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Mutters

Agenda

vierten Band

3. Juli 1963

(Dieses Gespräch fand wenige Tage nach der Krönung des neuen Papstes, Paul VI., statt. Mutter wollte die Aufnahme bis auf einige Fragmente löschen. Satprem hielt es aber für richtig, wenigstens die schriftliche Aufzeichnung vollständig zu erhalten.)

Ich gebe dir deine Blumen (Rosen). Eine wunderbare Farbe...

Hier ist noch ein Foto vom Papst (Mutter zeigt das "Time Magazine").

Anscheinend suchte er selbst dieses Foto für die Zeitungen aus, um seine Wahl bekanntzugeben.

Es ist besser als das andere.

(Mutter reicht Satprem das Foto) Nun, was meinst du dazu?

Du solltest dich eher dazu äußern.

Ja, ich habe etwas zu sagen, und zwar, daß ich diesen Mann kenne. Ich bin ihm mehrmals begegnet. Ich weiß nicht, ob er sich dessen bewußt war und die Erinnerung bewahrt, wenn er in seinen Körper zurückkehrt, wahrscheinlich nicht. Aber dieser Mann beschäftigt sich seit langem mit den Angelegenheiten der Erde (nicht erst kürzlich, mindestens seit ein, zwei Jahren), das heißt, er interessiert sich für die irdischen Bewegungen 1 . Dabei begegnete ich ihm; ich kann nicht sagen, daß wir interessante "Unterhaltungen" hatten, doch er ist an gewissen Organisationen beteiligt.

Auf dem anderen Foto (das die Zeitungen veröffentlichten) hatte ich ihn überhaupt nicht erkannt... Es sind seine Augen. Der Mund ist schlecht, wie auf dem anderen Bild, schlecht auf eine andere Art: fast bösartig. Er ist aber ein Mann von Macht – einer wahren inneren Macht, nicht der Macht des Papstes.

Sprichst du von einer vitalen oder spirituellen Macht?

Nicht spirituell! Nicht spirituell: Macht – die Macht einer ziemlich hohen mentalen Befähigung und einer vitalen Verwirklichung. Wäre er nicht Papst, hätte dieser Mann keinerlei Skrupel. Nun muß er notgedrungen (lachend) wenigstens den Anschein von Güte erwecken!

Auf mich macht er den Eindruck von Härte.

Sehr hart. Das genaue Gegenteil des anderen (Johannes XXIII.).

Doch er erklärte öffentlich, er wolle die Arbeit seines Vorgängers fortsetzen. Der hatte allerdings überhaupt keine Macht: er war ein braver Erdenbürger. Dieser hier ist weiß Gott kein "braver Mann"! Er stellt jedoch eine wirksame Kraft in den irdischen Strukturen dar.

Und jetzt hat er eine offizielle Position.

Es ist etwas veraltet (das Papsttum). Aber noch nicht ganz. Das fiel mir auf, als der andere starb. Oh, das rührte die mentale irdische Atmosphäre beträchtlich auf, was bedeutet, daß sehr, sehr viele Menschen davon beherrscht werden.

Mit diesem Bereich habe ich mich nie beschäftigt; selbst als ich den anderen Papst sah, den vorletzten (Pius XII.), der kam, um mir die Schlüssel anzubieten (ich erzählte dir das doch?), selbst mit ihm, der in einer SPIRITUELLEN Verbindung mit der universellen Mutter stand, hatte ich mich nie befaßt und nie mit ihm zu tun gehabt. Ich kann nicht sagen warum, aber diesmal zieht mich ständig, ständig etwas dorthin.

Ich weiß nicht, vielleicht wird etwas Entscheidendes geschehen? Ich weiß es nicht...

Stellt sein Organisationsvermögen denn eine Macht zum "Guten" dar, wenn ich es so ausdrücken darf?

Wie ich schon sagte, hat er die Macht zu herrschen. Und nun ist er Papst. Somit muß er sein Herrschen in den Dienst seiner Position stellen.

Es kann aber sein... Gerade die Tatsache, daß ich ihn traf, bevor irgend jemand dachte, daß er Papst werden könnte (er selbst dachte vielleicht schon daran, ich weiß es nicht), und daß ich ihm begegnete, als ich mich mit irdischen Dispositionen beschäftigte, zeigt, daß er trotzdem, wahrscheinlich unbewußt, unter dem Einfluß der höheren Kräfte, wenn nicht gar unter ihrer Kontrolle steht (ich sagte dir ja gleich: ich glaube nicht, daß er sich dessen in seinem Körper bewußt ist).

