SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 04 Bande

Mutters

Agenda

vierten Band

5. Oktober 1963

Gestern hatte ich eine sehr sonderbare Erfahrung, die einen merkwürdigen Eindruck hinterließ...

Es war ein Bau – ein riesiges Bauwerk, wie eines von diesen Riesenhotels, die man jetzt baut, mit Innenhöfen und allen möglichen Nebengebäuden. Mein Zimmer lag ganz oben (dies erinnerte mich an eine frühere Erfahrung... erinnerst du dich noch an das "Grand Hotel" 1?). Dem ANSCHEIN nach waren dort alle voller Ehrerbietung, Beflissenheit und Aufmerksamkeit... aber jeder ging seine eigenen Wege – wie so oft. Zunächst befand ich mich ganz unten (mein Zimmer lag ganz oben, ich weiß nicht, wieviele Stockwerke es gab), wo ich Leute traf: Leute, die ich kenne. Aber alle Einzelheiten waren so bedeutungsvoll, einfach wunderbar! Es war gerade Zeit für mein Bad (ich weiß nicht, wie spät es war), deshalb wollte ich hinaufgehen, aber jemand mußte es zubereiten (das ist symbolisch; ich weiß nicht, das Symbol dieses "Bades" habe ich noch nicht verstanden, aber es geschieht oft, und vielleicht hat dieses Symbol eine Bedeutung). Der eine war zu alt (jemand hatte sich bereit erklärt, aber er war zu alt), der andere war nicht stark genug, wieder ein anderer... – es bedurfte SEHR besonderer Eigenschaften, um dieses Bad zubereiten zu können. Dies ist nicht das erste Mal, schon zwei oder dreimal geschah es auf diese Weise: es bedurfte absolut außergewöhnlicher Eigenschaften wie Mut, Stärke, physischer Kraft und Ausdauer, um dieses Bad zuzubereiten. Aber die Leute unten... (Geste der Unfähigkeit). Schließlich sagte ich mir: "Gut, gehen wir hinauf, um zu sehen, was los ist!"

Unterwegs wieder dieselbe Geschichte: ich nahm den üblichen Weg – und paff, abgeschnitten, nichts mehr, ich komme nicht durch; ich kehre also zurück, nehme einen anderen Weg – und paff, abgeschnitten, kein Durchkommen. Aber ich ging weiter hinauf (ich weiß nicht wie). Schließlich gelangte ich zu einer Art quadratischer Balkonterrasse, und ALLE Türen waren verschlossen. Es gab keine Möglichkeit weiterzugehen. Dann sah ich, wie das Wasser stieg und stieg, im GANZEN Gebäude, außer dort, wo die Türen verschlossen waren. Ganz unten... Ich weiß nicht recht, aber ich befand mich sehr hoch oben, im vierten oder fünften Stock, wo die Türen verschlossen waren, so daß natürlich kein Wasser hindurchkam. Doch unten hatten sich alle Höfe (große Höfe, unendlich weitläufige Höfe) in Schwimmbecken verwandelt. Und was für ein Wasser!... Ich betrachtete und bewunderte es und sagte mir: "Was für ein wunderbares Wasser!" Klar, so klar – klarer als das klarste Wasser, das ich je sah. Ein Wasser... Ich weiß nicht, es war durchsichtig wie... wie die Reinheit selbst, wunderbar. Und es stieg und stieg... In einem der Höfe links vor mir (ein sehr großer Hof, der sich in ein riesiges Schwimmbecken verwandelt hatte) sah ich eine Person in einem Badeanzug aus dem Wasser steigen, als hätte sie gerade geschwommen (eine sehr großgewachsene Person, die weder Mann noch Frau war), sie hüllte sich in einen Bademantel, lief dann über das Wasser und ging weg. Ich beobachtete und merkte plötzlich, daß das Wasser bis zu meinen Füßen zu steigen begann. Da WUSSTE ich: "Ah, ja! Sie haben sich entschlossen, das zu tun." Ich war ein wenig verärgert und sagte mir: "Sie hätten mir wirklich Bescheid geben können, daß sie das tun würden... Aber es handelt sich wohl um etwas, das regelmäßig geschieht... Gibt es Leute, die Bescheid wissen?" (Weißt du, all das ging mir durch den Kopf.)

Ich bewunderte dieses Wasser und sagte mir: "Es ist wirklich die Reinheit selbst!" Es stieg bis zu meinen Füßen, machte mich aber nicht naß. Dann bemerkte ich: "Wenn ich hier bleibe..." Denn ich stand mit meinem Rücken gegen verschlossene Türen, und hinter mir ging das Gebäude weiter, vor mir lag aber nichts, das Wasser hätte also normalerweise hier abfließen müssen. Wieso floß es denn nicht ab? Ich weiß es nicht, all das war recht "wunderlich"! Es stieg und stieg und stieg, und als es meine Knöchel erreichte, machte es in mir plötzlich klick, und ich erwachte – mindestens zehn Minuten später als gewohnt.

