Mutters
Agenda
vierten Band
(Mutter beginnt, zwei Strophen aus Savitri vorzulesen, Auszüge aus der "Debatte mit dem Tod". Sie wollte diese als Motto für das Gespräch vom 7. September verwenden – den "Dialog mit einem Materialisten".)
Hör dir das an:
O Tod, du sprichst die Wahrheit, aber eine Wahrheit, die tötet,
Ich antworte dir mit der Wahrheit, die rettet.
(X.III.621)
Das ist so schön!
"O Tod, du sprichst die Wahrheit"... Was kann der Materialist dagegen noch einwenden? – Es ist die Wahrheit!
Auf englisch:
O Death, thou speakest Truth but Truth that slays,
I answer to thee with the Truth that saves.
*
* *
(Jedesmal, wenn eine neue Wahrheit versuchte, sich auf Erden zu manifestieren, wurde sie sofort von pseudo-spirituellen Kräften angegriffen, verdorben und verfälscht. Diese Kräfte vertraten zu einem gegebenen Moment tatsächlich eine gewisse Spiritualität, aber eben jene, über welche die neue Wahrheit hinausgehen will. So wurde – um nur ein Beispiel aus der mit traurigen "spirituellen Fehlleitungen" überladenen Geschichte zu geben – der Buddhismus in einem großen Teil des asiatischen Kontinents weitgehend durch einen tantrischen und magischen Buddhismus verdorben. Die Falschheit liegt nicht in der alten Spiritualität, die die neue Wahrheit zu übertreffen versucht, sondern in der ewigen Tatsache, daß die Vergangenheit sich an ihre Mächte, ihre Mittel und ihre Herrschaft klammert. Wie sich Mutter in ihrer einfachen Sprache ausdrückte: "Das Übel ist, daran klebenzubleiben." Und Sri Aurobindo mit seinem immer gegenwärtigen Humor: "Die spirituellen Wahrheiten der Vergangenheit sind dort sehr gut, wo sie sind – in der Vergangenheit." Wir können uns darauf gefaßt machen, daß das Phänomen heute wieder auftritt. In Indien stellt der Tantrismus eine machtvolle Disziplin der Vergangenheit dar, und es war unvermeidlich, daß Mutter in ihrem Versuch der Umwandlung aller Mittel und aller Elemente der alten Erde die Erfahrung sowohl des Besten wie auch des Schlimmsten dieses Systems machte – diese Agenda hat ausführlich von einem gewissen X, dem Symbol des Tantrismus, gesprochen. Nun fügt es sich, daß wir Zeuge desselben Phänomens der "Fehlleitung" werden und daß dieser selbe Tantrismus heute versucht, die neue Wahrheit zu verfälschen, indem er so viele Anhänger wie möglich davon zu überzeugen versucht, daß Mutters Mantra zu fortgeschritten für einfache Sterbliche sei und nicht wiederholt werden solle, sondern vielmehr tantrische Mantras zu benutzen seien. Es genügt, den Mechanismus der Kräfte auch nur ein bißchen zu verstehen, um zu erkennen, daß man sich durch das Wiederholen eines Mantras der alten Götter unter den Einfluß und den Bannkreis genau dessen begibt, was sich der neuen Wahrheit widersetzt. Mutter hatte dieses Phänomen vorausgesehen und uns davor gewarnt. Lange hatte Satprem geglaubt, daß sich der Tantrismus wandeln werde. Dem ist nicht so. Er versucht, Mutter zu verdrängen und jene auf eine falsche Bahn zu führen, die nicht genügend aufrichtig sind, um nur EINE EINZIGE SACHE zu wollen: die neue Welt.)
*
* *
X ist abgereist. Ich habe ihn zweimal gesehen (gestern war das zweite Mal), und ich wollte das zweite Treffen abwarten, bevor ich dir die Geschichte erzähle.