Warum wird meine Aufmerksamkeit plötzlich auf diese Geschehnisse gelenkt? Im allgemeinen interessieren mich diese Dinge nicht. In meiner Arbeit beschäftige ich mich nur mit dem kleinen Erfahrungsbereich, der mir anvertraut wurde, und meine irdische Aktion ist von ganz anderer Natur, sie liegt auf einer höheren Ebene und ist völlig unabhängig von den Individuen.

Für mich sind drei Punkte bemerkenswert: erstens beschäftigte sich dieser Mann bereits mit weltumfassenden Dingen, als er noch ein einfacher Kardinal in Mailand war (in Mailand kümmerte er sich hauptsächlich um Arbeiterfragen; dort gibt es viele Arbeiter, und das interessierte ihn: er wollte die Arbeiterprobleme lösen). Zweitens setzt er die Aktion des anderen fort: die Annäherung an Rußland, die wirklich interessant ist. Und drittens die Tatsache, daß Kennedy katholisch ist. Das alles spielt sich gerade jetzt ab, wo zum MINDESTEN (ich sage nicht bestenfalls, sondern mindestens) das Fundament der neuen Welt gelegt wird...

Die Fundamente werden gelegt.

Wir werden sehen.

(Mutter schaut sich wieder das Foto im "Time Magazine" an) Mit den Fotos ist es sehr interessant, ich mache dabei eigenartige Erfahrungen: Plötzlich sehe ich völlig klar (viel klarer, als ich physisch sehen kann), ich sehe das Individuum deutlich – es wird lebendig, die Augen reden zu mir – und ich sage mir: "Ah, das ist so und so..." Alle Leute bringen mir Fotos, weil ich daraus gewöhnlich den Charakter der Leute erkennen kann, das ist sehr leicht und elementar für mich. Manchmal gibt man mir ein Foto, und plötzlich sehe ich jemanden: "Oh, das ist doch die Person mit den und den Eigenschaften..." Wenn man mir DASSELBE Foto einige Tage später zeigt, ist es nur noch ein Foto, und ich sehe nichts. Auf diese Weise werden mir bestimmte Dinge klargemacht, und sobald ich verstanden habe, ist es vorbei. Als man mir zum Beispiel dieses Foto des Papstes brachte und ich es zum ersten Mal sah, erschien mir dieser Mann (der mir bekannt ist), GENAUSO wie ich ihn im Feinstofflichen gesehen hatte. Jetzt betrachte ich es, und es sagt mir nichts mehr, eben nur noch die Dinge, die man auf einem Foto sieht: den unguten Mund... er hat viele Fehler. Sicherlich hat er dieses Foto ausgewählt, weil er die Autorität LIEBT. Er will unter seinem Aspekt der Autorität gesehen werden.

Eigenartigerweise sitzt er dort [auf dem Foto] mit der Hand auf der Armlehne des Sessels da, während ich ihn die ganze Zeit stehend sehe – erhobenen Hauptes, dem Leben die Stirn bietend. Er muß recht groß sein. Der Mann, den ich kenne, ist recht groß, er gleicht ihm sehr. Es ist unmistakable [unverwechselbar], das heißt, als ich das Foto sah, sah ich den mir bekannten Mann.

Ich glaube aber nicht... Nicht "ich glaube": ich weiß, daß sein Glaube in erster Linie eine Frage der Gewohnheit ist, weil er dahineingeboren wurde, sowie eine Frage der politischen Notwendigkeit – ich denke nicht, daß er von der absoluten Wahrheit dieses Glaubens überzeugt ist. Der andere Papst hingegen glaubte wirklich daran. Dieser hier weiß in seinem Überbewußtsein zu viel, um das Christentum für die reine und ausschließliche Wahrheit zu halten. Wenn man allerdings die Chance erhält, Papst zu werden, glaubt man besser daran! Sieh dir die irdische Situation doch mal mit etwas Abstand an: Zwar ist nicht die ganze Welt katholisch, aber auf der ganzen Welt gibt es Katholiken.

