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Mutters

Agenda

vierten Band

8. Juni 1963

Ich glaube, es war gestern nacht (nicht in der Nacht von gestern auf heute, sondern von vorgestern auf gestern), das Bewußtsein war drei Stunden lang völlig ausgeschaltet – kein Gedanke, kein Wille, keine Handlung, keine Beobachtung, nichts. All dies hatte aufgehört. Zum Beispiel alles, was bei Erfahrungen im Unterbewußten abläuft, wenn man dort eine Arbeit verrichtet, all dies war zum Stillstand gekommen. Es war wie die Aktion einer Kraft. Ohne Denken, ohne Ideen, nichts als die Empfindung und die Wahrnehmung einer Kraft (das richtige Wort ist awareness), aber einer ungeheuren Kraft, wie die Kraft der Erde – alle Kombinationen der Kräfte zusammen mit einer Aktion, die von oben kam und hier arbeitete. Es ging durch mich hindurch (besonders um den Kopf bis zur Brust, aber es geschah im ganzen Körper, und es war kugelförmig), es trat durch mich hindurch und verteilte sich und ging in die eine Richtung, in die andere Richtung, in unzählige Richtungen, nichts als Bewegungen von Kräften (eine gewisse Wahrnehmung der Farben blieb, aber nicht auf die übliche Weise, sondern eine Art Wissen, daß gewisse Schwingungen bestimmten Farben entsprachen), eine unübersehbare MASSE, fast... jedenfalls unbestimmbar und gleichzeitig. Zunächst fragte ich mich (lachend): "Was geht hier vor?" Dann sagte ich mir: "Nun, das spielt keine Rolle, ich lasse es einfach geschehen." Und es dauerte an und an und an – drei Stunden ohne Unterbrechung.

Ich wußte nicht... ich wußte nichts mehr, kannte nichts mehr, verstand nichts mehr. Es gab nur noch eine Kraft in Bewegung, und was für eine Kraft!... Eine Kraft, die von jenseits kam und auf alle Kräfte der Erde einwirkte: auf große Dinge, kleine Dinge, kleine, präzise Punkte, gewaltige Dinge, und es kam und kam und kam, dies und das und alles zusammen und überall... Hätte das Mental an der Erfahrung teilgenommen, wäre es vermutlich ein bißchen verrückt geworden! Dieser Eindruck entstand, denn es war so gewaltig, daß... Die ganze Zeit über blieb etwas im physischen Zentrum in einem Zustand der Ekstase (das physische Zentrum, also die körperliche Basis). Das war sehr interessant: diese Ekstase glitzerte wie ein Diamant, so zart, so sanft, so friedlich! Als ob sie die ganze Zeit auf den Körper einredete: "Erschrick nicht (lachend), beunruhige dich nicht, alles geht gut!" Als ob die höchste Macht ständig sagte: "Beunruhige dich nicht, beunruhige dich nicht, laß es geschehen, laß es geschehen!..." Das dauerte mehr als drei Stunden.

Ich fragte mich: "In welcher Verfassung werde ich wohl aufwachen? Vollkommen erschöpft oder wie?" – Sehr ruhig, ohne Veränderung, nur... etwas, das lachte und sagte: "Ah, so KANN es sein!"

Das Mental blieb absolut ruhig, absolut: alle Verbindungen zu allem, was die Leute ständig von überallher senden, waren abgeschnitten – all das, völlig verschwunden. Nur die universellen Kräfte in Aktion, mit etwas, das von oben kam und sie alle erfüllte und aussandte. Dazu – wie ein Punkt in dieser Unendlichkeit, aber ein funkelnder Punkt, vollkommen ekstatisch, in einem solchen Frieden! – eine außerordentliche Ekstase, die mit Nachdruck sagte: "Beunruhige dich nicht! Siehst du, so ist es, mach dir keine Sorgen!", denn die Sache überschritt sicherlich alle individuellen Ausmaße.