Ich hatte nicht den Eindruck einer Gefahr – überhaupt nicht. Ich empfand nur dieses Gefühl einer leichten Verärgerung: "Sie tun das einfach so, sie sollten aber wenigstens Bescheid geben!" – Mit "sie" waren die obersten Leiter der Organisation gemeint (es war nichts Religiöses oder Spirituelles daran: es war sehr konkret, in der MATERIE). Aber dieses Wasser... wie ich das bewunderte: "Oh, sie haben die Herrschaft über dieses Wasser!" Wie flüssiger Diamant. Ein Wunder, als ob alles, was es berührte, rein würde. Und dieses Wesen, das dem riesigen Schwimmbecken entstieg, war kein menschliches Wesen: es sah aus wie ein vitales Wesen, das weder Mann noch Frau war; es trug eine Art Badeanzug, hüllte sich in einen Bademantel und verschwand. Aber sonst waren ALLE Türen verschlossen, niemand war anwesend – nur ich auf meinem Quadrat, das von einem Geländer umgeben war; ich stand mit dem Rücken gegen eine verschlossene Tür und betrachtete das Ganze von sehr hoch oben. Alles füllte sich mit diesem Etwas an – wie Wasser, es war aber kein Wasser.

Dabei hatte ich ständig das Gefühl, ich müsse etwas verstehen.

Ich empfand nur eine leichte Enttäuschung: "Sie hätten mir wenigstens Bescheid geben können." Und gleichzeitig ein Lächeln, das verstand, daß es besser so war.

"Sie sollten mir wirklich Bescheid geben..."

Ich dachte, daß es sich um etwas im Vital handelte, denn alle Beziehungen, die ich mit den Leuten unten hatte (bevor ich heraufkam), betrafen ihren Charakter, ihr Vital – nicht die materielle Materie, sondern den Charakter, die vitale Natur. Was es da nicht alles gab!... Man könnte ganze Bände darüber schreiben, von einer solchen Ironie und scharfen, feinfühligen Wahrnehmung, urkomisch! Weißt du, wirklich entzückend: jeder mit seiner kleinen Schwäche – alles Leute, die ich kenne!

Es gibt bestimmte Wesen, die in zwei, drei Personen vertreten sein können: Ein vitales Wesen kann von einem zum andern gehen (ich kenne diese Wesen, ich weiß, daß es so ist), und ich sah DAS WESEN, nicht die verschiedenen Personen. Dieses vitale Wesen ist dem Äußeren nach von weiblicher Natur (wenn sie einmal in menschlichen Wesen verkörpert waren, behalten sie ihr weibliches oder männliches Aussehen bei). Und gerade, als es Zeit für mein Bad war (immer dieses "Bad"... ich muß wirklich herausfinden, was es bedeutet!), hatte es dieses Wesen sehr eilig und ging in sein Zimmer. Eine Minute später (lachend) kommt es wieder heraus und trägt ein Kleid. Eine Art grünes Kleid – ein Grasgrün, aber leuchtend – mit einer enormen Schleppe, einem Schweif. Und es stolzierte mit dem Gedanken vorbei: "Ja, ich wollte ihnen zeigen, wer ich bin." Was für eine herrliche Komödie! Hätte ich Zeit zu schreiben, würden diese Erfahrungen sehr charmante Geschichten abgeben.

Ich muß wirklich herausfinden, was es mit diesem Bad auf sich hat, das immer wieder vorkommt.

Ein anderer war so erpicht darauf, dieses Bad zuzubereiten (ich weiß, wer es ist, ich kenne ihn sehr gut), aber er hatte keine Kraft, er konnte es nicht: "Ach, ich würde so gerne das Bad zubereiten!" Ich schaute ihn an und wollte nicht nein sagen; aber ich dachte: "Das ist nicht möglich, er hat einfach nicht die Kraft dazu."

(Schweigen)

Ich stieg immer höher, aber alle mir bekannten Wege brachen unvermittelt ab. Ich begann meinen Aufstieg auf einer sehr breiten Treppe, einer wunderschönen Treppe aus rosafarbenem Marmor; auf dieser hätte ich emporsteigen sollen, aber als ich mich umwandte – plock! Unmöglich durchzukommen (wie geht das nur?... Unmöglich durchzukommen, und dennoch geht es weiter hinauf?...) Und schon befinde ich mich auf einem anderen Treppenabsatz, und auch hier möchte ich weitergehen: plock! Angehalten, unmöglich durchzukommen! Wieder versuche ich es und stehe diesmal auf dem dritten Treppenabsatz (in Wirklichkeit war es höher, denn ich war schon zwei Stockwerke hochgestiegen, bevor ich aufgehalten wurde). Ich komme also zum dritten Treppenabsatz und befinde mich auf einem Quadrat – einem exakt quadratischen Rechteck – gesäumt von einem Geländer aus rosa Marmor, aber mit kleinen roten Adern, sehr schön: wunderschön ziseliert. Hinter mir lag eine Art Bronzetür, die verschlossen war. Dort sah ich, wie das Wasser stieg und stieg (kein Wasser, aber es war flüssig wie Wasser), es stieg und stieg. Und vor mir: eine unermeßliche Weite. Keine Grenzen mehr. Ich befand mich über all den anderen Häusern, keine Bäume, keine Berge beschränkten die Sicht, nichts – eine Unendlichkeit wie ein völlig wolkenloser Himmel, und es war nicht weiß, aber lichterfüllt. Ich beobachtete, was dort unten vor sich ging, und sah das Wasser steigen, steigen, steigen, wie die Sintflut selbst. Aber es war kein Wasser.

