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Mutters

Agenda

vierten Band

13. Juli 1963

Von überall her erhalte ich Briefe: aus Argentinien, Kanada usw., von Leuten, die ich nicht kenne, die aber sehr nett sind. Hör mal zu (Mutter nimmt einen Brief). Die Mutter von Z, der hier lebt, schreibt: If I were within walking distance of you, I would pick a rose, not yet full bloomed, laden and fragrant, to lay at your feet. This sounds like a love letter – well, it is! My son has been trying to teach me through you that all letters should be love letters 1... Das ist reizend. Ich habe ihr so geantwortet: Indeed, all life is love if we know how to live it. [In der Tat ist das ganze Leben Liebe, wenn wir es zu leben wissen.]

Nolini berichtete mir...

(Mutter erzählt von bestimmten Geschehnissen im Ashram)

...Die Kraft scheint in der Ferne stärker zu wirken als in der Nähe – das ist eigenartig. Sie erfaßt die Leute und läßt sie nicht wieder los. Hier, in meiner unmittelbaren Nähe, herrscht in mir offenbar immer dieser konstante Wille vor, nichts zu beeinflussen: zu helfen, ohne zu beeinflussen – völlige Freiheit zu lassen. Und dazu... sind die Leute eigentlich noch nicht imstande. Jedenfalls verstehe ich die Dinge so! Ich habe den Eindruck, daß die Welt nur wahr sein kann, wenn sie absolut frei ist.

Je mehr Macht man hat, um so weniger darf man beeinflussen.

Das muß in meinem materiellsten Bewußtsein liegen (dieser Wille, nicht zu beeinflussen), denn in der Ferne zählt das nicht: die Leute werden gepackt, ergriffen, festgehalten, und nicht mehr losgelassen.

Interessant.

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*   *

(Dann beschreibt Mutter den Besuch von X)

Ich gab ihm sein "Bad des Herrn"!

Das war sehr interessant. Vorher mußte ich jemanden treffen und wollte noch genügend Zeit haben, um die Atmosphäre vorzubereiten, aber das dauerte nicht lange. Dann verdichtete und sammelte sich "Das". Eine völlig unbewegte Atmosphäre entstand, lediglich eine innere Schwingung, ich kann es kaum erklären... Ich sprach schon mehrmals davon: die Kraft verlagert ihre Position nicht, man kann sie also als absolut unbewegt bezeichnen, aber sie besitzt eine Intensität an INNERER Kraft, die viel mächtiger als die Schwingung der Fortbewegung ist. Sie entfacht ein Licht von HELLEM Gold: nicht weiß, golden; aber nicht dunkelgold sondern hell. Alles war davon erfüllt (das Zimmer hatte keine Wände mehr), ungeheuer dicht, wie unter großem Druck. Nur noch die innere Schwingung bestand.

Er kam, und die durch seinen Eintritt entstandene Unruhe legte sich sehr rasch. Er benötigte vielleicht ein oder zwei Minuten, um sich anzupassen. Ich weiß nicht, was sein erster Eindruck war, aber er war sichtlich etwas verlegen – er fühlte sich nicht unwohl, war aber fast etwas erstaunt, als ob er sich fragte: "Was geht hier vor?" Nach weniger als zwei Minuten folgte er seiner üblichen Bewegung und verharrte genau zweiundzwanzig Minuten, ohne sich IRGENDWIE zu rühren. Nichts bewegte sich. Die Atmosphäre war absolut unbewegt, kein Gedanke, keine Bewegung, keine Reaktion, nichts.

Danach wurde mir von draußen bedeutet, die Zeit sei abgelaufen (ich hatte C gebeten, die Tür zu öffnen, sie hatte sich aber noch nicht geöffnet; das störte etwas, aber es kam genau aus der Richtung, wo C sein mußte). Dann, nach zweiundzwanzig Minuten, sah ich, daß die Tür offen war. Ich sah X ein- oder zweimal an, daraufhin öffnete er die Augen.

Ich muß sagen, das war außergewöhnlich.

Meist hält es fünf bis zehn Minuten an... bei einer oder zwei Personen kam ich auch schon auf etwas mehr als zehn Minuten ohne jegliche Regung: kein Gedanke, verstehst du, nichts. Die Atmosphäre war gut vorbereitet, aber im allgemeinen hält es bei den Leuten nicht an, auch nicht bei jenen, die in der allerbesten Verfassung kommen: nach einer bestimmten Zeit können sie es nicht mehr ertragen – sie können es einfach nicht mehr.

Bei ihm war vor allem die Stille bemerkenswert. Die mentale Stille.