Beim ersten Mal ereignete sich folgendes: Ich bereitete ihm mein übliches "Bad des Herrn", und es ist vereinbart, daß Champaklal nach einer gewissen Zeit die Tür öffnet – für mich das Zeichen, daß das Treffen beendet ist. Darauf schaute ich X an, einfach so, um zu sehen (ich hatte ihn zuvor mehrere Male angeschaut, ohne etwas Besonderes zu bemerken), und nun sah ich vor ihm eine Substanzmasse, die nicht materiell war, sondern auf mentale Formationen reagierte, d.h. daß diese Substanz je nach dem mentalen Denken und Willen ihre Gestalt wechselt – ich kenne das (Geste, als ob Mutter die Substanz abtastete), sie ist der Substanz sehr ähnlich, deren sich die Medien für ihre Erscheinungen bedienen (weniger materiell, mehr mental, aber jedenfalls analog). Er hatte diese Art Masse vor sich, die ihn verbarg; sie war nicht leuchtend und auch nicht schwarz, eher trübe. Darauf schaute ich ihn an, FIXIERTE ihn, um zu sehen, was es war, und dabei sah ich, daß es einen Willen oder eine Bemühung gab, dieser Substanzmasse eine Form zu geben. Sie war genau vor dem Kopf und den Schultern von X. Er hatte den Willen, ihr eine Form zu geben (Geste des Formens). Als ich die Substanzmasse sehr aufmerksam betrachtete, nahm sie die Gestalt von Sri Aurobindos Kopf an, so wie er in den Zeitungen und Zeitschriften erscheint (was ich den "volkstümlichen Sri Aurobindo" nenne, so wie man ihn in den Büchern darstellt). Sofort dachte ich (ironischer Tonfall): "Ah! Das ist die volkstümliche Gestalt, sie gleicht ihm nicht!" Und augenblicklich formte sich die Substanz um und nahm die Gestalt des Sri Aurobindo von Cartier Bresson 1 an (das Bild im Halbprofil, im Lehnstuhl sitzend). Das war besser! (Mutter hält sich zurück, um nicht zu lachen) Sie war nicht völlig gelungen, aber doch besser (allerdings besaß sie weder Licht noch Leben: es war modellierte Materie – eine feinstoffliche Materie –, gestaltet durch einen mentalen Willen). Immerhin begann ich mich zu fragen: "Was soll das bedeuten? Will er mich glauben machen, daß Sri Aurobindo in ihm ist, oder was?" Denn der Kopf und die Schultern von X waren vollständig verschwunden, es gab nur noch diese Form. Und ich dachte (kein starker Gedanke, bloß eine Reflexion): "Nein, das ist nicht sehr gut! Wirklich nicht sehr ähnlich!" (Mutter lacht) Daraufhin unternahm er einen letzten Versuch, und dieser glich ganz und gar dem Foto, das gemacht wurde, als er seinen Körper verließ (jenes Foto, das wir hochgestellt und "Meditation" genannt haben), es war diesem Foto sehr ähnlich, (ironisch) sehr, sehr ähnlich. Und das blieb. Da dachte ich: "Oh, ja, das ist das Foto."
Schließlich konzentrierte ich mich nur ein wenig und sagte mir: "Schauen wir mal – wem will man da etwas weismachen?" Da verschwand das gesamte Gebilde augenblicklich, und ich sah X, seinen Kopf.
Ich hatte dieses Ding scharf angesehen – mehr als zehn Minuten –, ich nahm es genau unter die Lupe, und mit wirklich viel gutem Willen versuchte ich zu sehen, ob sich Sri Aurobindos Schwingung darin befand (das Licht war nicht da, aber ich versuchte zu sehen, ob die Schwingung anwesend war) – ich empfand nichts.
Trotz alledem bestand ein sehr starker WILLE, der mich glauben machen wollte, daß er es sei – ich habe es ja gesehen.
Ich war ein wenig verstimmt.
