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Mutters

Agenda

fünften Band

15. Januar 1964

(nach einem langen Schweigen)

Es besteht ein merkwürdiger Übergangszustand im materiellsten Bewußtsein, dem Bewußtsein des Körpers. Ein Übergang von einem Zustand der Unterjochung, der Machtlosigkeit, in dem man die ganze Zeit Kräften, Schwingungen, unerwarteten Bewegungen und allen möglichen Impulsen ausgeliefert ist – zu dem der Macht: die Macht, die sich durchsetzt und verwirklicht. Es ist der Übergang zwischen den beiden; und ein Schwall von Erfahrungen aller Bereiche, angefangen vom mentalsten Teil des Bewußtseins bis zu seinem dunkelsten, materiellsten Teil.

Wenn ich etwas sagen will, stürmt unmittelbar von überallher ein Schwall von Dingen auf mich ein, die gesagt werden wollen und sich überstürzen – was mich natürlich am Sprechen hindert.

Ein merkwürdiger Zustand...

Der Übergang von einer fast totalen Machtlosigkeit – eine Art Fatalität wie die Auferlegung einer Gesamtheit von Determinismen, wogegen man nichts ausrichten kann, die einen überwältigen – zu einem klaren, definierten Willen, der, SOBALD er sich ausdrückt, allmächtig ist.

(Schweigen)

Als ob man sich auf einem schmalen Grat zwischen zwei Abgründen bewegte...

(langes Schweigen)

Es ist unmöglich auszudrücken...

Dieses Erfahrungsfeld schließt auch das physische Mental ein: alle mentalen Konstruktionen, die sich direkt auf das Leben und den Körper auswirken; dort besteht ein beinahe unbegrenzter Erfahrungsbereich. Und alles nimmt nicht etwa die Form einer Spekulation oder eines Gedankens, sondern einer Erfahrung an. Ich gebe dir ein Beispiel, damit du mich verstehst. Dabei werde ich dir die Sache nicht so erzählen, wie sie sich ereignete, sondern so, wie ich jetzt weiß, daß sie ist... In Frankreich gibt es jemand sehr Ergebenen, der als Katholik geboren wurde und der sehr krank war. Er schrieb mir, um mich zu fragen, was er tun solle; er sagte, daß die Menschen um ihn natürlich wollten, daß er die letzte Ölung empfange (sie glaubten, er würde bald sterben), und er schrieb mir, um mich zu fragen, ob dies einen Einfluß auf den Fortschritt seines inneren Wesens ausübe und ob es absolut nötig sei, daß er dies ablehne. Ich wußte nichts von alledem (Mutter hatte den Brief noch nicht empfangen), aber ich hatte hier eine Erfahrung: ein Priester und Ministranten kamen, um mir die letzte Ölung zu geben! (In dieser Form stellte es sich mir dar.) Sie wollten mir die letzte Ölung geben, und so sah ich mir das an – ich wollte sehen, ich sagte mir: "Schauen wir mal, bevor ich sie verjage, wollen wir sehen, was es ist ..." (warum sie kamen, war mir nicht klar, verstehst du; jemand hatte sie geschickt, und sie waren gekommen, um mir die letzte Ölung zu geben – ich hatte nicht den Eindruck, besonders krank zu sein, aber so war es halt). So sah ich mir das aufmerksam an, anstatt sie wegzuschicken, um zu erfahren, ob es Wirkkraft habe, ob diese letzte Ölung den Fortschritt der Seele stören und sie an alte religiöse Formationen fesseln könne. Ich beobachtete, und ich sah, wie fein und dünn, wie kraftlos es war, und ich sah klar, daß sie nur Macht hatte, wenn der Priester, der sie verabreichte, eine bewußte Seele war und wenn er es bewußt machte, in Verbindung mit einer inneren Macht und Kraft (vitaler oder sonstiger Art), daß es aber, wenn es eine gewöhnliche Person war, die "ihren Beruf ausübte" und das Sakrament mit dem üblichen Glauben und nichts mehr verabreichte, völlig harmlos war.

Und sobald ich es einmal gesehen hatte, löste sich die ganze Geschichte auf (wie auf einem Bildschirm), es war vorbei. Es war nur gekommen, damit ich dies erkenne. Aber es stellte sich mir auf diese Art dar, um mir zu ermöglichen, wirklich aufmerksam zu beobachten, nicht als mentale Betrachtung sondern als Vision und Erfahrung. Unmittelbar danach empfing ich den Besuch des Papstes! Der Papst (Paul VI.) war nach Pondicherry gekommen (er hat wirklich die Absicht, nach Indien zu kommen), er war nach Pondicherry gekommen, und er hatte darum gebeten, mich zu sehen (materiell völlig unmögliche Dinge, nicht wahr, die aber ganz einfach und einleuchtend waren). Darauf sah ich ihn. Er kam, wir trafen uns dort drüben (im Musikzimmer), und wir sprachen wirklich miteinander. Ich fühlte den Mann vor mir deutlich (Geste, als ob ihn Mutter berühre), ich fühlte, wer er war. Und der Gedanke beschäftigte ihn sehr, was ich den Leuten über seinen Besuch sagen würde: die Enthüllungen über seinen Besuch. Ich sah dies, sagte aber nichts. Schließlich sagte er zu mir (wir sprachen Französisch, er hatte einen italienischen Akzent, aber all das entspricht natürlich keinem Gedanken, sondern es waren wie Bilder in einem Film), er fragte mich: "Was werden Sie den Leuten über meinen Besuch erzählen?" Darauf schaute ich ihn an (innere Kontakte sind konkreter als Bilder oder Worte), und ich antwortete ihm einfach so, nachdem ich ihn aufmerksam angeschaut hatte: "Ich werde ihnen sagen, daß wir uns eins fühlten in der Liebe, die wir für den Herrn empfinden ...", und es war ein warmes, goldenes Licht darin, außerordentlich! Darauf sah ich, wie sich etwas in ihm entspannte, wie eine Angst, die abfiel, und so ging er weg, in einer großen Konzentration.

