Mutters
Agenda
fünften Band
19. August 1964
Mutter sieht sehr müde aus.
Wie geht's?
Das müßte ich eher dich fragen. Man hat mir gesagt, daß es dir nicht gut gegangen sei.
Nein, daran liegt es nicht.
Es herrscht zu viel Verwirrung, zu viel Unordnung. Sehr geschäftige Nächte, zu geschäftig. Und hier zu viel Verwirrung.
Vielleicht ist es ein Erschöpfungszustand.
Es ist eher (für mich, für mein Bewußtsein) eine Lawine von Verwirrung, die mich überrollt, und nicht genug Zeit, um... (wie soll ich sagen?) das alles umzuwandeln, so wie es sich gehörte. Somit wird es ein wenig viel.
Und dann, was man so alles liest... Ich sah Sachen über mich geschrieben, ich vernahm, was die Leute an ihren Seminaren 1 erzählten – genug, um einen ins Grab zu bringen.
Ja, sicher! Ihre Seminare sind lächerlich, ein Haufen Dummheiten – sie "lehren" die Leute Sri Aurobindo!
So ist es.
Sie verwenden Worte ohne das Bewußtsein, ohne Wissen und Macht, somit ist es Geschwätz, und ein unerfreuliches Geschwätz noch dazu.
Ja, so ist es.
Wie Bharatidi sagt, sie hören sich gerne reden.
Aber ganz genau, sie hat vollkommen recht.
Ich sagte ihnen ohne Unterlaß (weißt du, ich sehe die Qualität der Atmosphäre: Mutter befühlt mit ihren Händen die Luft), ich sagte ihnen, daß alle Leute, die hinzustießen, die Atmosphäre noch wesentlich stupider werden ließen.
Und dann die anderen, diese Leute von der World-Union 2 – vom ersten Tag an lagen sich alle in den Haaren (es waren fünf Mitglieder), und seither haben sie nicht aufgehört, sich zu streiten! Ich sagte ihnen, das sei aber ein komischer Beginn für eine "World-Union" – einzeln sahen sie dies alle ein, und trotzdem stritten sie weiter. Und es dauert immer noch an.
Dieses Mal beschlossen sie, mich zur Präsidentin zu ernennen. Natürlich bat ich sie nicht darum: sie beschlossen das. Und dann zog sich M zurück. Sie schreibt mir heute, um mir zu sagen: "Ich glaube, daß ich in World-Union nichts mehr ausrichten kann." Wenn man beides zusammensetzt, ergibt das ein komisches Bild: die anderen schreiben mir, um mich zu bitten, Präsidentin zu werden, worauf sich M zurückzieht: "Ich kann nicht mehr für World-Union arbeiten."
Es ist jedenfalls ein Durcheinander – weißt du, fast wie Brei.
Aber was die Sache noch verschlimmert, ist die Tatsache, daß zu viele Leute anwesend waren, allzu viele Leute wollen mich sehen – Hunderte und Aberhunderte von Leuten; ich sagte ihnen: "Das ist nicht möglich, es ist materiell unmöglich." Und dann dieser Kleinkram: Unterschriften und nochmals Unterschriften, "blessings" [Segnungen]... Die letzte Nacht war es also schlimm, heute morgen nicht viel besser.
Man muß einfach die Ruhe bewahren und den Sturm vorbeiziehen lassen.
(Meditation)
1 Anläßlich des 15. August, Sri Aurobindos Geburtstag, versammelten sich verschiedene Gruppen von Anhängern in Pondicherry.
2 World-Union: Gruppierung zur Förderung der "Einheit der Welt".