Zuerst dachte ich mir: "Aber für wen hält er mich denn! (lachend) Für einen Dummkopf, dem man ein "x" für ein "u" vormachen will?" Dann sagte ich mir, daß ich vor seiner Abreise nichts sagen würde: ich wollte noch warten und ihn ein zweites Mal sehen. Daraufhin machte ich eine sehr starke Formation und sagte Sri Aurobindo: "Wenn wirklich irgend etwas von dir da drin ist, dann muß es sich das nächste Mal wieder zeigen." Gestern schaute ich die ganze Zeit, aufmerksam, mit großer Sorgfalt – und es passierte absolut nichts.
Das mochte ich nicht gerade.
Ich kenne diese Dinge ja, ich habe Tausende davon gesehen. Nur ist es eben so, daß ich seit mehr als einem halben Jahrhundert sehr scharf unterscheiden kann. Ich glaube, ich habe dir schon erzählt, daß ich nach meiner Rückkehr aus Japan in Schwierigkeiten geriet: einmal war ich in Gefahr und rief Sri Aurobindo, und er erschien, und die Gefahr löste sich auf 2 – er erschien, das heißt, er kam, etwas von ihm kam, eine EMANATION von ihm kam, lebendig, völlig konkret. Am folgenden Tag (oder vielmehr später am selben Tag) erzählte ich ihm von meiner Erfahrung und daß ich ihn gesehen hatte; das beunruhigte ihn (es bestand nämlich eine dauernde Gefahr), und er war der festen Meinung, daß er sich auf mich konzentrieren müsse, um mich zu beschützen. Am folgenden Tag sah ich ihn – aber es war ein Bild, eine mentale Formation. Ich sagte ihm: "Ja, Ihr seid als mentale Formation gekommen, das war nicht das gleiche!" Daraufhin sagte er mir, daß diese Unterscheidungsfähigkeit eine äußerst seltene Gabe sei. Aber ich habe sie immer gehabt, schon als ich klein war. Es ist eine Sensibilität der Wahrnehmung. Ich glaube wirklich, daß nur sehr wenige Personen dieses Unterscheidungsvermögen haben. Eben deshalb war mein erster Eindruck: "Aber was soll denn das! Ich habe immerhin ein wenig Welterfahrung, man kann mir doch keinen solchen Bären aufbinden!"
Gestern war alles sehr friedlich, nichts: X war die ganze Zeit da, und niemand stellte sich vor ihn, keine Täuschungsversuche. Beim ersten Mal blieb er zehn Minuten länger, als ob er ein Resultat erwartete – wahrscheinlich erwartete er eine Reaktion (ich hatte ihm nie gesagt, daß Sri Aurobindo ständig bei mir ist und daß wir jede Nacht miteinander sprechen). Jedenfalls erwartete er wahrscheinlich Begeisterung von mir. So ist das.
(Satprem kann kaum glauben, was ihm Mutter gesagt hat:) Ging dieser Wille wirklich von ihm aus? War es nicht jemand anders, der sich dieser Substanz bediente?
Nein, entweder war er es oder sein Guru – sein Guru mischt sich in viele Dinge ein. Und seinen Guru habe ich mehrmals bei ihm gesehen – ich war nicht ganz sicher, ob es X war, aber wenn nicht X, dann sein Guru, es konnte nur einer von beiden sein. Und es geschah ABSICHTLICH, um mich denken zu lassen, Sri Aurobindo sei in X und benutze X als sein Ausdrucksmittel.
Vor sehr langer Zeit, als ich noch unten arbeitete (nicht im letzten Jahr, das Jahr davor), ich erinnere mich nicht mehr an Einzelheiten, aber ich weiß, daß er mir eines Tages während der Meditation eine Art Kinovorstellung gab: er zeigte sich als dieser und jener, dies und das – eine ganze Schar Götter und Wesen legte sich über ihn (Mutter legt ihre beiden Hände aufeinander), und auch Sri Aurobindo befand sich in diesem Haufen. Ich faßte dies als eine Demonstration seiner Macht auf – ich maß dem keine Bedeutung bei. Selbstverständlich sah ich, was es war; keine dieser Persönlichkeiten war echt, es war lediglich ihr Abbild. Aber ich maß dem keine Bedeutung bei, denn es erschien mir wie... (lachend) jemand, der mir eine Vorstellung gab!
