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Mutters

Agenda

vierten Band

3. Oktober 1963

(Auf Mutters Tisch liegen zwei weiße, doppelte Hibiskusblüten, "Gnade" genannt. Mutter schenkt Satprem eine davon.)

Letzte Nacht träumte N, Sri Aurobindo habe ihr viele Dinge gegeben, und dann sei ich erschienen und habe ihr zwei Blüten der "Gnade" überreicht. Heute morgen erwacht sie, geht in den Garten, und... an ihrem Hibiskusstrauch hatten sich zwei Blüten geöffnet.

Das ist lustig.

Was bringst du mir?

Ich erhielt einen Brief von X.

Gut!... Was sagt er?

Ich hatte ihn gefragt, was ich tun solle, denn heute habe ich die zweite "Runde" meiner tantrischen Schriften abgeschlossen. Darauf antwortet er mir: "Once more start the thing and continue." [Beginnen Sie noch einmal und machen Sie weiter.]

Natürlich sagt er dir, daß du es durchziehen solltest.

Jetzt brauche ich wieder Papier!

Au!

Wenn wir es wie das letzte Mal machen könnten: ich besorge mir Papierreste in der Druckerei. Ich brauche... 5200 Seiten!

Zweitausend?

Fünftausendzweihundert!...

*
*   *

(Daraufhin übersetzt Mutter den Brief von Sri Aurobindo über die Herabkunft der Liebe, von dem schon am 24. Juli die Rede war. Sie fügt folgenden Kommentar hinzu:)

Wenn die göttliche Liebe zuerst herabkäme – vor der göttlichen Wahrheit –, könnten gewisse Wesen, die über eine spezielle Macht und Empfänglichkeit verfügen, sie persönlich an sich reißen, was dann all diese falschen Bewegungen zur Folge hätte. 1 Steigt diese göttliche Liebe hingegen ausschließlich in der Wahrheit, im Wahrheitsbewußtsein herab, so wird sie nur in Personen Eingang finden, die auch bereit sind, sie zu empfangen. Ohne eine Vorbereitung durch die Wahrheit kann sie eine sehr starke Anziehung auf Elemente ausüben, die sie nicht in ihrer Reinheit erhalten können; aufgrund dieser Vorbereitung durch die Wahrheit wird Das diejenigen Personen oder Individuen AUSWÄHLEN, die bereit sind, sie zu manifestieren.

*
*   *

Später

Bist du immer noch in der Debatte mit dem Tod?

Sie ist noch nicht abgeschlossen; mir bleibt nie genug Zeit, daran zu arbeiten, das ist ärgerlich! Nachmittags habe ich so viel Arbeit – ich kann das nicht einmal "Arbeit" nennen, sondern Beschäftigungen: Leute empfangen, Briefe... Briefe! Und dann die ganze Organisation: alles ist in einem schrecklichen Durcheinander. Ich sollte um vier Uhr mit den letzten Besuchern fertig sein und bis fünf an meiner Übersetzung arbeiten – die Leute gehen aber erst um zehn vor fünf! Da bleibt fast keine Zeit mehr. Alle vier Tage kann ich einmal übersetzen, so geht es nicht voran.

Etwas in der Organisation muß noch geändert werden – es gleitet sehr schnell in die falsche Bahn.

Anfangs (als Mutter sich zurückgezogen hatte) bekam ich ein, zwei Briefe, nicht einmal jeden Tag; jetzt sind es täglich zehn, zwölf, und wenn ich nicht sofort antworte, erhalte ich zwei Tage später einen weiteren Brief: "Ich habe Ihnen geschrieben und noch keine Antwort erhalten." Ich kritzle dann zwei oder drei sehr trockene Worte auf ihren Brief (Mutter lacht)... um ihnen klarzumachen, daß es nicht zu ihrem Vorteil ist, es allzu eilig zu haben.

Nun...

(Mutter versinkt in langes Sinnen)

Ich sah wieder ein Quadrat.

Es war rot gesäumt, wie mit kleinen roten Flämmchen. Dasselbe weiße Quadrat. Und dann wurde es gleichsam verschluckt und durch ein Quadrat aus blaugrünem Licht ersetzt – das Blau und Grün der Anhänger des Tantrismus: wie ein Smaragdgrün und ein schillerndes Saphirblau, eine starke Farbe, durchsichtig, leuchtend. Und schließlich legten sich die beiden Quadrate übereinander, zuerst das blaue und darüber das grüne.

Vorher aber erschien das weiße mit dem roten Rand (es kam zuerst, als habe es sich zwischen uns gebildet). Als es Form annahm, trat in dir eine Entspannung ein – hast du eine Entspannung gefühlt?

(Satprem nickt...
Schweigen)

In den letzten zwei Tagen war Sri Aurobindo ständig hier, die ganze Zeit. Die ganze Zeit über war er mit den Dingen verbunden. Viele Leute sahen ihn, sprachen mit ihm – er war sehr präsent. Seit zwei Tagen.

In gewissen Augenblicken ist es, als trete er in eine Art... ich weiß nicht, eine innere Unbewegtheit; zu anderen Zeiten ist er sehr aktiv.

Einmal (vor zwei, drei Tagen) sagte er mir: "Du bist bei mir, soviel du willst, du redest mit mir, soviel du willst", als sei nicht er der Führende, sondern ich. Ich sagte, das sei nicht wahr! (Mutter lacht) Na ja...

Seit dieser Erfahrung mit der schimmernden Schale ist er sehr nahe. Heute morgen war er geradezu mit allem verbunden.

Es gab sogar einige ziemlich lustige Vorfälle: gestern sah ich Leute, die nicht von hier waren; gewöhnlich rede ich nicht mit Besuchern, aber diesmal sprach ich mit ihnen und wollte etwas sagen, als Sri Aurobindo mich unterbrach: "Sage ihnen das nicht, sonst denken sie noch, du würdest dauernd von derselben Sache reden!" Ich schaute, und es stimmte – also hörte ich sofort auf. Ständig läßt er mich wissen: "Dieser fühlt so, jener denkt das, ein dritter..." Er ist sehr intensiv mit allem verbunden, ständig, ständig.

In anderen Momenten ist er überhaupt nicht mehr hier – "nicht hier", sondern dort oben... im Supramental! (Mutter lacht)

 

1 "Geblendet durch die Verwirrungen des derzeitigen Bewußtseins könnte die Liebe in ihren menschlichen Gefäßen zu Fall kommen, aber auch sonst kann es geschehen, daß sie nicht erkannt und zurückgestoßen wird oder schnell entartet und sich in der Gebrechlichkeit der niederen menschlichen Natur verliert."

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