Warum kam das so? Ich weiß es nicht.

Jeden Tag kommen eine, zwei, zehn, fünfzig solche Erfahrungen – diese beiden verblüfften mich besonders: Die erste, weil mir Pavitra AM FOLGENDEN TAG sagte, daß mir ein Herr geschrieben habe, um mir die Frage zu stellen, die ich dir erzählt habe: er war sehr krank gewesen, er lag im Bett, todkrank, und er hatte mir deswegen geschrieben.

Das ist merkwürdig.

Und es war kein mentaler Kontakt, der einen wissen läßt, daß er schrieb und all das, nein, es war die Erfahrung – es nimmt immer die Form einer Erfahrung, einer HANDLUNG an: etwas, das zu tun ist und getan wird, oder das zu erfahren ist und erfahren wird. Es ist nie diese mentale Übertragung des gewöhnlichen Lebens.

Der Papst... ich frage mich weshalb? Was ist passiert? Was ist es? Was bedeutet es? Aber die Tatsache sehe ich immer noch; es war eine völlig lebendige Realität: er war groß, in dem Zimmer dort (das Musikzimmer), und es war eine etwas düstere Atmosphäre um ihn, wie eine Art Besorgnis. Aber der innere Kontakt war sehr stark, sehr intensiv. Er ging über den Mann hinaus – über den Mann, über den materiellen "päpstlichen Souverän" hinaus – weit hinaus. Er berührte etwas. Und ich hatte nie an ihn gedacht, verstehst du, nichts.

Und all das passiert AM HELLICHTEN TAG, nicht wenn ich schlafe. Ganz plötzlich. Diese Geschichte passierte mir, als ich gerade mein Bad genommen hatte. Verstehst du, es hat überhaupt keinen Zusammenhang... Auf einmal kommt etwas, das mich in Beschlag nimmt, und dann ist das eine Art Leben, in dem ich lebe, bis etwas getan wird – eine Handlung –, und wenn diese Handlung getan ist, geht alles weg. Es verschwindet, ohne Spuren zu hinterlassen, als ob... (Mutter zieht brüsk eine Blende zu).

Ich erwähne diese beiden Fälle, weil sie neu sind und ein wenig unerwartet waren (zumindest hatten sie keinen Bezug zu meinen Tätigkeiten und inneren Beschäftigungen), aber sie kommen hundertfach! Jeden Tag kommen dreißig, vierzig solche Dinge und nehmen mich in Beschlag, dann versinke ich auf einmal in Konzentration, ich ERLEBE etwas, bis ich gesehen habe, was es zu sehen galt – gesehen, erfahren durch die Vision –, dann, sobald es gesehen wurde, pfft! Weg, fertig. Es ist nicht mehr von Interesse, es ist weg.

Ich gerate während einer gewissen Zeit in eine Art Konzentration, in der ich vollständig zurückgezogen, versunken bin; dann, wenn das vorbei ist, hopp! Es geht unvermittelt weg (Geste, als ob ein Vorhang zugezogen würde).

Es hindert mich nicht daran, meine Aktivitäten fortzusetzen – ich sage dir, ich war dabei, mich nach meinem Bad wieder anzuziehen. Aber dann werden alle Bewegungen beinahe automatisch: das Bewußtsein ist nicht mehr mit seinen Gebärden beschäftigt, dem Bewußtsein obliegt nur noch die Aufgabe der Überwachung, das ist alles.

Aber all das verändert meine Position – meine Position der Welt gegenüber verändert sich. Wie soll ich das nur erklären?... Es ist seltsam.

*
*   *

Kurz danach, unmittelbar vor dem Weggehen

Mehr und mehr gibt es etwas, das sich mitteilen will und sich so ausdrückt: Es ist das Licht der Wahrheit, das für nächsten Februar kommen will 1... (Mutter wiederholt wie eine Inkantation:) das Licht der Wahrheit, die Kraft der Wahrheit, das Licht der Wahrheit, die Kraft der Wahrheit... um den Weg für die Manifestation der höchsten Liebe vorzubereiten.

Doch das ist für später.

Aber unmittelbar bevorstehend: das Licht der Wahrheit, die Kraft der Wahrheit. Es wird präziser.

Ich hatte nicht daran gedacht. In meinem Kopf war es völlig blank [leer]. Ich wußte von überhaupt nichts. Und dann kam das.

 

1 Am 29. Februar 1964, dem zweiten Jahrestag der supramentalen Manifestation auf der Erde.

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