Aber dieses Mal...
Wohlgemerkt, es ist das erste Mal, daß so etwas passierte, daß er versuchte... spontan sage ich, daß er versuchte, mir etwas weiszumachen. Es würde mich erstaunen, wenn er sich dessen nicht bewußt war.
Du weißt, daß er während langer Zeit behauptete: "Ich und Mutter, die Mutter und ich, wir sind eins." Natürlich steht das auch in den Schriften so. Aber es wurde mir zugetragen (ich messe dem keine große Bedeutung bei, weil die Leute alles verdrehen), daß er mehrmals gesagt haben soll: "Die Mutter spricht durch mich", wobei ich "nonsense" [Albernheiten] von mir gab! (lachend) Das ist also recht ärgerlich. Wenn ich wenigstens sehr weise Dinge gesagt hätte...
Das ist schwerwiegend.
Ich nenne das nicht "schwerwiegend".
Ich nenne es nicht schwerwiegend, weil es vielleicht mit der allerbesten Absicht der Welt geschah: nicht um mich zu täuschen, sondern um mir zu helfen. Aber es erschien mir von einer solchen IGNORANZ! Daß er sich mir gegenüber solcher Mittel bedient, besagt, daß er mich absolut nicht kennt.
Mit jedem gewöhnlichen Medium würde das funktionieren, oder mit jemandem, der so tut als ob. Jemand, der etwas vortäuscht, der nicht aufrichtig ist, würde sofort davon eingenommen, denn in solchen Fällen RETTET EINEN DIE AUFRICHTIGKEIT. Offenbar ist es sehr schwierig zu unterscheiden. Die Aufrichtigkeit rettet (es ist dasselbe, was ich Sujata sagte 3). Ich erinnere mich an Madame Théon. Als ich ihr einige meiner Erfahrungen erzählte, sagte sie mir: "Niemand kann Sie täuschen, weil Sie völlig aufrichtig sind" (auf okkulte Art, ich sage nicht äußerlich, sondern auf okkulte Art). Und es ist wahr, das hängt von der Aufrichtigkeit ab. Folglich beweist die Tatsache, daß X dies versucht hat, welch merkwürdige Meinung er von mir hat.
Aber warum das alles? Zu welchem Zweck?
Man hat mir vieles zugetragen. Er war ZUMINDEST ungeschickt; nachher stritt er es ab, aber es ist wahr, ich weiß es: er sagte, daß er meinen Platz einnehmen werde, wenn ich ginge, wenn ich meinen Körper verlasse.
Tatsächlich?
Ja, ich weiß, daß er das gesagt hat.
Das erscheint mir unglaublich.
Ich beschuldige ihn nicht, weil ich immer vom günstigsten Fall ausgehe – es kann der Ausdruck eines aufrichtigen guten Willens sein, der aber offensichtlich absolut unwissend ist. Und dann hat er eine solche Manie für das Prophetentum! Auch diesmal (man hatte ihn nichts gefragt) sagte er spontan, daß ich im nächsten Jahr hinunterkommen und meine Aktivitäten unten wieder aufnehmen werde. Darauf schaute ich genau hin (durch das hindurch schaute ich mir an, was er sich dabei dachte), und ich sah: für ihn nahm ich keineswegs eine neue Macht in Besitz, es war eine Rückkehr zum Alten – aber eine Rückkehr zum Alten wäre in meinem Fall eine Albernheit!
Aber sicher!
Du verstehst, das interessiert mich; ich will ihm keine Schuld zuweisen, aber es ist der Beweis, daß er absolut nicht wahrnehmen kann, wer ich bin.
Es stimmt sicher, daß er überhaupt nicht versteht, was deine Arbeit bedeutet; allerdings hatte ich eher den Eindruck eines guten Willens.
Ja, er hat einen guten Willen, aber einen solch unwissenden guten Willen!