Es wird wiederkommen, bis ich verstehe.

Erschien es dir wie eine Katastrophe?

Nein.

Aber in diesem Bewußtsein gibt es keine "Katastrophen", folglich kann ich es nicht wissen.

Da war nur das: "Warum?... Sie hätten mir immerhin Bescheid geben können!" – "Sie" in der Mehrzahl: "Sie hätten sollen." Es handelte sich um die "allmächtigen Meister", die "höchsten Meister". Aber dieses Gefühl hatte nichts Religiöses oder Spirituelles an sich.

War es im Vital, die höchsten Wesen des Vitals?

Nein, nein!

Sie entsprachen den "Besitzern" – Besitzer in dem Sinne, daß sie alles konstruiert hatten und ihnen alles gehörte; sie hatten alles gebaut, alles organisiert. Vielleicht sind es Götter?

Ich hatte überhaupt keine Achtung vor ihnen (ich weiß nicht, wie ich es erklären soll), nicht nur keinen Respekt, sondern ich beachtete sie gar nicht: sie waren eben die Besitzer. Nur wohnte ich eben ganz oben in dem Haus. Und hier in diesem Haus gehorchten mir alle ("gehorchten" mir jedenfalls dem Anschein nach). Diese Besitzer oder das management [die Direktion] hingen nicht von mir ab, ich gab ihnen keine Anweisungen; sie brauchten mich nicht zu fragen, wenn sie etwas tun wollten – und ich hing auch nicht von ihnen ab. Ich fühlte mich dort nicht besonders zu Hause, nicht mehr als sonstwo; ich hatte allerdings mein Zimmer oben im Haus.

Vielleicht sind es Götter?

Das Weltengebäude, so wie sie es gebaut haben?

Aber was bedeutet dieses Wasser, das steigt und steigt und steigt?...

Alles war sehr gut organisiert, denn alle Türen waren verschlossen, und dieses Wasser drang nirgends ein, wo es nicht hätte eindringen sollen – ich sah niemanden ertrinken, niemand war in Gefahr. Für niemanden bestand die geringste Gefahr. Nur ein einziges Wesen erschien, ein Vitalwesen (es war nicht wie die anderen, die ich unten sah). Es amüsierte sich köstlich in diesem Wasser. Dann verschwand es.

Ich erinnere mich, als das Wasser meine Füße berührte, war es... (Wie soll ich das erklären?) Keine Empfindung, ich empfand nichts, aber um meine Füße herum leuchtete es wie glitzernde Diamanten. Ich hatte selbstverständlich nicht die Absicht, ganz darin einzutauchen, und als ich dieses Wasser um meine Füße herum fühlte, hatte ich ein sonderbares Gefühl (eine Wahrnehmung, kein Gefühl), nicht das Gefühl, naß zu sein, aber mir wurde klar: "Hier darf ich nicht bleiben." Und damit erwachte ich sehr abrupt.

(Schweigen)

Als ich das Wasser so ansteigen sah, bevor es meine Füße erreichte, sagte ich mir: "Sie hätten mir immerhin Bescheid geben können" (nein, es ging nicht darum, "mir" Bescheid zu geben, sondern die Sache ANZUKÜNDIGEN). Und gleichzeitig hatte ich den Eindruck: "Sieh an, aber das geschieht ja regelmäßig (Geste eines Zyklus); trotzdem sollten sie die Leute auf dem laufenden halten." Es war nicht stark, bloß ein flüchtiger Gedanke.

Keine Sekunde lang das Gefühl einer Gefahr, überhaupt nicht. Nicht eine Sekunde.

Ich weiß nicht...

(Schweigen)

Es hat eine Bedeutung.

Es wird in einer anderen Form wiederkommen, um mir die Erklärung zu liefern.

In den alten Überlieferungen ist oft von "Brunnen der Unsterblichkeit" die Rede, könnte es nicht damit zu tun haben? Wasser, das die Macht hätte, Unsterblichkeit zu verleihen?

Vielleicht.

Die einen unverwundbar machen.

Unverwundbar... das ist es vielleicht.

Immerzu soll ich mein Bad nehmen: ich soll ein Bad nehmen, und keiner ist fähig, es mir zuzubereiten.

Ich habe dort ein Badezimmer.

Immer will ich mein Bad nehmen, aber jemand muß es zubereiten; und entweder ist er nicht stark genug, oder er denkt an etwas anderes, oder er kümmert sich nicht darum, oder... Und einmal (ich erzählte es dir) öffnete ich die Tür und fand jemanden, der selber baden wollte 2, aber ich kam gerade noch rechtzeitig hinzu.

Wir werden ja sehen.

 

1 Siehe Agenda, Band I, S. 102 (3. Juli 1957).

Rückwärts zum Text

2 Siehe das Gespräch vom 25. September 1963.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English