SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 04 Bande

Mutters

Agenda

vierten Band

31. Juli 1963

(Mutter sieht sehr angegriffen aus, obgleich sie stets lächelt.)

Ich habe etwas entdeckt – eigentlich ist es keine Entdeckung, sondern eine Bestätigung. Eine interessante Feststellung.

Die Angriffe kehrten mit einer gewissen Regelmäßigkeit wieder – könnte man sie als "physisch" bezeichnen?... Sie sind nicht eigentlich physisch, aber doch auf den Körper gerichtet. Sie kamen nicht immer in absolut regelmäßigen Abständen, aber es bestand eine Art Analogie und Ähnlichkeit der Umstände. Und diesmal erhielt ich so etwas wie eine Gewißheit.

Die Arbeit besteht sozusagen darin, all jene Zellen des Körpers... entweder zu entfernen oder zu transformieren (ich weiß nicht genau, welches von beiden), die unter dem Einfluß der Lüge stehen oder standen (nicht "Lüge" sondern falsehood), ein Zustand, der dem Göttlichen entgegengesetzt ist. Da eine radikale Säuberung oder Transformation wahrscheinlich schlicht zur Auflösung des Körpers führen würde, vollzieht es sich allmählich, etappenweise (ich gehe sehr weit zurück, bis zu meinen ersten Angriffen). Der Ablauf ist folgender: Zuerst wird in einer Reihe von Aktivitäten oder Visionen (die aber immer zugleich Aktivitäten sind: Aktivitäten und Visionen) im Bereich des Unterbewußten auf sehr objektive und lebendige Art die Lüge aufgezeigt, die entfernt werden muß (transformiert oder entfernt). Anfänglich hielt ich das für feindliche Angriffe, doch nun sehe ich, daß es sich um "lügenhafte Zustände" handelt, mit denen bestimmte Elemente des physischen Wesens verbunden sind (damals dachte ich: "Ich stehe aufgrund einer Entsprechung in mir damit in Verbindung", und ich arbeitete daran; das ist aber lediglich eine andere Sichtweise derselben Sache). Das bewirkt... sicher eine gewisse Auflösung – eine Transformation, aber auch eine Auflösung –, und diese Auflösung bringt natürlich eine enorme Müdigkeit mit sich, eine Art Erschöpfung des Körpers. Zwischen zwei solchen Etappen der Transformation gewährt man dem Körper die Zeit, wieder Kräfte und Energien zu sammeln 1 . Ich bemerkte, daß diese "Angriffe" immer nach der Feststellung einer großen Zunahme von Kraft, Energie und Macht kommen (wie ich das in den letzten Tagen erlebte). Wenn der Körper wieder kräftiger wird, folgt am nächsten oder übernächsten Tag stets eine Reihe von Nächten, die man als unangenehm bezeichnen könnte (sie sind nicht unangenehm, weil sie lehrreich sind), gefolgt von einem fürchterlichen Kampf im Körper. Diesmal erlebte ich es bewußt – natürlich bin ich jedesmal bewußt, aber (lächelnd) ich werde jedesmal noch bewußter!

Seit kurzem stelle ich fest, daß der Körper viel stärker und kräftiger wird, er nahm sogar zu (!), was fast abnormal ist. Dann hatte ich eine erste Vision (keine Vision: eine Aktivität, aber vollkommen klar), dann eine weitere und eine dritte. Vergangene Nacht erhielt ich eine feinstoffliche Nahrung, wie um mir zu sagen, daß ich diese brauchen werde, weil ich keine physische Nahrung mehr einnehmen würde1 (ich dachte nicht besonders darüber nach, stellte aber fest, daß ich genährt worden war, daß mir etwas gegeben wurde). Nach den Visionen der beiden vorhergehenden Nächte wußte ich, daß es sich um Elemente handelte, die Teil der Konstruktion (der psychologischen Konstruktion) des Körpers waren und die ausgeschaltet werden mußten. Ich arbeitete intensiv an ihrer Beseitigung, und daraufhin wurde heute eine Schlacht ausgefochten.