Er sagte sogar, daß man ihn darum bitten werde – man werde ihn BITTEN, meinen Platz einzunehmen. Er meinte: "Ich weiß nicht, denn ich bin ein freier Mann"! (Mutter lacht hellauf)
Nun...
Ich wollte dir das sagen, weil es interessant festzuhalten ist, und damit das bleibt.
Aber ich will nicht, daß er es erfährt, weil ich vom günstigsten Fall seines guten Willens ausgehe, als ob er mir zu verstehen geben wolle, daß er vollständig gewillt sei, mir zu helfen und mich zu unterstützen; aber all das in einer mentalen Haltung, die mir so kindisch vorkommt! Sozusagen die Vorstellung, daß ich nur zu Sri Aurobindo Vertrauen habe und daß ich dem Glauben schenke, was sich mir in der Gestalt von Sri Aurobindo zeigt. Solche Dinge. Ich hatte wirklich den Eindruck, er dachte, es mit einer dummen Gans zu tun zu haben.
Auf der mentalen Ebene weiß ich das. Wenn ich mit ihm zusammen bin und mir zufällig zwei Minuten anhöre, was er mir sagt, kriege ich Kopfweh, ich kann nicht. Ich kann nur bei ihm sein, wenn ich darüber oder außerhalb stehe, dann geht es sehr gut. Aber wenn ich ihm mit meinem Mental zuhöre, bekomme ich Kopfweh.
Ja, ich sagte dir, wie fürchterlich es war, als ich eines Tages in sein Mental eintrat.
Ich kann ihm nicht zuhören, aber ich kann mit ihm zusammen sein, ohne ihm zuzuhören.
So ist es! (Mutter lacht)
Offensichtlich versteht er es, die mentale Substanz zu formen, aber das machen ja alle, ohne es zu wissen, ganz automatisch – diese Handhabung der mentalen Materie, um ihr eine Gestalt zu geben, machen alle: es genügt, einen Gedanken mit ein wenig Nachdruck zu denken, damit das passiert. Nur sehen es die Leute nicht, weil sie die mentale Schau nicht haben. Und diesmal war es ganz amüsant (die mentale Formation von X), weil sie so rasch reagierte (das brachte mich auf den Gedanken, daß er es sei und nicht jemand anders), sie reagierte so gut auf meine unmittelbaren Gedanken (und ich dachte ohne Nachdruck); ich schaute mir das an, und spontan sagte ich mir innerlich: "Oh, nein!"... Es war fast so, als ob Sri Aurobindo sagte: "Oh, nein! Das ist mein volkstümliches Portrait, das ist nichts wert!"
So ist das 4 .
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* *
Kurz darauf
Ich würde gerne wissen, was diese "Überschwemmung" vor ein paar Tagen bedeutete?
Ach ja, ich erfuhr die Erklärung, aber nun erinnere ich mich nicht mehr. Ich hatte sie und ordnete sie ein – all das vergeht so schnell, so schnell...
Ich sah das sehr klar, jetzt erinnere ich mich nicht mehr. Sie wird wiederkommen.
Es gibt Tausende solcher Dinge.
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* *
(nach einem Schweigen)
Gegenwärtig findet wirklich ein Kampf gegen all die irdischen Formationen statt, die... ja, gegen die Unwissenheit und Unbewußtheit des Ur-Denkens der Erde.