Es war das erste Mal. Ich spüre oft Kraftströme, vollziehe Handlungen auf der Erde, empfange ankommende Kräfte und allerlei Dinge, aber dies war nicht so: es war alles auf einmal und überall auf einmal, dieser Strom und... Sicherlich wollte etwas, daß ich mich sehr ruhig halte und mir keine Sorgen mache. Ich mußte mich sehr ruhig halten.

Ich hatte den Eindruck, daß man mir etwas bewußt machte, das gerade ablief. Denn nachts trenne ich mich gewöhnlich von allem und universalisiere mich – nicht "universalisieren", sondern ich identifiziere mich mit dem Herrn. Das ist meine Art, mich auszuruhen. Ich tue es jede Nacht, das ist die Zeit meiner großen Ruhe. Aber nun hat man mir dies bewußt gemacht. Erfahrungen kommen oft (in letzter Zeit waren es einige), aber diese kam zum ersten Mal, denn... Sicherlich geschah es FÜR die Erde. Es kam jedoch nicht von dem Zentrum der Kräfte, das gewöhnlich auf der Erde wirkt. Es war nicht die gewohnte Funktionsweise der Dinge auf der Erde, sondern "etwas, das geschah". Es schien, daß die Erde... es ging auf die Erde zu und war für die Erde bestimmt, aber sie war ganz klein.

Ganz klein.

(Schweigen)

Es gab keine psychologischen Wahrnehmungen wie zum Beispiel Schwingungen der Liebe, des Friedens, des Lichtes, des Wissens und der Macht; es kam nicht in dieser Form, so war es nicht. Dennoch muß es all das enthalten haben, denn es gab viele, viele Dinge, die alle ein und dasselbe waren und nur verschiedene Formen annahmen; die Formen und Farben sah ich aber nicht. Es war nur eine Frage der reinen Wahrnehmung. Eine rein schwingungsmäßige Wahrnehmung: nichts als Schwingungen, Schwingungen, Schwingungen in einem kolossalen Maßstab...

Das ist eine neue Erfahrung.

(Schweigen)

Offensichtlich mußte ein Grund zur Beunruhigung vorgelegen haben, denn sobald ich mir der Erfahrung bewußt wurde (sie begann schon vorher; als sie mir bewußt wurde, hatte ich nämlich den Eindruck, daß sie schon seit langer Zeit ablief, und wenn ich von drei Stunden spreche, heißt das drei Stunden, während deren ich bewußt war; sie hatte aber schon lange vorher begonnen, gegen elf Uhr abends, und dauerte bis drei Uhr morgens). Als man mich der "Sache" bewußt werden ließ, bestand offensichtlich Anlaß zur Beunruhigung, denn sofort wurde mir gesagt: "Siehst du, so geschieht das", und dank der Ekstase im Körper entstand keine Beunruhigung: "Ach, es geht schon gut, alles geht gut." Als die Erfahrung zu Ende war, endete sie nicht wie Erfahrungen, die sich erschöpfen. Sie endete, als ob die Sache sehr langsam... nicht eigentlich vor meinem Bewußtsein verschleiert würde, sondern als wendete sich mein Bewußtsein von der Sache ab, mit diesem Gefühl: "Mach dir keine Sorgen!" Zu Beginn und am Schluß. Als ich aufwachte, sagte ich mir noch: "Vielleicht werde ich mich morgen früh beim Aufstehen (ich stehe um halb fünf auf) völlig benommen fühlen!" (Der Kopf hatte nämlich eine seltsame Empfindung, etwas absonderlich, als wäre er angeschwollen, übermäßig angeschwollen.) Deshalb beobachtete ich – aber alles ging gut, es blieb nur dieses Gefühl der Schwellung. Obwohl es schon zwei Tage her ist, habe ich das Gefühl, daß der Kopf geschwollen ist. Aber die Klarheit blieb! (lachend) Nichts ist gestört!