Seltsam erscheint – wenn man die rein irdischen, kleinen menschlichen Begrenzungen hinter sich gelassen hat – dieser Glaube an eine EINMALIGE göttliche Offenbarung auf Erden. Alle Religionen sind darauf begründet, jede sagt: "Christus war der einzige" oder: "Buddha war der einzige" und anderswo: "Mohammed war der einzige" usw. Sobald man aber ein wenig über der normalen irdischen Atmosphäre steht, ist dieses "Einzige" eine UNMÖGLICHKEIT – es erscheint kindisch. Verständlich und zulässig ist nur eine wiederkehrende Bewegung des göttlichen Bewußtseins auf Erden.

Natürlich gibt es offiziell nur Christus. Vielleicht bleibt er für diesen Mann (Paul VI.) der Größte, es würde mich aber wundern, wenn er ihn für den einzigen hielte. Nur "muß" er der einzige sein – man würde sich eher die Zunge abschneiden, als das Gegenteil auszusprechen!

Ihm wird diese Frage keine Gewissensbisse bereiten. Ihn beschäftigen nur die Mittel und Wege, an die Macht zu kommen und sie zu bewahren und dann vielleicht seine Überlegenheit zu beweisen.

Sie bleiben davon überzeugt, daß ihre Religion allen anderen überlegen ist, daß ihre Macht höher ist als alle anderen, und deswegen müssen sie mächtiger als alle anderen sein. Vor allem darum geht es: "mächtiger sein". Wie läßt sich diese Allmacht herbeiführen? – Seit zwei oder drei Generationen haben sie endlich begriffen, daß eine Erweiterung erforderlich ist: aufgrund der Enge der Lehre hatten sie zu viele Schwachpunkte... Er (Paul VI.) versteht das vielleicht noch besser. Wir werden sehen, was geschieht.

Schau, was ich bekommen habe (Mutter reicht Satprem eine Jasmin-Girlande), gib sie Sujata – sie duftet so gut!

(Schweigen)

Mir erscheint er als der weitaus interessanteste Papst seit langem.

Ich weiß nicht, ich empfand eine heftige Abneigung.

Abneigung?

Die einzige Gefahr bei diesen Leuten ist der Geist der Inquisition – ist das heute noch möglich? Ich glaube nicht.

Nein, aber unter dem Vorwand einer "Synthese" oder einer Erweiterung der Doktrin versuchen sie womöglich, die katholische Macht auf der Erde noch zu vermehren.

Ja gewiß! Das ist offensichtlich ihre Absicht.

Nur liegt in den Dingen immer eine Ironie: Wenn sie zu umfassend werden, werden sie von ihrer eigenen Größe verschlungen! Es kann nicht anders sein.

Wenn der Papst zum Beispiel aufgrund eines Expansionsdranges all die verschiedenen Sekten zuläßt (er beginnt ja bereits, die Protestanten zuzulassen), werden sie nach und nach (lachend) entweder zerspringen oder sich auflösen! Wenn man es von oben ansieht... Selbst wenn er eine asurische Kraft wäre... Er ist nicht... (Mutter zögert) er ist nicht eindeutig eine asurische Kraft, denn aufgrund seiner Position ist der Papst GEZWUNGEN, einen Gott anzuerkennen, der höher ist als er selbst. Natürlich kann dieser Gott ein Asura sein, aber... Mir bleibt eine Art Erinnerung an eine uralte Geschichte, die mir niemand je erzählte... wo der erste Asura den höchsten Herrn herausforderte: "Ich bin ebensogroß wie du!" Die Antwort lautete: "Ich wünsche, daß du sogar größer wirst als ich, dann wird es keinen Asura mehr geben."

Diese Erinnerung bleibt irgendwo sehr lebendig... Wenn du das Ganze wirst, ist es vorbei – in seinem Ehrgeiz will der Asura größer sein als der höchste Herr – "Werde größer als ich, dann gibt es nämlich keinen Asura mehr!"

In verkleinertem Maßstab ist es so auf der Erde.

(Schweigen)

In einem gewissen Bewußtseinszustand wird es völlig unmöglich, sich über zukünftige Ereignisse zu sorgen 2, weil sichtbar – obviously, offensichtlich – alles die Arbeit der gleichen einzigen Kraft, des gleichen einzigen Bewußtseins und der gleichen einzigen Macht ist. Auch hinter diesem Gefühl, diesem Willen – diesem Ehrgeiz, "mehr", mächtiger und größer zu sein –, steht DIESELBE Kraft, die nach Expansion bis zum Grenzenlosen strebt. Sobald die Grenzen überschritten werden, ist es vorbei.