Das ist immer noch da: Sogar bei Leuten, die ihr Mental entwickelt haben, die fähig sind, aus dieser Finsternis und Unwissenheit herauszukommen, ist es immer noch vorhanden – irgendwo in einem mentalen oder vitalen Unterbewußtsein besteht es fort. Es ist so finster! Weißt du, völlig dumm: man kann ihm Hunderte und Tausende von Beweisen entgegenhalten, ohne daß es sich dadurch bewegen läßt – eine Art Unfähigkeit zu verstehen. Ständig kommt das an die Oberfläche, und jedesmal muß ich es "darbieten" (Geste einer Opfergabe nach oben): "Dies ist immer noch vorhanden; das ist noch vorhanden, jenes..." Und ich sehe sehr wohl, daß die Unterscheidung zwischen dem, was in diesem Körper und seiner Atmosphäre abläuft, und dem, was sich in allen anderen Körpern abspielt... ich weiß nicht, ob noch ein Unterschied besteht, jedenfalls ist er nicht wahrnehmbar. Und so verzeichnet das Bewußtsein all diese Bewegungen wie persönliche Bewegungen, die der physischen Person eigen sind. Aber die physische Person ist nicht nur dies (Mutter berührt ihren Körper), nicht nur dieser Körper – ich bin mir noch nicht sicher, ob die physische Person die gesamte Erde ist (für gewisse Dinge ist sie die gesamte Erde), oder ob sie die Gesamtheit der Körper aller Menschen, mit denen ich in Kontakt bin, darstellt... In den letzten Stunden der Nacht, zwischen zwei und vier Uhr, sehe ich präzise Formen, aber diese Formen sind wiederum stellvertretend in dem Sinne, daß sie TYPEN darstellen, und diese Typen kleiden sich in das Bild von jemandem, mit dem ich persönlich in Kontakt stehe oder stand; aber für mich sind das Typen: "Ah, das ist jener Typ" – und er kann Tausende von Leuten repräsentieren. Und die Aktion (es geschieht immer für eine Aktion), die Aktion an einem der Personen-Typen wirkt sich auf alle aus, für die er steht.
Diese Arbeit erscheint... unendlich – jedenfalls ohne Ende.
Und sie hat Konsequenzen.
Was ich tue, ist folgendes: Die Sache kommt, wird aufgenommen, dargeboten (nach oben gerichtete Geste), als käme sie von mir: "Ach, sieh doch, wie ich bin..." (Aber es handelt sich um das "Ich" – das große Ich); mit dem Eindruck, dem Gefühl einer totalen Machtlosigkeit wird es dem Herrn in aller Demut dargereicht – ich bitte einfach: "Hier, ändere Du es!" Der Eindruck, daß nur Er das tun kann, und alles, was die Menschen überall versuchen, erscheint wie Kindereien – alles, die erhabenste Intelligenz erscheint mir wie eine Kinderei. Alles, was man versucht, um die Menschheit zu erleuchten, zu organisieren, zu lehren, sie zu einem höheren Bewußtsein zu erwecken, sie die Natur und ihre Kräfte meistern zu lassen, all das, was für das menschliche Auge manchmal vollkommen erhaben wirkt, erscheint einem wie die Spiele von Kindern im Spielzimmer. Noch dazu sind es gefährliche Spiele, und sie glauben SCHRECKLICH ernst an das, was sie tun (wie es bei Kindern stets der Fall ist). Ich bin nie einer ernsteren und strengeren Gerechtigkeit begegnet als bei Kindern in ihren Spielen, sie nehmen das Leben wirklich ernst. Genauso erscheint einem das: eine Menschheit im Kindheitsstadium, die alles, was sie tut, fürchterlich ernst nimmt. Und die nie da herauskommen wird – nie –, es fehlt ihr das gewisse Etwas (das vielleicht fast gar nichts ist), ein ganz kleines Etwas, wodurch sich alles... ja, alles erhellt und ordnet sich. Alle menschlichen Bemühungen berühren immer nur den RAND der Wahrheit.
