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Mutters

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vierten Band

17. Juli 1963

Nolini erzählte mir, seit die Kraft zunehme, regne es täglich Briefe von Leuten, die ihr moralisches oder materielles Elend herausschreien – ein allgemeiner Hilferuf –, und weiter sagte er mir: "Das Bemerkenswerte ist, daß niemand um materielle Hilfe bittet." Sie bitten alle um meinen Segen und sagen, daß ihnen das Erleichterung verschaffe; sie haben den Glauben. Er sagt: "In allen Briefen findet sich fast dieselbe Note." Die Verbindungen mit der Außenwelt haben beträchtlich zugenommen. Früher waren es nur die Leute, die mich kannten, aber jetzt sind es viele völlig Unbekannte.

Während des Teils der Nacht, der für die Arbeit vorgesehen ist (im allgemeinen zwischen zwei und halb fünf Uhr – mal früher, mal später), treffe ich jetzt immer Leute, die ich physisch nicht kenne – ständig, ständig, was mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Die Arbeit, die ich mit den Leuten meiner Umgebung verrichte, scheint sich jetzt auszuweiten: manche Orte sind mir völlig unbekannt. Und immerzu spielt sich das in einem im Bau befindlichen Bereich ab – immer wird irgend etwas gebaut. Manchmal probiere ich sogar neue Konstruktionen aus: ich gehe dahin oder dorthin, mache dies oder versuche jenes 1; und gleichzeitig arbeite ich mit Leuten, die nicht Teil dieser Tätigkeit sind, die abseits stehen. Das ging so weit, daß ich mir heute morgen nach dem Aufstehen sagte: "Hört das denn überhaupt nicht auf? Kann ich mich denn nicht ausruhen!" Und immer kommt sofort eine Antwort – nicht in Worten: eine Antwort in TATEN, die keine Zeit in Anspruch nimmt und nicht allmählich sondern augenblicklich geschieht.

Gleichzeitig herrscht eine reglose Ruhe in diesem Licht – kennst du die völlig reglose Ruhe? Wahrscheinlich wird sich dieses Licht so manifestieren. Ein goldenes Licht, nicht sehr intensiv, auch nicht sehr hell; etwas weniger hell als das, was ich im Zusammenhang mit meiner Konzentration beschrieb 2 – etwas intensiver aber nicht dunkel, ein goldenes, völlig unbewegtes Licht mit einer solch intensiven inneren Schwingung, daß sie nicht empfunden werden kann: sie überschreitet jegliche Wahrnehmung. Das bringt die völlige Ruhe, unverzüglich. Sobald ich mich beklage, kommt daher stets die gleiche ironische Bemerkung: "Oh, wer das inmitten der Arbeit erhalten kann, braucht sich nicht zu beklagen!" Diese beiden Zustände sind... man kann nicht sagen gleichzeitig (natürlich folgt nicht einer auf den andern, beide bestehen zusammen), aber es sind nicht zwei Dinge, die zusammen bestehen, sondern... sozusagen zwei verschiedene Betrachtungsweisen, zwei... nicht Gesichtspunkte... Eine horizontale Schau und eine... oder vielmehr ein Blick aufs Spezifische und ein Blick aufs Allgemeine. Ein Blick aufs Spezifische, der auf die unmittelbare Tätigkeit gerichtet ist, und ein allgemeiner, konstanter Blick aufs Ganze; sobald man das Ganze betrachtet, besteht... (Geste einer reglosen Stille) ein unwandelbarer Friede, eine unveränderliche Ruhe. Dann entfalten sich die Dinge und füllen sich mit einem unendlichen Inhalt an.

