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Mutters

Agenda

fünften Band

18. Juli 1964

(Mutter übersetzt einen Brief von Sri Aurobindo)

The one safety for man lies in learning to live from within outward, not depending on institutions and machinery to perfect him, but out of his growing inner perfection availing to shape a more perfect form and frame of life... 1

Dies ließ mich etwas sehr Interessantes erkennen... Das menschliche Denken ist stets davon überzeugt (jedenfalls automatisch überzeugt), daß die Dinge "einem Mechanismus folgen" müssen. Man hat instinktiv den Eindruck, daß der Körper einem Mechanismus unterstehen müsse, um geheilt zu werden, um etwas zu verändern.

Zum Beispiel hatte ich in den letzten Tagen eine interessante Erfahrung zur Frage: "Wie wird die Form des Übermenschen sein?"... Alle Auffassungen sprechen von einem Menschen von vollkommenerer Form, aber das stellt nur eine Verbesserung dar. Der Mensch stellt tatsächlich eine radikale Veränderung gegenüber dem Affen dar – aber von welchem Gesichtspunkt aus? Nicht so sehr durch die Form seines Körpers, sondern durch seine MACHT ÜBER DEN MECHANISMUS DES LEBENS. Dieser Idee folgend, erhielt ich eine Bestätigung dessen, was ich gesehen hatte, nämlich daß die Materie plastisch wurde und dem Willen gehorchte. Somit stand jedem eine gewisse Menge an Materie zur Verfügung, der er die erwünschten Formen gab.

Und ich sah, daß es für die menschliche Vorstellungskraft sehr schwierig ist, aus einer Art Versklavung an den physischen Mechanismus herauszutreten. Dies will Sri Aurobindo damit sagen.

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(Vollständiger Text des Briefes von Sri Aurobindo)

Die einzige Sicherheit für den Menschen liegt darin, von innen nach außen leben zu lernen und für seine Vervollkommnung nicht von Institutionen und einer Maschinerie abzuhängen, sondern mit wachsender innerer Vervollkommnung eine vollkommene Lebensform zu schaffen. Durch diese Verinnerlichung werden wir am ehesten in der Lage sein, die Wahrheiten der hohen Dinge zu erkennen, die bis jetzt nur Lippenbekenntnis waren und die wir zu veräußerlichten intellektuellen Konstruktionen gestalteten, wie auch ihre Wahrheit aufrichtig auf unser äußeres Leben anzuwenden. Wenn wir das Königreich Gottes in der Menschheit begründen wollen, müssen wir zuerst Gott kennen und die göttliche Wahrheit unseres Seins in uns selbst sehen und leben; wie könnte sonst eine neue Handhabung der Konstruktionen des Verstandes und der auf Leistung ausgerichteten wissenschaftlichen Systeme, die uns in der Vergangenheit im Stich gelassen haben, es errichten helfen? Gerade weil eine Fülle von Zeichen darauf hinweist, daß der alte Irrtum fortdauert und nur eine Minderheit – Führer vielleicht im Wissen, aber noch nicht im Tun – bestrebt ist, klarer, innerlicher und wahrer zu sehen, müssen wir vorläufig eher die letzte Dämmerung, die das sterbende vom noch nicht geborenen Zeitalter trennt, als die wirkliche Morgendämmerung erwarten. Da der Geist des Menschen noch nicht bereit ist, können die alte Denkart und Methode weiterhin ihre Macht entfalten, und für eine kurze Zeit mögen sie noch zu gedeihen scheinen, die Zukunft aber liegt bei den Menschen und Nationen, die hinter dem falschen Glanz und der Dämmerung zuerst die Götter des Morgens sehen und sich darauf vorbereiten, sich zu geeigneten Instrumenten für die Kraft zu entwickeln, die zum Lichte eines größeren Ideals drängt.

Sri Aurobindo

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(Dann wendet sich die Unterhaltung Satprems Bruder zu. Diese Person wird noch mehrere Male in der Agenda erscheinen, weswegen wir das ihn Betreffende ebenfalls veröffentlichen.)

Ich möchte mit dir über meinen Bruder und meine Schwägerin sprechen. Sie hatten eine innere Öffnung, als sie dieses Buch lasen.

Ja, ich habe es gefühlt.

Und da sie mir sehr nahe stehen, wüßte ich gerne... Ich möchte, daß du sie kennst und ihnen hilfst. Hier ist das Foto von meinem Bruder.

Ah!... Er ist jünger als du.

Sieh an...

Da steckt viel dahinter.

Und das ist seine Frau, eine Russin.

Ah! Sie kenne ich.

Du kennst sie?

Ja.

Was macht er?

Er ist Arzt.

Der ist in Ordnung.

Sehr sogar.

Und dies hier ist das Foto meines Freundes, des Verlegers, der mir bei der Publikation des "Goldwäschers" und des Buches über Sri Aurobindo behilflich war.

Oh, eine bekannte Figur. 2

Hier steckt mehr dahinter (den Bruder betreffend). Da ist viel Substanz, sehr viel.

Er hat etwas Gutes, dein Bruder.

So hat ihn das Buch also berührt?

Es hat ihn... (Geste einer sich öffnenden Mauer)

Er ist ein Mensch, der sich seinem Beruf ausgesprochen hingibt, und er leidet sehr unter seiner zu großen Empfänglichkeit. Er gibt sich seinen Kranken hin, und so schluckt er...

So nimmt er alles auf.

Sobald ein Kranker in seine Praxis kommt, fühlt er, ob er ihn heilen kann oder nicht. Und wenn er ihn heilen kann, verliert er all seine Kraft, er gibt alles dem anderen.