Das einzige, was ich da tun kann, ist stets (darbietende Geste): "Nimm Du es, Herr, siehst Du, wir haben nichts, wir können nichts, wir sind absolut dumm – es liegt an Dir, es zu ändern." Wie sollten wir es auch ändern können? – Wir können es uns nicht einmal vorstellen, nicht einmal das. Und so verbringe ich meine Zeit (gleiche Geste), nicht nur von Zeit zu Zeit, sondern Tag und Nacht, unaufhörlich, Tag und Nacht, ununterbrochen; wenn ich es zwei Minuten vergessen sollte, erwacht sofort etwas, das mich ermahnt: "Oh, all diese verlorene Zeit!" Und wenn ich aufmerksam hinschaue, was geschehen ist, dann sehe ich, daß ich während dieser paar Minuten einfach glückselig im Herrn verweilte. Ich ließ mich glückselig im Herrn leben, bot ihm also nicht die Dinge dar – das geschieht zwei- oder dreimal am Tag. Eine Entspannung, weißt du, man läßt sich einfach glückselig im Herrn gehen. Das geschieht so natürlich, so spontan, daß ich es nicht einmal merke; ich merke es erst, wenn ich meine Haltung wieder einnehme, in jeder Minute alles dem Herrn zu übergeben (nach oben gerichtete Geste).
(Schweigen)
Und ständig werde ich mit der Frage meines Alters bedrängt... Bei allen, allen (wegen irgend etwas, aus irgendeinem Anlaß), ohne es auch nur zu merken, lauert im Hintergrund immer die Idee des hohen Alters, des Niedergangs und der Gebrechlichkeit. Das bedrängt mich tausendmal am Tag. (Mutter lacht) Auch hier sage ich dem Herrn: "Hör mal, geht es denn wirklich abwärts mit mir?" Dann zeigt er mir ein oder zwei Dinge... in einem strahlenden Licht. Das passiert von Zeit zu Zeit – nicht oft –, wenn die "Lawine" besonders groß war; dann erscheint ein blendendes Licht, eine Kraft, die manchmal von einer so ungeheuren Macht ist, daß man den Eindruck hat, wenn man sich ihrer bediente, könnte alles geschehen. Gerate ich zum Beispiel einfach in Kontakt mit einem boshaften schlechten Willen (was selten passiert), mit einem Drang oder Wunsch zu schaden, dann mache ich das (Mutter zwickt die Vibration mit den Fingern) – aber das entspricht einer Sache im Innern: eine bestimmte Kraft wirkt dort mit einem weißen, vollkommen weißen Licht, eine Macht, die nichts anderes duldet als ein vollkommenes Weiß –, und fast augenblicklich ruft das in der Person, die wegen einer teilweisen Betroffenheit des Vitals den schlechten Willen gezeigt hatte, eine spürbare Nervenkrise hervor (wie nennt man das?): a vital collapse oder nervous collapse [einen Nervenzusammenbruch]. Dann wird natürlich der ganzen Bewegung Einhalt geboten, und man beobachtet die Sache völlig ruhig, mit einem ewigen Lächeln. Aber das kommt, wie um mir zu zeigen: hier die Potentialität (!). Nur gibt es keine Aufforderung, sich ihrer zu bedienen, außer von Zeit zu Zeit "einfach so".
(Schweigen)
Ach ja, letzte Nacht kam mitten in der Nacht jemand zu mir (er war dunkelblau, das bedeutet eine mentale Formation), er brachte mir einen Aktionsplan und sagte: "Alles ist vorbereitet: Um diese Zeit, an jenem Tag (es war für das kommende Jahr) haben Sie diese Arbeit zu verrichten. Sie müssen hinuntergehen, und für Ihre Ankunft unten wird alles folgendermaßen vorbereitet sein – dies und jenes..." Ich spielte das Spiel mit und sagte: "Ach, nein! Das geht nicht, es muß so oder so arrangiert werden..." Dann, als alles fertig war, veranlaßte mich plötzlich etwas, mich nach innen zu wenden (Geste der Einkehr nach innen), ich sah mir die Sache an, sah die Person, den Plan und alles (ich war mitten in der Handlung) und sagte: "Ja, das ist schön und gut, aber... das Dumme ist nur, daß ich nicht nach unten gehe." Und plötzlich, prrt! weg – es war eine Konstruktion, als ob ein ganzer Plan, vielleicht sogar von Seiten der Regierung (!), mich unten haben wollte. Beim Erwachen (das heißt am Morgen, nach meinen nächtlichen Aktivitäten), sagte ich mir: "Vielleicht war es das, was sich X gezeigt hatte?" (Es war ein Gedankengebilde – von wem und woher das kam, bekümmerte mich nicht.) Vielleicht war es das, was X mit der Autorität eines Hellsehers sagen ließ: "Nächstes Jahr wird Mutter herunterkommen." Ich fand das sehr lustig.