Das sind alte Ideen – alte Vorstellungen von zwei sich bekämpfenden Kräften: einer Kraft des Guten sowie einer Kraft des Bösen und des Kampfes zwischen den beiden darum, wer das letzte Wort haben wird... Früher amüsierte man Kinder mit derartigen Geschichten. Das ist eine Kinderei.

Manche Leute (oder wenn du willst: Wesen oder Kräfte oder Bewußtseinszustände) müssen sich hingeben und verschmelzen, um fortzuschreiten – in der vollkommenen Auslöschung gelangen sie zur Verwirklichung. Für andere ist der Weg diametral entgegengesetzt: ein Wachstum, eine Herrschaft, eine Ausweitung, die immer phantastischere Dimensionen annimmt... bis die Trennung verschwindet – sie kann nicht mehr existieren.

Manche bevorzugen diesen Weg, manche den anderen – wenn man aber am Ende ankommt, vereinigt sich alles wieder.

(Schweigen)

Im Grunde genommen muß man nur die Grenzen durchbrechen... Viele Mittel können dazu dienen, die Grenzen zu durchbrechen.

Und vielleicht sind sie alle gleich schwierig.

(Schweigen)

Diese Religion ist diejenige, die ich vielleicht am heftigsten bekämpft habe. Aus dem sehr einfachen Grund, daß sie die Furcht als Machtwerkzeug gebraucht. Diese ist von allen Dingen am entwürdigendsten.

Dafür erlebte ich zwei Beispiele: eines physischer und ein zweites geistiger Natur (ich spreche von Dingen, mit denen ich materiell in Kontakt kam). Das letztere geschah mit einer Malerfreundin. Wir malten jahrelang zusammen; sie war ein sehr nettes Mädchen, etwas älter als ich, sehr ernsthaft und eine begabte Malerin. Während meiner letzten Jahre in Paris sah ich sie oft und unterhielt mich mit ihr, erst über okkulte Dinge und die "kosmische Philosophie" und dann über das, was ich von Sri Aurobindo wußte (ich traf mich dort öfters mit einer Gruppe von Freunden und diskutierte mit ihnen). Sie hörte mit großer Einsicht zu, sie verstand und hielt sich daran. Als ich sie eines Tages besuchte, gestand sie mir ihre große innere Qual: im Wachzustand habe sie keine Zweifel, sie verstehe gut und erkenne die Grenzen und Dunkelheiten der Religion (sie stammte aus einer Familie, in der es mehrere Erzbischöfe gab, einen Kardinal, du kennst diese "alten französischen Familien"). Sie berichtete: "Nachts erwache ich jedoch plötzlich mit Angstgefühlen, und etwas – offensichtlich in meinem Unterbewußtsein – sagt mir: "Und wenn du trotzdem in die Hölle kommst?"" Sie meinte: "Wenn ich wach bin, hat das keine Kraft, aber nachts, wenn es aus dem Unterbewußtsein auftaucht, erstickt es mich."

Ich schaute mir das an und sah, wie sich diese Formation der Kirche, nämlich die Vorstellung der Hölle, mit der sie die Leute im Bann halten, einer ungeheuerlichen Krake gleich über die Erde erstreckt. Die Furcht vor der Hölle. Selbst wenn alle Vernunft und Intelligenz und alles Empfinden dagegen sprechen, wird man nachts von dieser Krake der Angst vor der Hölle heimgesucht.

Dadurch konnte ich die Ausmaße dieses Problems erkennen – es ist eine weltweite Sache. Es gibt überall Katholiken, sogar in China und in Afrika; Leute, die sich nichts denken, die dem aber ausgeliefert sind und von dieser Krake gepackt werden.