Weil ich so intensiv an der Beseitigung gearbeitet hatte, war der Kampf sehr heftig, und wenn ein bestimmtes Maß überschritten wird, führt das zu Herzbeschwerden, und ich muß mich ausruhen. So ging das vor sich. Es war aber so klar, so deutlich! Der gesamte Prozeß wurde von Anfang an BEOBACHTET, alles, alles. Es grenzt an ein Wunder, mit welchem Bewußtsein der Umfang und die Dosierung bestimmt werden, um die Reinigung und die Transformation ohne eine Gefährdung des Gleichgewichts zu ermöglichen, ohne daß es zur Auflösung kommt. Das Ganze hängt vom Durchhaltevermögen und der Widerstandskraft ab (wenn der Körper nicht durchhalten könnte, wäre es natürlich unmöglich).

Anfangs kannte er das nicht, er glaubte noch an äußere "Angriffe", an "feindliche" Kräfte; so läßt sich immer alles erklären, und in gewisser Weise entsprach das den Tatsachen; es war aber nicht die volle Wahrheit, die tiefste Wahrheit – jetzt WEISS er, woher alles kommt, und es ist so wunderbar, ein Wunder an Weisheit... Alles wird dadurch an seinen Platz gerückt, und man VERSTEHT, daß das Spiel dieser feindlichen Kräfte zu einem gegebenen Augenblick vielleicht eine notwendige Anschauungsart war ("notwendig" soll heißen: praktisch). Dies ist aber immer noch eine Illusion. Krankheiten sind ein notwendiges Konzept, um den Dingen zu widerstehen und richtig kämpfen zu können. Aber das ist immer noch eine Illusion. Und jetzt weiß der KÖRPER all das – solange das Mental es wußte, lag es noch weit entfernt im Bereich der Ideen. Jetzt aber weiß es der Körper. Er ist nicht nur erfüllt von gutem Willen, sondern von unendlicher Dankbarkeit – seine erste Bewegung ist stets die, zu fragen: "Bin ich dazu fähig?" Und immer erhält er die gleiche Antwort: "Es ist nicht DEINE Fähigkeit." "Werde ich die Macht dazu haben?" – "Es ist nicht DEINE Macht." Sogar das Gefühl der Gebrechlichkeit weicht der Freude einer unendlichen Dankbarkeit. All das geschieht mit so viel Güte, Einsicht, Sorgfalt und Vorsicht, um so weit wie möglich ein progressives Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

Dies kam mit einer Gewißheit und KLARHEIT: so vollzieht sich die Transformation.

Diesmal bestand jedoch eine freiwillige Mitarbeit, und vielleicht wird es dadurch schneller vonstatten gehen.

Meine Arbeit konnte ich nicht erledigen 2: die Erschütterung war zu stark. Ich sagte aber, daß ich dich sehen wollte, um dir das zu erzählen.

(Schweigen)

Wenn ich in diesem Zustand bin, habe ich eigenartigerweise den Eindruck, ein enormes Gewicht heben zu müssen, um mir Gehör zu verschaffen. Bereits seit einigen Tagen meine ich, ich müsse sehr laut sprechen, um mich verständlich zu machen, als ob... das ist wie eine Masse, als befände ich mich unter der Erde und müßte sehr laut schreien, um gehört zu werden.

Spreche ich denn sehr laut?

Nein.

Bei allen habe ich den Eindruck, schreien zu müssen, um gehört zu werden – und das ist anstrengend, ungeheuer anstrengend. Eine Art bräunliche, erdfarbene Masse übt einen Druck aus, als wäre ich verschüttet und müßte schreien. Mir ist, als habe ich mich ungeheuerlich anstrengen müssen, um dir all dies zu erzählen.

Rede ich nicht sehr laut?

Nein.

Überhaupt nicht?

Nein, es muß die Verschlossenheit des Bewußtseins der anderen sein, die du spürst.

Ja, ja!

Ja, es ist die Luft – es liegt in der Luft.

(langes Schweigen)

Heute morgen wurde mir etwas gesagt (heute morgen oder während der Nacht, ich weiß es nicht mehr), nicht mir, sondern dem Körper wurde gesagt, er werde bis zu seiner vollkommenen Läuterung gehen, und DANN habe er die Wahl, seine Arbeit fortzusetzen oder... Wenn er einmal völlig geläutert ist... nicht, was die Leute physische "Reinheit" nennen, sondern im Hinblick auf die Zellen, auf den göttlichen Einfluß, d.h. daß jede Zelle ausschließlich unter dem Einfluß des Höchsten steht (diese Arbeit wird gerade ausgeführt). Ihm wurde gesagt, daß dies geschehen werde, und wenn diese Arbeit abgeschlossen ist, werde ER SELBST, der Körper, ganz unter dem Einfluß des Höchsten, entscheiden, ob er weitermachen oder sich auflösen will.