Es erfordert keine Vorbereitung und muß nicht erlangt werden, es ist IMMER da. Das liegt auch daran, daß ich selbst nicht involviert bin (es ist so offensichtlich, daß es keiner Überlegung, keiner Beobachtung bedarf, es ist eine feststehende Tatsache): Ich selbst suche hier nichts, absolut nichts, keinerlei Befriedigung, auf keiner Ebene, in keinem Punkt – das gibt es nicht mehr, es hat keine Realität, keine Existenz mehr. Das einzige, was ich noch EMPFINDE, ist... keine Aspiration, kein Wille, keine Überzeugung, keine Begeisterung, sondern etwas..., das vielleicht eher einer Macht gleichkommt: das Werk des Herrn zu tun. Gleichzeitig spüre ich den Herrn... Er steht nicht vor mir oder außerhalb von mir. So ist es nicht. Er ist überall und... Er ist überall, und ich bin überall bei Ihm. Aber was diese Zellen in einer dauerhaften Form zusammenhält, ist der Wille und die Macht zugleich (sogar mehr als das), das Werk des Herrn zu tun. Es beinhaltet etwas, das sich im Bewußtsein der Leute wahrscheinlich als Glückseligkeit, als Ananda manifestiert (ich muß sagen, daß mich dieser Aspekt des Problems nicht beschäftigt). Etwas wie die Intensität einer noch nicht manifestierten Superliebe – das läßt sich unmöglich beschreiben.

Vor einiger Zeit machte ich folgende Entdeckung: Jemand fragte mich, ob es einen Unterschied zwischen dem Ananda und der Liebe gebe. Ich verneinte dies. Daraufhin fragte er mich: "Aber wieso denn? Manche Leute fühlen das Ananda, andere aber die Liebe..." Ich sagte ihm: "Ja! Wer das Ananda fühlt, empfängt gern, hat die Fähigkeit zu empfangen; wer Liebe empfindet, hat die Fähigkeit zu geben." Es ist jedoch dasselbe: man empfängt es als Ananda, man gibt es als Liebe.

Jemand, der mehr auf der Seite des "Empfangens" steht, wird diese Schwingung wahrscheinlich Ananda nennen – vielleicht ist es das, was man unter "Lebensfreude" versteht, ich weiß es nicht... Es gleicht überhaupt nicht dem, was die Menschen als Freude bezeichnen. Man hat wirklich den Eindruck von etwas Vollem statt der gewohnten Leere. So wie die Leute ihr Leben leben, wie ich ihre Leben wahrnehme, ist es hohl, leer und trocken – hart und gleichzeitig hohl – leer. Wenn ich so arbeite, wie ich gerade erzählt habe, wirkt alles, was mich umgibt... ja, es hinterläßt einen trockenen, hohlen Eindruck. In Gegenwart des anderen hingegen hat man augenblicklich den Eindruck: voll-voll-voll-voll – voll! Überströmend, weißt du, grenzenlos. Dermaßen voll, daß einfach alles, jegliche Grenzen niedergerissen und ausgewischt werden, sie verschwinden – nur noch Das, dieses eine Etwas ist da. Allein deswegen bleibt das Zellgebilde erhalten – wegen Dem, für Das, durch Das, für nichts anderes.

Das wird immer konstanter, klarer – natürlicher und spontaner. Und immer mehr der Eindruck, daß dieses Du – das Du der Anbetung – Du... nur noch um der Freude willen besteht! Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Es erscheint fast wie ein schallendes Gelächter... weil es offensichtlich keinen Unterschied mehr gibt. Ja, es bleibt nur das: "Oh, es ist so schön, "Du" zu sagen!"

Das alles spielt sich im Körper ab.

 

1 Als Satprem einige Tage später von diesen "Bauten" sprach, unterbrach ihn Mutter mit folgender Bemerkung: "Letzte Nacht war es nicht so! Über eine Stunde verbrachte ich bei allen möglichen theosophischen Gruppen, die wunderschöne Gebäude besaßen. Sie waren sogar recht alt (!), aber wunderschön, mit Gärten, Sälen und Auditorien – prächtige Orte. Und da gab es keine Anzeichen neuer Bauten. Sie waren voll von Hunderten sehr beschäftigter Leute. Ich verbrachte über zwei Stunden dort. An manchen Orten ist also nichts im Bau – man lebt in dem, was bereits vorhanden ist."

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2 Siehe das vorherige Gespräch, wo Mutter den Besuch von X schildert.

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