Ein andermal war ich als junges Mädchen in Italien, in Venedig, und malte in einer Ecke der St. Markus Kathedrale (ein wunderbarer Ort von großer Schönheit). Es ergab sich, daß ich ganz in der Nähe eines Beichtstuhles saß. Als ich eines Tages dort malte, sah ich, wie der Priester kam und in den Beichtstuhl ging – dieser Mann... ganz in schwarz, groß, hager, mit einer Maske von ausgesprochener Gemeinheit und Härte: eine erbarmungslose Boshaftigkeit. Er schloß sich da ein. Kurz darauf kam eine Frau in mittleren Jahren, ungefähr dreißig, freundlich, sehr zart – nicht intelligent, aber sehr zart –, ganz in schwarz gekleidet. Sie setzte sich in den Beichtstuhl (er selbst war eingeschlossen, man konnte ihn nicht sehen), und sie sprachen durch ein Gitter. Ich muß hinzufügen, daß es dort viel mittelalterlicher als in Frankreich war, wirklich... fast theatralisch. Sie kniete im Beichtstuhl nieder, ich sah noch ein Stück ihres langen schwarzen Kleides, und dann sprach sie (ich konnte nichts hören, sie flüsterte; die beiden sprachen Italienisch, ich verstehe Italienisch, doch man konnte die Stimmen kaum hören, keine Worte). Dann hörte ich die Frau plötzlich schluchzen (sie hatte Krämpfe und schluchzte), das dauerte an, bis sie plötzlich zusammenbrach: sie fiel ohnmächtig zu Boden. Da öffnete der Mann die Tür, stieß ihren Körper mit der Tür zur Seite und ging weg, aufrechten Ganges, ohne zurückzublicken. Weißt du, ich war jung, aber wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich ihn getötet. Er hatte eine Ungeheuerlichkeit begangen. Er ging einfach davon... wie ein Stück Stahl.

Derartige Ereignisse hinterließen einen scharfen Eindruck in mir. Die Geschichten der Inquisition hatten mich bereits genügend... Du hast aber auch gehört, was ich vorher erzählte [die Geschichte vom Asura], und das ist wirklich meine Auffassung. Früher hätte ich gesagt: "Keine Religion hat der Welt mehr Böses beschert als diese."

Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Das ist ein ASPEKT dieser Religion.

Und selbst dies ist noch eine zu menschliche Schau der Dinge. Ich bevorzuge die Sicht des Herrn, der dem Asura sagt: "Aber ja, wachse immer weiter und weiter... bis es keinen Asura mehr gibt!" (lachend) Das ist besser.

(Schweigen)

Dieser Mann (Paul VI.) war vielleicht wie der Priester in Venedig: ein junger, großer Mann, nicht älter als dreißig, sehr schlank, mit dem Gesicht einer Messerklinge, oh!...

Die Angst ist nichts Negatives: sie kann etwas sehr Positives sein, eine spezielle Form der Kraft, die von den asurischen Kräften immer verwendet wird – sie ist ihre große Stärke. Ihre größte Macht basiert auf der Angst.

Ich sehe das ständig: Wenn die Leute bezwungen werden, geschieht es IMMER durch die Angst.

Und du (Mutter spricht zum Foto), nimm dich in acht, wenn du darauf aus bist, dieses Mittel anzuwenden!

(Mutter konzentriert sich auf das Foto)

Eine Pracht erscheint mir.

Wir werden sehen.

*
*   *

(Etwas später geht es um die englische Übersetzung des neuen Buches über Sri Aurobindo:)

Ich glaube, es wird dort drüben Leser finden, vor allem in Amerika – mehr als in Frankreich.

(Schweigen)

In Frankreich fallen alle, die ein Erwachen, ein spirituelles Bedürfnis spüren, immer in die katholische Religion zurück. Das bedeutet, daß die Krake dort noch große Macht hat – eine sehr große Macht.

Ich weiß nicht mehr, bei welcher Gelegenheit, aber kürzlich kam mir die Erinnerung an eine Zeit, wo man nicht einmal sagen durfte, daß die Erde sich dreht oder daß sie rund ist; man wäre getötet worden! Kannst du dir das vorstellen?...

Trotz allem sind wir ein gutes Stück weitergekommen.