Das macht nichts; was er braucht, ist, empfangen zu lernen, seine Empfänglichkeit zu universalisieren. Genau das, was Sri Aurobindo soeben sagte: diese "Verinnerlichung". Nicht nur von äußeren Mitteln abhängen; sich viel mehr auf den universellen (über den Kopf hinausweisende Geste) als auf den individuellen Willen abstützen; so verfügt man immer über eine unerschöpfliche Quelle, statt von dem abzuhängen, was man ißt, wieviel Ruhe man hat, von diesem und jenem.

Das ist genau die Methode: Seine Empfänglichkeit unbeschränkt ausdehnen und von jenen Kräften abhängen, die dauernd auf der Erde zirkulieren, so daß nur die körperlichste Materialität von der Nahrung und dem Schlaf bedingt wird. Denn selbst das, was man ißt, nährt einen verschieden, je nach Empfänglichkeit und innerer Haltung; es ist eine Fähigkeit, die Kraft aus den Dingen zu gewinnen, und sie kann durch eine Erweiterung der Empfänglichkeit erworben werden.

Er KANN das tun, er kann es.

Nicht wahr, Unterstützung von sich zu weisen, verengt – man sollte großzügig geben und großzügig empfangen.

(Mutter schaut sich das Foto nochmals an)

Er hat eine beträchtliche vitale Kraft... Aber die wahre Lösung liegt in der psychischen Entwicklung. So heilen übrigens die Ärzte, viel mehr als durch Heilmittel – viel mehr. Bei gewissen Ärzten fühlt sich der Kranke unterstützt, geholfen, wenn diese mit dem Kranken in Kontakt treten.

(Schweigen)

Du hast in Frankreich also gute Arbeit geleistet.

(Satprem protestiert, nicht er,
sondern Mutter habe die Arbeit geleistet)

Für mich macht das keinen Unterschied!

Es ist äußerst interessant, denn es wird absolut konkret; es ist kein Gedanke, keine Idee, es ist absolut konkret: Alles, alle Beziehungen mit Menschen sind nichts als Schwingungen. Es gibt nicht "diese" oder "jene" Person, nein, so ist es nicht: Es sind nichts als Schwingungen, mit Stellen und Momenten der Konzentration, mit anderen der Erweiterung und Zerstreuung. Und was extrem interessant ist, ist diese konstante Masse von allen möglichen Schwingungen, die dauernd in Bewegung sind, Schwingungen der Falschheit, der Unordnung, der Gewalt, der Komplikation. Dann, innerhalb dieser Masse, ist so etwas wie ein Regen, ein sehr bewußt gelenkter Regen von Schwingungen des Lichts, der Ordnung, der Harmonie, die eindringen (Mutter deutet Bewegungen von Kräften an), wonach alles Widerstand leistet und aufgerührt wird. Es ist etwas, das immerdar, überall, in jeder Sekunde leidenschaftlich und ungebunden lebt, und dies in einem Bewußtsein... wenn ich das Wort "Liebe" gebrauche, versteht man nicht, denn... DAS ist überall, immerdar, ewig und unwandelbar; nichts existiert als durch DAS und in DEM – tatsächlich existiert im wesentlichen nur DAS. Und innerhalb dieser Masse ist eine Art Kampf, der kein Kampf ist, denn es besteht kein Gefühl von Kampf, sondern es ist eine gegen einen Widerstand gerichtete Anstrengung, eine Anstrengung für die Vorherrschaft der Ordnung und der Harmonie, und natürlich, letztlich, der Liebe (aber dies ist für später) gegen die Unordnung und die Verwirrung. Und in dieser Ordnung (dieser im wesentlichen wahren Ordnung) stellt die Falschheit den größten Widerspruch dar. All das sind aber Schwingungen. Es sind weder individuelle Willensarten noch individuelle Bewußtseinsformen: In ein und demselben individuellen Agglomerat besteht alles nebeneinander, und nicht nur alles, sondern es verändert sich noch dauernd: Das Verhältnis der Schwingungen verändert sich; einzig die äußere Erscheinung bleibt sich selber gleich, aber das ist sehr oberflächlich.

Diese Erfahrung wird so konstant, daß es mir schwer fällt, mich auf die gewöhnliche Wahrnehmung einzustellen.

Wenn du mir zum Beispiel Fotos zeigst, sehe ich das Verhältnis unter den Schwingungen, keinen Charakter mit einem Schicksal (all dies ist nicht mehr wahr; es ist nur noch sehr oberflächlich und sehr relativ wahr, so wie eine Geschichte in einem Roman), sondern das EIGENTLICHE ist eben das Ausmaß, wie die Schwingungen an einem gewissen Ort gruppiert sind und sich zentralisieren und verbreiten je nach der Empfänglichkeit für die Schwingung des Lichts und der Ordnung, und je nach der Verwendung dieses Zellaggregats.

Menschen, die in ihrer Hauthülle, ihrem vitalen und mentalen Ego eingeschlossen sind, geben einem das Gefühl von etwas Künstlichem, Hartem – hart, trocken und künstlich, übermäßig exakt. Das ist verdrießlich, man hätte große Lust, einen Hammer zu nehmen und ihnen eins zu verpassen – das kommt vor!

 

1 Weiter unten geben wir den vollen Text des Briefes.

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2 Er ist die Person, die Mutter im Verlaufe einer Meditation mit Satprem plötzlich erschien (siehe Agenda vom 30. Oktober 1960, Bd. 1, S. 415).

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