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Mutters

Agenda

fünften Band

18. Januar 1964

...Heute morgen sah ich S.G., derjenige, der nach Amerika ging, der Kennedy kannte und sogar mit Kennedy über die Möglichkeit sprach, sich offen mit Rußland zu verbünden, um auf die Welt Druck auszuüben, damit weitere bewaffnete Auseinandersetzungen verhindert würden (er hatte gesagt: "Um alle Grenzstreitigkeiten, alle Gebietsstreitigkeiten auf friedliche Art zu regeln", natürlich beginnend mit China und Indien). Kennedy war begeistert. In der Folge war der russische Botschafter vorgeladen worden, und er hatte mit Chruschtschow telefoniert: begeistert von der Idee (dieser Chruschtschow scheint ein recht guter Mann zu sein). Es sollte während eines Treffens der UNO darüber entschieden werden. Und darauf verläßt Kennedy die Bühne 1...

Aber die Idee wurde von Chruschtschow wieder aufgenommen, und er ist weiterhin ganz begeistert 2 . Es scheint – ich weiß nicht, ob das wirklich wahr ist, weil es Z (ein russischer Anhänger) sagte; aber Z schickte ihm meinen Artikel: "Ein Traum" 3, für die Schaffung eines kleinen "internationalen Zentrums" (ich mag das Wort "international" nicht), und Chruschtschow antwortete: "Diese Idee ist ausgezeichnet, die ganze Welt sollte sie realisieren." Ich weiß zwar nicht, ob das stimmt, aber immerhin scheint der Herr wohlgewogen zu sein. Und dieser S.G. ist sehr eng mit dem amerikanischen Botschafter in Delhi verbunden... Kurz, S.G. schickte mir den neuen Vorschlag – den ersten hatte ich genehmigt, ich hatte sogar meine blessings [Segenswünsche] daruntergeschrieben – nachdem er Nehru aufgesucht hatte: Nehru lud die beiden Botschafter unverzüglich vor 4 . Zu diesem Zeitpunkt legte ich mich recht ins Zeug, und es ging gut voran... Bis jetzt scheint es, daß dieser neue Präsident [Johnson] das fortsetzt, was der andere getan hatte: er ändert nichts... Wir werden sehen.

Wenn das gelingt, wird das der Bemühung um gewaltlose Transformation einen recht konkreten Ausdruck verleihen.

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Kurz danach, bezüglich eines neuen amerikanischen Anhängers

...Ach, sind die eingebildet!... Und aufgebläht von ihrer höheren Verwirklichung – sie wurden auf Erden geboren, um der Erde zu helfen. Sie sind solch guten Willens! Sie wollen der ganzen Welt helfen (ironisch), der Welt helfen. Sie kommen hierher, aber anstatt sich zu fragen, was sie lernen können, kommen sie, um zu HELFEN: Sie kommen, um Ordnung zu schaffen ("es mangelt an Ordnung"!), um die Dinge, die durcheinander sind, einzurenken, um einen praktischen Sinn in diese vernebelten Geister zu pflanzen!...

Die andere Art Selbstgefälligkeit scheint mir noch schlimmer als die amerikanische: die europäische Selbstgefälligkeit. Weil sie sich wirklich für sehr intelligent halten. Die Amerikaner wollen "helfen" – es sind Kinder. Die Abendländer hingegen sind "Weise" des Intellekts; da braucht es einiges, um diese zu erreichen!... Es gibt nichts, das man ihnen beibringen könnte.

Ich habe sehr wenig Kontakt mit diesen Leuten.

Ja, genau. Sie sind eine Festung. Und das gilt für die ganze europäische "Elite".

Besonders die Franzosen, nicht wahr?

Sicher die Franzosen, aber eigentlich in ganz Europa: die Deutschen, die...

Die Italiener halten sich nicht für intellektuell überlegen.

Aber die Deutschen, die Engländer...

Oh, die Engländer, das ist etwas anderes, mein Kind! Alles, was nicht englisch ist, ist nichts wert! (Mutter lacht) Nur die Engländer sind praktisch, nur die Engländer sind intelligent, nur die Engländer verstehen zu leben, nur die Engländer haben Macht, nur die Engländer... Kurz, es gibt nur die Engländer, die Welt sollte angelsächsisch werden – aber wirklich, ich kann sie seit dem Alter von fünf Jahren nicht ausstehen! 5 (Mutter lacht) Ich erinnere mich, daß ich immer sagte: "Aber unsere wirklichen Feinde (als Kind, einfach so, unter uns gesagt), unsere wirklichen Feinde sind nicht die Deutschen: immer waren es die Engländer." Und dann hegte ich, wie Sri Aurobindo, eine große Bewunderung für Napoleon; somit war ich gar nicht gut zu sprechen auf sie wegen der Art, wie sie ihn behandelten.