Als ich merkte, daß ich diesen Mann (Paul VI.) kannte, kam mir wie zum Spaß ein Gedanke: Angenommen, jemand zeigte ihm mein Foto (ich kenne nämlich Leute, die dies tun könnten), und er würde sagen: "Aber diese Frau kenne ich doch!" Da sah ich diesen alten Instinkt, eben die Gewohnheit, keine ihren Ansichten widersprechende Meinungsäußerung zuzulassen. Das zeigt mir, daß trotz allem eine wirkliche Wende stattgefunden hat – die Wende zur Freiheit... Praktisch wäre er gezwungen, mich zu tolerieren. Der vorletzte Papst (Pius XII.) hatte unserem Erzbischof noch untersagt, Leute, die in den Ashram kamen, zu exkommunizieren. (Der Erzbischof hatte dies vor, konnte es aber ohne Einwilligung des Papstes nicht tun. Dieser wies ihn an: "Unternehmen Sie nichts.") Der neue Erzbischof führte von der Kanzel aus die Exkommunikation wieder ein, aber dabei blieb es. Nun fragte ich mich: "Welche Haltung würde der neue Papst hier einnehmen?"... Weil dieses Individuum natürlich sehr wohl dazu imstande wäre, die Exkommunikation von etwas anzuordnen, obwohl er es für richtig hält und dessen Wahrheit KENNT – das ist es, was du in diesem Foto siehst (Satprems Abneigung). Der politische Geist dominiert alles übrige in ihnen.

Nimm nicht alles auf, was ich sage! Ich will es nicht hier aufbewahren, ich möchte nicht, daß es aufgezeichnet wird. Die Zeit ist noch nicht gekommen, mich in diese Angelegenheiten zu mischen.

Etwas in mir fühlt sich sehr oft wie ein Krieger, wenn ich mit dieser christlichen Krake konfrontiert werde. Sofort möchte etwas in mir gegen diese Leute ankämpfen.

Ist das nicht vorwiegend mental? – Du fühlst den Kampf der Ideen.

Ja, fast so, wie früher die Mönche predigten – ich sehe mich nicht predigen (!), aber mit Worten kämpfe ich gegen sie an.

Ja, mit Worten, das stimmt.

Du hast eine sehr große Kampfkraft im mentalen Bereich, und sie ist von immenser Nützlichkeit, aber auf vitaler Ebene habe ich bei dir nie etwas Kämpferisches gesehen.

Aber ja! In der Welt predigen und mit Ideen kämpfen, wie die großen Weisen hier durch ihr Wort kämpften – das ja. Aber nicht als Oberbefehlshaber einer Armee!

Nein.

Kein Napoleon.

Wohl aber kämpfen, weil ich das Böse dahinter so intensiv empfinde...

Ja!...

Ein hinterhältiges Böses – ein verstecktes Böses.

Unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit und des uneingeschränkten Wohlwollens verbirgt sich eine Scheinheiligkeit.

Ja, diese Dinge haben mich immer zum Kampf angespornt.

Auf eine Art schmerzt es mich zu sehen, daß das wenige, was ich vermag, wie zum Beispiel dieses Buch über Sri Aurobindo, nicht verstanden wird. In Frankreich gibt es eine Mauer – es wird nicht akzeptiert, ich dringe nicht durch, alles ist blockiert. Das schmerzt mich. Bei allen mir dort bekannten Leuten ist es dasselbe, überall stoße ich auf eine Mauer von Unverständnis – alles ist hermetisch verschlossen. 3

(Langes Schweigen) Bei der intellektuellen Qualität Frankreichs, der Qualität seines Geistes, wird der Tag, an dem es spirituell wirklich berührt wird, etwas Außergewöhnliches darstellen – spirituell wurde es ja noch nie berührt.

Sri Aurobindo liebte Frankreich sehr. Ich wurde dort geboren – das hat sicherlich seinen Grund. Was mich betrifft, weiß ich es wohl: das Bedürfnis nach Kultur, nach einem klaren, präzisen Denken, nach Verfeinerung von Gedanke und Geschmack und nach Klarheit des Geistes. Es gibt kein anderes solches Land auf der Welt. Sri Aurobindo liebte Frankreich aus demselben Grund – eine sehr starke Liebe. Er sagte, daß er während seines ganzen Aufenthaltes in England Frankreich mehr liebte als England!

Das hat einen Grund.

Wir werden sehen.

Vielleicht werden die Dinge ein wenig voranschreiten – ich habe den Eindruck einer Bewegung. Es mag aber Scherben dabei geben: Wenn man schnell vorangeht, gibt es immer leicht Scherben. Die Perioden von Stabilität, wo die Dinge sich ordnen und entfalten, sind friedlicher. Jetzt ist es gefährlicher.

Viel gefährlicher.

(Mutter nimmt das Foto des Papstes wieder an sich)

Laß mir meinen Papst! (Lachen)

 

1 Mutter meint auf der okkulten Ebene.

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2 Satprems Befürchtungen hinsichtlich des katholischen Expansionsdranges.

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3 Seither hat sich die Lage sehr verändert.

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