Die anderen Male habe ich dir schon beschrieben: Ich folgte ihm mehr oder weniger, um herauszufinden, was geschah. Als ich ihn das erste Mal hier empfing (im oberen Zimmer), stieg seine Aspiration kegelförmig hoch. Ein etwas harter Kegel aus einem silbrigen spirituellen Licht, das den Eindruck eines... common-place Lichtes erweckte, ich weiß nicht, wie ich das erklären soll... etwas völlig Übliches, nichts Außergewöhnliches. Wie ein Kegel, der mit der Spitze nach oben aufstieg, eine sehr scharfe Spitze, die in einem Punkt verschwindet – eine Auflösung. Nicht sehr befriedigend. Doch diesmal... Ich wollte die Atmosphäre vorbereiten und das Ergebnis sehen. Und es war gut.

*
*   *

Etwas später

Was bringst du mir da?

Einen Brief vom Verleger.

Ah!

Er sagt folgendes:

"Ich muß mich jetzt dazu aufraffen, Ihnen zu schreiben. Ich gestehe, daß ich dies mit Bedauern und Traurigkeit tue, denn ich muß Ihnen mitteilen, daß wir Ihr Buch Sri Aurobindo oder das Abenteuer des Bewußtseins nicht veröffentlichen können. Was mich die ganze letzte Zeit davon abhielt, Ihnen zu schreiben, war nicht so sehr die Furcht, Ihnen Kummer zu bereiten, denn Sie werden den Schock überwinden, den diese Nachricht notgedrungen bereitet, sondern vielmehr die Tatsache, unfähig zu sein, Ihnen unsere Gründe zu erklären. Offengestanden verstehen wir dieses Buch nicht. Und wie kann man begründen, weshalb man nicht versteht? Ich für meinen Teil hatte häufig den Eindruck, von einem Bereich in den andern überzuwechseln, von der Ebene der Tatsachen zu jener der Mutmaßung, von der Ebene der Logik (ausgehend von definierten Begriffen) zur Ebene der Vermutungen (innerhalb eines Zusammenhangs, der keine Verbindung mit dem von Ihnen vermittelten Wissen aufweist). Ich weiß: Alles was ich sage, kann bestritten werden. Ich weiß aber auch, oder ich ahne, daß hinter diesen Seiten eine gelebte Erfahrung steht, an der aber nach unserem Empfinden der Leser nicht teilhaben kann. Warum? Auch dies weiß ich nicht. Die Blindheit des Lesers? Das ist durchaus möglich. Die Begrenztheit des Geistes? Wohl auch. Ein Buch soll aber eine Brücke schlagen, die Hülle durchstoßen, und wahrscheinlich gibt es Fälle, wo es nicht mehr vom Autor abhängt, das zu tun. Ich schicke Ihnen somit Ihr Manuskript zurück."

(Gezeichnet P.A.L.)

Er schwimmt völlig, das ist amüsant!

Macht nichts.

??

Ja, es bedeutet, daß das Buch wirklich sehr gut ist.

!?

Ich hatte den Eindruck, daß Sri Aurobindo viel Kraft hineinlegte, damit es eine Offenbarung werde. Dieser Eindruck bestätigte sich, als Pavitra mir sagte, daß ihm dieses Buch neue Türen eröffnet habe. Das bedeutet aber, daß die Leser bereits viel wissen müssen. Dieses Buch stellt vielleicht einen Schritt nach vorn dar, nicht nur eine Erklärung.

In Amerika werden wir das sehen, ich glaube, dort wird es sehr erfolgreich sein.

Dort gibt es weniger Barrieren.

Sie sind jünger. Sie sind jung und haben noch das Gefühl, LERNEN ZU WOLLEN – sie begehen Irrtümer, sie machen ein Durcheinander, aber sie haben das Bedürfnis zu lernen.

Die Franzosen sind etwas verkalkt.

Sie sind von fürchterlich raffinierten Konstruktionen eingenommen.

Ja, und dazu halten sie sich für sehr intelligent. Sie sind die Gefangenen ihrer intellektuellen Luftschlösser.

Fast möchte ich deinem Verleger meinen Segen schicken... es wäre lustig, wenn er zu verstehen beginnen würde!

Ich glaube, da besteht wenig Hoffnung!

Glaubst du, es gibt keine Zellen dort?

Schon, aber ihre gesamte Formation steht im Wege.

Das liegt auf einer anderen Ebene.

Eines Tages wird es kommen.

Ich hatte jedenfalls einen Kontakt.

?

Eben jetzt, als ich mit dir sprach. Deshalb sagte ich: ich möchte ihm meinen Segen schicken. "Mit meinem Segen, DAMIT DU VERSTEHST!"

Ja, ein plötzlicher Kontakt.

Wir werden Zeugen seltsamer Dinge sein – dessen kannst du gewiß sein.

Die Kraft arbeitet auf eine außerordentliche Art... Das erzähle ich dir ein anderes Mal, nicht heute.

 

1 Wenn ich zu Fuß zu Ihnen gehen könnte, würde ich eine noch nicht voll erblühte, frisch-duftende Rose pflücken und sie Ihnen zu Füßen legen. Dies hört sich wie ein Liebesbrief an – ja, das stimmt! Mein Sohn versucht, mir durch Sie beizubringen, daß alle Briefe Liebesbriefe sein sollten.

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