Ach, nein, die Engländer!... (lachend) Das einzige, was sie in der Weltgeschichte rehabilitiert, ist, daß Sri Aurobindo in ihrem Land studierte. Aber er sagte deutlich, daß während seines dortigen Studiums sein Herz für die Franzosen und nicht für die Engländer schlug.

Oh, die Engländer!... Nein, der englische Dünkel ist überhaupt keine Legende. Wer hat ihnen den eingegeben? Woher kommt das? Vielleicht weil sie im Grunde genommen doch Normannen sind.

Aber sie wurden zu Inselbewohnern, es ist eine Insel.

Ja, wohl vor allem deshalb.

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Addendum

Ein Traum

Irgendwo auf der Erde sollte es einen Ort geben, den keine Nation als ihr Eigentum beanspruchen kann, an dem alle Menschen guten Willens mit einer aufrichtigen Aspiration frei als Weltbürger leben und einer einzigen Autorität, jener der höchsten Wahrheit, gehorchen; ein Ort des Friedens, der Eintracht und der Harmonie, an dem alle kämpferischen Instinkte des Menschen ausschließlich dazu eingesetzt werden, die Ursache seines Leidens und Elends zu bewältigen, seine Schwächen und seine Unwissenheit zu überwinden, über seine Begrenzungen und Unfähigkeiten zu triumphieren; ein Ort, an dem die Bedürfnisse des Geistes und die Sorge um den Fortschritt den Begierden und Leidenschaften und der Suche nach materiellen Vergnügungen und Genuß voranstehen. An diesem Ort können die Kinder aufwachsen und sich ganzheitlich entwickeln, ohne die Verbindung mit ihrer Seele zu verlieren. Unterricht wird erteilt, nicht um Examen zu bestehen oder Zeugnisse oder Stellungen zu erhalten, sondern um schon vorhandene Fähigkeiten zu erweitern und neue hervorzubringen. An diesem Ort werden Titel und Stellungen ersetzt durch Gelegenheiten zu dienen und zu organisieren. Den Bedürfnissen des Körpers wird für alle in gleicher Weise entsprochen, und in der allgemeinen Organisation wird sich die intellektuelle, moralische und spirituelle Überlegenheit nicht durch eine Vermehrung der Vergnügungen und Mächte des Lebens ausdrücken, sondern durch ein Anwachsen der Pflichten und Verantwortungen. Schönheit in allen künstlerischen Formen – Malerei, Bildhauerei, Musik und Literatur – ist allen gleichermaßen zugänglich. Die Gelegenheit, an der Freude, die sie gibt, teilzuhaben, wird nur durch die Fähigkeit jedes Einzelnen begrenzt, und nicht durch seine soziale oder finanzielle Stellung. Denn an diesem Ort ist Geld nicht mehr der unumschränkte Herrscher. Der individuelle Wert des Menschen ist von weit größerer Bedeutung als materieller Reichtum und soziale Position. Arbeit ist hier nicht ein Mittel, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, sondern ein Mittel, sich auszudrücken und seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entwickeln, während man gleichzeitig der Gemeinschaft dient, die dann ihrerseits für den Unterhalt des Einzelnen aufkommt und für sein Arbeitsgebiet sorgt. Kurz, es ist ein Ort, wo die Beziehungen zwischen den Menschen, die sich gewöhnlich fast ausschließlich auf ehrgeizigen Wettbewerb und Kampf gründen, ersetzt sind durch Beziehungen des Nacheiferns, bei dem jeder sich bemüht, sein Bestes zu geben, Beziehungen also der Zusammenarbeit und wahren Brüderlichkeit.

Die Erde ist nicht bereit dazu, ein solches Ideal zu verwirklichen, weil die Menschheit noch nicht genügend Wissen besitzt, um es zu verstehen und es sich zu eigen zu machen, und auch nicht über die bewußte, für seine Verwirklichung unerläßliche Kraft verfügt. Deshalb nenne ich es einen Traum.

Allerdings ist dieser Traum auf dem besten Weg dazu, sich zu verwirklichen, und eben darum bemühen wir uns im Sri Aurobindo Ashram, in einem ganz kleinen Ausmaß, entsprechend unseren beschränkten Mitteln. Die Verwirklichung ist noch längst nicht vollkommen, aber sie nimmt Formen an, und Schritt für Schritt nähern wir uns unserem Ziel, das, wie wir hoffen, der Welt als praktisches und wirksames Mittel angeboten werden kann, aus dem gegenwärtigen Chaos aufzutauchen in die Geburt in ein neues, harmonischeres und wahreres Leben.

 

1 Kennedy wurde am 22. November 1963 ermordet.

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2 Neun Monate später wird Chruschtschow kaltgestellt (am 15. Oktober).

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3 Siehe den Anhang am Schluß dieses Gesprächs.

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4 Vier Monate später starb Nehru (am 27. Mai).

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5 Es sei daran erinnert, daß Mutter eine englische Erzieherin hatte.

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