, die Sujata getippt hatte – jetzt möchte ich ihm gar nichts mehr geben.

Wann sehe ich dich wieder?

Heute ist der 15. Du hattest den 19. vorgeschlagen.

Ja, aber es hat Änderungen gegeben; ich sage dir: Die Leute bringen mich um.

Was tun...

Am 21. halten wir um 10 Uhr morgens eine Meditation ab, dann werde ich um 18 Uhr 15 auf den Balkon gehen – kannst du mich von deinem Zimmer aus sehen? Angeblich kann man die Musik hören...

Ja, man hört sie.

Das ist sehr spaßig. Jemand amüsiert sich und zwingt mich fast zu spielen. Wenn ich mich ans Harmonium setze, sagt er: "Beginne so!" Ich fange also damit an, dann schmückt er es aus und arrangiert es. Schließlich sagt er plötzlich: "Ach, das genügt!" und geht weg.

Ich weiß nicht, wer das ist.

Wenn ich mich hinsetze, mache ich... wie soll ich sagen? (es ist kein Gebet) Meine gewöhnliche Anrufung ist so (Bewegung nach oben), ich bin im Zustand der Kontemplation, und dann beginnt es ganz plötzlich. Ich sehe meine Hände auf den Tasten liegen: "Los, beginne so!" Gut, ich fange so an. Dann ruft ein Ton den nächsten. Ich selbst muß sehr ruhig sein. Was ich höre, ist so hübsch! Ich weiß überhaupt nicht, was ich spiele: Ich spiele, aber ich höre das andere.

Deshalb möchte ich eines Tages die Aufnahme anhören, um zu sehen, ob es dasselbe ist.

Neue Dinge geschehen, das ist lustig. Es ist ganz anders als früher. Früher hörte ich die Musik und spielte sie. Jetzt ist es nicht so: Jemand spielt, und ich höre, was er spielen will – ich weiß nicht, ob ich es wiedergebe.

 

1 Als wär sie Eine, die zu groß für ihn ist, betet er sie an, und er verehrt sie als die Herrscherin seines Begehrens. Er gibt sich hin an sie, die seinen Willen motiviert. Für sie brennt er den Weihrauch seiner Tag' und Nächte, und ihr bringt er sein Leben dar als eine Opferpracht... Auf tausend Weisen dient er ihren königlichen Wünschen. Er macht, daß alle Stunden um die Mitte ihres Willens kreisen, daß alles ihre Launen widerspiegelt – alles ist ihr Spiel: die ganze weite Welt ist nur er und sie. (nach der dt. Ausgabe, a.a.O., S. 72f)

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