Ganz im Gegenteil besteht eine Art... Schärfe, ein überwaches Wahrnehmungsvermögen, fast ein wenig spöttisch – ich weiß nicht, warum. Ein übertriebener Eindruck, daß alles Getue in der Welt viel Lärm um nichts und viel nutzloses Aufhebens ist (dieses Gefühl habe ich schon seit langem... wohl seit Jahrhunderten), aber hinzu kam etwas leicht Scharfes und Spöttisches.

Ansonsten ist es sehr klar.

(Schweigen)

Wenn mir nur jemand sagen könnte...

Offensichtlich soll ich es nicht wissen. Wahrscheinlich schwatze ich zu viel! Ich erzähle dir immer all meine Geschichten, und wahrscheinlich ist das überflüssig, und so sagt man mir nichts. Die Leute möchten die Dinge so gern mit Etiketten versehen: "Das ist dies, das ist jenes, das ist..." Das will "man" nicht! Weißt du, "das klingt so gut", wie die Nachrichten in den Zeitungen: "Es ereignete sich folgendes..." (Mutter deutet große, sensationelle Schlagzeilen an). Das ist unerwünscht.

Manchmal kommen Erfahrungen, die ein, zwei Stunden dauern, aber diese erschien mir..., als ob man mich plötzlich wissen lassen wollte. Und ich sollte daran teilnehmen, man erlaubte dem Körper teilzunehmen, weil es aus irgendeinem, mir nicht bekannten Grund offenbar notwendig ist, daß ich teilnehme (vielleicht wegen der Arbeit, die sich im Körper vollzieht, ich weiß es nicht; wahrscheinlich ist es das). Aber der Eindruck, daß gerade jetzt etwas Ungeheures geschieht.

Als ich letztes Jahr im April die Erfahrung der Pulsschläge der Liebe machte, besaß ich die Wahrnehmung der Farben, die "psychologische" Wahrnehmung der jeweiligen Zustände (wie soll ich sagen?...), zum Beispiel die Beschaffenheit der Schwingungen der Liebe (etwas, das überhaupt nichts mit irdischen Dingen zu tun hat). In dem Augenblick war ich Das, ich war diese Schwingungen, ich kannte ihre ganze Beschaffenheit, und es dauerte während Monaten an – jetzt war es ganz anders! Nur eine Aktion, ausschließlich eine Aktion. Eine Aktion, für die der menschliche Körper weniger als eine Ameise bedeutet. Viel weniger als eine Ameise: ein nicht wahrnehmbarer Punkt. Dennoch war gleichsam NUR der Körper da. Als wäre nur dieser Körper da, und als ob der Körper das bewirkte! Dieser Körper war ein Körper... er war DER Körper. Dieser Punkt – dieser wohltuende Punkt der Ekstase – war ganz klein. Ein winziger Punkt. Aber er war da, und mit großem Nachdruck, sehr bewußt, sagte er mir: "Nicht eingreifen. Laß es geschehen, alles geht gut – siehst du, alles geht gut!" Ganz, ganz klein... Und dennoch war es mein Körper: ich sage dir, mein Kopf ist immer noch wie geschwollen.

Seltsam.

(Schweigen)

Sind es denn neue Kräfte, oder handelt es sich dabei um etwas, das ständig abläuft? Ist es eine neue Arbeit auf der Erde, oder hast du etwas gesehen, das ständig geschieht und dessen du dir vorher nicht bewußt warst?

Das habe ich mich auch gefragt... Aber die Frage ist nicht ganz richtig gestellt. Es ist etwas Ewiges, das durch dieses Geschehen (nicht nur in jenem Augenblick, denn es muß, wie ich dir sagte, lange Zeit vorher und nachher geschehen sein)... zu etwas Neuem wurde – DURCH das, was geschah 1 . Wenn man nun auf alles bisherige Wissen zurückgreift, könnte man es als etwas neu Manifestiertes bezeichnen (aber das sind leere Worte).