Mehr und mehr zeigen sich die Dinge SO, WIE SIE SIND: präzise, ohne Komplikationen. Ich merkte, daß den Menschen – selbst den aufrichtigsten und rechtschaffensten – immer eine Art Verkleidung, a coating, eine emotionale Schicht anhaftet (selbst den kältesten, trockensten Menschen), etwas aus dem Vital, eine emotionale Schicht, welche die Dinge trübe und ungewiß erscheinen läßt, ihnen Spiel läßt, was den Leuten den Eindruck allerlei mitwirkender "mysteriöser Kräfte" vermittelt – die Dinge an sich sind sehr klar, sehr einfach, ja, sehr einfach, und dann kommt das hinzu und führt zu Verwirrungen. Es sind keine Gefühlsregungen, auch keine Emotionen, sondern... ach, es LIEBT die Ungewißheit, das Unbekannte, das Unerwartete – nicht direkt den Zufall (so stark ist es nicht), aber es lebt so gerne in... im Grunde ist es Unwissenheit! Nicht zu wissen, was geschehen wird. Selbst den einfachsten und augenscheinlichsten Dingen haftet dies an.
Sieh doch nur, wie viele Leute, selbst die seriösesten, sich die Zukunft weissagen lassen wollen: sie lassen sich die Hände lesen, ihre Handschrift (ich werde ständig mit solchen Anfragen bedrängt), aber selbst ungeachtet aller spirituellen Vorstellungen hegen sie diese Neugier zu hören: "Sehen Sie, Ihre Lebenslinie geht bis da und dahin!..." Die Leute lieben das einfach. Sie lieben es, sie wollen in ihrer Ungewißheit bleiben. Sie lieben ihre Unwissenheit. Sie lieben das Unbekannte – dieses "geheimnisvolle" Unbekannte. Sie wünschen sich einen Propheten, der ihnen sagt: "Du wirst dies tun... Jenes wird dir zustoßen..." Das erscheint so kindisch! Es gleicht der Faszination durch das Theater (nicht der des Autors, der das Stück geschrieben hat, sondern der des Zuschauers, der es sich ansieht und sich fragt, wie es enden wird) oder dem Gefühl der Spannung bei der Lektüre von Romanen – die Vorliebe für das "Unbekannte". Das ist unmittelbar verwandt mit der Vorliebe für das Wunderbare.
Zur Erkenntnis ist es noch ein sehr weiter Weg – zum Bewußtsein, wo man ruhig weiß und wo alles so einfach, so natürlich und offensichtlich ist. Nur diese Beschichtung verursacht all die Komplikationen: in der menschlichen Atmosphäre wird auf einmal alles kompliziert.
Ich glaube, die Tiere (ausgenommen jene, die mit den Menschen leben), die natürlichen Tiere (es gibt inzwischen nicht mehr viele, sie wurden fast alle von den Menschen angesteckt!), die Tiere in ihrem natürlichen Zustand haben ein sehr einfaches Leben. Alles ist sehr klar, sehr einfach und natürlich – nur wir schaffen die Komplikationen.
1 Der Sri Aurobindo im Jahre 1950 fotografiert hatte.
2 Die bekannte Würgeszene mit Richard.
3 Die eine mit Flecken übersäte "falsche" Mutter gesehen hatte; ihre Aufrichtigkeit hatte sie die Flecken sehen lassen. Andere hätten eine "strahlende" Mutter gesehen (siehe das Gespräch vom 26. Juli 1963).
4 Wir verweisen den Leser auch auf das Gespräch vom 15. Mai 1962, Bd. 3, S. 134ff, wo Mutter ebenfalls auf eine drohende Verfälschung von Sri Aurobindos Lehre durch tantrische Machenschaften zu sprechen kommt.