Das war sehr interessant, denn... Auflösung bedeutet Zerstreuung; Zerstreuung wäre aber auch eine Art, das Bewußtsein in einem sehr großen Bereich AUSZUBREITEN (das ist leicht zu verstehen). Den Zellen wird die Wahl überlassen, entweder so zu handeln (Geste der Verbreitung) oder als Agglomerat (Mutter macht eine Faust).

(Schweigen)

Zum ersten Mal wurde das Problem so betrachtet, das heißt vom Standpunkt eines allgemeinen Werkes.

Wie kann die Zerstreuung denn wirken? Wenn er sich zerstreut, löst er sich doch auf, d.h. die ganze Arbeit löst sich auf.

Nein, jede Zelle ist vollkommen bewußt.

Würden sie dann in andere Körper gehen?

(Mutter überlegt einen Augenblick) Was passiert in materieller Hinsicht?... Man weiß, daß der Körper zur trägen Materie zurückkehrt, nicht wahr? Er wird zu Staub – oder zu was?

Ja, zu Staub.

Er wird zu Staub...

Sind es keine Zellen mehr?

Nein, ich glaube nicht.

Dann kann es nicht das sein, denn aufgrund dessen, was mir gesagt wurde, wären es noch Zellen – sie blieben Zellen.

Es muß etwas Neues sein.

Die Zelle bleibt bestehen, man gab der Zelle die Wahl, in der gegenwärtigen Agglomeration zu verbleiben oder sich auszubreiten.

Ich weiß nicht, mir scheint, sie könnten nur in Agglomeration mit anderen Lebewesen fortbestehen.

Sind die Zellen des menschlichen Körpers denn anders als die Zellen der anderen Körper, der Tiere zum Beispiel? Oder sind sie gleich?

Außer im Falle von bestimmten spezialisierten Zellen glaube ich nicht, daß die Zellen der anderen Arten sich sehr unterscheiden.

Dann muß es sich um spezialisierte Zellen handeln, denn es sind vollkommen bewußte Zellen – es sind spezialisierte Zellen.

Dann sehe ich aber nicht, wie sie in Tiere übergehen könnten, denn das ist nicht das gleiche.

Sie könnten nur in andere menschliche Organismen übergehen.

Ja, Menschen.

Vielleicht ist es der Unterschied zwischen EINEM Wesen und vielen Wesen 3?...

Etwas in der Art muß in Vorbereitung sein. Wir werden sehen.

Nun, mein Kind, ich lasse dich gehen, weil...

*
*   *

Einige Tage später fügte Mutter folgende Überlegung hinzu:

Nach der äußeren Logik handelt es sich offenbar um eine neue Art zu sterben, die entstehen muß – es ist nicht mehr der Tod, so wie man ihn jetzt auffaßt. Aber das... Für den Augenblick können wir nur spekulieren, es ist noch keine konkrete Erfahrung.

Wir werden sehen.

 

1 Einige Tage später fügte Mutter hinzu: Etwas habe ich noch nicht erwähnt: ein dringendes Bedürfnis, alle materiellen Aktivitäten einzustellen, damit der Körper die göttliche Kraft, die das ersetzen soll, was entfernt wurde, möglichst vollständig empfangen kann. Dies wird zu einem absoluten Bedürfnis, vollkommen unbewegt und ruhig zu bleiben, die Kraft herabkommen und eindringen zu lassen. Alle körperliche Aktivität muß irgendwie gestoppt werden. Und wenn die materielle Organisation oder Gewohnheit darauf beharren, sie fortzusetzen, stellt sich eine materielle Unmöglichkeit ein, eine übermäßige Müdigkeit oder

Rückwärts zum Text

2 An diesem Morgen empfing Mutter ihre Sekretäre nicht.

Rückwärts zum Text

3 Mutter will sagen: zwischen der individuell agglomerierten Aktion und der in viele Wesen ausgebreiteten Aktion.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English