Der Eindruck war jedenfalls der einer Ewigkeit. Einer Ewigkeit AUSSERHALB DER ZEIT (nicht etwas, das unbegrenzt andauert: etwas Ewiges) und... ja, das Wort wäre: "das sich manifestiert", "das wahrnehmbar wird" oder "das seine Wirkung entfaltet" – es ist nicht so, denn... Doch: das wirkt, das wahrnehmbar wird, weil es wirkt.

So erschien es mir.

Man könnte auch sagen: etwas Universelles, das individuell wird – nicht individuell wie eine kleine Person, aber seiner selbst bewußt.

Bemerkenswert war, daß es ABSOLUT NICHTS mit der ganzen Spannweite intellektueller Aktivität zu tun hatte – von ihrem Gipfelpunkt bis ganz unten –, nichts. Es hat nichts zu tun mit Wissen, Beobachtung, Unterscheidung oder intellektueller Wahrnehmung, mit Verständnis oder Urteil, ich weiß nicht... Ganz und gar nichts Derartiges. Es war eine Kraft in Bewegung.

"Kraft" ist nichts! Kraft ist etwas ganz Kleines... Der Eindruck von etwas Ungeheurem!

Es hatte nichts zu tun mit Wissen oder Licht oder Verständnis (der ganzen lichtvollen Seite, dem intellektuellen Wissen); nichts zu tun mit Liebe (die ich das andere Mal spürte und die ihre eigene Schwingung hat). Am besten ließe es sich als Macht definieren. Die Macht in ihrem gewaltigsten Aspekt – zerschmetternd. Und mit WIRKLICHER Allmächtigkeit. Macht in ihrer Allgewalt, mit diesem Unerschütterlichen, Unbeweglichen, Unberührbaren 2 . Ja, die Macht, das trifft es am besten.

Aber verstehst du, die Macht... Die Macht eines Orkans zum Beispiel ist nichts im Vergleich dazu, nichts. All die Mächte, die ein menschliches Wesen ertragen oder sich auch nur vorstellen kann, sind nichts – nichts... wie eine Seifenblase (Mutter bläst in die Luft).

Der Eindruck von etwas, das wegen seiner ungeheuren Natur weder ertragen noch gefühlt werden kann.

Ganz offensichtlich hatte diese Fürsorge – diese höchste Fürsorge – alle Vorkehrungen getroffen, mich durch einen Hinweis vorzuwarnen: "Alles geht gut!" Andernfalls wäre offensichtlich der Eindruck entstanden, daß sich alles auflösen würde.

Mit unserem kleinen Verstand könnten wir vielleicht sagen, daß sich die supramentale Macht manifestierte, ich weiß es nicht.

(Schweigen)

Es gab aber keine Wahrnehmung von Licht, nichts, das einen Hinweis geben könnte – keine Wahrnehmung der Gefühle, der Liebe, die einen Hinweis geben könnte. Nichts von alledem, nichts – nur etwas, das einem die Backen anschwellen läßt (!) und unbeschreiblich gewaltig ist. Unbeschreiblich.

Offensichtlich ist es Die Macht.

Wir betrachten Macht immer als AUF etwas einwirkend, AUF ein Objekt gerichtet, UM etwas zu verwirklichen. Wir können die beiden nicht trennen – das war es hier ganz und gar nicht, es war... die Macht in Aktion. Aber keine Aktion AUF etwas hin.

Ich hatte den Eindruck einer entscheidenden Etappe, die mein kleines Verständnis weit überschritt.

(Schweigen)

Eines Tages werden wir wissen.

Die Erklärung kommt stets im nachhinein: eine kleine Reduktion auf unser Maß... (lachend) um uns eine Freude zu machen!

 

1 Vielleicht will Mutter sagen, "durch die Tatsache, daß sie sich dessen bewußt wurde."

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2 Mutter meint den wie ein Diamant funkelnden "Punkt".

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